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Vorwort

Der vorliegende Ergänzungsband der Werke von Karl Marx und Friedrich Engels enthält drei ökonomische Manuskripte, die Marx in der Zeit von Juli 1857 bis Mai 1858 geschrieben hat:

1. "Bastiat und Carey" (Juli 1857),

2. "Einleitung" (August 1857),

3. "Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie" (Oktober 1857 bis Mai 1858).

Diese Manuskripte wurden im vollständigen Wortlaut des Originals erstmalig in den Jahren 1939 bis 1941 in den zwei Teilen der Ausgabe Karl Marx, "Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie (Rohentwurf)" vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU veröffentlicht. Ein fotomechanischer Nachdruck dieser Ausgabe erschien 1953 im Dietz Verlag Berlin.

Die ökonomischen Manuskripte der Jahre 1857/1858 sind das Ergebnis angespannter Forschungen von Marx auf dem Gebiet der politischen Ökonomie.

Bereits die vierziger Jahre des 19. Jahrhunderts waren ein wichtiger Zeitabschnitt in der Entwicklung der marxistischen ökonomischen Theorie. In dieser Zeit erarbeiteten Marx und Engels in solchen Werken wie "Ökonomisch-philosophische Manuskripte", "Die heilige Familie", "Die Lage der arbeitenden Klasse in England", "Die deutsche Ideologie", "Das Elend der Philosophie", "Lohnarbeit und Kapital", "Rede über die Frage des Freihandels" und "Manifest der Kommunistischen Partei" die dialektisch-materialistische Geschichtsauffassung und dehnten den dialektischen Materialismus damit auf die Erkenntnis der menschlichen Gesellschaft aus. Das ermöglichte es ihnen, schon in den vierziger Jahren mit einer wissenschaftlich begründeten Kritik an der bürgerlichen Gesellschaft aufzutreten. In enger Zusammenarbeit begründeten Marx und Engels in den genannten Werken die

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Lehre vom Klassenkampf; sie enthüllten das Wesen der Klassengegensätze in der kapitalistischen Gesellschaft und zeigten, daß der Sozialismus das unvermeidliche Resultat der in der bürgerlichen Gesellschaft wirkenden ökonomischen Gesetze ist und daß der Kapitalismus nicht ewig existieren wird, sondern sich selbst seinen Totengräber in Gestalt der Arbeiterklasse schafft. Marx begann bereits in diesen Werken mit der Ausarbeitung seiner ökonomischen Theorie.

1850, bald nach seiner Übersiedlung nach London, nahm Marx seine während der Revolution 1848/49 unterbrochenen ökonomischen Studien wieder auf und setzte damit seine wissenschaftlichen Untersuchungen der vierziger Jahre fort. Er studierte systematisch Bücher, Broschüren, Pamphlete, Flugschriften und Periodica, vor allem Schriften von bürgerlichen Ökonomen wie William Petty und François Quesnay bis hin zu den Repräsentanten der klassischen englischen Ökonomie Adam Smith und David Ricardo. Neben den Werken zahlreicher bürgerlicher Ökonomen und utopischer Sozialisten befaßte er sich mit statistischem Material und englischen Parlamentsdokumenten, las offizielle Berichte englischer Fabrikinspektoren an das Unterhaus, arbeitete historische, technische und naturwissenschaftliche Literatur durch und interessierte sich ebenfalls für die Kulturgeschichte, Weltgeschichte und Zeitgeschichte. London, die seinerzeit größte Stadt der Welt und Metropole des höchstentwickelten kapitalistischen Landes, bot für die Studien günstige Voraussetzungen. Marx bemerkte selbst dazu: "Das ungeheure Material für Geschichte der politischen Ökonomie, das im British Museum aufgehäuft ist, der günstige Standpunkt, den London für die Beobachtung der bürgerlichen Gesellschaft gewährt, endlich das neue Entwicklungsstadium, worin letztere mit der Entdeckung des kalifornischen und australischen Goldes einzutreten schien, bestimmten mich, ganz von vorn wieder anzufangen und mich durch das neue Material kritisch durchzuarbeiten." (Siehe Band 13 unserer Ausgabe, S. 10/11.)

Bis Juli 1857 bestand Marx' Arbeit vor allem in der Sammlung und kritischen Erschließung der verschiedenartigsten Quellen zur ökonomischen Theorie und im unmittelbaren Studium aller bedeutenden Ereignisse und Fakten des kapitalistischen Wirtschaftslebens in England und anderen Ländern. Vom Umfang seiner Forschungsarbeiten in den fünfziger Jahren zeugen Tausende Seiten von Exzerpten. Von 1850 bis 1857 füllte er einige Dutzend Hefte mit Auszügen und Konspekten, die von ihm zum Teil mit römischen Ziffern durchnumeriert wurden und auf die er in den folgenden Jahren bei der Ausarbeitung seiner Theorie immer wieder zurückgriff. Darüber hinaus legte Marx in diesen Jahren einige Hefte an, in denen er die Zitate zu bestimmten

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Themen, z.B. "Das vollendete Geldsystem", "Geldwesen, Kreditwesen, Krisen", zusammenfaßte und mit kurzen Kommentaren versah.

Das war eine erste Bearbeitung des gesammelten Materials. Außerdem schrieb Marx sehr viele Presseartikel über die damalige ökonomische Politik und das Wirtschaftsleben der kapitalistischen Länder, die neue wissenschaftliche Schlußfolgerungen aus seinen theoretischen Studien enthielten.

Besondere Aufmerksamkeit widmete Marx in den fünfziger Jahren den Wirtschaftskrisen in einigen europäischen Ländern. Marx und Engels erwarteten in diesem Zusammenhang mit Ungeduld das Eintreten einer revolutionären Situation. "Es gibt diesmal ein dies irae [Jüngstes Gericht] wie nie vorher, die ganze europäische Industrie kaputt, alle Märkte überführt [...], alle besitzenden Klassen hereingeritten, kompletter Bankrott der Bourgeoisie, Krieg und Liederlichkeit im höchsten Grad. Auch ich glaube, daß sich alles dies Anno 1857 erfüllen wird" (siehe Band 29 unserer Ausgabe, S. 78). In einem Brief vom 17. November 1856 schrieb Engels an Marx: "So schöne tabula rasa wie diesmal findet die Revolution so leicht nicht wieder vor. Alle sozialistischen dodges [Schwindeleien] erschöpft, die forcierte Beschäftigung der Arbeiter seit 6 Jahren antizipiert und exploded [verworfen], keine Möglichkeit, neue Experimente und Phrasen zu machen. Auf der andern Seite aber auch die Schwierigkeiten ganz nackt und unverhüllt; der Stier muß ganz direkt bei den Hörnern gefaßt werden" (siehe Band 29 unserer Ausgabe, S. 86).

