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Wozu Kulturkritik?

"Das erste Opfer einer totalitären Herrschaft ist immer die Sprache. Die Sprache wird ihres Inhalts entleert, und mit Ideologie neu aufgefüllt. Das Ziel ist, Menschen zu stigmatisieren, politische Gegner zu identifizieren und mit abwertender Sprache auszugrenzen, um sie zu bekämpfen." (Karina Sainz Borgo, "Nacht in Carracas")

Kulturkritik ist nicht nur kritische Philosophie und auch nicht einfach kritische Theorie, sondern vor allem eine Kritik des Unsinnigen, dem Widersinn in den unmittelbar gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen, durch die ihre Zwischenmenschlichkeit von der Ästhetik einer politischen Vernunft unterworfen wird. Durch deren Sitten im Erleben und Leiden der Menschen wird ihre Selbstwahrnehmung für den Nutzen eines allen gemeinen Verhaltens im Großen und Ganzen zu einem abstrakten Gemeinsinn entstellt und gleichgeschaltet. Von daher ist es nötig, den Unsinn einer politischen Kultur durch das Begreifen und Zutrauen in die Wahrheit der Wahrnehmung ihrer eigenen Welt zu heben und aufzuheben.

Sprache ist das älteste Kulturgut der Menschen, das praktische Bewusstsein ihrer gesellschaftlichen Beziehungen. Wo sie aber im Schatten von Tatsachen nurmehr über verbale Interpretationen verfügt, wo sie über verschiedene Aspekte hierüber nur informiert, wo sie sich im Selbstverständnis von Selbstverständlichkeiten zum moralischen Medium von Selbstbezüglichkeiten entwickelt, da wird ihre Vermittlung zum Ereignis einer übermächtigen Einfältigkeit (siehe hierzu tote Wahrnehmung), zur Selbstdarstellung von Vorstellungen, Bildern und Gefühlen der Selbstwahrnehmung. Darin wird Wahrnehmung auf ihren selbstbezüglichen Nutzen, auf eine Kommunikation von bloßen Interpretationen, Meinungen und selbstgerechten Verbindlichkeiten von allseitig verbürgten Lebenspflichtigkeiten der bürgerlichen Gesellschaft reduziert und dadurch die Grundlagen der gesellschaftlichen Geschichte, die Potenziale der Selbstveränderung der Menschen aufgelöst.

Wo, wenn, weil und solange Sprachlosigkeit herrscht wird darüber denken unmöglich (siehe hierzu Positivismus). Doch auch Sprachlosigkeit lässt sich an ihren Begriffen beweisen, weil sie in sich selbst schon ihren Widersinn darstellen, weil sie sich in sich tautologisch begründen, ihre Aussagen zugleich als Grund für sich behauptet und in ihrer sprachlichen Interpretation ihren wirklichen Sinn abtötet. Solche Begrifflichkeit dreht sich im Kreis unsinniger Worte, die ihre Abstraktion durch ihre unendliche Selbsterweisung verewigen. Wer ihnen auf ihren wirklichen Grund geht, wird die Bemühung einer Beschreibung unsinniger Verhältnisse entdecken, die über die Abwesenheit ihres Wesens, über ihre Nichtigkeit hinwegtäuschen sollen. So hatte schon der Begründer einer kritischen Philosophie (siehe kritische Theorie), Karl Marx, den Begriff des Tauschwerts entzaubert, der als "contradictio in adjecto." (MEW Bd. 23, S. 50) sein grundlegendes Verhältnis, den Warentausch, schon voraussetzt, das er erst begründen will, das seinen Wert durch beliebige Relationen darstellen soll, die lediglich davon künden, was nicht wirklich wahr sein kann. Es ist lediglich der politische Wille des Privateigentums, der sich darin verfestigen soll (siehe hierzu "Krtik der politischen Ökonomie""). So offenbaren auch die Begriffe der Kulturkritik ihren Widersinn, wenn sie sich aus einem bloßen Dazwischensein in ihrer gesellschaftlichen Wirklichkeit begründen, sich aber in zwischenmenschlichen Verhältnissen bestimmt wissen, sich selbst in ihrer Zwischenmenschlichkeit jenseits ihrer wirklichen Verhältnisse als wesentlich menschlich behaupten wollen (siehe hierzu auch "Krtik der politischen Kultur""). Die Welt, in der die Menschen ihre Verhältnisse nur zwischen sich und anderen wahrnehmen können (siehe Dazwischensein), in der sie keine Gegenständlichkeit ihres Lebens finden und empfinden können erscheinen ihnen ihre persönlichen Verhältnisse selbst schon beliebig. Und so wundert es auch nicht, wenn sie am Belieben ihrer Liebe zergehen und für einander auch wirklich gleichgültig werden. Denn darin bleiben sie sich und einander notwendig fremd, können nur einer ihnen fremden Lebenswelt dienen, um ihr Leben zu verdienen. Und solange die Menschen ihr Leben verdienen müssen, können sie nicht als lebende Menschen gesellschaftlich zusammenwirken, keine gemeinschaftliche Wirklichkeit ihres Lebens und keine dem entsprechende Sprache bilden.

Wo Sprache ihre Wahrheit nicht kennt, bleibt sie ohne Wissen und also ohne eine Selbstgewissheit ihrer Ur-Teile. Und Ungewissheit macht Angst, weil sie nichts erklären kann, wo sie sich nicht ihrer selbst vergewissern, sich nicht in ihren Beurteilungen bewahrheiten und durchsetzen kann, sich im Jenseits der Wirklichkeit ihrer gesellschaftlichen Beziehungen und Lebensäußerungen auf irgendeine Selbstgerechtigkeit ihrer Meinung reduziert und daher nur ihre abstrakte Wahrheit in allen Formationen der Selbstwahrnehmung vermitteln kann.

Darin veräußert sie aber lediglich die Not ihrer Sinne und vertauscht sie in die Notwendigkeiten ihrer Masse zu einer abstrakt allgemeinen Not. Darin wird sie zu einer blanken Lebensangst verfestigt. Und darin kann nur die abstrakte Masse einer allgemeinen Selbsttäuschung mächtig werden, weil sie sich durch ihre bloße Form vermittelt, das Grauen ihrer Vereinzelung zu einer allgemeinen Güte ihrer Masse verkehrt, sich darin vereinseitigt und so das Einfältige prominent macht. Ihre Freiheit wird zur Gefahr in ihrer veräußerlichten Allgemeinheit, wenn sie beliebig geworden ist, sich ihr Widerspruch in Wohlgefälligkeiten auflöst, ihre Gefährdung nicht mehr erkennbar wurde. Durch die Abwesenheit ihres sinnlichen Wesens verdoppelt sich dieses in ihrer bloß abstrakten Form, wird unerkennbar und verkannt, zur Formation nichtiger Interessen, zur Macht einer allgemeinen Abstraktion (siehe Abstraktionskraft). Der moderne Kapitalismus ist im Wesentlichen das System einer von sich selbst absehenden Wertbildung, einer sich schon durch ihre bloße Existenz der Menschen erzeugende und sich selbst verwertenden Not ihres Daseins, die sich durch die Ausbeutung der Menschen und ihrer Lebenswirklichkeit in ihrer Existenzverwertung erhält, bestärkt und vertieft.

Wer an Sprache arbeitet, arbeitet auch mit ihr und wird in der Aufbereitung übernommener Begriffe nicht davon absehen können, wie er sie versteht. Worte implizieren Wissen und dieses kann offensichtlich gar nicht ohne Begrifflichkeit, ohne Theorie vermittelt werden. Das praktische Bewusstsein gibt es nicht für sich als "einfache Wahrheit"! Wer an ihm arbeitet wird unmittelbar selbst zum Theoretiker alleine schon dadurch, dass er es befragt, sich Gedanken um seine Wahrheit und seine Täuschungen macht und diese hieraus zum Gegenstand seiner Erkenntnis werden, ihn kritisch werden lassen. Somit geriet natürlich vieles in meiner Auffassung der Begriffe zu einer Darstelllung meiner eigenen theoretischen Arbeiten, zu einer eigenständigen Enzyklopädie. Das Kulturkritische Lexikon hat in diesem Fortschreiten nach den ersten Ausarbeitungen schnell einen Umfang erreicht, der nicht mehr einzudämmen war. Jede Hinterfragung eines Begriffs erläuterte zugleich einen anderen, von dem er sich abwandte. Es war, also ob die Worte im vereinzelten Dasein einer Sprache, die keine Begriffe zu kennen scheint, sich sehr bald zu den Gedanken einfinden, die sie längst enthalten - und dass sie sich hierdurch wie von selbst zu etwas Ganzem zusammenführen als Module eines Denkens, das sich aus dem Verschüttetenden als etwas ganz Neues herausarbeitet, ihre Gesellschaftlichkeit wieder-ent-deckt, die sich ihrer willkürlichen Verwendung schon wie von selbst entgegenstellt. So zeigt sich, dass Sprache nicht bloße Mitteilung oder Information, sondern selbst schon politisch, ein Medium der Politik ist. So enthalten Worte schon bestimmte Auffassungen, Fassungen von Gedanken aus vielen Jahrhunderten und haben hierdurch eine lange praktische Bewährung hinter sich. Die Ideologien der Zeit aber sind modisch und vergänglich. Das merkt man der Sprache an und kann es aufeinander beziehen und durch ihren Sinn deuten, weil ihre Bedeutungen auf das hinweisen, wovon die Sprache selbst oft nur eine politische Form ihrer Bedingtheit darstellt so dass sie auch das Material gesellschaftlicher Kenntnisse und Erkenntnisse bereitstellt, die den alten Traum von der guten Gesellschaft, ihre konkrete Utopie formulieren und mit einem aufgeweckten, einem hierdurch reformierten gesellschaftlichen Bewusstsein revolutionieren und die Erneuerung ihrer gesellschaftlichen Form politisch vorantreiben kann:

