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Auszug aus Wolf Buchwald: "Eytsch" (2004)

Das Buch ist derzeit nur beim Autor gegen Vorkasse von Euro 14,- erh�ltlich (inklusive Versandkosten innerhalb Deutschlands). Kontakt �ber wolfbuchwald@gmx.de (bitte Betreff: Eytsch, da Mails unbekannter Herkunft ansonsten nicht ge�ffnet werden)

 

"Die Natur in ihrer unendlichen Weisheit, hat sie jedem Menschen auf dieser Welt ein Lebensquantum Haschisch zugemessen? Und wenn man dieses Quantum geraucht hat, geht es dann nicht mehr weiter?

Ich wohne jetzt mit Didi in der Usedomer Stra�e, 4. OG. (Immer noch Wedding) Sch�ner gro�er Balkon mit Blick auf den Fernsehturm vom Alex, langer Flur, drei Zimmer und eine ger�umige K�che. In der Kammer s�gen wir mit der elektrischen Kettens�ge Holz f�r den Kupferofen im Bad. Nach dem ersten Winter haben wir uns die Briketts auf den Balkon tragen lassen. Schlimm genug, da� man die vollen Ascheimer vier Treppen runtertragen mu�. Im Sommer ist es herrlich auf dem Balkon zu sitzen, ein sch�nes Glas Chianti (oder auch zwei ) (oder auch drei) dazu ein sch�nes St�ck K�se, frisches Brot kauen, es bleibt lange hell. Jeder zieht seine Dinge f�r sich selbst durch (Didi hat angefangen zu malen und das macht er nicht schlecht) und manchmal ziehen wir gemeinsam einen durch.

So wie heute abend. Didi hat von Henry, dem ausgeflippten Drummer in seiner Band, ein Piece Marokkaner geschenkt bekommen, das sieht wirklich ziemlich gut aus. Ich stelle mein gl�sernes Knallrohr zur Verf�gung, das ansonsten, sauber geputzt in meinem B�cherregal steht, mehr als Erinnerung als da� es benutzt wird. Auch Didi kifft nur noch selten. Die Zeiten des bis-zur-Besinnungslosigkeit-Anballerns sind f�r uns beide vorbei. Deshalb mischt er jetzt auch nur eine behutsame Dosis vom Marokkaner in den Tabak. Ich freue mich darauf, nachher mit einem Asterixheft auf dem Bett zu liegen, Kn�ckebrote mit Quark und Honig neben mir auf einem Tablett und dazu eine Tafel Milka Noisette. Es gibt kaum etwas Sch�neres, als den Abend so genie�erisch und entspannt ausklingen zu lassen.

Aber erstmal sitzen wir bei Didi im Zimmer und rauchen das Knallrohr. Der Marokkaner schmeckt so gut wie er aussieht, er wird uns ein sch�nes High ge-ben. Ich h�re immer noch gerne Pink Floyd, wenn ich mich ant�rne, Didi steht mehr auf h�rtere Rockmusik, also haben wir uns auf Wishbone Ash geeinigt. Nicht zu fetzig, aber genug Gitarrenriffs, die Didi - der Gitarrero - im Geiste mitspielen kann. Das Knallrohr wandert lang-sam zwischen uns hin und her, lange vorbei die Zeiten, wo man dem n�chsten Zug gierig entgegenfieberte und es nicht schnell genug gehen konnte. Nachdem jeder dreimal gezogen hat, ist die Mischung aufgeraucht. Mit einem Streichholz puhle ich Tabakreste und Asche aus dem Kopf des Knallrohrs. Etwas Isopropylalkohol auf ein Blatt Haushaltspapier, das ich vorsichtig durch das Glasrohr drehe, bis es am anderen Ende herauskommt, an der Spitze braun vom Tabakteer. Ein kleiner runder Kiesel dient als Filter, der wird auch sch�n mit Iso saubergewischt. Zum Schlu� den gl�sernen Kopf sorgf�ltig ges�ubert, jetzt kann das Knallrohr seinen Platz im B�cherregal wieder einnehmen.

Der Marokkaner t�rnt so gut wie er aussieht und wie er schmeckt, das merke ich gleich. Alles r�ckt ein St�ckchen weiter weg. Wenn einer etwas sagt, klingt es witziger als es ist, wir kichern ein bi�chen. Auch Didi nickt anerkennend mit dem Kopf, ein feines St�ffchen, das Henry ihm da geschenkt hat. Alles r�ckt noch ein St�ck weiter weg und pl�tzlich finde ich gar nichts mehr witzig. Kalter Schwei� bildet sich auf meinen Handfl�chen, was ist denn los? Alles r�ckt noch ein St�ck weiter weg und ich beginne, mir Sorgen zu machen. Was zum Teufel ist hier los? Didis Gesicht verschwimmt ins Zweidimensionale, ich kann nicht genau verstehen, was er sagt. Alles r�ckt noch ein St�ck weiter weg, ich scheine mich von meinem eigenen K�rper zu entfernen. Den kalten Schwei� auf der Stirn sp�re ich deutlicher, als mir lieb ist. Alles r�ckt noch ein St�ck weiter weg und jetzt greift die hei�e Hand der Panik nach meinem Herz. Was? Ich seh v�llig Schei�e aus? Ob dus glaubst oder nicht, Didi, ich f�hl mich auch so. V�llig Schei�e.

Durch die Panik r�ckt alles noch ein St�ck weiter weg. Ich fange an zu zittern, v�llig unkontrolliert. Kalter Schwei� auf dem ganzen K�rper. Didis aus den Weiten des Weltalls kommende Stimme sagt, ich soll mich hinlegen. Ich lege mich auf sein Bett und fahre sofort wieder hoch. Im Liegen wirds gleich doppelt so schlimm. Ich stehe auf und gehe ein paar Schritte, auch das funktioniert nicht. Ich setze mich wieder hin, zitternd, kalt schwitzend, mich selbst verlierend. Didi best�tigt, da� es sich um ganz normales Haschisch gehandelt hat, er f�hlt sich sch�n anget�rnt, bei weitem nicht unangenehm. Da gehts mir ganz anders. Pl�tzlich tut sich in meinem Bauch ein schwarzes Loch auf, das mich in sich hineinsaugt. Das Nichts. Ich werde f�r im-mer im schwarzen Nichts verschwinden und ich kann gar nichts dagegen tun. Ein kosmischer Staubsauger, der meine Existenz von dieser Erde tilgen will. Hilfe! Didi? Di-Di!!! Mach mir einen Vitamin-C-Drink bitte. Und schnell bitte. So schnell wie du kannst. Und bitte. Mach vorher die Musik aus, ja?

Didi fl��t mir hintereinander drei konzentrierte Ascor-bins�uredrinks ein. Ich w�rde alles, alles tun, um von diesem Schei�-Feeling runterzukommen, aber mehr als Vitamin C f�llt mir nicht ein. Auch Didi ist rat-los. Das schwarze Loch im Inneren meines Bauches saugt nicht mehr ganz so stark. Ich beschlie�e, Didi den Abend nicht vollkommen zu versauen und gehe r�ber in mein Zimmer. Dort setze ich mich aufs Bett, an liegen ist weiterhin nicht zu denken. Ich sitze nur da und bete, da� dieses Feeling irgendwann weggeht. Genau so mu� sich Bernhard gef�hlt haben, damals in Siegburg, als er stundenlang in der T�r zum Garten sa� und kein Wort gesprochen hat. Und wir haben ihm nichtmal Vi-tamin C gegeben!