Als 1857, wie von Marx vorausgesagt, die ökonomische Krise ausbrach, rechnete er als Folge mit einem neuen revolutionären Aufschwung. Er sah es deshalb als seine Pflicht an, sich sofort mit der unmittelbaren Ausarbeitung seiner ökonomischen Theorie zu befassen, um die Arbeiter so bald wie möglich mit ökonomischen Kenntnissen auszurüsten, ihr Klassenbewußtsein zu stärken und ihnen zu helfen, die neuen historischen Aufgaben ihrer Klasse zu begreifen. Den Arbeitern mußte die Unüberbrückbarkeit des Klassengegensatzes zwischen dem Proletariat und der Bourgeoisie nachgewiesen werden, eines Gegensatzes, der mit Notwendigkeit zur proletarischen Revolution führt. Marx betrieb deshalb die Zusammenfassung der Ergebnisse seiner ökonomischen Forschungen aus den fünfziger Jahren mit großer Eile. "Ich arbeite wie toll die Nächte durch an der Zusammenfassung meiner ökonomischen Studien", schrieb er am 8. Dezember 1857 an Engels, "damit ich wenigstens die Grundrisse im klaren habe bevor dem déluge [der Sintflut]." (Siehe Band 29 unserer Ausgabe, S. 225.)

Am selben Tag beschrieb Jenny Marx in ihrem Brief an Conrad Schramm, einem Freund und Mitstreiter von Marx und Engels, den Verlauf von Marx' Arbeit folgendermaßen: "Sie können sich doch wohl denken, wie high up

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[gutgelaunt] der Mohr ist. Seine ganze frühere Arbeitsfähigkeit und Leichtigkeit ist wiedergekehrt sowie auch die Frische und Heiterkeit des Geistes [...]. Karl arbeitet am Tage, um fürs tägliche Brot zu sorgen, nachts, um seine Ökonomie zur Vollendung zu bringen." Jetzt ist "diese Arbeit ein Bedürfnis der Zeit, eine Notwendigkeit geworden" (siehe Band 29 unserer Ausgabe, S. 645).

Im Herbst 1857 brach dann zwar die Wirtschaftskrise aus, sie führte aber nicht zu der mit solcher Ungeduld erwarteten revolutionären Situation, war jedoch der unmittelbare Anlaß für Marx, seine ökonomischen Studien zusammenzufassen.

Das wichtigste überlieferte Ergebnis, die schöpferische Verallgemeinerung und Systematisierung der in den vierziger und besonders in den fünfziger Jahren gesammelten Materialien sind die 1857/1858 entstandenen drei ökonomischen Manuskripte, die der vorliegende Band enthält.

Die Skizze "Bastiat und Carey" ist ein Fragment. Marx hat sie im Juli 1857 niedergeschrieben. Hier steckte er den Rahmen der klassischen politischen Ökonomie ab, deren Grundstein Ende des 17.

Jahrhunderts Petty und Boisguillebert gelegt hatten und die im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts in den Werken von Ricardo und Sismondi ihren Abschluß fand.

Diese unvollendete Skizze zeugt davon, wie weit Marx schon zu dieser Zeit mit seiner Kritik der bürgerlichen Ökonomen vorangekommen war und das Wesen der ökonomischen Gesetze des Kapitalismus erkannt hatte. Für die Entstehungsgeschichte der marxistischen politischen Ökonomie ist diese Skizze deshalb interessant, weil Marx hier zum erstenmal in ausgereifter Form eine Einschätzung des Übergangs der klassischen bürgerlichen Ökonomie zur Vulgärökonomie vornahm. Während in den vorhergehenden Arbeiten von Marx die Einteilung der bürgerlichen Ökonomen in zwei Hauptströmungen nur in den Grundzügen angedeutet wird, gibt er hier eine genaue Charakteristik der klassischen bürgerlichen politischen Ökonomie im Unterschied zur Vulgärökonomie, die vom Niedergang der bürgerlichen Ökonomie zeugt.

Bastiat und Carey waren typische Vertreter jener Vulgärökonomen, die es für nötig hielten, "die Harmonie der Produktionsverhältnisse da zu beweisen, wo die klassischen Ökonomen naiv ihren Antagonismus zeichneten" (siehe vorl. Band, S. 4). Ihre Theorien stellten eine bestimmte Gefahr für die Arbeiterbewegung dar, denn sie verschleierten die wirkliche Lage der Arbeiter in der kapitalistischen Gesellschaftsordnung und dienten als Stütze für verschiedene soziale Illusionen, die der Bourgeoisie genehm waren.

Marx untersuchte die ökonomischen Verhältnisse, die den Auffassungen dieser beiden Ökonomen zugrunde lagen, und zeigte, daß die "durchaus verschiedne, selbst

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widersprechende nationale Umgebung, aus der heraus beide schreiben, [...] sie nichtsdestoweniger zu denselben Bestrebungen" treibt. (Siehe vorl. Band, S. 4.) Diese Ökonomen hielten die kapitalistische Produktion für das ewige natürliche Ideal einer harmonischen Entwicklung der Gesellschaft; die empörenden Übel der bürgerlichen Gesellschaft erklärten sie entweder aus den feudalen Überbleibseln und dem Eingreifen des Staates in das Wirtschaftsleben - wie es Bastiat meinte oder "aus der vernichtenden Einwirkung Englands mit seinem Streben nach industriellem Monopol auf dem Weltmarkt" (siehe vorl.

Band, S. 5), wie es bei Carey der Fall war.

Diesen apologetischen Ansichten trat Marx entgegen mit einer wissenschaftlichen Analyse der kapitalistischen Wirtschaft, ihrer objektiven Gesetzmäßigkeiten und ihrer inneren antagonistischen Widersprüche.

