MEW 42, Seite 156: Aufhäufung von Kapital ist aus dem Warentausch zwingend zur Erhaltung der Geldwertstabilität Bei allen alten Völkern erscheint das Aufhäufen von Gold und Silber ursprünglich als priesterliches und königliches Privilegium, da der Gott und König der Waren nur den Göttern und Königen zukommt. Nur sie verdienen, den Reichtum als solchen zu besitzen. Dies Aufhäufen dann einerseits nur als zur Schaustellung des Überflusses, d.h. des Reichtums als einer extraordinären sonntäglichen Sache; zum Geschenk für Tempel und ihre Götter; zu öffentlichen Kunstgegenständen; endlich als gesichertes Mittel für den Fall außerordentlicher Not, zum Waffenankauf etc. Das Aufhäufen wird später bei den Alten Politik. Der Staatsschatz als Reservefonds und der Tempel sind die ursprünglichen Banken, worin dies Allerheiligste konserviert wird. Das Aufhäufen und Aufspeichern [erreicht] seine letzte Entwicklung in den modernen Banken; hier aber mit weiterentwickelter Bestimmung. Andrerseits bei den Privaten das Aufspeichern als In-Sicherheit-Bringen des Reichtums in seiner gediegnen Form vor den Wechselfällen der äußren Welt, in welcher er vergraben werden kann etc., kurz in ein ganz geheimes Verhältnis zum Individuum tritt. Dies noch auf großer historischer Stufenleiter in Asien. Wiederholt sich bei allen panics, Kriegen etc. in der bürgerlichen Gesellschaft, die dann in den barbarischen Zustand zurückfällt. Ebenso das Aufhäufen des Goldes etc. als Schmuck und Prunk bei Halbbarbaren. Aber sehr großer und stets wachsender Teil desselben als Luxusgegenstand der Zirkulation entzogen in der entwickeltsten bürgerlichen Gesellschaft. Als Repräsentant des allgemeinen Reichtums ist eben das Behalten desselben, ohne es der Zirkulation preiszugeben und es für besondre Bedürfnisse zu verwenden, Beweis des Reichtums der Individuen, und im selben Maß, wie das Geld in seinen verschiednen Bestimmungen sich entwickelt, d. h., der Reichtum als solcher der allgemeine Maßstab des Werts des Individuums wird, Trieb nach Schaustellung desselben, also display von Gold und Silber als Repräsentanten des Reichtums, ganz wie Herr v. Rothschild als seiner würdiges Wappen, ich glaube zwei Banknoten von 100 000 l., jede im Rahmen eingefaßt, aushängen hat. Die barbarische Schaustellung von Gold etc. nur naivere Form dieser modernen, da sie weniger mit bezug auf das Gold als Geld geschieht. Hier noch einfacher Glanz desselben. Dort reflektierte Pointe. Die Pointe liegt darauf, daß es nicht als Geld benutzt ist; die gegensätzliche Form zur Zirkulation ist hier das wichtige.
Die Akkumulation aller andren Waren weniger ursprünglich als die des Goldes und Silbers:
1. wegen ihrer Vergänglichkeit. Die Metalle stellen an sich das Dauerhafte gegenüber den andren Waren dar; auch schon [wegen] ihrer größren Seltenheit und exzeptionellen Charakters als die Produktionsinstrumente par excellence mit Vorliebe aufgehäuft. Die edlen Metalle als nicht der Oxydation an der Luft etc. ausgesetzt, wieder weniger vergänglich als die unedlen Metalle. Was an den andren Waren vergeht, ist eben ihre Form; aber diese Form gibt ihnen ebenso den Tauschwert, während ihr Gebrauchswert im Aufheben dieser Form, der Konsumtion, besteht.
Beim Geld dagegen ist seine Substanz, seine Materialität, die Form selbst, in der es den Reichtum repräsentiert. Wenn das Geld als an allen Orten, der Raumbestimmung nach allgemeine Ware erscheint, so jetzt auch der Zeitbestimmung nach. Es erhält sich als Reichtum in allen Zeiten. Spezifische Dauer desselben. Es ist der Schatz, den weder die Motten noch der Rost fressen. Alle Waren sind nur vergängliches Geld; das Geld ist die unvergängliche Ware. Das Geld ist die allgegenwärtige Ware; die Ware nur lokales Geld. Die Akkumulation ist aber wesentlich ein in der Zeit vor sich gehender Prozeß.
