"Der unter dem rohen praktischen Bedürfnis befangene Sinn hat auch nur einen bornierten Sinn. Für den ausgehungerten Menschen existiert nicht die menschliche Form der Speise, sondern nur ihr abstraktes Dasein als Speise; ebenso gut könnte sie in rohster Form vorliegen, und es ist nicht zu sagen, wodurch sich diese Nahrungstätigkeit von der tierischen Nahrungstätigkeit unterscheidet. Der sorgenvolle, bedürftige Mensch hat keinen Sinn für das schönste Schauspiel; der Mineralienkrämer sieht nur den merkantilischen Wert, aber nicht die Schönheit und eigentümliche Natur des Minerals; er hat keinen mineralogischen Sinn; also die Vergegenständlichung des menschlichen Wesens, sowohl in theoretischer als praktischer Hinsicht, gehört dazu, sowohl um die Sinne des Menschen menschlich zu machen als um für den ganzen Reichtum des menschlichen und natürlichen Wesens entsprechenden menschlichen Sinn zu schaffen." (MEW 40 S. 542). Jedes menschliche Bedürfnis ist letztlich ein Bedürfnis des Menschen nach dem Menschen, das Verlangen nach seiner Gestalt und Gestaltung, der objektiven Form seines Daseins im Großen und Ganzen menschlicher Sinnlichkeit im Dasein ihrer Lebensäußerungen, dem Sein ihrer Lebenswirklichkeit als Verwirklichung ihrer geschichtlich entwickelten Natur, der Kultur ihrer gesellschaftlichen Beziehungen (siehe auch Geschlechtsarbeit). Von daher ist jedes Bedürfnis im Wesentlichen immer schon ein Verlangen der Menschen nach der gesellschaftlichen Gegenwärtigkeit ihres Lebens. So es ein Bedürfnis an sich gäbe mag es wie eine Lebenspflicht der Lebensnotwendigkeiten des Stoffwechsels noch unbedingt zwingend erscheinen und menschliche Arbeit als eine dem Menschsein äußerliche Bestimmtheit von Natur aus einfordern. Als menschliches Bedürfnis ist es jedoch bestimmt durch den Reichtum einer Gesellschaft, die durch ihre menschliche Naturmacht eine Vielfalt darstellt, die auch als ein Mangelgefühl gegen den herrschenden Reichtum einer menschlichen Gesellschaft besteht und also von dieser durch ihre Verhältnisse und Produkte erzeugt worden war. "Unsere Bedürfnisse und Genüsse entspringen aus der Gesellschaft; wir messen sie daher an der Gesellschaft; wir messen sie nicht an den Gegenständen ihrer Befriedigung. Weil sie gesellschaftlicher Natur sind, sind sie relativer Natur." (Marx, MEW 6. 412) Bedürfnisse sind daher vor allem das Produkt gesellschaftlicher Sinnbildungen, in der Einheit der Natur und Kultur des gesellschaftlich entwickelten Menschen, wie sie zwischen gesellschaftlicher Produktion und Konsumtion entstanden waren. Sie sind von daher rückbezüglich auf das Ganze einer Gesellschaft, – eben so, wie sie sich auch kulturell ereignet hat – ganz gleich, wieweit sie auch sachlich existieren (siehe hierzu Kritik der politischen Kultur). Einmal erfunden, sind sie da (siehe Dasein) und daher auch wesentlich organischer Teil des gesellschaftlichen Lebenszusammenhangs der Menschen, greifen also auch auf ihren Bildungsprozess immer wieder zurück. Es ist von da her in seinem Sinn mit dem der Arbeit identisch. Seine Geschichte ist die Geschichte der Arbeit und ihrer gesellschaftlichen Existenzform. Es verändert die Produktion so, wie diese auch den Sinn der Bedürfnisse ändert (siehe Historischer Materialismus). Doch durch die Teilung der Arbeit, durch die Trennung der Zwecke