Marx beabsichtigte ursprünglich, mit der fragmentarischen Skizze "Bastiat und Carey" eine Besprechung des Buches von Frédéric Bastiat "Harmonie économiques", 2. ed. Paris 1851, vorzunehmen, aber er gab dieses Vorhaben auf. "Es ist unmöglich, diesen Nonsense weiter zu verfolgen. We, therefore, drop Mr. Bastiat. [Wir trennen uns deshalb von Herrn Bastiat.]" (Siehe vorl. Band, S. 13.) Die andere unvollendete Skizze, die "Einleitung", wurde Ende August 1857 geschrieben. Marx verzichtete später darauf, sie zu veröffentlichen, weil er die "erst zu beweisende[n] Resultate" (siehe Band 13 unserer Ausgabe, S. 7) nicht vorwegnehmen wollte.

Sie sollten das Ergebnis der gesamten Forschungsarbeit sein. In der "Einleitung" hat Marx umfassender als sonst irgendwo seine Auffassung über den Gegenstand und die Methode der politischen Ökonomie formuliert. Im Gegensatz zu den bürgerlichen Ökonomen, die die Verteilung in den Vordergrund stellten, sie zum eigentlichen Gegenstand der politischen Ökonomie erklärten und den Kapitalismus nicht als eine historisch vergängliche Ordnung betrachteten, ging Marx aus vom Primat der gesellschaftlichen Produktion. Die Analyse der dialektischen Wechselwirkung der Produktion, der Verteilung, des Austausches und der Konsumtion brachte ihn zu der Schlußfolgerung, daß die Produktion nicht nur den Ausgangspunkt bildet, sondern auch bestimmendes Moment in dieser Einheit ist, daß die Verteilungsformen nur ein anderer Ausdruck der Produktionsformen sind. Marx erkannte die Produktion als gesellschaftlich bestimmt und machte sie zum Gegenstand seiner Forschung.

In der "Einleitung" hat Marx die wissenschaftlich richtige, die dialektisch-materialistische Methode des Auf steigens vom Abstrakten zum Konkreten entwickelt, wobei unter Konkretem die Einheit des Mannigfaltigen verstanden

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wird, die Zusammenfassung vieler Bestimmungen als Ergebnis des Denkens im Prozeß dieser Synthese. Dabei widmete Marx dem Problem des logischen und historischen Herangehens an den Forschungsgegenstand besondere Aufmerksamkeit. Er zeigte die Notwendigkeit der logisch folgerichtigen Betrachtung der ökonomischen Kategorien unter Berücksichtigung ihrer Rolle in der gegebenen ökonomischen Struktur. Jedoch erscheinen die ökonomischen Kategorien nicht nur als Knotenpunkte und Mittel der Erkenntnis, sondern auch als Produkt der geschichtlichen Entwicklung der Gesellschaft; darum darf die logische Analyse nicht eine willkürliche, rein gedankliche Konstruktion sein, die von den realen Prozessen losgelöst ist. Die wissenschaftlichen Abstraktionen in Marx' Theorie sind mit der konkreten Wirklichkeit als ihrer Voraussetzung untrennbar verbunden, und der Verlauf des abstrakten Denkens vom Einfachen zum Komplizierten entspricht im allgemeinen dem wirklichen historischen Prozeß.

Ausgehend von seiner Auffassung vom Gegenstand und der Methode der politischen Ökonomie, gab Marx in der "Einleitung" einen ersten Entwurf vom Aufbau seines ökonomischen Werkes, der alle wichtigen Seiten der bürgerlichen Gesellschaft umfaßt. Marx schrieb: "Die Einteilung offenbar so zu machen, daß 1. die allgemeinen abstrakten Bestimmungen, die daher mehr oder minder allen Gesellschaftsformen zukommen [...]. 2. Die Kategorien, die die innre Gliederung der bürgerlichen Gesellschaft ausmachen und worauf die fundamentalen Klassen beruhn. Kapital, Lohnarbeit, Grundeigentum. Ihre Beziehung zueinander. Stadt und Land. Die drei großen gesellschaftlichen Klassen. Austausch zwischen denselben. Zirkulation. Kreditwesen (private). 3. Zusammenfassung der bürgerlichen Gesellschaft in der Form des Staats. In Beziehung zu sich selbst betrachtet. Die 'unproduktiven' Klassen.

Steuern. Staatsschuld. Öffentlicher Kredit. Die Bevölkerung. Die Kolonien. Auswanderung. 4. Internationales Verhältnis der Produktion. Internationale Teilung der Arbeit. Internationaler Austausch. Aus- und Einfuhr. Wechselkurs. 5. Der Weltmarkt und die Krisen." (Siehe vorl. Band, S. 42.) Von Oktober 1857 bis Mai 1858 schrieb Marx ein Manuskript von mehr als 50 Druckbogen. Es ist bekannt unter dem Titel "Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie" und stellt die erste Fassung - den Rohentwurf - seines Hauptwerkes "Das Kapital" dar.

Dieses Manuskript nimmt einen besonderen Platz in der Entstehungsgeschichte des Marxismus ein. Als Marx sich in den vierziger und fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts die Aufgabe gestellt hatte, die Ökonomie der kapitalistischen Gesellschaftsordnung gründlich und allseitig zu erforschen,

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untersuchte er die Mittel, Kategorien und Methoden sowohl der Philosophie als auch der politischen Ökonomie. Er setzte sich mit der bisherigen Philosophie auseinander und entwickelte dabei die marxistische Philosophie. Die "Grundrisse" legen ebenfalls deutlich Zeugnis ab von dieser schöpferischen philosophischen Arbeit.

Sie gehören zu den klassischen Werken der marxistischen Weltanschauung und weisen einen großen Reichtum an ökonomischen und philosophischen Fragestellungen und Antworten auf. Marx hat mit den "Grundrissen" eine gewaltige theoretische Arbeit zur Entdeckung des Entwicklungsgesetzes der modernen kapitalistischen Gesellschaft geleistet. Hier arbeitete Marx zum erstenmal in Grundzügen und wesentlichen Details seine Werttheorie und auf ihrer Grundlage die Mehrwerttheorie aus, diesen "Grundpfeiler der ökonomischen Theorie von Marx" (siehe W.I. Lenin, Werke, Band 19, S. 6). Die materialistische Geschichtsauffassung und die Mehrwerttheorie, das sind die zwei großen Entdeckungen, durch die, wie Engels sagte, der Sozialismus aus einer Utopie zur Wissenschaft wurde (siehe Band 19 unserer Ausgabe, S. 209).