Nach einer Stunde beherrscht mich dieses grauenhafte Feeling immer noch, das schwarze Loch will mich verschlingen, mich in sich hineinsaugen. Doch die Panik hat sich etwas gelegt. Ich kann klarer denken. Alkohol k�nnte helfen, nachdem das Vitamin C nur etwas gemildert hat. Haben wir nicht noch eine halbe Dreiliterflasche Chianti in der K�che? Ich kippe ein Glas. Und noch eins. Und noch eins. Der Alkohol legt sich wie eine Schutzklappe �ber das saugende schwarze Loch. Bis mir die Augen querstehen. Ich falle ins Bett und versinke in erl�sender Bewu�tlosigkeit.

War das mein Lebensquantum, das die Natur mir in ihrer unendlichen Weisheit zugeteilt hat? Wenn ich nachrechne, komme ich auf etwa zwei bis zweieinhalb Kilo Haschisch in zw�lf Jahren. Jetzt ist der Speicher voll. Ich werde in meinem ganzen Leben nie wieder Haschisch rauchen. Siebenundzwanzig Jahre alt." (S. 112-115)

Auszug aus "Eytsch" mit freundlicher Erlaubnis des Autors. Der Autor und die Literaturagentur Mohrbooks bem�hen sich um einen Verlag f�r "Eytsch" (200 Seiten A5). Bis dahin ist es beim Autor erh�ltlich, allerdings nur gegen Vorkasse von Euro 14,- (inklusive Versandkosten innerhalb Deutschlands). Kontakt �ber wolfbuchwald@gmx.de (bitte Betreff: Eytsch, da Mails unbekannter Herkunft ansonsten nicht ge�ffnet werden) oder unter Telefon 030 - 450 88 600.

 

"Da stehen ein paar junge Ara-ber, die ticken ganz sicher Eytsch, aber ich traue mich nicht an sie ran. Ich bin ein unbekanntes Gesicht in der Szene, die haben den Vorteil und die Sicherheit der Gruppe, die linken mich bestimmt ab. Ich rauche eine Zigarette, latsche die Maa�en runter bis zum Winter-feldtplatz und zur�ck. Der U-Bahnhof liegt immer noch leergefegt wie der Siegburger Markplatz Sonntagmor-gen um acht. Hallo! Junkies! Ich will Eytsch kaufen. Wo seid ihr???

Eine weitere Zigarette geraucht, nichts passiert. Die Araber sind verschwunden. Zu bl�d, die h�tte ich doch wirklich mal anhauen k�nnen, schei� auf die Vorurteile. Ist die Szene schon weitergewandert, ist es noch zu fr�h am Tag, soll ich mal zum Kotti fahren? Da gibts n�mlich immer was, eine feste Einrichtung fest in t�rkischer Hand. Aber was soll ich am Kotti? Da kennt mich auch keiner. Ich z�nde mir noch eine Zigarette an. Welch schwachsinnige Ideen mir manchmal in den Kopf kommen. Einfach auf die Szene fahren und mir ein P�ck holen, so l�uft das nicht. Und �berhaupt. Nur weil mir dieses P�rchen in der U-Bahn gegen�ber gesessen hat, mu� ich doch nicht gleich losrennen, um mir Eytsch zu besorgen. V�llig daneben. Ich werde heut abend brav ins Escargot gehen, meine Bierchen trinken, mit H�bi oder Thomas quatschen, vielleicht machen wir mal wieder eine sch�ne Tequila-Plop-Party. Andrea ist bei ihrem Kreuzberger Maler, die treffe ich morgen. Genau. Eine sch�ne Tequila-Plop-Party. Ich habe jetzt lange genug hier herumgelungert. Wozu brauche ich Eytsch?

Da haut mich schr�g von hinten jemand an, ob ich mal eine Kippe f�r ihn habe. Klar doch, sage ich und drehe mich um. Na, wenn das keine �berraschung ist. Cane! Alter Gauner. Was machst du denn hier?

Cane sieht nicht mehr ganz so frisch aus wie fr�her, aber an mir sind die Jahre bestimmt auch nicht spurlos vorbeigegangen. Er tickt schon lange kein Haschisch mehr. Hat eine Zeitlang als Roadie gearbeitet, ist durch halb Europa getourt, war sogar mal mit dem Tro� der Stones unterwegs. Was bei denen abl�uft, kannst du dir gar nicht vorstellen, ich k�nnte dir Geschichten erz�hlen. Aber im Moment leider keine Zeit. Cane wohnt jetzt in Steglitz, zusammen mit seiner Freundin, und die wartet auf ihn. Komm schon, sage ich, eine Tasse Kaffee ist wohl noch drin nach all der Zeit, ich lade dich ein. Nee, wirklich, sagt Cane, geht nicht, ich bin schon zu sp�t. Was stehst du eigentlich hier rum?, fragt er, ich hab dich schon vor ner halben Stunde gesehen. Ich wollte mir n P�ck Eytsch kaufen, sage ich. Cane klopft mir auf die Schulter. Das h�ttest du auch gleich sagen k�nnen. Warum kommst du nicht mit zu mir, Alter?

Steglitz, Berlinickestra�e, mit Blick auf die S-Bahn. Billie wartet wirklich schon. Eigentlich hei�t sie Sybille, aber sag selbst, ist das nicht ein furchtbarer Name? Ich bin doch keine Modezeitschrift. Billie ist h�bsch, lange schwarze Haare, die glatt bis weit �ber die Schultern fallen, braune Augen, dunkler Teint, ihre Apfelbr�ste tanzen verf�hrerisch unter dem T-Shirt. Sie ist arbeits-los, genau wie Cane. Das Geld vom Arbeitsamt reicht f�r den ein oder anderen Wochenenddruck. Cane wirft ein P�ck auf den Glastisch im Wohnzimmer, ein weiteres P�ck h�lt er mir hin, gib f�nfzig.

Billie kommt mit einem Glas Wasser und dem geschw�rzten L�ffel aus der K�che. Sie ist richtig hei� auf den Druck und arbeitet sehr konzentriert, bis die Spritze aufgezogen ist. Bindet sich mit einem Lederg�rtel den Arm ab, ihre Venen sind noch tadellos. Ich �berlege noch, ob ich mir hier eine Nase reinziehe oder doch besser warte, bis ich wieder zuhause bin, da liegt sie schon mit geschlossenen Augen schr�g auf der Couch, ein seliges L�cheln umspielt ihren Mund. Cane schnappt sich die achtlos auf den Tisch geworfene Spritze, zieht ein paar mal Wasser auf und dr�ckt es zur�ck ins Glas, bis das Wasser rosig gef�rbt ist von Billies Blut. Dann macht auch er sich einen Druck. Billie hat die Augen wieder auf, da gehen seine zu. Nicht f�r lange, grade genug, um den Flash zu genie�en. Und was mache ich jetzt?

Sag mal, habt ihr noch eine unbenutzte Spritze? Haben sie nicht. Aber ich kann mir ja eine auskochen, wenn ich Schi� habe. Das hat nichts mit Schi� zu tun, sage ich, aber, naja, du wei�t schon. Stehe am Herd, lege die Spritze in einen Kochtopf mit Wasser und lasse es aufkochen, zehn Minuten lang, sicher ist sicher. Billie und Cane sitzen im Wohnzimmer und plaudern an-geregt, schmieden Pl�ne f�r den Rest des Wochen-endes. Mir klopft das Herz bis zum Hals, die Saite in meinem Inneren vibriert wie verr�ckt. Mein er-ster Druck!