von Produktion und Konsum wurden Bedürfnisse zu eigenständigen Wesen (siehe auch Verselbständigung) des Warentauschs, der gesellschaftlichen Form des Privateigentums. "Das rohe Bedürfnis des Arbeiters ist eine viel größere Quelle des Gewinns als das feine des Reichen. Die Kellerwohnungen in London bringen ihren Vermietern mehr ein als die Paläste, d.h., sie sind in bezug auf ihn ein größrer Reichtum, also, um nationalökonomisch zu sprechen, ein größrer gesellschaftlicher Reichtum. – Und wie die Industrie auf die Verfeinerung der Bedürfnisse, ebensosehr spekuliert sie auf ihre Roheit, aber auf ihre künstlich hervorgebrachte Roheit, deren wahrer Genuß daher die Selbstbetäubung ist, diese scheinbare Befriedigung des Bedürfnisses, diese Zivilisation innerhalb der rohen Barbarei des Bedürfnisses." (Karl Marx in MEW 40 S. 551). Jedes Bedürfnis stellt ein Verlangen nach der Natur eines kulturellen Gegenstands dar, an dem es ihm ermangelt und von daher Unfrieden, also die Notwendigkeit seiner Befriedigung erzeugt. Diese kann durch den Zusammenhang der Gegegebenheiten ebenso begründet sein, wie durch eine Mangelempfindung des Stoffwechsels. Was hierfür zu finden ist und was daher die bdürftige Empfindung bestimmt, konzentriert die Wahrnehmung auf die Absichten von Tätigkeiten, die ihrer Not beistehen müssen. Diese sind aber nicht an deren bloßen Stoff gebunden. Sie greifen zugleich weit über die Wahrnehmung hinaus, die nicht nur auf ihre Reproduktion in ewiger Wiederholung bezogen, sondern auch mit dem ganzen Leben des Organismus verbunden ist. Und dies erfordert eine diesbezügliche Arbeit, ganz gleich, was das einzelne und oft auch vereinzelte Verlangen bewirkt hat, weil dieses nicht nur enthält, was es wahrhat, sondern auch, was es wahrmachen kann. Was durch einen natürlichen oder einen kulturellen Mangel netweder inhaltlich oder auch nur formell bewirkt wurde ermöglicht immer auch neue Beziehungen der Sinne, in denen das objektiv bedürftige Subjekt zu einem Subjekt seiner Verhältnisse werden kann (siehe auch Emanzipation). Jedes Bedürnis stellt zwar ein wirkliches Defizit dar, das unbedingt aufgehoben werden muss, das aber auch den Sinn seiner Bildung und daher auch seinen sinnlichen Reichtum erweitern und fortbilden kann. In diesem Sinn sind die Bedürfnisse der Menschen Grund und Inhalt ihrer Arbeit, die zugleich Sinne bildet und neue Bedürfnisse ermöglicht. Arbeit und Bedürfnis sind daher wesentlich identisch. Weil jede Arbeit ein Bedürfnis formuliert und gestaltet, kann Arbeit nicht selbst ein eigenständiges Bedürfnis sein. Menschliche Arbeit verarbeitet immer die natürlichen Verhältnisse einer menschlichen Naturmacht. Wo Bedürfnisse von ihrem Grund, von der Lebensäußerung ihrer Entstehung getrennt sind, treten sie nurmehr als ein bloßes Begehren der Triebe nach irgendeiner Konsumtion auf (siehe hierzu auch Beliebigkeit). Begehren ist ein sehnsüchtiges Verlangen das ungestillte Bedürfnisse zusammenfasst und zugleich von ihren konkreten Inhalten abstrahiert. Von daher ientsteht in einem unstillbaren Begehren eine Kraft, die Absicht einer Abstraktionskraft, die zur Substanz der Triebe, zu einer kräftig drängenden Formbestimmung der subjektiven Beziehungen wird und schließlich auch deren Inhalte selbst unmittelbar, also ohne weitere Vermittlung aufzehrt und sich in seiner