Als Marx an den "Grundrissen" zu schreiben begann, war ihm der Kernpunkt der politischen Ökonomie, das Mehrwertproblem, durchaus klar, aber im Verlauf der Arbeit drängten sich neue unvorhergesehene Details auf, die geklärt werden mußten. Deshalb handelte es sich bei der Niederschrift des Manuskriptes nicht einfach um die Fixierung von im voraus Durchdachtem, sondern im Laufe der Arbeit gelangte Marx zu Schlüssen, die Entdeckungen nicht nur im Hinblick auf den damaligen Stand der politischen Ökonomie waren; seine eigenen ökonomischen Anschauungen wurden bereichert.

Zugleich macht das Manuskript die Forschungsmethode von Marx sichtbar. Es werden deutlich die verschiedenen Arbeitsstufen sichtbar, in denen die Theorie entscheidend weiterentwickelt wurde, und es ist möglich, Schritt für Schritt den Prozeß zu verfolgen, in dem er die Grundelemente seiner ökonomischen Lehre schuf. So werden z.B. viele Formulierungen von Marx im Laufe der weiteren Arbeit als unzulänglich erkannt und darum präzisiert.

Häufig wird ein Problem nur angedeutet und seine Lösung auf später verschoben. Wenn in den späteren Entwürfen seines Hauptwerkes die systematische Darstellung bereits ausgereifter Teile seiner ökonomischen Lehre vorherrscht, so kann im Manuskript von 1857/1858 unmittelbar der Weg verfolgt werden, der Marx zu seinen großen Entdeckungen in der politischen Ökonomie führte.

Wichtig ist es auch, in diesem Zusammenhang zu betonen, wie tatkräftig Marx während der Arbeit von Engels unterstützt wurde.

Nicht selten bedurfte er bei der Analyse von Problemen, die in der kapitalistischen Wirtschaftspraxis

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wurzelten, aber in der Fachliteratur unbeantwortet blieben, der sachverständigen Ratschläge von Engels. Der Briefwechsel zwischen ihnen aus dieser Zeit legt ein beredtes Zeugnis dafür ab.

Marx begann die "Grundrisse" mit einer Kritik der ökonomischen Auffassung des Proudhonisten Alfred Darimon, vor allem der proudhonistischen Geldtheorie. Die Kritik des Proudhonismus betrachtete Marx als eine wichtige Aufgabe des wissenschaftlichen Sozialismus. Er schrieb 1880 in einer Einführung zum Wiederabdruck seines Werkes "Das Elend der Philosophie", daß es notwendig gewesen sei, "um den Weg zum kritischen und materialistischen Sozialismus zu bahnen, der die reale, historische Entwicklung der gesellschaftlichen Produktion verständlich machen will, mit jener Ideologie in der Ökonomie brüsk zu brechen, deren letzte Verkörperung unwissentlich Proudhon war". (Siehe Band 19 unserer Ausgabe, S. 229.) Die erste eingehende Kritik der kleinbürgerlichen Auffassungen Proudhons gab Marx bereits 1847 in "Das Elend der Philosophie", doch damals stützte er sich in bedeutendem Maße auf die ökonomische Lehre Ricardos. Im Manuskript von 1857/1858 setzte Marx die Kritik des Proudhonismus von der Position der bereits weitgehend ausgereiften eigenen ökonomischen Lehre fort. Er widerlegte die These der Proudhonisten, eine Reform der Banken, die Ausgabe von sogenanntem "Arbeitsgeld" oder "Stundenzettel", sei ein wirksames Mittel, das Elend und die Ausbeutung der werktätigen Massen zu beseitigen. Er legte dar, daß der antagonistische Charakter der Widersprüche in der kapitalistischen Gesellschaft "nie durch stille Metamorphose zu sprengen ist" (siehe vorl. Band, S. 93), daß die Vorschläge der Proudhonisten, einzelne "Mängel" der kapitalistischen Gesellschaft zu beseitigen, jedoch ihre ökonomischen Grundlagen unberührt zu lassen, eine Utopie sind, die die Arbeiterklasse desorientiert und sie von der Erfüllung ihrer historischen Mission ablenkt.

Im Verlauf der Kritik an den proudhonistischen Auffassungen arbeitete Marx in den "Grundrissen" die Grundlagen seiner Werttheorie aus, einschließlich des Doppelcharakters der Arbeit und der Ware in der bürgerlichen Gesellschaft und der Notwendigkeit der Verwandlung der Ware in Geld.

Marx hat nicht zufällig die Darlegung seiner Werttheorie mit der Kritik der proudhonistischen Geldtheorie begonnen. In diesem Vorgehen äußert sich ein wesentliches Merkmal der Marxschen Forschungsmethode. Tatsächlich stellt das Geld eine besonders markante Erscheinungsform des Warenwerts dar, ist doch das Geld, die Geldform des Wertes, die entwickeltste, dem Kapitalismus adäquate Form des Wertes. Demzufolge ist die Geldtheorie die direkte Folge der Werttheorie. Zu diesen Erkenntnissen konnte Marx gelangen, da er in

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seiner Kritik der bürgerlichen politischen Ökonomie wie auch in der gesamten Forschung, was für Marx ein einheitlicher Prozeß war, von der äußeren Erscheinung zum inneren Wesen vordrang.

Die These vom Doppelcharakter der Arbeit in der kapitalistischen Warenproduktion, die zum erstenmal in den "Grundrissen" ausgearbeitet wurde, ist ein hervorragendes Resultat des Marxschen Denkens. Sie bildet die Grundlage seiner Werttheorie, und dadurch vor allem unterscheidet sie sich von der Arbeitswerttheorie der Klassiker der bürgerlichen politischen Ökonomie. Sie begriffen nicht den Gegensatz zwischen konkreter und abstrakter Arbeit in der bürgerlichen Gesellschaft und beschränkten sich auf die einfache Bestimmung der Wertgröße durch die Arbeitszeit. Demgegenüber betonte Marx, daß auf der Erkenntnis vom Doppelcharakter der Arbeit "a l l e s Verständnis der facts" beruhe (siehe Band 31 unserer Ausgabe, S. 32.6).

Aus dem Doppelcharakter der Arbeit, daraus, daß die Arbeit unter den Bedingungen des Privateigentums an den Produktionsmitteln unmittelbar private Arbeit ist, während sich ihr gesellschaftlicher Charakter auf dem Markt erst beweisen muß, folgt der Widerspruch zwischen Gebrauchswert und Wert der Ware, der Widerspruch, welcher seine äußere Bewegungsform in der Verdoppelung der Ware in Ware und Geld findet, darin, daß der Warenwert in einer besonderen Ware, dem Geld, ein selbständiges Dasein erlangt. Indem das Geld den Widerspruch zwischen Gebrauchswert und Wert der Ware äußerlich löst, verschärft es gleichzeitig alle Widersprüche der auf dem privaten Austausch beruhenden Warenproduktion und stellt den Kapitalismus unvermeidlich vor Wirtschaftskrisen.