"Die Reform des Bewuß;tseins besteht nur darin, daß; man die Welt ihr eigenes Bewuß;tsein innewerden läß;t, daß; man sie aus dem Traum über sich selbst aufweckt, daß; man ihre eigenen Aktionen ihr erklärt. Unser ganzer Zweck kann in nichts anderem bestehn.... als daß; die religiösen und politischen Fragen in die selbstbewuß;te menschliche Form gebracht werden. Unser Wahlspruch muß; also sein: Reform des Bewuß;tseins nicht durch Dogmen, sondern durch Analysierung des mystischen, sich selbst unklaren Bewuß;tseins, trete es nun religiös oder politisch auf." (Marx-Engels-Werke Bd.1, S. 346)

Die Sprache offenbahrt wie von selbst ihre Dialektik, sobald man sie politisch auf ihren Gehalt bezieht und reflektiert (siehe hierzu auch Politik). Ohne Bewusstsein verwendet bietet sie aber auch die Möglichkeit, mit Worten bestimmte Zusammenhänge zu verschleiern. Zugleich zeigt sich in der Zerstörtheit der Sprache, dass an ihr selbst auch gearbeitet werden muss, dass es vielleicht gar keine andere Art der Wissenserarbeitung und -vermittlung gibt, als das Durchdenken der sprachlich vorhandenen Begriffe (und die Aufstellung ihrer logischen Folge) im Zusammensein mit den Fakten des gegenwärtigen Lebens (z.B. auch Statistik). Das Lexikon ist in dieser Reflexion selbst zu einer Sprachanalyse, zu einem Kompendium von Wissensbereichen und zu einer eigenen Form von Kritik und Theorie geworden, die sich hier nun auch in ihrer Vermittlung selbst verstehen lassen will - und zwar im doppelten Sinn als Mitteilung und unmittelbare Anwendung: Zum einen als Information aus den Archiven (vergl. Zitate, Quellen, Erläuterungen, Statistik usw.) und zum anderen im Begreifen der Begriffe in ihrem gedanklichen Zusammenhang als Theorie, die sich dem informellen Gehalt zuwendet und sich selbst darin anschaulich macht, also konkret wird. Es ist dies vielleicht eine neue Art der Theorieentwicklung und -vermittlung, die allerdings nicht ohne ausdrücklich theoretische Zusammenstellung bleiben darf. Die wesentlichen erkenntnistheoretischen Grundlagen hat Karl Marx aus der Ausseinandersetzung mit der Philosophie - namentlich mit Hegel und Feduerbach - entwickelt und diese mit dem Hinweis auf ihre praktischen Voraussetzungen, auf das Material des menschlichen Lebens verwiesen (siehe hierzu Materialismus).

"Der Hauptmangel alles bisherigen Materialismus - den Feuerbachschen mit eingerechnet - ist, daß der Gegenstand, die Wirklichkeit, Sinnlichkeit, nur unter der Form des Objekts oder der Anschauung gefaßt wird; nicht aber als menschliche sinnliche Tätigkeit, Praxis, nicht subjektiv. Daher geschah es, daß die tätige Seite, im Gegensatz zum Materialismus, vom Idealismus entwickelt wurde - aber nur abstrakt, da der Idealismus natürlich die wirkliche, sinnliche Tätigkeit als solche nicht kennt. Feuerbach will sinnliche, von den Gedankenobjekten wirklich unterschiedene Objekte; aber er faßt die menschliche Tätigkeit selbst nicht als gegenständliche Tätigkeit. Er betrachtet daher im "Wesen des Christenthums" nur das theoretische Verhalten als das echt menschliche, während die Praxis nur in ihrer schmutzig-jüdischen Erscheinungsform gefaßt und fixiert wird. Er begreift daher nicht die Bedeutung der "revolutionären", der praktisch-kritischen Tätigkeit." MEW Bd.3, S. 533 bis 535).

"Das praktische Erzeugen einer gegenständlichen Welt, die Bearbeitung der unorganischen Natur ist die Bewährung des Menschen als eines bewuß;ten Gattungswesens, d.h. eines Wesens, das sich zu der Gattung als seinem eigenen Wesen oder zu sich als Gattungswesen verhält. Zwar produziert auch das Tier. Es baut sich ein Nest, Wohnungen, wie die Biene, Biber, Ameise usw. Allein es produziert nur, was es unmittelbar für sich oder sein Junges bedarf; es produziert einseitig, während der Mensch universell produziert; es produziert nur unter der Herrschaft des unmittelbaren physischen Bedürfnisses, während der Mensch selbst frei vom physischen Bedürfnis produziert und erst wahrhaft produziert in der Freiheit von demselben; es produziert nur sich selbst, während der Mensch die ganze Natur reproduziert; sein Produkt gehört unmittelbar zu seinem physischen Leib, während der Mensch frei seinem Produkt gegenübertritt. Das Tier formiert nur nach dem Maß; und dem Bedürfnis der Spezies, der es angehört, während der Mensch nach dem Maß; jeder Spezies zu produzieren weiß; und überall das inhärente Maß; dem Gegenstand anzulegen weiß;; der Mensch formiert daher auch nach den Gesetzen der Schönheit." (MEW 3, Seite 516*f)

Erkenntnis kann nur entstehen, wo die Frage nach ihrer Wahrheit schon in ihrer Wahrnehmung aufgelöst, wo also Täuschung ausgeschlossen ist. Aber Täuschung erscheint heute allmächtig, weil die Medien und Methoden der Wissenschaften selbst schon ihre Wahrnehmung von vorn herein relativieren, sie wie Produkte einer bloßen Gegebenheit (siehe hierzu Positivismus) oder einer Lebenskonstruktion begriffen wissen wollen (siehe hierzu Konstruktivismus), und sei diese auch nur strukturell vorauszusetzen (siehe Strukturalismus). Was durch "täuschend echte" Imagination mit den Algorithmen der "technischen Intelligenz" gemacht werden kann, lässt sich leicht kulturpolitisch normativ verwenden und praktisch jede Persönlichkeit herstellen oder verfälschen. Wer Erkenntnisse nur persönlich machen kann, wird sich jenseits aller gegenständliche Beziehung in zwischenmenschlichen Verhältnissen und den Konflikten ihrer Selbstwahrnehmungen und ihrem selbstgerechten Moralismus (siehe Spießertum) aufreiben müssen - um darin vielleicht eine "wahre Persönlichkeit" mit einer durch ihren Selbstwert abgetöteten Wahrnehmung zu werden (siehe Selbstveredelung).

Vor aller Erkenntnis muss daher schon ein Sinn für Wahrheit durch die Auflösung von Enttäuschungen entwickelt sein, wie er in einer Gesellschaft beliebig austauschbarer Beziehungen zwangsläufig nötig ist. Um die Wahrnehmung als Zeugnis des Lebens zu begreifen musss ihre elementare Beziehung zu ihrem Gegenstand, ihre Empfindung im Verhältnis zu ihren Gefühlen bewahrt und sinnlich bewährt sein und bedarf von daher auch der Analyse einer dem entsprechend politischen Ästhetik, eines Kults der Selbstwahrnehmung in einer Gesellschaft der Selbstgefühle, in der die Ideale über jede Wirklichkeit herrschen (siehe hierzu auch abstrakt menschliche Gesellschaft).

Zwischen den Ideen und ihrer Wirklichkeit herrschen Ideologien, die nicht wirklich wahr sein könen, weil sie keinen Sinn durch sich selbst haben und finden, nichts wirklich empfinden können, weil sie Sinn an sich gegen Sinn für sich, weil sie widersinnig sind, ihren Sinn aus sich selbst folgern und zugleich sich hierdurch begründen. Wahrheit ist die Auflösung von Widersinnigkeiten ihrer Selbstgerechtigkeit (siehe auch Moral) durch die analytische Aufklärung und Erklärung einer tautologischen Beziehung (siehe Selbstbeziehung) von Grund und Folge, die in eine unendlichen Beziehung geraten ist. Darin gelten sich Ursache und Wirkung substanziell gleich, sind in ihrer Gleichgültigkeit ausschließlich an einander und durch einander identifiziert und daher wesentlich ununterscheidbar geworden (siehe hierzu auch Positivismus), in ihrer Anwesenheit zugleich abwesend. So besteht der Sinn ihrer Geschichte nur aus bloßen Tatsachen, die sich durch ihre Folgerungen im Verhalten ihrer Verhältnisse begründen und antreiben, sich nurmehr im Trieb ihrer Gewohnheiten als Produzenten und Produkte ihrer Scheinwelt bestimmen und wiederfinden, sich in dem erkennen, worin sie sich schon vor aller Erfahrung kennen (siehe auch Gedankenabstraktion, Realabstraktion).