triebhaft gewordenen Selbstbezogenheit als Wahrnehmungsform durch sich selbst ebenso kräftig nach außen wendet und ihre Gegenstände nichtig erscheinen lässt, weil es nurmehr das Bedürfnis des Geldes verkörpert. "Das Bedürfnis des Geldes ist daher das wahre, von der Nationalökonomie produzierte Bedürfnis und das einzige Bedürfnis, das sie produziert. - Die Quantität des Geldes wird immer mehr seine einzige mächtige Eigenschaft; wie es alles Wesen auf seine Abstraktion reduziert, so reduziert es sich in seiner eignen Bewegung als quantitatives Wesen. Die Maßlosigkeit und Unmäßigkeit wird sein wahres Maß. - Subjektiv selbst erscheint dies so, teils daß die Ausdehnung der Produkte und der Bedürfnisse zum erfinderischen und stets kalkulierenden Sklaven unmenschlicher, raffinierter, unnatürlicher und eingebildeter Gelüste wird - das Privateigentum weiß das rohe Bedürfnis nicht zum menschlichen Bedürfnis zu machen; sein Idealismus ist die Einbildung, die Willkür, die Laune, und ein Eunuche schmeichelt nicht niederträchtiger seinem Despoten und sucht durch keine infameren Mittel seine abgestumpfte Genußfähigkeit zu irritieren, um sich selbst die Gunst zu erschleichen, wie der Industrieeunuche, der Produzent, um sich Silberpfennige zu erschleichen, aus der Tasche des christlich geliebten Nachbarn die Goldvogel herauszulocken - (jedes Produkt ist ein Köder, womit man das Wesen des andern, sein Geld, an sich locken will, jedes wirkliche oder mögliche Bedürfnis ist eine Schwachheit, die die Fliege an die Leimstange heranführen wird - allgemeine Ausbeutung des gemeinschaftlichen menschlichen Wesens, wie jede Unvollkommenheit des Menschen ein Band mit dem Himmel ist, eine Seite, wo sein Herz dem Priester zugänglich; jede Not ist die Gelegenheit, um unter dem liebenswürdigsten Schein zum Nachbarn zu treten und ihm zu sagen: Lieber Freund, ich gebe dir, was dir nötig ist; aber du kennst die conditio sine qua non; du weißt, mit welcher Tinte du dich mir zu verschreiben hast; ich prelle dich, indem ich dir einen Genuß verschaffe) -, sich seinen verworfensten Einfällen fügt, den Kuppler zwischen ihm und seinem Bedürfnis spielt, krankhafte Gelüste in ihm erregt, jede Schwachheit ihm ablauert, um dann das Handgeld für diesen Liebesdienst zu verlangen." (Karl Marx in MEW 40 Seite 547f). Die Erzeugung menschlicher Gegenstände, die menschliche Arbeit, ist nicht irgendeine Tätigkeit, die man sich auch ohne Grund vorstellen kann. Sie ist sowohl der Aufwand, der zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse nötig ist, wie auch die Erzeugung und Entwicklung des Sinns, den diese Gegenstände für die Menschen haben. "Die Menschlichkeit der Sinne wird erst durch das Dasein seines Gegenstandes, durch die vermenschlichte Natur. Die Bildung der fünf Sinne ist eine Arbeit der ganzen bisherigen Weltgeschichte. Der unter dem rohen praktischen Bedürfnis befangene Sinn hat auch nur einen bornierten Sinn. Für den ausgehungerten Menschen existiert nicht die menschliche Form der Speise, sondern nur ihr abstraktes Dasein als Speise; ebensogut könnte sie in rohster Form vorliegen, und es ist nicht zu sagen, wodurch sich diese Nahrungstätigkeit von der tierischen Nahrungstätigkeit unterscheide." (Karl Marx in MEW 40 S. 541f). An und für sich haben Bedürfnis und Arbeit einen identischen Sinn in dem