Während der Ausarbeitung seiner Werttheorie in den "Grundrissen" gelangte Marx bis zur Aufdeckung der Ware als ökonomische Zellenform des Kapitalismus. Das aber bedeutete, daß der Ausgangspunkt für die Analyse der ökonomischen Struktur der Gesellschaft nicht, wie Ricardo annahm, der Wert und auch nicht das Wertverhältnis der Waren sein kann, sondern vielmehr die Ware selbst, der stoffliche Träger dieses Verhältnisses.

Bei der Betrachtung der Kategorien Ware und Geld analysierte Marx die für die bürgerliche Gesellschaft charakteristische Versachlichung der gesellschaftlichen Verhältnisse, die Knechtung der Individuen, die beherrscht werden von ihren ökonomischen Verhältnissen, aus denen sie sich nur auf revolutionärem Wege befreien können.

Eines der wichtigsten Forschungsergebnisse von Marx im "Kapitel vom Geld" ist die Feststellung, daß die entwickelte Form der Warenproduktion unter den Bedingungen des Privateigentums an den Produktionsmitteln notwendig die Verwandlung von Geld in Kapital voraussetzt. Die Entwicklung

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der Warenproduktion und des Tauschwertes führt unvermeidlich zur "Trennung von Arbeit und Eigentum; so daß Arbeit = wird fremdes Eigentum schaffen und Eigentum fremde Arbeit kommandieren" (siehe vorl. Band, S. 164).

Im "Kapitel vom Kapital" löste Marx das zentrale Problem seiner Untersuchung - die Erforschung des Wesens und des Mechanismus der kapitalistischen Ausbeutung.

Die bürgerlichen Ökonomen hatten sich vergeblich bemüht, vom Wert unmittelbar zum Kapital überzugehen. Sie betrachteten das Kapital als einfache Summe von Werten und erfaßten das Wesen der Verwandlung von Geld in Kapital nicht. Marx stellte fest, "daß die einfache Bewegung der Tauschwerte, wie sie in der reinen Zirkulation vorhanden ist, nie Kapital realisieren kann" (siehe vorl. Band, S. 179).

Das Wesen der kapitalistischen Produktionsverhältnisse wird bestimmt durch das Verhältnis zwischen Lohnarbeiter und Kapitalist, zwischen Arbeit und Kapital, die einander gegenüberstehen und zwischen denen ein Austausch stattfindet. Die Schwierigkeit der Analyse dieses Verhältnisses besteht darin nachzuweisen, daß sich der Austausch zwischen Lohnarbeiter und Kapitalist auf der Grundlage des Wertgesetzes vollzieht, d.h. auf der Grundlage des Austausches von Äquivalenten.

Marx' Analyse im "Kapitel vom Kapital" beruht im wesentlichen auf dem im "Kapitel vom Geld" untersuchten Doppelcharakter der Ware, auf der Betrachtung der Ware als Einheit von Gegensätzen: von Gebrauchswert und Wert.

Im Austausch zwischen Kapital und Arbeit unterschied Marx zwei qualitativ verschiedene Prozesse: 1. den eigentlichen Austausch zwischen Arbeiter und Kapitalist, in dessen Ergebnis der Kapitalist die Produktivkraft eintauscht, "die das Kapital erhält und vervielfältigt" (siehe vorl. Band, S. 200), 2. den Arbeitsprozeß selbst, in welchem sich dieses Erhalten und Vervielfältigen des Kapitals vollzieht. Bei der Analyse des ersten Prozesses formulierte Marx folgende Erkenntnis: Im Verhältnis von Kapital und Arbeit ist "die eine Seite (das Kapital) [...] zunächst der andren Seite als T a u s c h wert gegenüber und die andre (die Arbeit) dem Kapital gegenüber als Gebrauchswert" (siehe vorl. Band, S. 193). Marx vollzog hier einen wichtigen Schritt, um von der üblichen Formel der bürgerlichen Ökonomen von der "Ware Arbeit" und vom "Verkauf der Arbeit" zur Ware Arbeitskraft überzugehen.

Die Arbeit tritt in dieser Betrachtung von Marx bereits nicht mehr als Ware auf, sondern als Gebrauchswert jener Ware, die der Arbeiter dem Kapitalisten verkauft. Die Besonderheit dieses Gebrauchswertes besteht darin, daß er "nicht materialisiert [ist] in einem Produkt", überhaupt nicht außer dem Arbeiter existiert,

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"also nicht wirklich, sondern nur der Möglichkeit nach, als seine Fähigkeit" (siehe vorl. Band, S. 193).

Im ersten Prozeß des Austausches zwischen Arbeit und Kapital ging auch die Verfügungsgewalt über die lebendige Arbeit des Arbeiters, d.h. seine Arbeitskraft, sein Arbeitsvermögen, an den Kapitalisten über. Der zweite Prozeß dieses Austausches ist der Arbeitsprozeß selbst, welcher zusammenfällt mit dem Prozeß der Erhaltung und Vervielfältigung des Kapitals.

Marx wies nach, daß der Arbeiter, der nicht Eigentümer der Produktionsmittel ist, auch nicht Eigentümer der Produkte seiner Arbeit sein kann, jenes Wertes, den er im Produktionsprozeß erzeugt. Aber einen bestimmten, im voraus festgesetzten Teil dieses vom Arbeiter erzeugten und dem Kapitalisten gehörenden Wertes muß der Kapitalist dem Arbeiter in Form des Arbeitslohnes zurückerstatten, um den Wert der Arbeitskraft zu zahlen, d. h. jenes Arbeitsquantums, das für die "Produktion" des Arbeiters selbst verbraucht wird. Der Arbeiter schafft größeren Wert als den Wert seiner Arbeitskraft, und der Kapitalist erhält einen Mehrwert, der so groß ist wie die Differenz zwischen dem von der lebendigen Arbeit geschaffenen Wert und dem Wert der Arbeitskraft.

In den "Grundrissen" prägte Marx zum erstenmal die Begriffe konstantes Kapital und variables Kapital und erläuterte ihr Verhältnis. Die Unterscheidung dieser beiden Bestandteile des Kapitals hat große Bedeutung für die politische Ökonomie der Arbeiterklasse, weil sie zeigt, daß der Profit im Produktionsprozeß nicht durch das gesamte Kapital hervorgebracht wird, sondern nur durch den Teil, der für die Arbeitskraft gezahlt wird. Der Wert des konstanten Kapitals wächst nicht im Produktionsprozeß, sondern wird lediglich auf das Produkt übertragen.