Ich ziehe drei Einheiten Wasser auf und spritze sie vorsichtig in den L�ffel. Dann klopfe ich aus dem aufgefalteten P�ck etwas Eytsch dazu. Reicht das? Wenn du clean bist, reicht das allemal, sagt Cane. Ein paar Tropfen Zitronensaft dazu. Ich halte den L�ffel �ber das Feuerzeug, nicht l�nger als eine halbe Minute, dann brodelt die Mischung schon, das Eytsch hat sich aufgel�st, hellbraune Br�he schwimmt im L�ffel. Ein bi�chen Watte, zwischen Daumen und Zeigefinger zu einem kleinen B�llchen gedreht, kommt in die Mischung. Die Spitze der Kan�le dr�cke ich sacht in das Watteb�llchen und ziehe die Mischung hoch. Jetzt ist die Spritze fertig. Ich hab das noch nie gemacht, sage ich, hilfst du mir mal?

Cane bindet mir den G�rtel um den Oberarm und schn�rt zu. Meine Venen springen raus wie Pipelines, die sind nun wirklich nicht zu verfehlen. Trotzdem klopft Cane mehrmals mit der flachen Hand auf meine Ellenbeuge, ganz die routinierte Arzthelferin bei der Blutabnahme. Er beugt sich vor, seine Zungenspitze zwischen den Lippen, die Spritze schwebt �ber meinem Arm. Will ich das? Will ich das wirklich? Ich nicke Cane zu. Die Kan�le flutscht mir in die Vene, ein kleiner Pieks, den ich gar nicht sp�re vor Aufregung. Ich l�se den G�rtel vom Oberarm und lasse ihn einfach fallen. Cane lupft den Kolben der Spritze ein kaum sichtbares St�ck. Ja. Da bl�ht das rote W�lkchen in der Mischung auf. Ich dr�cke jetzt ab, sagt Cane. Okay, sage ich, dr�ck ab, Mann, mach schon. Der Kolben gleitet in einem einzigen geschmeidigen Zug hinunter und leert den kompletten Inhalt der Spritze in meine Vene.

F�r einen sehr kurzen, sehrsehr kurzen Moment steht die Welt still. Dann explodiert eine Sonne in meinem Kopf. Glei�end hell �berschwemmt mich pures Gl�ck, es ist fast nicht auszuhalten. Ich ringe nach Atem, bekomme kaum Luft, soviel Sch�nheit und W�rme und Licht war noch nie. Und alle Sch�nheit und W�rme und alles Licht str�mt in Sekundenbruchteilen bis in den letzten Winkel meines K�rpers. Ich bin ganz und gar ausgef�llt mit einzigartiger Klarheit und W�rme und Licht, reinstes Gl�ck, die pure Gl�ckseligkeit, und Licht und W�rme, und alles ist klar, so klar wie ein funkelnder Diamant. Alle �berfl�ssigen Fragen und Zweifel sind f�r immer und vollkommen vernichtet. Ewige W�rme. Pure Gl�ckseligkeit.

Die Explosion in meinem Kopf ist verebbt. Cane und Billie grinsen mich an, als ich die Augen aufschlage. Haut m�chtig rein, der erste Druck, oder?, fragt Cane. Whow, sage ich, was f�r ein Hammer.

Ich f�hle mich euphorisch wie nie. Jetzt wird mir der Unterschied zwischen Eytsch und Methadon klar. Wobei mein K�rper schlaff ist und tr�ge von all der W�rme, am liebsten w�rde ich in diesem Sessel liegenbleiben bis ans Ende aller Tage. Aber jetzt mu� ich rauchen, das unb�ndige Verlangen nach einer Zigarette. Wie w�rs, wenn ich mir zwei oder drei gleichzeitig anz�nde, es schmeckt so gut. W�hrend ich rauche, kann ich die Augen kaum aufhalten. Immer wieder sinken mir die Lider runter und ich gleite ins warme, dunkle Nichts, sinke ins Kissen satter Zufriedenheit, w�hrend das Opiat in sanften warmen Bahnen durch meinen K�rper zieht." (S. 136 -140)

Auszug aus "Eytsch" mit freundlicher Erlaubnis des Autors. Der Autor und die Literaturagentur Mohrbooks bem�hen sich um einen Verlag f�r "Eytsch" (200 Seiten A5). Bis dahin ist es beim Autor erh�ltlich, allerdings nur gegen Vorkasse von Euro 14,- (inklusive Versandkosten innerhalb Deutschlands). Kontakt �ber wolfbuchwald@gmx.de (bitte Betreff: Eytsch, da Mails unbekannter Herkunft ansonsten nicht ge�ffnet werden) oder unter Telefon 030 - 450 88 600.

 

" J�rgen ist der erste und einzige Besucher, seit ich angefangen habe zu dr�cken. Das liegt nicht etwa daran, da� meine Wohnung verwahrlost w�re. Im Gegenteil. Wenn die Opiattr�ume, die berauschenden Phantasien des Mohns schwinden, wenn ich vom Bett wieder aufstehen kann, w�rde ich mir gerne den n�chsten Druck setzen, um sofort ins Traumparadies zur�ckzukehren. Aber das geht nicht. Das kann ich nicht zulassen. Das darf ich mir selbst nicht gestatten, mu� meine Gier im Zaum halten. Die Tagesration teile ich �u�erst sorgf�ltig ein. Wie ein verschissener B�rokrat. Es ist die nackte Angst. Der Horror vor dem Entzug. Jener Sonntag ist mir eine Lehre gewesen. Das darf mir nie wieder passieren.

Eine Steigerung der Tagesration ist nicht m�glich. Zweihundert Mark pro Tag ist die Grenze, die ich nicht �berschreiten darf. Also. Wenn die Opiattr�ume verklungen sind, wenn ich wieder aufstehen kann, k�mmere ich mich um die Wohnung. Das Radio dudelt und ich putze die K�che, den schmalen Flur, meine Raumschifftoilette und das Zimmer. So sauber war meine Wohnung noch nie. Mein heiliges Eytschrefugium, mein Tempel, den au�er mir niemand betreten darf. Ich verlasse den Tempel nur noch, um zum Mehringdamm zu fahren und Mounir zu treffen. J�rgen bleibt der einzige Gast meines Tempels.

Finanziell voll am Anschlag. Das Geld von der Kran-kenkasse reicht nicht mal zehn Tage. Die beiden Sparb�cher sind seit Monaten leerger�umt. Ich habe alle nur m�glichen Leute angepumpt. Weit �ber zwanzig-tausend Mark Schulden, von denen ich nicht wei�, wie ich sie jemals zur�ckzahlen soll. Und dann ist pl�tzlich niemand mehr da, den ich noch um Kredit angehen k�nnte.

Der erste Tag, als ich bei Mounir von hundert auf zweihundert Mark erh�ht habe, war ein himmlischer Tag. Herrlichste Stunden herrlichster Tr�ume. Ich kann mich gehenlassen. Kein Rechnen, kein Rationieren. Am n�chsten Tag, als Mounir wie immer Punkt sechzehn Uhr anruft, sogar noch ein betr�chtlicher Rest in meinem Briefchen. Und am �bern�chsten Tag auch. Doch der Vorrat wird von Tag zu Tag kleiner. Bis ich mich an die Zweihundertmarksration gew�hnt habe. Das geht so ein, zwei, drei, vier Wochen gut. Bis ich mi�trauisch werde. Dieser verdammte Mounir. Er verschneidet pl�tzlich das Eytsch. Der Stoff wird von Tag zu Tag schlechter. Ich dr�cke f�r zweihundert Mark Eytsch und bekomme nichts mehr daf�r, gar nichts. Ich kann nicht mehr still sitzen, ich bin nerv�s, von Opiat-tr�umen auf dem Bett keine Rede. Dieser verdammte verfluchte Schei�libanese.