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Man sieht, wie das Aufhäufen des Goldes und Silbers den wahren stimulus erhielt mit seiner Auffassung als materieller Repräsentant und allgemeine Form des Reichtums. Der Geldkultus hat seinen Asketismus, seine Entsagung, seine Selbstaufopferung - die Sparsamkeit und Frugalität, das Verachten der weltlichen, zeitlichen und vergänglichen Genüsse; das Nachjagen nach dem ewigen Schatz.
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Wenn aber die Ängstlichkeit in der Lehre vom Geld im Besondren und die fieberhafte Angst, mit der in der Praxis der Ein- und Abfluß von Gold und Silber in den Zeiten der Krisen bewacht wird, betrachtet wird, so zeigt sich, daß das Geld, in der Bestimmung, worin die Anhänger des Monetär- und Merkantilsystems es mit naiver Einseitigkeit auffaßten, durchaus noch ihr Recht hat, nicht nur in der Vorstellung, sondern als reale ökonomische Kategorie. Der Gegensatz, der die wirklichen Bedürfnisse der Produktion gegen diese Suprematie des Geldes vertritt, am schlagendsten in Boisguillebert.
2. Das Aufhäufen andrer Waren nach einer doppelten Seite, abgesehn von ihrer Vergänglichkeit, wesentlich unterschieden vom Aufhäufen von Gold und Silber, die hier identisch mit Geld sind.
Einmal, das Aufhäufen andrer Waren hat nicht den Charakter des Aufhäufens von Reichtum überhaupt, sondern von besondrem Reichtum, und ist daher selbst ein besondrer Produktionsakt, wo es mit dem einfachen Aufhäufen nicht getan ist. Getreide aufzuspeichern erfordert besondre Vorrichtungen etc. Schafe aufzuhäufen macht nicht zum Hirten; Sklaven oder Land aufhäufen macht Herrschafts- und Knechtschaftsverhältnisse etc. nötig. Alles das erfordert also von dem einfachen Akkumulieren, Vermehren als solchem des Reichtums unterschiedne Akte und bestimmte Verhältnisse. Andrerseits, um die aufgehäufte Ware nun als allgemeinen Reichtum zu realisieren, mir den Reichtum in allen seinen besondren Formen anzueignen, muß ich Handel treiben mit der besondren Ware, die ich angehäuft habe, Kornhändler, Viehhändler etc. Dessen überhebt mich das Geld als allgemeiner Repräsentant des Reichtums.
Die Akkumulation von Gold und Silber, von Geld, ist die erste historische Erscheinung des Ansammelns von Kapital und das erste große Mittel desselben; aber als solches ist sie noch nicht Akkumulation von Kapital. Dazu müßte das Wiedereingehn des Akkumulierten in die Zirkulation selbst als Moment und Mittel des Aufhäufens gesetzt sein.
Das Geld in seiner letzten, vollendeten Bestimmung erscheint nun nach allen Seiten als ein Widerspruch, der sich selbst auflöst; zu seiner eignen Auflösung treibt. Als allgemeine Form des Reichtums steht ihm die ganze Welt der wirklichen Reichtümer gegenüber. Es ist die reine Abstraktion derselben, - daher so festgehalten bloße Einbildung. Wo der Reichtum in ganz materieller, handgreiflicher Form als solcher zu existieren scheint, hat er seine Existenz bloß in meinem Kopf, ist ein reines Hirngespinst. Midas. Andrerseits, als materieller Repräsentant des allgemeinen Reichtums wird es bloß verwirklicht, indem es wieder in Zirkulation-geworfen, gegen die einzelnen besondren Weisen des Reichtums verschwindet. In der Zirkulation bleibt es als Zirkulationsmittel; aber für das aufhäufende Individuum geht es verloren, und dies Verschwinden ist die einzig mögliche Weise, es als Reichtum zu versichern. Die Auflösung des Aufgespeicherten in einzelnen Genüssen ist seine Verwirklichung. Es kann nun wieder von andren einzelnen aufgespeichert werden, aber dann fängt derselbe Prozeß von neuem an. Ich kann sein Sein für mich nur wirklich setzen, indem ich es als bloßes Sein für andre hingebe. Will ich es festhalten, so verdunstet es unter der Hand in ein bloßes Gespenst des wirklichen Reichtums. Ferner: Das Vermehren desselben durch seine Aufhäufung, daß seine eigne Quantität das Maß seines Werts ist, zeigt sich wieder als falsch.