In Wahrheit gibt es keinen Anfang und kein Ende der Erkenntnis - sie selbst macht Geschichte und ist nur durch sie (siehe hierzu Historischer Materialismus). Bevor ein Einzelnes sich kennt, war es schon in allem gemein von dem, was ist (siehe Sein). Im Glauben an ihre persönliche Selbstverwirklichung verwirklichen Ideologien aber nur den Widersinn einer Selbsttäuschiung über ihre persönliche Identität, eine Täuschung, die nicht enttäuscht sein will und daher in den Absichten einer ihnen fremden und daher verkehrten Wahrnehmungsidentität, aus der Verkehrung ihrer Bewahrheitung gegen das, was sie wahrhat zu sich kommt (siehe auch hermeneutischer Zirkel). Die Umkehr solcher Wahrnehmung kann zunächst nur durch konsistente, also widerspruchsfreie Darstellung ihrer Verhältnisse bewahrheitet werden, aus der auch der Grund ihrer Selbsttäuschung erklärlich wird. Hierdurch wird auch deren Absicht aus der Reduktion ihres Wesens auf die Erscheinungen aus den Tatsachen ihres Daseins deutlich, als Rückbeziehung, als re-ligio auf die Kreisläufe in deren Abstraktionen bezogen.

Ihrem Sinn entsprechend erzeugt menschliche Arbeit nicht einfach nur brauchbare Dinge, nicht irgendeinen Nutzen für die Menschen im Allgemeinen oder für ihre Wirtschaft. Durch ihre Arbeit erzeugen sie ihre Sache, vergegenständlichen sich darin selbst - nicht als reproduzierbarer Mensch, nicht durch irgendeinen Nutzen, etwa für eine abstrakte Wirtschaftlichkeit der Arbeit, für deren Produktivität oder den Konsum. Sie erzeugen vor allem Sinn durch sich und für sich, sinnvollen Nutzen, der nicht einfach nur zum Verbrauch oder zur stofflichen Reproduktion ihres Leben hinreicht, sondern ihr eigenes Leben äuß;ert und gestaltet. Im bloß;en Nutzen könnten sie ihren Sinn für sich nur überwältigen, nicht ihre Natur verwirklichen, sondern sich ihrer Natur nur bemächtigen - nur um zu bewahren, was schon ist, wie und warum es ist. Sie blieben geschichtslose Objekte ihrer Produkte, denen sie ihren Sinn verliehen haben, aber keinen Sinn für sich finden, weil sie sich nur doppelt vernutzt, sowohl als Subjekt wie Objekt eines Herrschaftsverhältnisses ihrer ihnen fremd verbliebenen eigenen Arbeit erkennen müssten (siehe Entfremdung), wenn und solange deren Erzeugnisse nicht in ihrem Leben aufgehen, nicht wirklich für sie wahr werden können.

Herrschaft und Benutzung ist ein Begriff" (Marx in Marx-Engels-Werke Bd.1, S. 339)

Von Nutzen ist. was man brauchen kann und ein Nutzen ist von daher zugleich die optimale wirtschaftliche Zusammenstellung des Gebrauchs. Durch ihn ist Nutzen definiert und damit auch der Verbrauch bestimmt, mit dem der Nutzen zu Ende geht, verbraucht oder abgenutzt ist. Er verschwindet im Nichts, in der Leere einer Beziehung, die schon im Vorhinein durch ihr Ende bestimmt ist. Und dennoch ist er für alles gut, was dem Gebrauch dient, Gebrauchswert hat. Er kommt daher immer leicht an bei dem, für den etwas nützlich ist. Doch es ist eine sinnliche Beziehung, in welcher sich der Nutzen verhält. Wer die besseren Mittel, zum Beispiel eine bessere Maschine oder besser angepasste Fähigkeiten hat, wird aus dem Nutzen mehr beziehen, sich bereichern, wo andere ärmer bleiben oder sogar ärmer werden. Der Nutzen scheidet die Machtverhältnisse und vertieft sie. Aber für sich, also abstrakt von seinen sinnlichen Verhältnisse genommen sieht man hiervon ab. Nützlichkeit erscheint dann selbstverständlich, einfach und allgemein nur noch gegeben, bedingungslos und unbedingt. Und ihr Nutzen ist dann hier wie dort derselbe, weil er in der Abgetrenntheit von seinem Sinn immer eine Verselbständigung in der Beziehung der Menschen betreibt, da im Nutzen für sich immer auch Macht für sich entsteht, wird hierin der Grund oder die Quelle des gesellschaftlichen Reichtums gesehen. In der Kritik an Lassalle schreibt daher Karl Marx:

"Was ist "nutzbringende" Arbeit? Doch nur die Arbeit, die den bezweckten Nutzeffekt hervorbringt. Ein Wilder - und der Mensch ist ein Wilder, nachdem er aufgehört hat, Affe zu sein - der ein Tier mit einem Stein erlegt, der Früchte sammelt etc., verrichtet "nutzbringende" Arbeit." (Karl Marx, Marx-Engels-Werke 19, Seite 16)

Die Bildung nützlicher Dinge geschieht durch den gesellschaftlich gebildeten Sinn der Menschen für ihre Gegenstände, für Menschen wie Sachen. An ihnen erzeugen oder verarbeiten sie Eigenschaften oder verarbeiten Eigenschaften natürlicher Stoffe so, dass sie für die Menschen nützlich sind. Mit der Nutzung jedoch, mit deren Konsum kehrt dieser Sinn zu den Menschen nur so zurück, wie sie darüber verfügen können. Und das ist es wiederum, woraus sich der Sinn für seine Dinge in der Entwicklung der Bedürfnisse fortbildet, ihre Eigenschaften differenziert und in die gesellschaftliche Sinnbildung durch die Produktion und Konsumtion menschlicher Arbeitsprodukte und auch der hierfür einbezogenen Halbprodukte und Dienstleistungen fortführt. Doch für sich genommen, in der Trennung von den geselschaftlich existenten Produkten sind Dienstleistungen nur in einer privaten Haushaltung verselbständigt, nicht gesellschaftlich gegenwärtig.

In der hierin vergesellschafteten Zwischenmenschlichkeit veröden ihre kulturellen Beziehungen und Bedürfnisse; - und sie veräuß;ern daher auch widersinnige Dinge für einen Konsum, der nicht nur durch den Gebrauch, sondern vor allem durch dessen Zeit und Ort in einem von Widersinnigkeiten verödeten Lebensraum entsteht. Im Echoraum ihrer Selbstwahrnehmung entsteht ein eigenartiges Bedürfnis nach Sinn, der nur noch einem Gefühl entspricht, das seine Empfindungen nicht mehr kennt, sich in einer Gefühlswelt verloren sieht, die sinnlos ist, weil sie sich der Selbsterkenntnis durch ihr bloß;es Selbsterleben zwischen sich und anderen verschließ;t (siehe auch tote Wahrnehmung).

Der Reichtum einer jeden Gesellschaft existiert in den Produkten, die ihre Elementarform darstellen. In der bürgerlichen Gesellschaft erscheinen sie als eine Warensammlung. Über die Gebrauchswerte der Waren kommen die Menschen auf sich als gesellschaftlich bedürftige Individuen zurück, denn sie haben ihren Sinn durch ihren Nutzen für die Menschen und deshalb stellen diese sie durch ihre Arbeit her. Während der Nutzen der gesellschaftlich existenten Güter aber vor allem deren wirtschaftliche Wirkung zeitigt, verhält sich deren Sinn vor allem in ihrer Kultur.

Eine Kritik der politischen Kultur wendet sich gegen die kulturelle Funktionalisierung des gesellschaftlichen Reichtums über den Kulturkonsum, der Befriedung der Menschen in einer Eventkultur, die sie über die Verödung ihrer gesellschaftlichen Lebenszusammenhänge hinwegtäuscht und Prothesen der Selbstwahrnehmung durch stetig wechselnde Ereignisproduktionen aus dem Reservoir der Kultur beischafft. Sie besteht aus der Abweisung der Instrumentalisierung einer vorherrschenden Ästhetik der Selbstverwertung in der Masse von Selbstwahrnehmungen und Lebensformen ihres Geltungsstrebens und dem entsprechenden Kulturkonsum in den Selbstgefühlen der Menschen (siehe auch Tittytainment, Menschenpark). Sie besteht aus der Kritik abstrakt menschlicher Sinnlichkeit, um durch deren Erkenntnis eine menschliche Emanzipation hiergegen leben zu können.

Weder als Negation noch als Position kann eine Kritik durch sich selbst wesentlich sein. Sie steht immer im eigenen praktischen Zusammenhang mit ihrem körperlichen Dasein in ihrer Wirklichkeit.