gesellschaftlichen Zusammenwirken der Menschen, in der menschlichen Gesellschaft, worin die Menschen ihre Natur und Naturmächtigkeit als ihr Lebensverhältnis, als ihr kultiviertes Verhältnis zu ihrem Stoffwechsel, entfalten. Die Kultur ist die lebendige Substanz einer jeden menschlichen Gesellschaft, sowohl ihr Sinn als Not wendende Überwindung eines sinnlichen Mangels, als auch der Sinn ihrer Bildung, als Grund der Entwicklung dieser Kultur, als geschichtliche Tätigkeit der Gesellschaftsbildung, als Bildungsprozess neuer gesellschaftlicher Inhalte. Die Befriedigung menschlicher Bedürfnisse erzeugt zugleich neue Bedürfnisse und damit die Notwendigkeit der Herstellung eines Gegenstands, welcher eine Gesellschaft kulturell weiterbringt, weil deren Sinne neue Gegenständlichkeit verlangen. Menschliche Bedürfnisse machen also die Notwendigkeit ihrer Erhaltung wie ihrer Entwicklung aus, sind die Substanz ihrer gesellschaftlichen Geschichte, worin alle Tätigkeit sich als Sinnbildung bewahrheitet, wie sie darin auch wahr wird. "Die Produktion liefert dem Bedürfnis nicht nur ein Material, sondern sie liefert dem Material auch ein Bedürfnis. Wenn die Konsumtion aus ihrer ersten Naturroheit und Unmittelbarkeit heraustritt - und das Verweilen in derselben wäre selbst noch das Resultat einer in der Naturroheit steckenden Produktion -, so ist sie selbst als Trieb vermittelt durch den Gegenstand. Das Bedürfnis, das sie nach ihm fühlt, ist durch die Wahrnehmung desselben geschaffen. Der Kunstgegenstand - ebenso jedes andre Produkt - schafft ein kunstsinniges und schönheitsgenußfähiges Publikum. Die Produktion produziert daher nicht nur einen Gegenstand für das Subjekt, sondern auch ein Subjekt für den Gegenstand." (MEW 13, S.634) Es formuliert jedes Bedürfnis ein wirkliches Mangelgefühl, wenn es seiner natürlichen Gegenständlichkeit entbehren muss. Und es formuliert zugleich eine Idee der Veränderung und ist von daher geschichtsbildend. Es stellt in den Menschen und ihrer Kultur eine Einheit von Idee und Wirklichkeit dar und reicht von da her sowohl über die bloßen Notwendigkeiten der Verhältnisse hinaus, als es auch eine bedingungslose Substanz der Empfindung, die Notwendigkeit einer bestimmten Wahrnehmung, worin sie ihren Gegenstand nicht nur finden soll, sondern ihm auch schon vor aller Erfahrung entspricht. Es ist ihre natürliche Intelligenz, die sich in den Bedürfnissen formuliert und nach den ihnen entsprechenden Stoffen und Erlebnissen sucht und auch ihre Sinnbildung fortbestimmt, aus der auch neue Bedürfnisse und dem entsprechende Kulturen entstehen. Bedürfnisse sind also nicht voraussetzungslos, aber auch nicht folgenlos. Sie entstehen aus den vielfältigen Sinnbeziehungen der Natur und der hieraus entstandenen Kultur, in der sich der Sinn für ihre Natur verwirklicht und den Sinn für ihre Vergegenständlichung, für ihre Gegenstände bildet. Sie formulieren und bestimmen den Sinn ihrer Herstellung, ihrer Arbeit, wie sie zugleich auch in ihrer Kultur den Sinn ihrer Arbeit verwirklicht finden, für sich empfinden. Was in der Empfindung gefühlt wird, ist also rein subjektiv und verbleibt im empfindendenSubjekt daher auch als Gefühl für etwas oder jemanden, für einen Menschen, für ein Tier, eine Pflanze oder eine Sache. Und dieses Gefühl bildet sich in diesem Subjekt als dessen