Wenn die andren Reichtümer sich nicht aufhäufen, so verliert es selbst seinen Wert in dem Maß, in dem es aufgehäuft wird. Was als seine Vermehrung erscheint, ist in der Tat seine Abnahme. Seine Selbständigkeit ist nur Schein; seine Unabhängigkeit von der Zirkulation besteht nur in Rücksicht auf sie, als Abhängigkeit von ihr. Es gibt vor, allgemeine Ware zu sein, aber ihrer natürlichen Besonderheit wegen ist es wieder eine besondre Ware, deren Wert sowohl von Nachfrage und Zufuhr abhängt als er wechselt mit seinen spezifischen Produktionskosten. Und da es selbst in Gold und Silber sich inkarniert, wird es in jeder wirklichen Form einseitig; so daß, wenn das eine als Geld - das andre als besondre Ware und vice versa erscheint, und so jedes in beiden Bestimmungen erscheint. Als der absolut sichre, ganz von meiner Individualität unabhängige Reichtum, ist es zugleich als das mir ganz äußerliche, das absolut unsichre, das durch jeden Zufall von mir getrennt werden kann. Ebenso die ganz widersprechenden Bestimmungen desselben als Maß, Zirkulationsmittel, und Geld als solches. Endlich in der letzten Bestimmung widerspricht es sich noch, weil es den Wert als solchen repräsentieren soll; in der Tat aber nur ein identisches Quantum von veränderlichem Wert repräsentiert. Es hebt sich daher auf als vollendeter Tauschwert.
Als bloßes Maß ist es schon negiert in sich als Zirkulationsmittel; als Zirkulationsmittel und Maß in sich als Geld. Die Negation seiner in der letzten Bestimmung ist also zugleich die in den beiden frühern. Als bloß allgemeine Form des Reichtums negiert, muß es also sich verwirklichen in den besondren Substanzen des wirklichen Reichtums; aber indem es so sich wirklich bewährt als materieller Repräsentant der Totalität des Reichtums, muß es zugleich sich erhalten als die allgemeine Form. Sein Eingehn in die Zirkulation muß selbst ein Moment seines Beisichbleibens und sein Beisichbleiben ein Eingehn in die Zirkulation sein. D.h., als realisierter Tauschwert muß es zugleich als Prozeß gesetzt sein, worin sich der Tauschwert realisiert. Es ist zugleich die Negation seiner als einer rein dinglichen Form, den Individuen gegenüber äußerlichen und zufälligen Form des Reichtums. Es muß vielmehr als die Produktion des Reichtums erscheinen und dieser als Resultat der Beziehungen der Individuen aufeinander in der Produktion. Der Tauschwert ist jetzt also bestimmt als Prozeß, nicht mehr als einfaches Ding, für das die Zirkulation nur eine äußerliche Bewegung ist oder das als Individuum in einer besondren Materie existiert: als Verhalten zu sich selbst durch den Prozeß der Zirkulation. Andrerseits ist die Zirkulation selbst nicht mehr bloß als der einfache Prozeß des Austauschs von Waren gegen Geld und von Geld gegen Waren, nicht mehr bloß als die vermittelnde Bewegung, um die Preise der verschiednen Waren zu realisieren, als Tauschwerte gegeneinander gleichzusetzen, wo beides außerhalb der Zirkulation erscheint: der vorausgesetzte Tauschwert, die schließliche Entziehung der Ware in die Konsumtion, also das Vernichten des Tauschwerts einerseits und das Entziehn des Geldes, seine Verselbständigung gegen seine Substanz, was wieder eine andre Form seiner Vernichtung ist. Der Tauschwert selbst, und jetzt nicht mehr der Tauschwert im allgemeinen, sondern der gemeßne, muß als Voraussetzung selbst als von der Zirkulation gesetzt und als von ihr gesetzt ihr vorausgesetzt erscheinen. Der Prozeß der Zirkulation muß ebenso als Prozeß der Produktion der Tauschwerte erscheinen. Es ist also einerseits das Rückgehn des Tauschwerts in die Arbeit, andrerseits des Gelds in den Tauschwert; der aber jetzt in einer vertieften Bestimmung gesetzt ist. Bei der Zirkulation ist der bestimmte Preis vorausgesetzt, und sie als Geld setzt ihn nur formell. Die Bestimmtheit des Tauschwerts selbst, oder das Maß des Preises, muß jetzt selbst als Akt der Zirkulation erscheinen. So gesetzt ist der Tauschwert das Kapital, und die Zirkulation zugleich als Akt der Produktion gesetzt. ==>
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