"Die Frage, ob dem menschlichen Denken gegenständliche Wahrheit zukomme, ist keine Frage der Theorie, sondern eine praktische Frage. In der Praxis muß; der Mensch die Wahrheit, d. h. die Wirklichkeit und Macht, die Diesseitigkeit seines Denkens beweisen." (siehe 2. Feurbachthese)

Kritische Gedanken mögen erhellend sein, finden ihre Wahrheit aber erst in der Analyse der Lebenswirklichket, der sie entsprungen sind und auf die sie sich beziehen und worin sich auch Täuschungen über Identität und Nicht-Idntität von Gegensätzen (siehe Dialektik) durch ihren offen gelegten Widersinn erklärlich machen.

Eine Kultur wird politisch instrumentalisiert um sie zur Selbsttäuschung über eine gesellschaftliche Scheinwelt zu nutzen. Wo das Leben der Menschen in den Widersprüchen ihrer Verhältnisse unerträglich wird, da sucht es sich die Illusion. Da herrscht die Täuschung, die Vertauschung der Lebensmomente mit einer abstrakten Allgemeinheit, der Lebensvielfalt mit der Einfalt reduzierter Wahrnehmungen, das Leben durch reizvolle Ereignisse im Reiz des Erlebens, in der Ohnmacht mit der Macht, mit Gott und Vaterland. So kehrt sich Verständkeit gegen Bewusstsein, Vernunft gegen Emanzipation, Selbstwert gegen Selbstachtung - überhaupt Glaube gegen Gewissheit. Es ist immer noch die Form einer Religion, welche die Menschen mit ihrem Unglück verbündet, mit einer abstrakten Bindung im Ungewissen, mit dem Bündnis der Abstraktionen in ihrer Allgemeinheit, durch die alles sein kann, was es in Wahrheit nicht ist.

Kritik ist nötig, um die verkehrten Verhältnisse der bürgerlichen Kultur als das zu erklären, was sie sind: Die Verkehrung des menschlichen Lebens, die Demütigung des Menschen durch seine Lebensverhältnisse. "Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß; der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist." (Karl Marx, "Deutsch-Französische Jahrbücher", Paris 1844), MEW 1, S. 385).

Mit der Kulturalisierung der Gewalten, die das Leben der Menschen beherrschen, sind die Ketten verschönt, vertuscht und übertönt, mit denen sie gefesselt sind. Aber es kann nicht richtig sein, deshalb die Kultur als solche zu kritisieren. Die Kritik der politischen Kultur geht gegen ihre Zwecke, gegen die Politik, die sie betreibt und verwendet.

Kultur ist der Sinn, den Menschen gesellschaftlich in ihren ökonomischen, sozialen und ästhetischen Produkten bilden und äuß;ern und der als ihr Lebensausdruck in ihrem Lebensverhältnis gegenständlich ist. Kultur besteht darin, dass dieser Sinn sich durch die Beiträge der Menschen durch Kritik und Erneuerung entwickelt und verändert. Es wäre aber unsinnig, ihn als Sinn selbst zu kritisieren, weil er vom Leben der Sinne nicht zu trennen ist, kein Gegenstand für sich sein kann. Solange jemand oder etwas Sinn hat, so ist das keine Sache, die sich in ihren Eigenschaften unterscheiden ließ;e, einen Unterschied zwischen einem guten oder bösen Sinn oder seine Abscheidung begründen könnte. Er ändert sich ja selbst beständig durch das praktische Leben, durch seine Vergegenständlichungen, Verrückungen und Verstellungen und Erneuerungen und Verödungen, kurz: durch die sinnlichen Verwirklichungen und Wirklichkeiten im Leben der Menschen.

Die praktische Basis einer jeden menschlichen Gesellschaft ist die Selbstverständlichkeit der Lebenserhaltung der Menschen, die darin zusammenwirken, deren Aufwände für ihre Lebenserhaltung also in einem gesellschaftlichen Verhältnis der Arbeit auf ihre Bedürfnisse bezogen sind. In deren Verhältnisse entwickelt sich ihre gesellschatliche Lebenswirklichkeit als Verhältnis von Notwendigkeit in Freiheit worin dieses zugleich fortgebildet wird, indem es nicht nur reproduziert wird, sondern auch durch die wachsende Vielfältigkeit und Differenzierung seiner Beziehungen bereichert, gesellschaftlichen Reichtum schafft. Die natürliche Beziehung der Menschen ist in solcher Geselschaft die Teilhabe an einem objektiven Verhältnis, in welchem sie einander ergänzen und dessen Synergie sie subjektiv für ihre Fortbildung, für die Geschichte ihre Sinnbildung, ihrer Kultur nutzen. Ihr Auskommen als arbeitende Menschen sollte daher durch ein Einkommen bestätigt und bestärkt werden, das ihre sinnlichen Verhältnisse bewahrheitet, bewährt und bereichert, gesellschaftlichen Reichtum erzeugt und vermehrt. Solange dies gelingt, sind sie einander verträglich und stehen auch ohne ausdrücklichen Vertrag in ihrem Tun und Lassen in Einklang.

Doch Gesellschaft verlangt das Eingeständnis ihrer Notwendigkeit und kann nur durch sie hindurch Freiheit in ihrer Überwindung, in der Verwirklichung der Lebensäuß;erungen der Menschen, in der Vergegenständlichung des menschlichen Lebens finden.

"Der Mensch verliert sich nur dann nicht in seinem Gegenstand, wenn dieser ihm als menschlicher Gegenstand oder gegenständlicher Mensch wird. Dies ist nur möglich, indem er ihm als gesellschaftlicher Gegenstand und er selbst sich als gesellschaftliches Wesen, wie die Gesellschaft als Wesen für ihn in diesem Gegenstand wird.

Indem daher überall einerseits dem Menschen in der Gesellschaft die gegenständliche Wirklichkeit als Wirklichkeit der menschlichen Wesenskräfte, als menschliche Wirklichkeit und darum als Wirklichkeit seiner eignen Wesenskräfte wird, werden ihm alle Gegenstände als die Vergegenständlichung seiner selbst, als die seine Individualität bestätigenden und verwirklichenden Gegenstände, als seine Gegenstände, d.h. Gegenstand wird er selbst. Wie sie ihm als seine werden, das hängt von der Natur des Gegenstandes und der Natur der ihr entsprechenden Wesenskraft ab; denn eben die Bestimmtheit dieses Verhältnisses bildet die besondre, wirkliche Weise der Bejahung. Dem Auge wird ein Gegenstand anders als dem Ohr, und der Gegenstand des Auges ist ein andrer als der des Ohrs. Die Eigentümlichkeit jeder Wesenskraft ist grade ihr eigentümliches Wesen, also auch die eigentümliche Weise ihrer Vergegenständlichung, ihres gegenständlich-wirklichen, lebendigen Seins. Nicht nur im Denken, sondern mit allen Sinnen wird daher der Mensch in der gegenständlichen Welt bejaht." (MEW 40, S. 541).

Gesellschaft ist also nicht nur der wirkliche, sondern immer schon auch der notwendige Lebenszusammenhang der Menschen, wie er sich geschichtlich entwickelt hat und in welcher Form auch immer dieser da ist. Im Dasein der Menschen setzt sich ihr Sein als gesellschaftliche Wirklichkeit ins Verhältnis ihrer Lebenssubstanzen. Von daher ist jedes ihrer Verhältnisse substanziell gesellschaftlich, eine Elementarform ihrer Geschichte, und also immer in einem ganzen Zusammenhang, in dem sie sich ergänzen und fortentwickeln, auch wenn dieser Zusammenhang gebrochen oder widersprüchlich ist, in seiner Wirklichkeit einen Doppelcharakter der Verhältnisse zwischen Bildung und Aneignung, zwischen Arbeit und Bedürfnis entfaltet.

Die Geschichte der menschlichen Gesellschaft ist also immer die Geschichte der Naturmacht des Menschen, die Geschichte der Produktivität seiner Arbeit und der Reichhaltigkeit seiner sinnlichen Beziehungen: Sinn und Nutzen der Verhältnisse des Zusammenwirkens seiner Wirtschaft und Kultur. In den Gesellschaften der Menschen vergegenständlichen sich ihre kulturellen und wirtschaftlichen Beziehungen in den Gegenständen ihrer Wirtschaft und ihrer Kultur. Sie verwirklichen darin ihre sozialen Verhältnisse im Lebensausdruck ihrer Bedürfnisse und als Lebensäuß;erung ihres Arbeitsvermögens in einem, - in der gesellschaftlichen Existenzform der Geschichte ihrer Produktivkraft für ihre Wahrnehmung, im Nutzen ihrer Arbeit für den sinnlichen Reichtum ihre Lebens (siehe hierzu auch historischer Materialismus).

Von daher besteht eine Gesellschaft nicht aus einer Ansammlung von Individuen, die nebeneinander produzieren und konsumieren, auch nicht als Verein bzw. Community von Individualisten, die selbstlos und füreinander frei geschaffene Erzeugnisse hervorbringen, durch die sie einander in gleichem Recht nützlich sind. Und sie ist auch nicht ein Interessensverband von selbstorganisierten Lebensgemeinschaften oder Genossenschaften, die sich im Zweck einer günstigen Bewirtschaftung und Erwirtschaftung ihrer Lebensmittel treffen. Sie ist das notwendige Zusammenwirken der Menschen zum Zweck ihrer Emanzipation aus der Beschränktheit ihrer einzelnen Existenz, die Synergie ihrer Lebensproduktion als Naturmacht, als wirkungsmächtige Lebenserzeugung, als Lebenserhaltung durch ihre gesellschaftliche Ergänzung über die bornierte Selbsterhaltung ihrer bloß;en Zivilisation hinaus, als Naturmächtigkeit ihres sozialen Verhältnisses, ihrer Lebenswirklichkeit in einer menschlichen Kultur.