Aber der zuverl�ssigste Dopelieferant aller Zeiten verschneidet das Eytsch nat�rlich nicht. Es gibt eine ganz einfache Erkl�rung. Ich mu� die Dosis erh�hen. Mein K�rper hat die Zweihundertmarksration akzeptiert, mein Stoffwechsel hat diese Ration integriert. Wenn ich mehr will, wenn ich den Rausch will, wenn ich tr�umen will, dann mu� ich erh�hen. Mu� aufh�ren zu rechnen und zu rationieren. Aber das geht nicht. Finanziell lebe ich voll am Anschlag.

Das ewige Gestochere in meinen Venen geht mir auf die Nerven. Der ewige Hassel auf der Suche nach einer Geldquelle geht mir auf die Nerven. Die ewige Fahrt nach Kreuzberg geht mir auf die Nerven. Mounirs treu-herzige schwarze Augen gehen mir auf die Nerven. Mein Eytschtempel geht mir auf die Nerven. Das Eytsch geht mir auf die Nerven. Es wird Zeit, Schlu� zu machen.

Ich lasse einen Luftballon starten und sage Mounir, da� ich demn�chst auf Entzug gehen werde. Ich wei� nicht, wie er reagiert. Immerhin ist er kein Samariter. Zweihundert Mark Umsatz pro Tag haben oder nicht haben, das macht ganz sch�n was aus. Vielleicht bin ich seine einzige Einnahmequelle, wer kann das sagen? Mounir k�nnte �rgerlich werden und versuchen, mich unter Druck zu setzen. Mounir ist zwar nicht gro�, aber breit. Wenn er b�se wird, wird er richtig b�se. Ich habe ihn schon mit dem Messer hantieren sehen und war wei�gott froh, da� es nicht um mich ging. Wie wird er also auf den Luftballon reagieren?

Mounir bleibt ganz ruhig, bleibt ganz gelassen. Ich habe mir v�llig umsonst Gedanken gemacht. Er erz�hlt mir von dem Arzt in Neuk�lln, der ausgewiesenen Junkies Codein verschreibt, ein Fl�schchen pro Tag kann man sich dort holen. Ausgewiesenen Junkies? Schau dich doch an, sagt Mounir. Dem mu�t du nicht mal deine Arme zeigen, der braucht dir doch nur ins Gesicht zu gucken. Da haben schon Leute, die weit weniger drauf waren als du, ihr Codein bekommen. Du wirst doch nicht wahnsinnig sein und auf kalten Entzug gehen. Er gibt mir die Adresse des Arztes und dr�ckt mir das Eytschb�llchen in die Hand. Bis morgen um vier. Erleichtert fahre ich mit der U-Bahn nach Hause. Diese Seite der Angelegenheit w�re also gekl�rt.

Lissa ist f�r ein paar Wochen mit ihrer Tochter in Berlin. Sie wohnt bei einer Freundin in der Antwerpener, gleich um die Ecke. Bisher konnte ich eine Begegnung mit ihr vermeiden, habe den Kontakt auf Telefonate beschr�nkt. Jetzt besuche ich sie. Ihr f�llt die Kinnlade runter. Meine G�te, Wolf, wie siehst du denn aus? Mir gelingt nur ein schwaches Grinsen. Naja, wie die Dinge eben so laufen. Lissa ist ausgesprochen sauer. Da� ich ihr nichts erz�hlt habe am Telefon. Da� ich auf Eytsch bin. Lissa will mit dem ganzen Zeug nichts mehr zu tun haben. Junkies sind f�r sie der letzte Dreck. Sie hat nicht vergessen, da� ich ihr in Amsterdam die Metha-donpillen geklaut habe. Hast du in letzter Zeit mal in den Spiegel geguckt? Wenn du Geld willst, kannst du dich gleich verpissen, das sage ich dir. Nein, nein, kein Geld. Ich gehe auf Entzug. Und brauche vielleicht ein wenig Unterst�tzung. Du wei�t doch, wie das ist.

Nein, sagt sie resolut, ich wei� nicht, wie das ist. Und will es auch gar nicht wissen. Warum gehst du nicht in die Klinik? Ich werde dir auf keinen Fall Eytsch besor-gen oder sonst irgendwas, wenn du in deiner Bude liegst und nach Gift schreist. Nein, sage ich, das will ich ja auch nicht. Nur vielleicht mal eine kleine Besorgung. Damit ich wen habe, den ich anrufen kann. Jemanden, der sich auskennt. Dem ich keine Geschichten erz�hlen mu�. So eine Art psychologische Unterst�tzung. Ich will wirklich Schlu� machen mit dem Zeug. Lissa denkt eine Weile nach. Also gut. Du kannst mich anrufen. Aber wenn ich nur einen Ton h�re von Losrennen und Gift besorgen, dann ist der Ofen aus. Sofort. Ich kenne Lissa so gut. Ich wei�, wie sie denkt. Mit der Geburt ihrer Tochter hat sich das Leben f�r sie grundlegend ge�ndert. Das Gift, wie sie es nennt, geh�rt f�r immer der Vergangenheit an. Das macht Lissa zu einer strategisch wichtigen Verb�ndeten, falls mich R�ckfallgel�ste befallen. Erleichtert gehe ich nach Hause. Diese Seite der Angelegenheit w�re also gekl�rt.

Ich sage Mounir, da� unser n�chstes Treffen unser letztes sein wird. Ich kaufe jede Menge F�nf-Minuten- Terrinen und Milkaschokoladetafeln, Soleroeis f�rs Tiefk�hl, eine halbe Staude Bananen, lege einen Selters- und Orangensaftvorrat an. Eine Stange Zigaretten. Am n�chsten Tag w�nscht mir Mounir viel Gl�ck, viel Erfolg. Du hast doch noch die Adresse von dem Arzt in Neuk�lln? Ja, die habe ich.

Mein letztes Eytschb�llchen. Mounir wird nicht mehr Punkt sechzehn Uhr anrufen, das hat er versprochen und das wird er auch halten. Ich teile meine letzte Ra-tion Eytsch in zwei Briefchen auf. Bei einem kalten Entzug sollte man langsam runterdosieren. Und genau das habe ich vor. Einen kalten Entzug. Schei� auf Co-dein und anderen Selbstbetrug. Ich habe bisher zwei kalte Methadon- und einen kalten Eytschentzug durchgemacht. Da werde ich diesen wohl auch noch schaffen. Ein Briefchen verstecke ich vor mir selbst im Geschichtswerk des Herodot. Das andere kommt in Das Leben der Caesaren von Sueton, in dem ich meine Briefchen immer versteckt habe. Mit dieser Aufteilung schlage ich mir ein Schnippchen. Eigentlich hatte ich geplant, das zweite Briefchen bei Lissa zu deponieren, damit es noch schwerer erreichbar ist. Aber so, wie sie drauf ist, kommt das jetzt nicht mehr in Frage. Ich werde es trotzdem schaffen. Das letzte mir verbliebene Eytsch runterdosieren. Wird ja so schwierig nicht sein.