Fähigkeit fort, durch seine Naturmächtigkeit seine eigene Welt zu gestalten. Es verschafft sich darin die Zusammenhänge, in denen sein Leben existiert und tätig ist und sich also selbst als lebendiges Bedürfnis in seinen Gefühlen hierauf bezieht. Im Gefühl bezieht sich ein Mensch subjektiv auf seinen Gegenstand, wie er für ihn und durch ihn auch als Empfindung da ist, wie er von Natur als seine Kultur ist, wie er durch ihn gebildet ist und wie er ihn selbst gebildet hat. So ist die Kultur zur Natur des Menschen, als Sinn seiner Bedürfnisse entstanden, weil er sich darin sinnlich vergegenständlicht hat und sich als tätiger und bedürftiger Mensch darin erkennt, bestätigt und bestärkt. Er bildet seine Gefühle für seine Gegenstände so aus, wie er seine Bedürfnisse durch seine Tätigkeiten fortbildet, wie er ein Gefühl für die naturhaften und gesellschaftlichen Dinge entwickelt, für Holz, Metall, Wetter, Erde usw. ebenso wie für Menschen, Räume, Bewegungen, Töne usw. Was durch die Arbeit der Menschen als Reichtum ihrer Kultur entstanden war macht die Welt ihrer Bedürfnisse aus. Aber jedes Bedürfnis, das nicht befriedigt wird, erzeugt eine Not, die abgewendet werden muss, eine innere Notwendigkeit, die so objektiv wie subjektiv - weil naürlich- ist. Die Abwesenheit seiner Befriedigung stellt sich als unbedingte sinnliche Norlage dar. Es ist daher wesentlich eine Not, die im Bedürfnis als ein notwendiges Verlangen erscheint. Nur wenn es sich frei auf seinen Gegenstand beziehen kann, wenn es hierbei nicht durch irgendeine fremde Macht behindert wird, kann es seine Not wenden. Weil seine Befriedigung notwendig ist, ist also auch die Freiheit seiner Beziehunng nötig. Freiheit ist der unbedingte Umstand, dass sich der Sinn, den Bedürfnisse haben, auch verwirklichen kann. Nicht irgendeine beliebige Beziehunng, sondern die aus ihrer Notwendigkeit bestimmte Freiheit kann überhaupt nur wirklich frei sein, weil hier jede Beliebigkiet, also Freiheit als Beliebigkiet ihren Sinn zerstören würde. "Die Lebensgefahr für jedes Wesen besteht darin, sich selbst zu verlieren. Die Unfreiheit ist daher die eigentliche Todesgefahr für den Menschen." (K. Marx, MEW 1, 60) Von daher ist auch der Gegenstand der Bedürfnisse aus ihnen notwendig entstanden, wurde mit Kraft und Aufwand hergestellt, um einen menschlichen Sinn oder menschliche Sinne übrhaupt zu vewirklichen und als ihren Gegenstand zu erzeugen. Die menschliche Kultur ist aus dieser Sinnbildung entstanden und daher die gegenständliche Form menschlicher Bedürfnisse, die erst durch die notwendige Wirtschaftlickeit der Arbeit auch in ihrer Wirklichkeit nützlich ist. Sinn und Nutzen stellen die wesentliche Beziehunng von Kultur und Wirtschaft dar, die nur in dieser Einheit eine menschliche Gesellschaft bilden können. In jedem Bedürfnis vereint sich Tätigkeit und Wahrnehmung, Arbeit und Befriedigung, menschliche Geschichte schlechthin, wie sie sich im Einzelnen wie auch allgemein fortbildet. Die Entstehung von Bedürfnissen ist einerseits eine Entwicklung der tätigen Sinne, aus der sich menschliche Geschichte entfaltet, die Sinnbildung ihrer Kultur in der Art und Weise ist, wie sie sich in deren Lebenszusammenhängen erneuern, entwickeln und verfeienern kann. Zugleich ist jedes einzelne Bedürfnis im Sinn seiner Wahrnehmung ein unbedingtes