Menschen äuß;ern ihr Leben, indem sie ihre Sache erzeugen und gestalten, Sinn durch und für ihr Leben haben, indem sie ihre Sinne als Welt für sich vergegenständlichen und somit auch ihre Fähigkeiten und Eigenschaften zu ihrer Sache machen. Es ist ihre eigene Lebensgestaltung, die sie in dieser Welt bilden und aneignen und nutzen, und durch die sie zugleich das Material ihres Leben, ihre Natur bereichern und durch ihre Lebensäuß;erungen zum sinnlichen Reichtum ihrer Kultur aufbereiten und fortbilden. Durch deren vielfältige Inhalte differenzieren sie ihre Lebensverhältnisse und vertiefen, entwickeln und bilden ihre Lebensweise mit ihrer Lebensproduktion fort.

Mit der Globalisierung des Kapitals hat sich eine Weltgesellschaft eines Finanzkapitals entwickelt, das durch Fiktionen über seine Wertdeckung weltmächtig geworden ist. Es bestimmt vor allem die Verhältnisse der Nationalstaaten und ihrer Währungen, die den Zwängen einer Wertrealisierung des fiktiven Kapitals unterworfen sind und die sich selbst vor allem um Zahlungsversprechen und Kreditversicherungen eines Schuldgeldsystems sorgen müssen, um ihr Geld in Wert zu halten. Weil der internationale Geldwert nur noch zu einem Bruchteil real ökonomisch gedeckt ist, wird Geldbesitz selbst zu einem zentralen Verwertungsproblem, das alle Verhältnisse, besonders die der Nationalstaaten zu einander und zu ihren Bürgern und dem Lebensraum ihrer Natur bestimmt. Je vollständiger ihr Vermögen sich nurmehr als frei zirkuliernder Geldbesitz bewegt, wird deren Lebenswirklichkeit selbst zum Material eines konstanten Kapitals, das nicht nur den Wert der Produktionsmittel darstellt, sondern die Menschen selbst zum Wertträger eines fiktiven Kapitals macht, zum Humankapital eines fiktiven Geldwerts, dem sie zu Diensten verpflichtet sind und der sich ihrer über ihren Existenzwert in Dienstleistungsgesellschaften bemächtigt (siehe hierzu mein Buch "Die sinnlose Gesellschaft – Das Humankapital eines fiktiven Geldwerts").

In dieser Geschichte war eine abstrakt menschlichen Gesellschaft als eine Gesellschaft entstanden, die von ihrer eigenen Wirklichkeit absehen muss, von ihren wirklichen Verhältnissen schon abstrahiert, bevor diese zustande kommen. Es ist eine Gesellschaft zwischen allem, was menschlich erscheint, eine,zwischenmenschliche Gesellschaft, die im Prozess einer Negativverwertungden Menschen Lebenspflichtigkeiten auferlegt, welche die zerstörerischen Kräfte ihrer Entwertungsverhältnisse über die Ereignisse einer politische bestimmten Kultur kompensieren müssen. Die Menschen können sich nicht mehr in ihrer unmittelbaren Beziehung als gesellschaftlichen Menschen erkennen, da sich in den zerteilten Sinnbezügen die persönlichen Verhältnisse der zwischenmenschlichen Beziehungen aus dem allgemeinen Verhalten der Selbstgefühle ergeben. So bleibt ihre körperliche Existenz als letztliche - weil allgemeinste - Erscheinungsform ihres Selbstwerts. So wie sie körperlich auch in ihrer isolierten Existenz für einander da sind, so sind sie auch tatsächlich gesellschaftlich verbunden, denn jeder Sinn ist nur durch seine Beziehung auf anderes, auf seinen Gegenstand wirklich sinnlich. Weil in einer abstrakt menschlichen Gesellschaft von daher jeder Mensch als eine ausschließ;liche Persönlichkeit des zwischenmenschlichen Lebens und von daher dem anderen als sinnliche Bedingung seiner zwischenmenschlichen Beziehungen erscheint., gilt ihm seine Körperform auch unmittelbar allgemein menschlich. Denn tatsächlich sind die Sinne im Jenseits ihrer gegenständlichen Wirklichkeit auch auf diese natürliche Basis reduziert: Sie sind in der Lage, durch ihre bloß;e Anwesenheit und Naturbezogenheit ihre natürliche Bestimmtheit zu erfüllem, voneinander zu zeugen und einander zu erzeugen. Aber ihr wirkliches gesellschaftliches Leben wird hierdurch zu einer Scheinwelt ihrer Selbstwahrnehmung, zu einer bloß;en Selbstbehauptung.

Soweit die Wahrnehmung sich als Behauptung ihrer eigenen Wahrheit zu verwirklichen sucht, sich als Haupt ihrer Selbstverwirklichung versteht, reduziert sie sich auf die Selbstwahrnehmung einzelner Personen in selbstbezüglichen Verhältnissen. Sie bleibt von daher eine Wahrnehmung, die nicht erkennen kann, was sie wahr hat, weil sie sich als Behauptung ihrer selbst so wahrnimmt, wie sie sich erfährt, sich selbst so wahrhat, wie sie sich für wahr hält, wie sie sich in den Ereignissen ihres Lebens erlebt, sich so findet und empfindet, wie sie sich darin einfindet. Weil sie daher von sich selbst absehen muss, wo und wie sie sich wahrhat, erlebt sie sich auch nur in der Wahrheit ihrer Absichten, in der Körperform ihres Erlebens, das sie sich einverleibt. Und darin kennt sie sich nur in der abstrakten Einheit des Zusammenhangs ihrer Lebensverhältnisse, in die sie versetzt ist. Sie kann die Gegebenheiten nur so nehmen, wie sie ihr vorausgesetzt sind und ihr voraussetzungslos erscheinen, als bloß;e Ereignisse ja auch wirklich zusammenhanglos auftreten.

Jede Selbstwahrnehmung kann sich daher nur an die Form gewöhnen, wie sie ihre Lebensräume bewohnt und kann ihre Gegenstände daher auch nur so hinnehmen, wie sie ihr gegeben zu sein scheinen. Sie bestärkt und fixiert sich an die Macht, die ihre Verhältnisse schon dadurch inne haben, dass sie ihre Lebensbedingung sind, ganz gleich, wie sich ihr Leben darin geäußert und veräußert hat, ganz gleich, wie und wodurch sie sich selbst entäußert, sich von ihrem eigenen Leben entfernt und entfremdet haben. Solche Wahrnehmung bestärkt sich in der Abstraktion von sich selbst und verkörpert praktisch, wodurch sie objektiv durch das bestimmt ist, was sie nötig hat, was ihre blanke Notwendigkeit zum Leben ist. Sie verleugnet damit die Freiheit, die sie durch ihr Leben selbst schon, durch die Intelligenz ihrer Natur, durch ihre natürliche Intelligenz hat. Indem sie sich in ihrer Selbstbezogenheit, in der sie ihre unmittelbare Wahrheit vermeint auf sich selbst reduziert, reduziert sie ihre Wahrnehmung auf die Bedingungen, die ihr gestellt werden. Es ist im Allgemeinen das Geldverhältnis, die existenzielle Notwendigkeit einer marktwirtschaftlichen Produktionsweise, in der sich die Abstraktionen ihrer Selbstwahrnehmung auch gesellschaftlich aufheben, Menschen für sich so abstrakt werden, wie es ihre Lebensverhältnisse auch wirklich sind. Darin schließlich kann sich jede Erkenntnis nur selbst schon nichten, bzw. schon aufheben, bevor sie wirklich wahr sein könnte.

In solchen Verhältnissen bestätigt sich Wahrnehmung nur in der Verwirklichung ihrer Selbstwahrnehmung, in ihrer Selbstverwirklichung, und wird sich gerade hierdurch nicht mehr wirklich ihrer selbst gewahr. Denn in der Selbstverwirklichung wird die Selbstwahrnehmung in dem Maße aufgehoben, in dem sie sich ihrer selbst in ihren Gefühlen vergewissert, ihre Wahrnehmung auf die Bedeutung ihrer Selbstgefühle, auf die Gewissheit ihres Selbstwerts reduziert. Und dieser kann in Wahrheit nur die Ungewissheit ihrer Existenz sein. So kann darin auch kein wirklich gegenständliches Lebensverhältnis der Menschen wahr sein, sondern nurmehr ein Verhältnis zwischen den Menschen, das seine Substanz aus einer zwischenmenschlichen Wahrheit dieser Gefühle bezieht, aus der Art und Weise, wie sie sich leiden oder nicht leiden können, wie sie sich anregen oder meiden, sich selbst zum Gegenstand für andere machen oder sich von einander ausschließen, um ihre Selbstbehauptung ausschließlich und selbstgerecht zu machen. Aber wie auch immer Selbstwahrnehmung ihrer selbst gewahr wird, sie besteht im Zwiespalt zwischen sich und den anderen: ausschließlich zwischen den Menschen.