Eine kleine Portion aus dem ersten Briefchen. So f�ngt man an. Es ist ganz leicht. Nur sp�re ich leider nichts. Weniger als nichts. Absolut und �berhaupt gar nichts. Da h�tte ich mir auch pures Wasser dr�cken k�nnen. Nein, so geht das nicht. Ich habe noch zwei Briefchen voll mit Eytsch im Hause und einen harten Entzug vor mir. Warum soll ich mir nicht noch einen letzten, einen richtig guten Druck g�nnen? Mir etwas Gutes tun, bevor ich hinab in die H�lle reise. Ja, genau. Ein letztes Mal richtig zulangen. So bl�d, jetzt schon mit dem Runterdosieren anzufangen. Daf�r habe ich doch das zweite Briefchen.

Selige Opiattr�ume. Das war ein fetter Druck zum Abschlu� meines Junkiedaseins. Danach fange ich gleich mit dem Runterdosieren an.

Hey, wo ist denn das ganze Eytsch geblieben? Ich suche in allen Ecken, doch das Briefchen ist leer. Hm. Wollte ich nicht runterdosieren? Hatte ich nicht einen perfekten Plan? Warum ist dann jetzt dieses Briefchen alle, vollst�ndig leer, kein St�ubchen Eytsch mehr zu finden? Ach ja, ganz vergessen, der letzte richtige Druck. Jetzt geht die Schinderei also los. Jetzt wird diszipliniert runterdosiert. Du willst doch nicht von Zweihundert auf Null runterschalten. Du willst es dir doch nicht schwerer machen, als es ohnehin ist. Na gut. Also eine kleine Portion aus dem zweiten Briefchen. So f�ngt man das an. Es ist ganz leicht. Man mu� nur die Disziplin wahren.

Das ist der absolute Schwachsinn, Wolf. Du hast einen kalten Entzug vor dir und noch ein ganzes Brief-chen voll Eytsch. (Naja, eigentlich nur ein halbes, aber was macht das schon. Jetzt ist doch sowieso alles egal.) Warum sollst du dir nicht noch einen letzten, einen richtig guten Druck g�nnen? Dir etwas Gutes tun, bevor du hinab in die H�lle reist. Ja, genau. Ein letztes Mal richtig zulangen. Mit dem Runterdosieren kannst du danach immer noch anfangen.

Selige Opiattr�ume. Das war ein fetter Druck zum Abschlu� meines Junkiedaseins. Danach fange ich mit dem Runterdosieren an.

Alles verballert. Kein Eytsch mehr vorhanden. Der ganze sch�ne Plan vom Runterdosieren in die Hose gegangen. Aber da sind ja noch die Wattek�gelchen, die Filter, die ich sorgf�ltig gesammelt habe, Dutzende davon. Da steckt noch jede Menge Eytsch drin. Werde ich also mit den Filtern runterdosieren.

S�mtliche Filter ausgekocht und gedr�ckt. Nichts passiert. Da h�tte ich mir auch pures Wasser dr�cken k�nnen. Jetzt bleibt mir nichts anderes mehr �brig, als mich ins Bett zu legen und abzuwarten. Doch so einfach ist das nicht. Eine kalte Hand greift nach meinem Herz. Die Angst vor dem Entzug. Ich rufe Lissa an. Lissa sagt, es ist gut, da� du alle Br�cken abgebrochen hast, da� Mounir nicht anrufen wird, da� du nicht wieder in die Versuchung kommst. Du wirst den Entzug �berleben, soviel steht fest. Da mu�t du jetzt eben durch. Ruf wieder an, sagt Lissa, jederzeit, wenn du es brauchst.

Ein K�rnchen Trost. Ein letzter Verbindungsdraht nach oben zur Erde auf einem endlosen Weg durch die H�lle.

K�rperlos schwebe ich durch Raum und Zeit. Schwebe zur�ck auf die Wiese am Waldrand, wo wir ums Lagerfeuer sitzen und trockenes, aus abgestorbenen �sten geklopftes Holundermark rauchen. Den ganzen Nachmittag haben die Apachen gegen die Sioux gek�mpft, eine tosende, hin und her wogende Schlacht. Wie immer war ich der Kundschafter, der Sp�her, der seine Pfeile aus dem Hinterhalt abschie�t. Der als Er-ster gefangengenommen wird und den qualvollen Tod am Marterpfahl stirbt. Wie immer haben schlie�lich die Apachen gewonnen. Wie immer sitzen wir ermattet und dreckig ums Lagerfeuer, br�sten uns unserer gro�artigen Heldentaten, rauchen Holundermarkzigaretten. Ersch�pfte, hungrige Krieger. In der Glut des Lagerfeuers schmoren gro�e Kartoffeln, bis sie au�en schwarz und verkohlt sind, ihr Inneres aber k�stlich hei�, mehlig und s�� schmeckt.

Der Sp�her, der Kundschafter ist der hungrigste aller Krieger. Er stochert mit seinem Speer in der Glut, bis er auf eine der verkohlten Kartoffeln st��t. Ein Ruck mit der Speerspitze und die Kartoffel rollt aus dem Feuer. Genau vor die F��e des Sp�hers, der sich schon freut, die Kartoffel aufbrechen und mit einem Holunderastl�f-fel auskratzen zu k�nnen. Wie immer kann er nicht abwarten, der ungeduldige Sp�her. Und greift viel zu fr�h nach der Kartoffel. H�llisch hei�. Autsch! Mann, ist das hei�! Auuuutsch!

Wie von straff gespannter Sehne schnelle ich durch Raum und Zeit zur�ck in mein Bett. Schei�e, von wegen Lagerfeuer. Die Bettdecke qualmt. Meine Zigarette hat ein Loch in den Bezug gebrannt und jetzt kokeln die G�nsedaunen. Das Loch ist schon gr��er als meine Hand. Ich springe auf, renne mit der qualmenden Decke in die Raumschifftoilette und drehe die Dusche auf. So eine gottverfluchte Schei�e. Wo steckt die verdammte Kippe? Ich sprinte zur�ck ins Zimmer. Auf dem Bett liegt sie nicht. Auch nicht daneben. Auf dem Boden der Raumschifftoilette w�hle ich in nassen, matschig-schwarzen Daunen, bis ich die Kippe endlich finde. So eine gottverdammte Schei�e. In all der Zeit des Dr�ckens bin ich nicht ein einziges Mal mit der Ziga-rette in der Hand weggenickt. Ausgerechnet am letzten Abend.

Kurz vor Mitternacht hatte ich endg�ltig reinen Tisch gemacht. Alle alten Briefchen, alle Filter, alle Spritzen, den L�ffel, alles in den M�ll. Weg damit. Weg, weg, weg. Jetzt kommt der Entzug. Weg mit den Druckuten-silien. Hatte das Radio angemacht, irgendein Kriminal-h�rspiel, mich ins Bett gelegt und eine Zigarette geraucht. Hatte total untersch�tzt, da� in den Filtern noch soviel Eytsch steckt, um einen cleanen Menschen in den Himmel zu schicken. Aber von Zweihundert auf Null, da merkst du gar nichts im Kopf. Nur der K�rper. Der knickt dir weg. Und schon brennt das Bett. Tausendmal in der Zeitung gelesen. Aber dir. Dir pas-siert sowas nicht.