Die klassische bürgerliche politische Ökonomie hatte den Mehrwert nie rein als solchen untersucht, sondern nur in seinen besonderen Formen wie Profit, Zins und Rente, die an der Oberfläche der bürgerlichen Gesellschaft wirken. Die Erforschung des Mehrwerts unabhängig von seinen besonderen Formen ist eine der bedeutendsten Errungenschaften der Marxschen ökonomischen Lehre.

Im "Kapitel vom Kapital" entwickelte Marx erstmalig in allgemeinen Zügen seine Lehre von den zwei Arten des Mehrwerts, dem absoluten und relativen Mehrwert. Er deckte in diesem Zusammenhang die zweifache Tendenz des Kapitals auf: Verlängerung des Arbeitstages als Mittel zur Vergrößerung des absoluten Mehrwerts und Verkürzung der notwendigen Arbeitszeit durch Steigerung der Arbeitsproduktivität als Mittel zur Vergrößerung des relativen Mehrwerts.

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Auf diese Art legte Marx in dem vorliegenden Manuskript zum erstenmal in der Geschichte der ökonomischen Wissenschaft den Mechanismus der kapitalistischen Ausbeutung dar. Er zeigte, daß die Aneignung des von den Arbeitern geschaffenen Mehrwerts durch die Kapitalistenklasse die Grundlage der kapitalistischen Produktionsweise ist. Sie geht in Übereinstimmung mit den ihr innewohnenden Gesetzen, vor allem dem Mehrwertgesetz, vor sich. Der Mehrwert erscheint in der Theorie von Marx als notwendiges Resultat der kapitalistischen Produktionsverhältnisse, seine Produktion und Aneignung ist das Wesen dieser Verhältnisse, das Hauptziel der Kapitalisten, er bestimmt die übrigen Kategorien und Verhältnisse der bürgerlichen Gesellschaft, er liegt dem Bewegungsgesetz der kapitalistischen Produktionsweise zugrunde und bedingt unausweichlich ihren Untergang und ihre Ablösung durch den Kommunismus. Wenn die kapitalistische Ausbeutung, wie Marx nachwies, aus dem Wesen der kapitalistischen Produktionsverhältnisse hervorgeht, so folgt daraus, daß innerhalb der kapitalistischen Gesellschaftsordnung die Arbeiterklasse nicht von ihrer Ausbeutung befreit werden kann. Gleichzeitig damit werden, wie Marx zeigte, innerhalb der bürgerlichen Gesellschaft selbst die materiellen Voraussetzungen für die Vernichtung der kapitalistischen Produktionsweise geschaffen, "erzeugen sich sowohl Verkehrs- als Produktionsverhältnisse, die ebenso viel Minen sind, um sie zu sprengen" (siehe vorl. Band, S. 93).

Marx hatte in den "Grundrissen" auch schon begonnen, auf der Basis seiner Mehrwerttheorie die Erscheinungsformen des Mehrwerts zu erklären. Er entwickelte erste Gedanken zur Entdeckung des Gesetzes vom Durchschnittsprofit und der Definition des Produktionspreises, also zur Erklärung des widersprüchlichen Preisbildungsmechanismus unter den Bedingungen des Kapitalismus. Marx stellte fest, daß der Profit der gesamten Kapitalistenklasse nicht größer sein kann als die Summe des gesamten Mehrwerts, und gelangte dadurch zu dem Schluß, daß die in verschiedenen Produktionszweigen notwendigerweise unterschiedlichen Profitraten sich im Ergebnis der Konkurrenz zwischen den Produktionszweigen zu einer allgemeinen Profitrate ausgleichen. Die Bildung der allgemeinen Profitrate erfolgt, wie Marx darstellt, durch die Umverteilung der in allen Zweigen der kapitalistischen Produktion erzeugten Gesamtsumme des Mehrwerts entsprechend der Größe des in diesem oder jenem Zweige angelegten Kapitals. Dabei werden die Waren zu einem Produktionspreis verkauft, der von ihrem Wert abweicht.

Er kann in einigen Zweigen höher und in anderen Zweigen niedriger sein als der Wert.

Während der Arbeit am "Kapitel vom Kapital" ergänzte Marx die Analyse der kapitalistischen Produktionsweise durch die Untersuchung der vorangegangenen

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Gesellschaftsformen und richtete seinen Blick in die Zukunft, auf jene Gesellschaftsordnung, die den Kapitalismus notwendigerweise ablösen wird. Er schrieb: Unsre Methode zeigt "die Punkte, wo die historische Betrachtung hereintreten muß oder wo die bürgerliche Ökonomie als bloß historische Gestalt des Produktionsprozesses über sich hinausweist auf frühre historische Weisen der Produktion [...]. Ebenso führt diese richtige Betrachtung andrerseits zu Punkten, an denen die Aufhebung der gegenwärtigen Gestalt der Produktionsverhältnisse - und so foreshadowing [Vorahnung] der Zukunft, werdende Bewegung sich andeutet. Erscheinen einerseits die vorbürgerlichen Phasen als n u r h i s t o r i s c h e, i.e. aufgehobne Voraussetzungen, so die jetzigen Bedingungen der Produktion als s i c h s e l b s t a u f h e b e n d e und daher als h i s t o r i s c h e V o r a u s s e t z u n g e n für einen neuen Gesellschaftszustand setzende." (Siehe vorl.

Band, S. 373.) In diesem Zusammenhang gab Marx im "Kapitel vom Kapital" einen historischen Abriß über die Formen, die der kapitalistischen Produktion vorhergingen. Er untersuchte die Entwicklung des Eigentums von der urgemeinschaftlichen Ordnung bis zur Entstehung der kapitalistischen Aneignungsweise und vollzog damit einen bedeutenden Schritt in der Ausarbeitung seiner Lehre von den ökonomischen Gesellschaftsformationen. Damit vertiefte er seine Ansichten, die er erstmals in der "Deutschen Ideologie" dargelegt hatte. Marx gab eine Bestimmung des Eigentums und verfolgte im Detail die Evolution seiner Formen in Abhängigkeit von den Veränderungen der Produktionsbedingungen. Diese Verbindung, die zwischen der Form des Eigentums und den Produktionsbedingungen existiert, hat Marx später im Vorwort zur Veröffentlichung seiner Schrift "Zur Kritik der Politischen Ökonomie. Erstes Heft" formuliert, wo von den Eigentumsverhältnissen als dem "juristischen Ausdruck" der einen oder anderen historisch entstandenen Produktionsverhältnisse die Rede ist (siehe Band 13 unserer Ausgabe, S. 9).