Ihre persönlichen Beziehungen werden hierdurch zu einem bloßen Ausdruck ihrer Zwischenmenschlichkeit. Als Substantiv unterstellt ein solcher Begriff dann auch das, was er meint: Das Dazwischensein der Menschen in ihren eigenen gesellschaftlichen Beziehungen: Zwischenmenschlichkeit, als eine Wirklichkeit, in der es zwischen den Menschen schon in ihren persönlichen Verhältnissen etwas gibt, das sich in ihrem wirklichen Menschsein unterscheidet, eine Beziehung zwischen ihnen, die eine eigene Substanz hat, die darin durch ihre Abwesenheit wirkt, durch eine Gesellschaftlichkeit, die nur noch persönlich erscheinen kann, indem sie sich einfach ereignet, Ereignisse bestimmt, die für sich genommen keine wirklichen Eigenschaften haben. Doch was soll da noch zwischen ihnen sein, was hätte noch Platz dazwischen?

Es kann sich hierbei nur um die Wahrnehmung einer Getrenntheit handeln, der Trennung zwischen den wirtschaftlichen und den kulturellen Grundlagen einer Gesellschaft, der Trennung von Nutzen und Sinn ihrer Verhältnisse. Wo Menschen sich nicht mehr über ihre Sache, ihrem Erzeugnis, dem Gegenstand ihrer Tätigkeit beziehen können, weil diese ihnen mehr oder weniger fremd geworden ist, beziehen sie sich aufeinander als Mensch unter Menschen. Ihre Lebensäuß;erung findet so ihren Sinn in ihrem zwischenmenschlichen Leben, im Erleben von Menschen. Und soweit menschliches Leben zwischen den Menschen aus ihrem Erleben von Menschen bezogen und daher substanziell in Erlebnissen wahrgehabt wird, ereignet es sich in den Verhältnissen ihrer Wahrnehmung. Was sie darin wechselseitig miteinander zu tun haben, das ist die Aneignung von dem, was sie von ihrem Menschsein im anderen Menschen finden, was ihnen durch ihre Selbstwahrnehmung in zwischenmenschlichen Beziehungen zu eigen wird. Der Sinn, den sie in den Ereignissen ihrer zwischenmenschlichen Verhältnisse finden, besteht daher in der Empfindung ihres Erlebens.

Ereignisse sind Augenblicke der Begegnung, in der sich Menschen ihr Leben in den Gelegenheiten ihrer Lebensverhältnisse sich so zu eigen machen, wie deren Gegebenheiten es ihnen objektiv erlauben. Der objektive, der gegenständliche Reichtum dieser Verhältnisse, das gesellschaftliche Vermögen, erscheint jenseits seines sachlichen Gehalts in der bloß;en Form seiner gegenständlichen Vermittlung als Geldbesitz, also in der Form der Lebensmittel und Genussmittel als Waren auf den Märkten, die rein zufällig durch das allgemeine Kaufmittel Geld zwischen Angebot und Nachfrage gegeben und vermittelt werden und im unentwegten Wechsel ihrer Zirkulation die Ereignisse und den Ort ihres Auftretens bestimmen, daher wie zufällig in Raum und Zeit auf- und untergehen. Der ungeheuere sinnliche Reichtum, die subjektive Vielfalt der menschlichen Beziehungen, der sich in ihren Begegnungen und Auseinandersetzungen unter dieser Bedingung entfaltet, reduziert sich im bloß;en Erleben daher immer sogleich auf die Gelegenheit, durch die sie objektiv bestimmt sind: auf den Zufall ihrer Anwesenheiten, eben so wie diese im Einzelnen da sind, sich ereignen und in isolierten Ereignissen wahrgenommen werden. Es sind die Begebenheiten in einer allgemeinen Vereinzelung, die ihre gesellschaftliche Wirklichkeit verloren hat, die so für wahr genommen werden. Es ist das Dasein eines isolierten Lebens, wie es unmittelbar und unverbunden individuell erscheint, ein Geschehen ohne Geschichte - eben so, wie es sich an Ort und Stelle ergibt. Hierfür ist es gleich, was es begründet hat, weil es sich körperlich nur als Wahrnehmung hinterlässt und sich nur in ihrer Erinnerung aus ihrem Gedächtnis bewahrheiten kann. Dort wo Ereignisse die Wahrnehmung der Menschen bestimmen ist es die Wahrheit ihrer zwischenmenschlichen Existenz, wie sie sich in ihren Empfindungen bildet und sich in ihren Gefühlen auch fortbilden und einbilden kann.

Hierauf gründen die Selbstgefühle, die in zwischenmenschlichen Beziehungen entstehen. Im Erleben der Menschen unter Menschen erkennen sie vor allem das, was in solchen Ereignissen zwischen ihnen geschieht, was sie von einander und durch einander in dem aneignen und sich einverleiben, was sie von sich in der Anwesenheit von anderen Menschen verspüren, was sie also für sich empfinden und fühlen, wenn sie unter Menschen sind und zwischen ihnen verkehren. Es ist das, was sie von einander als Mensch in ihrem zwischenmenschlichen Erleben wahrhaben und was sie von sich und für sich durch andere erkennen. Es sind ihre substanziellen Erkenntnisse, die sie für ihr Leben hieraus beziehen. Es ist ihre Lebenswahrheit in den Augenblicken ihrer Beziehungen, soweit sie darin auch wirklich selbst vergegenwärtigt sind, soweit sie sich darin wiederfinden und empfinden. Doch weil und soweit diese Empfindungen nur in ihnen bleiben, kann solche Selbstvergegenwärtigung auch nur die Wahrheit ihrer Wahrnehmung in und durch ihre Erlebnisse sein. Darin bewahrt und bewährt sich ihre Beziehung aus der Objektivität zwischenmenschlicher Ereignisse zu ihrer Subjektivität als Inhalt ihrer Erlebnisse.

Was sich aus den einzelnen Erlebnissen bewahrt, vereint sich zu einer Wahrnehmung im Allgemeinen als Bewährung ihrer Empfindungen durch Gefühle, die sie in den Ereignissen ihres Lebens als dessen Sinn nicht nur finden, sondern auch im Gefühl ihres Lebens äuß;ern, also durch ihr Lebensgefühl für sich wahr haben und in ihren Lebensverhältnissen wahr machen, als ihre Kultur erzeugen und reproduzieren. Diese Wahrnehmung ist daher so subjektiv wie objektiv, enthält also auch in ihrer Vereinzelung die Beziehung auf das Ereignis als ihre Empfindung, die als Gefühl in der Erinnerung so verbleibt, wie sie in ihrer Kultur objektiv ist. Sie ist daher die Elementarform der zwischenmenschlichen Beziehung, die sich als Lebensform ihrer Gefühle, als Kultur der zwischenmenschlichen Wahrnehmung in und durch ihre Individualität überhaupt fort bestimmt.

Jede Kultur ist subjektiv das, was Menschen sinnlich gebildet, was sie durch ihr Leben selbst gestaltet haben, was in ihren Sitten und Gebräuchen, in Kunst und Unterhaltung, in Glaube und Wissenschaft, in ihren Gütern und Werkzeugen von ihrem Menschsein, dem Leben von und für Menschen geäuß;ert ist. Indem Kultur das darstellt, was dessen Sinn gesellschaftlich ausmacht, besteht sie als Subjektivität ihrer gesellschaftlichen Verhältnisse, als ihre menschliche Natur im Sinn ihrer Bedürfnisse und in der Art und Weise, wie Menschen sich in ihren Gegenständen, in den Produkten ihrer Tätigkeit auch erkennen können, wie sie sich selbst wahrhaben in dem, was sie wahrnehmen. Die Bedürfnisse ihrer Tätigkeit sind die Basis einer jeden Sinnbildung.

Jeder menschliche Sinn entsteht und besteht darin aber nicht einfach individuell, sondern in seinem ganzen Lebenszusammenhang. In der hier zu analysierenden Kultur besteht er vor allem in der Wahrnehmung selbst, in der Form von Erkenntnissen, die Menschen für sich haben und worin sie auch bei sich bleiben, soweit sie durch ihr Erleben bestimmt sind. Dieser Sinn ist gesellschaftlich zwar nur in den Gefühlen der Individuen wirksam. Ihre Natur verwirklicht sich aber in den Verhältnissen ihrer Empfindungen, in denen sie ihn als Ereignis für sich finden. Die Kultur, mit der wir es hier zu tun haben ist also die Kultur der Ereignisse - eine so genannte Eventkultur. Die Wahrnehmungen darin sind die Resultate einer mehr oder weniger beabsichtigten Ereignisproduktion, einer Veranstaltung von Kultur. Und darin kann ein gegenständlicher Sinn, der Sinn einer Tätigkeit für seine Bedürfnisse ersetzt, selbst zu einem Bedürfnis nach Sinn wirklich werden. Und wo diese gesellschaftlich untergegangen sind, verbleibt dieser allein als Sinn für die Gegenstände des Konsums der Produkte, der sich in einem purem Kulturkonsum äuß;ert, sich in und mit der Ästhetik seiner Kultur verwirklicht .