Es mu� an der Psyche liegen. Normale Junkies laufen in diesem Zustand noch stunden- und tagelang rum auf der ewigen Suche nach Geld, auf der ewigen Suche nach Stoff. Mit triefender Nase, mit aufge-w�hltem Ged�rms, mit ihren schmerzenden Gliedern k�nnen die immer noch U-Bahn fahren, k�nnen alten Omis die Handtasche klauen, k�nnen ihrer Connection hinterherjagen bis ans andere Ende der Stadt. Ich kann das nicht. Sobald das Eytsch anf�ngt, sich aus meinen Zellen zu schleichen, verliere ich mit jeder Minute mehr Energie. Innerhalb weniger Stunden liege ich da wie ein Stein. Saft- und kraftlos, v�llig ausgelaugt, unf�hig, auch nur die geringste T�tigkeit aufzunehmen. Dabei hat der k�rperliche Entzug noch gar nicht richtig begon-nen. Ich w��te, wo ich zu suchen habe. Es gibt ein paar Orte, an denen Mounir regelm��ig auftaucht. Es w�re nicht schwer, ihn dort abzufangen und auf ein weiteres Eytschb�llchen anzuhauen. Doch mein K�rper sagt nein und bleibt liegen. Der Kopf kann denken, so viel er nur will, den schlaffen K�rper kriegt er nicht aus dem Bett. Und eigentlich denkt der Kopf auch nicht daran, diesen K�rper in Bewegung zu setzen. Der Kopf hat schlie�lich eine Entscheidung gef�llt. Schlu�. Aus. Ende. Das wird jetzt gnadenlos durchgezogen. Und wenn du krepierst. Es mu� an der Psyche liegen.

Ich h�tte das wissen k�nnen. Da� dieser Entzug eine andere Qualit�t hat. Von Zweihundert auf Null, so tief bin ich noch nie abgest�rzt. Ich kann nicht essen. Ich kann nicht trinken. Ich kann noch nichtmal eine Ziga-rette rauchen. Sonnenglut zerfiebert den K�rper. Im n�chsten Moment arktische St�rme, die mich in einen Eiszapfen verwandeln. Das Stakkato aufeinanderschla-gender Z�hne. Sofort wieder Sonnenglut. Schwei� flie�t in Str�men. Die arktischen St�rme lassen den Schwei� zu Gletschern gefrieren. Und immer so weiter. Wech-selbad der Gef�hle. Gefrorene Glut. Der schwitzende Eiszapfen. Das Stakkato der klappernden Z�hne.

Soviel K�rperfl�ssigkeit war noch nie. Sie flie�t mir aus allen Poren, aus der Nase, vorne und hinten heraus. Das Eytsch hatte alles gebunden. Auf Opiat gibts keinen Schnupfen und keinen Durchfall. Ohne Eytsch tobt sich der K�rper aus wie ein ungeb�ndigter Strom. Ich w�lze mich in Blut, Kotze und Exkrementen.

Jeder einzelne Knochen steckt in einem Schraubstock. Steckt nicht einfach so in einem Schraubstock. Steckt in einem unmenschlich fest angezogenen Schraubstock. Der unmenschliche Druck dieses Schraubstocks steigert sich mit jeder Minute.

Gn�diger Schlaf deckt alles zu. Gn�diges, traumloses Abtauchen ins schwarze Nichts. Doch kurz, viel zu kurz. Danach wieder hellwach. Dem Entzug ausgeliefert.

Bunte Kreisel vor meinen Augen, als ich mich hinsetze, die F��e schon auf dem Boden. Kraft meines Willens werde ich es schaffen. Kein F�nkchen Energie in meinem K�rper, aber ich mu� diesen Gestank loswerden. Vielleicht schaffe ich es nach dem Duschen sogar, das Bett abzuziehen. Schlimmer als die Kraftlosigkeit ist der Ekel. Dieses ausgeschwitzte, ausgekotzte, dieses aus allen L�chern ausgeflossene Eytsch mu� verschwinden. Schlu�, Aus, Ende.

Wider Erwarten knicken mir nicht die Beine weg, als ich stehe. An der Kommode kann ich mich mit den H�nden abst�tzen. Schritt f�r Schritt arbeite ich mich vorw�rts. Um die Kommode herum, dann bin ich an der T�r. Pause. Durchatmen. Festhalten am T�rrahmen. Ein ganzes St�ck Weg ist geschafft. Ich h�tte es wissen k�nnen. Da� dieser Entzug eine andere Qualit�t hat. Von Zweihundert auf Null, ich mu� v�llig bescheuert sein. Warum habe ich mir kein Codein besorgt?

Jetzt um die T�r rum in den Flur. Kraft, die der Wille schafft. Lichtschalter dr�cken. In der Raumschifftoilette springt der Ventilator an. T�r auf. Ouh, Mann, ist das hell. Ich mu� die Augen zukneifen. Unter den F��en sp�re ich die runden, flachen Noppen des Plastik-bodens. Ich werde nicht ausrutschen und hinfallen. Ich werde duschen. Aber erstmal setze ich mich auf die Toilette und mache ein P�uschen. Schon wieder v�llig na�geschwitzt. Kein F�nkchen Energie in meinem K�rper. Ich mu� diesen Gestank, dieses aus allen Poren und K�rper�ffnungen ausgeschiedene Eytsch ab-waschen, das jeden Quadratzentimeter meiner Haut wie ein klebriger Film bedeckt.

Ich stehe auf und will unter die Dusche gehen. Da ist der Spiegel. Ich werfe einen Blick, nur ganz kurz. Eine eiskalte Hand greift nach meinem Herz. Das gibt es nicht. Das ist nicht wahr! Die eisige Hand h�lt mein Herz fest umklammert und dr�ckt zu. Ich bekomme keine Luft mehr, mu� mich mit zitternden H�nden und butter-weichen Armen am Waschbecken festhalten. Vor mir der Spiegel. Ich kann nicht wegschauen. Aus dem Spiegel grinst mich ein Totensch�del an. Der grinsende Totensch�del des Vaters.

Kein Zweifel m�glich. Graue Haut, die wie Pergamentpapier �ber Stirn, Wangenknochen und Kinn gezogen ist. Schwarze H�hlen, in denen fiebrige Augen viel zu gro� gl�nzen. Z�hnefletschendes Grinsen aus weggeschnittenem Mund. Der Vater ist hier. Er ist nicht tot. Er grinst mich an, winkt mit kn�chernem Arm. Der Vater ist hier. Aus meinem Spiegel grinst er mich an. Das Skelett. Der Vater.

Was willst du von mir, sage ich. Du bist vor dreissig Jahren gestorben, sage ich. Du bist tot, sage ich. Das glaubst du nicht wirklich, sagt der Vater und grinst aus einem Mund ohne Lippen, schwarze L�cken zwischen den Z�hnen. Du bist tot!, schreie ich. Tot, tot, tot!, schreie ich, bis mir die Stimme wegkippt.

Ich fresse dich, Jungchen, sagt der Vater und grinst. Zuerst fresse ich deine Leber und deinen Magen, sagt der Vater, meine hat mir der Krebs weggefressen. Erinnerst du dich? Dann fresse ich dein blutiges Herz. Das brauchst du sowieso nicht, denn du bist tot. Du bist tot, schreit der Vater pl�tzlich. Tot, tot, tot!, schreit der Vater, bis ihm die Stimme wegkippt und er mich nur noch aus schwarzen Augenh�hlen anfiebern kann, Schwei�perlen auf der pergamentenen Stirn.