In den "Grundrissen" charakterisierte Marx auch den Begriff Produktionsweise, wobei er auf die aktive Rolle der Produktivkräfte im Prozeß der gesellschaftlichen Entwicklung hinwies, die unvermeidlich die Ablösung einer Gesellschaftsformation durch die nächst höhere bewirken.

Im Zusammenhang mit der Untersuchung der Entwicklung der vorkapitalistischen Eigentumsformen erklärte Marx den Prozeß der ursprünglichen Akkumulation des Kapitals und zeigte, daß ihr Wesen einerseits in der Herausbildung der Klasse der Lohnarbeiter besteht, die keine Produktionsmittel besitzt, und andererseits in der Verwandlung der Produktionsmittel in Kapital, befreit von traditionellen feudalen und Zunfthemmnissen. Erstmals wurde die Epoche der ursprünglichen Akkumulation hier als spezielle Übergangsperiode der geschichtlichen Entwicklung definiert.

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In den "Grundrissen" vertiefte Marx die Grundlagen der wissenschaftlichen Periodisierung der Geschichte der kapitalistischen Gesellschaft, die er schon in den vierziger Jahren angedeutet hatte. Er begründete die Notwendigkeit, in der Entwicklung des Kapitalismus zwischen dem Manufaktur- und dem Maschinenstadium zu unterscheiden. Die Manufaktur bildet noch nicht die materielle Basis für die allgemeine Verbreitung der kapitalistischen Verhältnisse und für die Verdrängung vorkapitalistischer Formationen. Erst die maschinelle Großproduktion ist die materielle Grundlage für die endgültige Herausbildung des kapitalistischen Systems, erst sie ist der vollständigen Herrschaft des Kapitals adäquat.

Mit der Erforschung der Genesis des Kapitalismus und der Entdeckung der Gesetze seiner Entstehung und Entwicklung hatte Marx den wirklichen historischen Platz des Kapitalismus bestimmt und seinen unausbleiblichen Untergang, die unvermeidliche Aufhebung der dem Kapitalismus eigenen Trennung zwischen Arbeit und Eigentum nachgewiesen. "Damit die Arbeit sich wieder zu ihren objektiven Bedingungen als ihrem Eigentum verhalte, muß ein andres System an die Stelle des Systems des Privataustauschs treten" (siehe vorl.

Band, S. 417). Die von Marx in diesem Zusammenhang gegebene Analyse der neuen, an die Stelle des Kapitalismus tretenden Gesellschaftsordnung verdient besonderes Interesse.

Im Manuskript von 1857/1858 bezeichnet Marx die kommunistische Gesellschaft als eine solche Gesellschaft, wo "freie Individualität, gegründet auf die universelle Entwicklung der Individuen und die Unterordnung ihrer gemeinschaftlichen, gesellschaftlichen Produktivität, als ihres gesellschaftlichen Vermögens" herrscht.

(Siehe vorl. Band, S. 91.) Marx unterstreicht die historische Notwendigkeit des Übergangs zur kommunistischen Gesellschaft, deren Entstehung eine bestimmte Stufe der Entwicklung der materiellen und geistigen Bedingungen voraussetzt.

Die Arbeit in der künftigen kommunistischen Gesellschaft wird von Marx als unmittelbar gesellschaftliche Arbeit charakterisiert.

Unter den Bedingungen der gemeinschaftlichen Produktion tritt die Arbeit des einzelnen von Anfang an als gesellschaftliche Arbeit auf. Nicht der Austausch gibt der Arbeit den Charakter des Allgemeinen, sondern das gesellschaftliche Eigentum an den Produktionsmitteln und der gemeinschaftliche Charakter der Produktion machen von vornherein das Produkt der Arbeit zu einem gesellschaftlichen, allgemeinen.

Besonders große Bedeutung hat in diesem Zusammenhang das von Marx formulierte Gesetz der Ökonomie der Zeit unter den Bedingungen der kommunistischen Gesellschaft. Marx schreibt: "Gemeinschaftliche Produktion

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vorausgesetzt, bleibt die Zeitbestimmung natürlich wesentlich. Je weniger Zeit die Gesellschaft bedarf, um Weizen, Vieh etc. zu produzieren, desto mehr Zeit gewinnt sie zu andrer Produktion, materieller oder geistiger. Wie bei einem einzelnen Individuum hängt die Allseitigkeit ihrer Entwicklung, ihres Genusses und ihrer Tätigkeit von Zeiteinsparung ab. Ökonomie der Zeit, darin löst sich schließlich alle Ökonomie auf. Ebenso muß die Gesellschaft ihre Zeit zweckmäßig einteilen, um eine ihren Gesamtbedürfnissen gemäße Produktion zu erzielen; wie der einzelne seine Zeit richtig einteilen muß, um sich Kenntnisse in angemeßnen Proportionen zu erwerben oder um den verschiednen Anforderungen an seine Tätigkeit Genüge zu leisten. Ökonomie der Zeit sowohl wie planmäßige Verteilung der Arbeitszeit auf die verschiednen Zweige der Produktion bleibt also erstes ökonomisches Gesetz auf Grundlage der gemeinschaftlichen Produktion. Es wird sogar in viel höherem Grade Gesetz." (Siehe vorl. Band, S. 105.) Jede wahre Ökonomie äußert sich in der Einsparung von Arbeitszeit, in der Reduzierung der Produktionskosten auf ein mögliches Minimum; mit anderen Worten, in der Steigerung der Arbeitsproduktivität. Das ist identisch mit der Entwicklung der Produktivkräfte. Einsparung von Arbeitszeit bedeutet Erweiterung der Freizeit, welche ihrerseits auf die Produktivkraft der Arbeit zurückwirkt. Die Freizeit - als Zeit der Muße, Zeit für Bildung, künstlerische Betätigung usw. gestattet jedem Mitglied der Gesellschaft die vollständige Entfaltung seiner geistigen und körperlichen Fähigkeiten.