Indem die Menschen unter der Bedingung der Kapitalverwertung ihren Sinn füreinander durch Geldbesitz veranstalten und wahr haben, beziehen sie sich hierüber auch auf sich, nehmen sie sich selbst objektiv bedingt wahr. Indem sie diesen Besitz nutzen, leben sie durch einander im Nutzen von einander, im Konsum ihrer Kultur. Im Geldbesitz, der über die Mittel ihrer Reproduktion hinausgeht, also einen Mehrwert für ihre Freizeit darstellt, erheben sie sich selbst über ihre Lebensnotwendigkeiten, wodurch sie sich hiervon befreit fühlen. Diese Freiheit ist allerdings sowohl durch das Quantum dieses Besitzes beschränkt, dem Inhalt nach also nur ein Quantum von Möglichkeiten der Selbstwahrnehmung, und davon bestimmt, was andere für sie, für ihre Reproduktion und Freizeit erzeugt haben. Sie werden in solchen Verhältnissen selbst zur Körperform eines Mehrwerts, bilden einen Sinn, der mehr wert ist als ein anderer, und der ihnen zu einem Selbstwert verhilft, der sie über alle Nichtigkeiten und Minderwertigkeiten des gewöhnlichen Lebens hinweg trägt. Objektiv ist das der Sinn eines kapital-notwendigen Wertwachstums, durch den sie gesellschaftlich bestimmt sind und hierdurch die Zusammenhänge in ihren Bedürfnissen so finden und empfinden, wie sie durch deren Kulturereignisse bestimmt werden. Im wirklichen Leben der Menschen ist dieser Zusammenhang aber nichts anderes als eine Fiktion, die als Sinn und Zweck eines fiktiven Kapitals herrscht - als Glaube an eine Zukunft von Spekulationen, vor denen die Menschen in ihre Lebensburgen flüchten, um sie dort schließ;lich für sich auszufüllen. In ihren zwischenmenschlichen Verhältnissen vollzieht sich ihre Sinnbildung durch die Sinnbilder dieser Kultur als Lebenszusammenhang kultivierter Ereignisse in den Bedürfnissen der Menschen selbst, in dem abstrakten Verlangen des Menschen nach dem Menschen.

Die bürgerliche Kultur wird damit zur unmittelbaren Kultur des Kapitals und verfüllt das Vakuum der stofflich gegenständlichen Lebensverhältnisse der Menschen mit einem Sinn, der für sich stehen muss, weil, sofern und soweit die Verhältnisse des Kapitals durch sich sinnlos geworden sind. Von daher handelt es sich hier um die politische Kultur einer durch ihre Kapitalverhältnisse bestimmten Gesellschaft, deren Sache ihr abhanden gekommen ist, weil sie sich nur mehr durch ihren Geldbesitz und seiner Finanzaristokratie als Feudalkapital fort bestimmt. Die Frage ist hier, was die Gesellschaftlichkeit dieser Kultur dann überhaupt ausmachen kann.

"Der Mensch erkennt sich im Menschen" sagt Goethe. "Aber der Mensch, das ist kein abstraktes, auß;er der Welt hockendes Wesen" (MEW 1, S. 378f) sagt Marx. Menschliches Leben ist so natürlich, wie Menschen Sinn durch und für ihre Natur haben. Ihr Leben ist nicht unmittelbar das Leben der einzelnen Menschen, wie man es wahrnimmt, weil natürliches Leben immer schon das Leben der Menschen mit und in ihrer Natur so ist, wie sie es wahrhaben - und weil das menschliche Leben als das Leben eines gesellschaftlichen Naturwesens nicht vereinzelt sein kann. Weil Menschen von Natur aus immer in Gesellschaft sind und sich in Gesellschaft mitteilen und also ihre Mittel teilen, ihr Leiden und ihre Tätigkeit durch ihr gesellschaftliches Leben vereinen, sich durch ihr Zusammenwirken ergänzen und leiden können, ist auch immer schon das gesellschaftlich, was ihre einzelne Wahrheit ausmacht. Was für sie wahr ist, was die Wahrheit für sie ist, die sie nehmen von dem was sie wahrhaben, das ist die Wahrnehmung ihrer gesellschaftlichen Beziehungen, worauf sich ihre Erkenntnisse gründen und wodurch diese letztlich auch begründet sind. Und die können ja letztlich nur natürlich sein.

Das klingt einfach. Doch so unmittelbar wie sie sich aufeinander beziehen, so vermittelt sind die Verhältnisse, die sie hierbei eingehen. Was ihre Wahrnehmung subjektiv ausmacht und worin sie objektiv bestimmt ist, das geht in der Beziehung zwischen dem Erleben und Ereignen nicht so einfach zusammen, weil ihr Leben sich nicht einfach ereignet, nicht so zufällt, wie es schon ist, sondern so erlebt wird, wie es sich zu eigen werden kann. Die Lebensäuß;erungen werden in ihrer Aneignung immer erst durch ihre Vermittlung wahr. Und wenn diese den Menschen in den Ereignissen ihres Lebens auch zufällig erscheinen mag, so bewahrheitet sich in ihrer Wahrnehmung dennoch immer ein ganzer Lebenszusammenhang.

Das Erleben hat daher eine ganz eigenartige Wahrheit, weil sich darin Leben eben nicht nur reflektiert, sondern zugleich über sich hinaus geht, wo und wenn es sich ereignet, wenn es also gesellschaftlich in Form gebracht wird. Worin sich Menschen in und durch ihr Leben wirklich erkennen, das kann nicht irgendeine Wahrheit haben und kann auch nicht einfach für wahr zu nehmen und für sich schon wahr zu haben sein. In der Ungewissheit ihrer unmittelbaren Bezogenheit ist diese nur eine bloß;e Möglichkeit der Erkenntnis. Sie hat ihre Gewissheit, ihre bewussten Inhalte, die gültige Bestimmtheit ihres wissenden Seins durch alles, was in irgendeiner Form darin von ihrer Natur erkennbar ist. Und es scheint von da her nur beliebig zu sein, welches Wissen sich gesellschaftlich verwirklichen und also objektivieren lässt, weil und soweit ihre Verhältnisse ihnen gleichgültig sind, weil und solange sie in ihrer Wirklichkeit für ihr gesellschaftliches Verhalten gleiche Geltung für sich haben, für sich also unwirklich bleiben.

Aber in einer so gleichgültigen Beziehung bleiben die Menschen auch sich selbst gleichgültig, ohne Wahrheit. Es bliebe ihre Wahrnehmung die beliebige Kognition einer formalisierten Natur, menschliches Leben lediglich selbst nur die Körperform von Ereignissen, wie sie sich als solche in Tomogrammen, chemischen Analysen oder genetischen Bestandteilen zerlegen und in ihren funktionellen Assoziationen zwischen Ereignissen und ihren Bedeutungen zeigen ließ;e. Leben wäre selbst nur ein Lebensumstand, ein gegen sich selbst äuß;erliches, entäuß;ertes Leben, das sich nicht wirklich erkennen, seiner selbst niemals gewiss werden könnte und sich leibhaftig fremd bliebe. In bloß;er Selbstentfremdung würde es sich in den Gedankenabstraktionen diverser Geistes- oder Naturwissenschaften auflösen und für beliebige Verwendungen nützlich machen. Ganze Industrien leben davon, dass sie die chemischen, biologischen, produktiven und kommunikativen Bestandteile des Lebens neu zusammenstellen und in dieser Form auf den Markt bringen. Doch ein bewusstes Leben ist immer wissendes Sein, nicht ohne Gewissheit, - Bewusstsein nicht ohne Sinn.

Leben ist immer körperlich und steht von daher auch in der Natur seiner Körper in einem Lebenszusammenhang. Und gerade weil Wahrnehmung ihren Körper niemals wirklich verlassen kann, weil sie eben nicht nur eine Vision oder Vorstellung sein kann, ist sie nicht ohne ihre Lebensverhältnisse zu verstehen, ist sie immer zugleich gesellschaftlich - nicht als bloß;er Naturkörper, sondern als gesellschaftlicher Sinn ihrer Kultur, auch wenn er im einzelnen Menschen nur vereinzelt erkennbar ist, seine Vereinzelung politisch bestimmt ist. Immer erinnert sie sich an das, was sie hiervon verinnerlicht hat, bewahrt sich in der Wahrnehmung, was sie wahr hatte, auch wenn sie ihre Form verändert, selbst wenn und wo sie verrückt wird. Man kann Wahrnehmung eben nicht einfach ohne Folgen unterdrücken oder verdrängen. Deshalb kommt niemand an der Wahrheit seiner Wahrnehmung vorbei. Und deshalb kommt auch niemand an der Kultur vorbei, die sich in und durch ihre Wahrheit äuß;ert.