Das ist nicht wahr, sage ich. Du bist tot und ich lebe. Da mu� der Vater lachen. Er lacht und lacht und lacht. Das nennst du Leben?, sagt der Vater. Nein, Jungchen, so viel Krebs in meinem Leib und doch tausendmal mehr Leben als du. W�lzt dich in deinen eigenen Exkrementen und willst mir etwas vom Leben erz�hlen? Der Vater lacht. Durch den offenen Mund, durch ein Gitter nikotingelber Z�hne kann ich die gebleichten Wir-bel seines R�ckgrats erkennen.

Der Vater ist schnell. Ich will dieses z�hnefletschende Grinsen des Totensch�dels mit einer vollen Geraden zermalmen. Doch der Vater reagiert und f�ngt meine Rechte mit seiner Linken ab. Blitzschnell. Ich lasse einen Hagel von Schl�gen auf das Gesicht des Vaters niederprasseln, doch er f�ngt jeden einzelnen Hieb pr�zise ab. Als w��te er vorher, wohin ich ziele. Der Vater ist ein Teufel. Ein b�sartig grinsender Teufel, der mich ihn nicht schlagen l��t.

Verzweifelt lasse ich die Arme sinken. Kneife die Augen zusammen und schiebe mein Gesicht so dicht an das Gesicht des Vaters, wie ich nur kann. Er zuckt nicht zur�ck, h�lt meinem zornigen Blick stand. Du bist schuld, fl�stere ich. Du bist es, der mein ganzes Un-gl�ck verursacht hat, fl�stere ich. Du elender b�sartiger Teufel. Da mu� der Vater lachen. Er lacht und lacht und lacht. Er lacht so lange, bis sein Lachen ins Hysterische umschl�gt. Bis er kreischt. Er kreischt. Und kreischt. Und kreischt. Schrilles Kreischen, wie ein Fingernagel auf der Schiefertafel. Bis das Kreischen urpl�tzlich abbricht.

Die pergamentene Haut �ber den Knochen, verzerrt zu einer gr��lichen Fratze, starrt mich mein Spiegelbild an. Fiebrige Augen in schwarzen H�hlen. Totensch�delh�hlen. Der Mund ist verschwunden. Weggeschnittene Lippen. Schultern und Hals ohne Fleisch, wie das Gesicht. Spitze Knochen durchstechen die Haut. Der Krebs. Das Eytsch. Ich starre mein Spiegel-bild an. Das bin ich. Der Totensch�del bin ich. Der Totensch�del hinter dem Glas versucht zu grinsen. Es klappt nicht. Nur eine widerliche Grimasse. Der Totensch�del blickt ernst aus seinen H�hlen. Du bist es, der dein Ungl�ck verursacht hat, sagt der Totensch�del. Nein!, schreie ich, das ist nicht wahr. Du hast es immer gewollt, sagt der Totensch�del. Nein!, br�lle ich, das ist nicht wahr. Du triffst die Entscheidungen, sagt der Totensch�del. Nein!, Nein!, Nein!, br�lle ich. Wer sonst au�er dir, sagt der Totensch�del. Du hast es immer gewollt, sagt der Totensch�del. Es war immer ganz allein deine Entscheidung.

Du stinkst wie ein fauliger Haufen M�ll, sagt der Totensch�del. Zeit, erwachsen zu werden, sagt der Totensch�del. Zeit, unter die Dusche zu gehen.

Nach sorgf�ltiger Abw�gung aller mir vorliegenden Fakten steht eins mit absoluter Gewi�heit unumst��lich fest. Es ist besser tot zu sein, als zu leben.

Ich ziehe mir eine Plastikt�te �ber den Kopf und schn�re sie mit den H�nden um den Hals zu. Ich atme ein, bis sich das Plastik �ber Mund und Nase spannt. Ich atme aus. Ich atme ein, bis sich das Plastik �ber Mund und Nase spannt. Ich atme aus. Ich atme ein, bis sich das Plastik �ber Mund und Nase spannt. Mein Herz beginnt schneller zu pochen. Ich atme aus. Ich atme ein, bis sich das Plastik �ber Mund und Nase spannt. Gl�hende Funken vor meinen Augen. Die Lunge brennt. Das Herz rast. Ich atme aus. Ich atme ein, bis sich das Plastik �ber Mund und Nase spannt. Mein K�rper zuckt, die Beine trommeln auf der Matratze. Feurige Kreise vor den Augen. Das Herz wird mir mit gewaltiger Explosion den Brustkorb sprengen. Ich atme aus. Mein K�rper zieht sich zusammen und schnellt wieder auseinander wie eine straff gespannte Feder. Ich atme ein, bis sich das Plastik �ber Mund und Nase spannt. Mein K�rper eine einzige lohende hei�wei�gelbe zuckende Flamme. In meinem Kopf senken sich schwarze Schleier.

Arme und H�nde versagen mir den Dienst. Sie machen sich selbst�ndig und rei�en mir die Plastikt�te vom Kopf. Keuchend und gierig zieht meine Lunge durch den brennenden Hals Sauerstoff ein. Ich sinke zur�ck ins Kopfkissen.

Mein Gro�hirn will, da� ich sterbe. Mein Kleinhirn sagt, ich mu� leben. Das Kleinhirn hat die �lteren Rechte. Es ist st�rker. Eins steht unumst��lich fest. Es ist besser tot zu sein, als zu leben. Wie �berliste ich dieses verdammte Kleinhirn?

Tag und Nacht dieses Grauen.

Dieses verdammte Kleinhirn hungert nach Zucker. Ich habe alle verf�gbaren Milkaschokoladetafeln verschlungen, in mich reingestopft wie ein Bekloppter. Alle Soleros verputzt. Hallo Lissa! Kannst du mir einen Gefallen tun? Da oben in der Br�sseler, fast Ecke L�tticher, da gibts doch diesen B�cker. Der hat die besten Donauwellen hier in der Gegend. Die Mandelh�rnchen sind auch ganz in Ordnung. Und Lissa? Wenn du schon auf dem Weg bist. Bring doch ein paar Soleros mit, ja?

Das Grauen will einfach nicht enden.

Mann, du stinkst wie ne Kloake, sagt Lissa, packt ihren Einkauf auf meinen K�chentisch und schiebt die Soleros ins Tiefk�hl. Nur von S��igkeiten kannst du dich nicht ern�hren, sagt Lissa. Verfluchter Plastikfra�, sagt Lissa angesichts meines bisher unangetasteten Vorrats an F�nf-Minuten-Terrinen. Du gehst unter die Dusche und ich mach dir eine anst�ndige Suppe, sagt Lissa. Und zieh nicht so eine Fresse, sagt Lissa, wer Donauwellen vertilgen kann, vertr�gt auch eine anst�ndige Suppe nach Hausmacherart. Wenn sie ihrer resolute Tour drauf hat, ist es unm�glich, Lissa zu widersprechen.

Wo ist das Grauen? Hat Lissa es etwa vertrieben?