Im Unterschied zu einigen utopischen Sozialisten, die davon träumten, daß sich die Arbeit im Kommunismus aus einer verhaßten Bürde, einem Fluch, der sie im Kapitalismus für die übergroße Mehrheit der Werktätigen ist, in ein Spiel, ein bloßes Amüsement verwandeln würde, spricht Marx von der Allgemeinheit der Arbeit in der kommunistischen Gesellschaft, der Arbeit als erstem Lebensbedürfnis, als dem "verdammtesten Ernst" (siehe vorl. Band, S. 512). Die kommunistische Arbeit hat wissenschaftlichen Charakter, sie ist die praktische Anwendung des Wissens, die "Experimentalwissenschaft, materiell schöpferische und sich vergegenständlichende Wissenschaft" (siehe vorl. Band, S. 607). Die Wissenschaft wandelt sich um in eine unmittelbare Produktivkraft.

(Siehe vorl. Band, S. 602.) Als Marx seine ökonomische Theorie entwickelte, erarbeitete er sich gleichzeitig auch die Struktur seines ökonomischen Werkes.

Es wurde bereits der erste Planentwurf erwähnt, den Marx Ende August 1857 in der unvollendet gebliebenen "Einleitung" angefertigt hat. Diesem Plan zufolge, den Marx fast in derselben Form am Schluß des "Kapitels vom Geld" (siehe vorl. Band, S. 154) wiederholte, sollte das Werk aus fünf Teilen bestehen, von denen der

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erste Teil die allgemein abstrakten Bestimmungen enthalten sollte, die in dieser oder jener Form allen Gesellschaftsordnungen eigen sind.

Im November 1857 gab Marx am Beginn des "Kapitels vom Kapital" (siehe vorl. Band, S. 188) bereits viel detailliertere Fassungen des Plans für jenen Teil seiner Arbeit, dessen unmittelbarer Gegenstand das Kapital in all seinen Formen und Aspekten ist, wobei er im Abschnitt "Allgemeinheit" (dem Marx später die Bezeichnung "Das Kapital im allgemeinen" gab) eine Dreigliederung des Materials vornahm, die später im Aufbau seines "Kapitals" eine so große Rolle spielte.

Mit dem vorliegenden Manuskript "Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie" faßte Marx die Ergebnisse seiner ökonomischen Studien zusammen. Es wurde nicht in erster Linie für die Veröffentlichung geschrieben, sondern diente Marx zur Selbstverständigung. In der Auseinandersetzung mit der bürgerlichen und kleinbürgerlichen Ideologie entwickelte er wichtige Grundgedanken seiner ökonomischen Lehre. Durch seine umfangreichen Studien konnte Marx den Mechanismus der kapitalistischen Ausbeutung aufdecken und so einen wichtigen Schritt zur umfassenden ökonomischen Begründung der historischen Mission der Arbeiterklasse vollziehen.

Mit der Fertigstellung dieses Manuskriptes endete die erste große Etappe bei der Ausarbeitung der ökonomischen Theorie von Marx und der Herausbildung der Struktur seines künftigen Hauptwerkes "Das Kapital".

Mit dem Erscheinen der Marx-Engels-Gesamtausgabe (MEGA), die gemeinsam vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der KPdSU und vom Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED herausgegeben wird, ist es möglich, die vorliegende Marx-Engels-Werkausgabe auf der Grundlage der MEGA durch weitere Ergänzungsbände zu komplettieren.

In dem vorliegenden Band finden im Textteil, im Vorwort und im wissenschaftlichen Apparat die neuen Forschungsergebnisse des Bandes 1 der Zweiten Abteilung der MEGA sowie des Bandes 46 der zweiten russischen Ausgabe der Werke von Marx und Engels ihren Niederschlag.

Der Text folgt der unveränderten Wiedergabe der Marxschen Manuskripte in der MEGA. Offensichtliche Schreibfehler werden ohne Nachweis korrigiert, alle sinnverändernden Texteingriffe in Fußnoten nachgewiesen. Zum besseren Verständnis des Textes werden von der Redaktion an einigen Stellen erklärende oder ergänzende Worte in eckigen Klammern eingefügt. Die Manuskripte wurden von Marx selbst nur spärlich durch Überschriften gegliedert. Ein großer Teil der Überschriften stammt von der Redaktion und ist durch eckige Klammern kenntlich gemacht. Dabei wird auf die Überschriften des

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MEGA-Bandes zurückgegriffen. Die eckigen Klammern bei Marx sind durch geschweifte Klammern ersetzt.

Alle längeren Zitate erscheinen im Kleindruck. Fremdsprachige Zitate werden im Text erstmalig ins Deutsche übersetzt; ihr Originalwortlaut ist im Anhang zu finden. Soweit möglich, werden Übersetzungen der Zitate gebracht, die Marx oder Engels in den "Theorien über den Mehrwert", im "Kapital" und in anderen Werken selbst gegeben haben. Für die Übersetzung von Smith und Ricardo werden die Neuausgaben ihrer Hauptwerke benutzt (David Ricardo, "Über die Grundsätze der politischen Ökonomie und der Besteuerung". Übersetzt und mit einer Einleitung versehen von Gerhard Bondi, Berlin 1959. - Adam Smith, "Eine Untersuchung über das Wesen und die Ursachen des Reichtums der Nationen". Übersetzt und eingeleitet von Peter Thal, Band I, Berlin 1963).

Die Fußnoten von Marx sind durch Sternchen gekennzeichnet. Die von ihm in den Text eingestreuten fremdsprachigen Wörter und Sätze werden unverändert gebracht und in Fußnoten übersetzt.

Diese sind durch eine durchgehende Linie vom Text getrennt und durch Ziffern kenntlich gemacht.

Die Nummern der Manuskripthefte von Marx werden durch römische Zahlen, die Manuskriptseiten durch arabische Zahlen zwischen senkrechten Strichen gekennzeichnet.

Rechtschreibung und Zeichensetzung sind, soweit vertretbar, modernisiert. Der Lautstand und die Silbenzahl in den deutschsprachigen Texten werden nicht verändert. Im Text vorkommende Uneinheitlichkeiten bei Währungsbezeichnungen werden vereinheitlicht.

Der vorliegende Band enthält Anmerkungen, auf die im Text durch hochgestellte Ziffern in eckigen Klammern hingewiesen wird, ein Literatur- und Personenverzeichnis, ein Verzeichnis der Gewichte, Maße und Münzen, ein Abkürzungsverzeichnis sowie ein Sachregister.

Institut für Marxismus-Leninismus beim ZK der SED

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