Lebendige Wahrnehmung kann also nicht irgendein beliebiges Auffassen, willkürliche Reflexion von etwas sein, das Menschen einfach mal so zur Kenntnis nehmen und als ihre Erkenntnis vermeinen können. Die Wahrnehmung "hat ihr Sein" - das heiß;t: sie ist - durch die Sinnlichkeit ihrer Gegenstände ebenso wahr, wie durch die körperliche Existenz des wahrnehmenden Menschen. Sie selbst existiert in und durch ihre Sinne in der Welt ihrer Gegenstände, die sie wahrhat, durch ihre gesellschaftliche Vergegenständlichung in der gegenständlichen Welt ihrer Lebensvermittlung, ihrer Selbsterkenntnis als Erkenntnis ihrer Welt.

Diese entwickelt sich mit der Form des menschlichen Lebens, in der Art und Weise der gesellschaftlichen Verhältnisse, dem Entwicklungsstand der gegenständlichen Lebensäuß;erung der Menschen, der Lebensform ihrer Äuß;erungen als menschliche Kultur, wie immer deren geschichtliches Dasein sich mitteilt und wie unvermittelt dieses auf sie bezogen sein mag. Menschen haben darin nicht äuß;ere Gegenstände, sondern sich in einer gegenständlichen Welt wahr, also auch sich selbst als Gegenstand ihrer Tätigkeiten und ihres Leidens, ihrer Selbsterzeugung durch ihre Arbeit und ihrer Selbsterkenntnis in ihrer Wahrnehmung. Ihr Lebensgenuß; ist ihre Tätigkeit, die sie leiden können, die ihre Gegenstände und Kulturgüter erzeugt, in der sie ihr Leben wiederfinden und empfinden. Doch in einer selbständigen Welt ihrer Wahrnehmungen kann dies nicht für sich bleiben, was es ist. Darin ist ihr Leiden verselbständigt und der Welt seiner Entstehung entfremdet.

Mit der Veräuß;erung ihrer Tätigkeit auf den Märkten der Welt, mit der Entäuß;erung ihrer Produkte von ihrer Produktion, mit der Entfremdung des Menschen von seiner Tätigkeit und seiner Gesellschaft, der Trennung der Arbeit von den Bedürfnissen der Menschen, ist daher nicht nur der Arbeitsprozess von der Selbsterzeugung der Menschen getrennt, sondern auch die Wahrnehmung von ihrer Selbsterkenntnis der Menschen als Produzenzen ihres Lebens. Von daher bleibt auch eine Wahrnehmung, die sich dieser Trennung unterwirft, sich gegen ihre Entfremdung von dem, was sie wahr hat behauptet, eine Selbstbehauptung, die sich gegen ihr Erkenntnisvermögen stellt und sich daher notwendig fremd bleibt, sich in einer Art und Weise behaupten muss, durch die sie niemals auf sich zurückkommen kann. Sie kann sich in dieser Behauptung aber nicht aus der Erkenntnis ihres Lebenszusammenhangs heraussetzen und in ihrer Wahrheit sich nicht von ihren Lebensbedingungen unterscheiden, ohne sich von sich selbst abzuscheiden, ohne sich auf ihre Selbstbehauptung zur reduzieren, sich durch sich selbst nur erklären und klar bekommen.

Doch in ihrer Natur bleibt sie sich immer auch ohne Bewusstsein selbstgewiss, wenn auch nur zu sich, also gegen ihre gesellschaftlichen Beziehungen gekehrt, in sich verkehrt. Doch mit Bewusstsein wird sie gesellschaftlich mächtig und kann sich daher auch gegen ihre Abgeschiedenheit, gegen ihre Formbestimmung verhalten, diese zum Gegenstand ihrer Kritik machen, indem sie sich von der Form ihrer Gegebenheiten selbst unterscheidet, sich inhaltlich auf diese bezieht und ihre Zerteilung zu einer eigenen Gewissheit bringt, sich als Teil eines Ganzen begreift und somit sich in der Ergänzung ihrer Beziehungen auch entwickelt, selbst ganz wird. Die Emanzipation aus ihrer Formbestimmung beginnt mit der Erkenntnis der inhaltlichen Zusammenhänge ihrer Wahrnehmungen und wird sich daher auch notwendig gegen ihre Entfremdung verhalten, wo sie die Wendbarkeit ihrer Not erkennen kann, für sich subversiv wird. In ihrer Kultur findet sie das Material, die Mittel ihrer wahren Selbsterkenntnis und kann darin zugleich die Möglichkeiten und Wege ihrer Befreiuung finden, sich durch die Freiheit ihrer Empfindungen auch gegen die politische Formationen ihrer Kultur wehren und hierin auch die wahren Inhalte ihrer gesellschaftlichen Beziehungen entdecken und sie mitteilbar machen. Kulturkritik ist nichts anderes als diese Mitteilung in der Wendung gegen die politischen Formationen der Kultur.

Wo aber der gesellschaftliche Zusammenhang nicht mehr ist, wo er durch Krise, Krieg oder Barbarei oder Selbstsucht zerstört ist, genichtet, aufgelöst oder ausgebeutet, abwesend in irgendeiner Form, die fremd bestimmt ist, da ist er negativ wirksam, weil Gesellschaft überhaupt den substanziellen Zusammenhang des menschlichen Lebens ausmacht. Wo die Menschen ihre Gesellschaft nicht wirklich haben oder erkennen können, bleibt sie dennoch ihre einzig wirkliche Lebensform und ist dann allerdings als Grundlage ihrer Wirklichkeit negativ wirksam. Wenn Menschen darin verelenden, wenn Gesellschaft für sie nicht wirklich menschlich da ist, ergibt sich aus ihrer Negation eine Totalität ihrer Abwesenheit, der Sog ihrer Zerstörung, der sich aus dem menschlichen Vakuum ergibt, in welchem sich ihr Zusammenhang nichtig macht. Ihr Elend setzt sich dann als politische Gewalt fort, indem aus dem gesellschaftlichen Elend von Individuen eine gewalttätige Kultur entsteht, Fanatismus, Rassismus und politische Macht, die sich in der Meinungsbildung verallgemeinert und durch politischen Populismus zur Wahl gelangt, um als Kulturstaat verwirklicht zu werden, in welchem der Mensch in Wirklichkeit abwesend ist, lediglich eigehegt wird in einem Menschenpark, die ihm als seine objektiv notwendige Kultur auferlegt ist. Was kann ihn darin noch anwesend sein lassen?

Wo die Menschen keinen wirklichen, keinen gegenständlichen Sinn für einander bilden können, weil sie nur noch durch fiktives Kapital gesellschaftlich verbunden sind (siehe Globalisierung, Feudalkapital), da werden ihnen ihre Verhältnisse durch eigenständige, fremde Zusammenhänge und Ereignisse vermittelt, und da werden sie sich selbst zum sinnlichen Material ihrer Verhältnisse. Sie erscheinen sich als menschliche Persönlichkeiten, die gesellschaftlich ohnmächtig sind und sich daher "von Mensch zu Mensch" vergesellschaften müsen. Und weil sie den Sinn ihrer Beziehungen darin nur als bloß;e Gegebenheit der Ereignisse ihrer zwischenmenschlichen Beziehungen wahrhaben können, haben sie deren Gewissheit nurmehr in der Form ihres Erlebens, in der Wahrnehmung ihrer Gegenwärtigkeit, die ihnen zugleich die Notwendigkeit ihrer Selbstvergegenwärtigung vermittelt. Sie können sich selbst als Mensch nurmehr zwischen den Menschen wahrhaben, müssen sich also in zwischenmenschlichen Verhältnissen wahr machen.

Zwischenmenschliche Verhältnisse sind Verhältnisse zwischen den Menschen, in welchen sie sich selbst und einander zu deren Material, sich als Person zum Gegenstand ihres Lebens machen und haben, weil und soweit ihre gesellschaftliche Gegenswärtigkeit und Vergegenständlichung in der Wirklichkeit ihrer Lebensverhältnisses ihnen entzogen, für sie abwesend ist. Menschen können sich in anderen Menschen aber nur erkennen, sofern sie sich selbst von ihnen unterscheiden, sich in der Beziehung auf sie als ein anderes, als ein eigenes Wesen finden und empfinden. Im Verstand ihrer Zwischenmenschlichkeit nehmen sie sich aber nur zwischen sich und anderen wahr, reduzieren sich auf ein gemeines Wesen, das weder das eine, noch das andere, das also alleine, im Einzelnen nur durch ihre Gemeinschaft da ist (siehe Dasein). In Wirklichkeit ist es darin gleich geltend, in Wahrheit ganz gleichgültig gegen ihre Bestimmung da, was sie auch gleichgültig gegen ihre Bestimmtheit macht. Denn zwischen ihnen kann nichts anderes sein als eine Abstrakion von ihnen, das abstrakt Allgemeine ihrer Gemeinschaft, ihr abstrakt menschliches Sinnlichsein. Im zwischenmenschlichen Verhältnis bldet sich nach dem Vermögen eines bestimmten Lebensraums eine Gemeinschaft, worin die Menschen im Allgemeinen untereinander, also zwischen sich als Mensch, wie er leibt und lebt verkehren. Das setzt eine gesellschaftliche Beziehung voraus, in welcher ihre Verhältnisse gleich und im Vergleich, eben so wie die Beziehungen der Geldformen im Geldbesitz bestimmt sind.




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