Hei� dampft die Suppe im Teller. Ich wu�te nicht, da� eine Suppe so aromatisch, so phantastisch duften kann. Vorsichtig f�hre ich den L�ffel zum Mund. Ahhh, wie k�stlich das riecht. Dieses verdammte Kleinhirn giert nach dem Zucker. Aber dem Salz ist es auch nicht abgeneigt. Ich schl�rfe die Br�he vom L�ffel. Hei� rinnt es mir die Kehle hinab. Schmeckt gro�artig, sage ich. Dann hau rein, sagt Lissa, du siehst aus wie der Tod auf R�dern. Drei Tage hast du jetzt rum, sagt sie, wars schlimm? Naja, sage ich, die Atombombe w�r schlim-mer gewesen. Ich p�ppel dich hier aber nicht auf, damit du gleich wieder losrennst, sagt Lissa mit diesem Un-terton in der Stimme. Du h�ltst mich wohl f�r einen kompletten Idioten, sage ich. Hast du schon mal in den Spiegel geguckt?, fragt sie.

Das Grauen hatte nur eine kurze Auszeit genommen. Jetzt ist es wieder da.

Ich habe die Duschwanne bis obenhin mit hei�em Wasser gef�llt. Zu bl�d, da� ich keine Badewanne zur Verf�gung habe. Das w�rde die Angelegenheit betr�chtlich vereinfachen. So mu� ich mich verrenken und quetschen, bis ich halbwegs im Wasser liege. Die Klinge vom Teppichmesser liegt gut zwischen Daumen und Mittelfinger. Mit dem Zeigefinger bringe ich den ganzen Druck der Hand, des Arms auf die Klinge. Ja, ich wei�, da� man nicht quer schneidet. Nur mit einem m�glichst langen Schnitt l�ngs den Arm hoch �ffnet man die Pulsadern korrekt.

Warum f�llt es mir nur so schwer? Das Grauen sitzt mir im Nacken wie eine riesige schwarze Spinne mit tausend Beinen. Ich w�rde alles, alles tun, um diesem Grauen endlich zu entkommen. Also los. Im hei�en Wasser sp�rst du den Schnitt kaum. Mach schon. Du hast es doch im Spiegel gesehen. Dreissig Jahre, jetzt werd endlich erwachsen. Sei ein Mann. Los jetzt. Nein, das tut doch weh. Bist du verr�ckt? Du hast die unglaublichen, diese tagelangen Schmerzen des von Zweihundert-auf-Null-Entzugs auf dich genommen und jetzt willst du mir was von ein paar Minuten Wehtun erz�hlen? Mach schon. Tu es!

Ein langer, scharfer Schnitt. Blut quillt hervor und verteilt sich im Wasser, M�ander aus gewundenen rosafarbenen Schleiern. Jawohl. Dieses war der erste Streich. Jetzt nimm dir die andere Seite vor. Mach schon, los jetzt. Vertreibe das Grauen f�r immer.

Die Klinge rutscht mir aus den Fingern. Hin und her schaukelnd gleitet sie durchs Wasser zu Boden. Ich will sie greifen, will sie vom Boden aufklauben, aber ich kriege sie nicht zu fassen. Mir wird �bel. Das Schw�chegef�hl breitet sich, vom Magen ausgehend, �ber den gesamten K�rper aus. Ich kotze Lissas gute Suppe ins Wasser.

Mann. Wenn du richtig geschnitten h�ttest. Dann g�bs hier keine verdammten M�ander aus gewundenen rosafarbenen Schleiern, so ein Schwachsinn. Wenn du die Schlagader wirklich getroffen h�ttest. Dann w�rde die rote Suppe nur so aus dir rauspumpen. Aber du hast keinen Mumm, du willst ja gar nicht erwachsen werden, du Schlappschwanz. Dann scher dich doch wieder zur�ck in dein verdammtes Bett. La� dich bis ans Ende deiner Tage vom Grauen sch�tteln. Und wenn du schon auf dem Weg bist. Dann schau doch noch mal in den Spiegel. Vielleicht bringst du wenigstens daf�r den Mumm auf.

Das Grauen bleibt. Gro�hirn an Kleinhirn: Gratuliere. Du hast gewonnen. Wir werden weiterleben.

Nach einer Woche gehe ich zum ersten Mal wieder auf die Stra�e. Die Stra�e stinkt. Keine Luft, keine Luft, eine einzige dicke, stinkende Abgaswolke. Autos r�hren vorbei, unglaublicher, nervt�tender L�rm, der pl�tzlich anschwillt, sich in teuflischer Kakophonie mir ins Ohr fr�st, dann wieder abschwillt. Das Trommelfell bleibt sekundenlang bet�ubt. Bis zum n�chsten Auto. Menschen hetzen hierhin, hetzen dorthin, ziellos, planlos hetzen sie in ihren abgelaufenen Schuhen an mir vorbei mit gesenkten K�pfen. Grelle Fassaden und Werbeschilder stechen ins Auge, pieks und pieks und pieks. Eine Flut unverdaubarer Sinneseindr�cke, ganz egal, wohin ich gucke, wohin ich rieche, wohin ich h�re. Als h�tte ich ein Jahr im Dschungel verbracht. Die Stadt erhebt sich vor mir wie eine undurchdringliche Wand. Ohne Opiat mu� ich mich in den Quecksilberterminator verwandeln und in diese Wand hineingehen. Bis die Wand, diese Stadt mich aufgesaugt, mich integriert hat und ich wieder ein Teil von ihr bin.

Der Engel �ffnet die T�r und schaut mich an. Entsetzen, eine Spur Trauer, eine Spur Freude, ungl�ubiges Staunen, Hoffnungsschimmer, ihr Gesicht spiegelt die widerspr�chlichsten Empfindungen. Ich versuche zu l�cheln. Wie w�rs mit einer kleinen Portion von der guten alten menschlichen Zuwendung?, frage ich. Der Engel findet keine Antwort auf diese f�rchterliche Provokation. Kann ich baden?, frage ich. Sie nickt, fassungslos, sprachlos, l��t mich ein.

Jetzt siehst du wieder aus wie ein Mensch, sagt Lissa. Ich schaue ihr zu, wie sie den Koffer packt. Hat sich J�rgen eingentlich mal bei dir gemeldet?, fragt sie. J�rgen? Nein, sage ich, Ewigkeiten nicht gesehen. Lissa f�hrt morgen zur�ck nach Amsterdam. Sie ist im vierten Monat schwanger und heiratet bald.

Ich trage das Grauen ab. Mit dem Spachtel r�cke ich den verseuchten W�nden zuleibe. Abdeckfolie mit Tesakrepp an die Leisten geklebt. Ich schneide und kleistere und streiche Tapeten mit einer B�rste glatt. Schwinge den Pinsel, lasse den Farbroller �ber Rauhfaser gleiten. Teppichboden, zentnerschwer presst er mir die Luft aus den Lungen. Ich schleppe und schwitze und �chze und keuche. Mit jedem Schwei�-tropfen, mit jedem Tag Arbeit verliert das Grauen Kontur. Drei Monate, dann ist es nur noch ein Gespenst. Ein Gespenst der Vergangenheit, das ich mit einer Bewegung der Hand verscheuchen kann." (S. 179 - 198)

 

Auszug aus "Eytsch" mit freundlicher Erlaubnis des Autors. Der Autor und die Literaturagentur Mohrbooks bem�hen sich um einen Verlag f�r "Eytsch" (200 Seiten A5). Bis dahin ist es beim Autor erh�ltlich, allerdings nur gegen Vorkasse von Euro 14,- (inklusive Versandkosten innerhalb Deutschlands). Kontakt �ber wolfbuchwald@gmx.de (bitte Betreff: Eytsch, da Mails unbekannter Herkunft ansonsten nicht ge�ffnet werden) oder unter Telefon 030 - 450 88 600.