Verlangen, ein Streben nach Befriedigung aus der Unruhe einer subjektiven Not, die durch den Mangel an dem entstanden war, was dem Leben im Allgemeinen wesentlich nötig und nützlich ist. Im Bedürfnis ist ein gesellschaftlichen Verhältnis der Kultur verschmolzen, indem darin der Nutzen die Sinne, das Leben der Sinne, durch ihre Tätigkeit und Wahrnehmung in der Einheit von Sinn und Nutzen befriedet und entfaltet, sich als eine objektive Ruhe aus der Bewegung des Lebens einstellt und äußert. Weil und sofern ihm die zum Selbsterhalt nützlichen Gegenstände nicht verfügbar nicht gegenwärtig, abwesend sind und es eine gesellschaftliche Gegenwärtigkeit des Lebens in gegebener Form nötig hat, ist das Bedürfnis also einerseits notwendiges Verlangen seiner Natur, die Notwendigkeit der Selbsterhaltung seines Stoffwechsels und seiner Kultur, die Not seines Daseins, die durch notwendige Arbeit und ihrer Produkte aufgehoben werden muss. Und andererseits ist es darüber hinaus ein kulturelles Verlangen nach eigener Wirklichkeit, nach der Freiheit, der Entfaltung des Lebens, der Sinnbildung durch die Erzeugnisse einer Reichtum schaffenden produktiven Arbeit und Fortbildung ihrer Produktivität, die zugleich aber auch die Allgemeinform der Gesellschaft entwickelt, also vor allem ihre Formbestimmung bestärkt. Indem sich im Bedürfnis das notwendige Verlangen nach einem geschichtlich entstandenen Lebensstandard ausdrückt, äußert sich darin zugleich ein Bildungsinteresse nach Fortentwicklung, das geschichtsbildende Verlangen nach Vergegenständlichung erneuerter Sinne, wodurch sich seine Fähigkeiten differenzieren und seine Eigenschaften fortbilden sollen. Im Bedürfnis ist beides nicht ohne einander, weil schon jede Arbeit Geist und Sinn in einem hat, bevor sie durch den hieraus gebildeten Gegenstand der Befriedigung die Sinne begeistern kann. Im Hunger bildet sich Geschmack, aus der Stille die Musik, aus der Lebensnot Sinn für sich. Durch ihre Befreiung erst verwirklicht sich ihre Wahrheit, der Sinnzusammenhang von Arbeit und Leben, das Lebensverhältnis der Menschen in seiner gesellschaftlichen Form, seinem subjektiven Dasein in den Relationen der objektiven Kulturfom ihres Stoffwechsels in Raum und Zeit - Einheit von Kultur und Arbeit als sinnvolle Welt nützlicher Gegenstände, Einheit von Sinn und Nutzen. "Unsere Bedürfnisse und Genüsse entspringen aus der Gesellschaft; wir messen sie daher an der Gesellschaft; wir messen sie nicht an den Gegenständen ihrer Befriedigung. Weil sie gesellschaftlicher Natur sind, sind sie relativer Natur." (K. Marx, Lohnarbeit und Kapital, MEW 6, S. 412). Bedürfnisse sind der Inhalt einer jeden Sinnbildung im Verhältnis von Aufwand und Genuss, Nutzen und Sinn in der Geschichte der menschlichen Kultur, der subjektive Gehalt ihrer Entwicklung. Daher ist das menschliche Bedürfnis die Substanz der menschlichen Kultur, die erst durch eine abstrakte gesellschaftliche Vermittlung, durch die Teilung der Arbeit in ihrer Aufhebung durch den Warentausch "die Trennung zwischen diesen unorganischen Bedingungen menschlichen Daseins und diesem tätigen Dasein" (Marx in MEW 42, Seite 397) des Menschen erfährt. In dieser Getrenntheit spaltet sie ihren Sinn von ihrem Zweck ab (siehe hierzu auch Dialektik) und bestimmt die Kultur aus ihren abstrakt allgemeinen Beziehungen heraus zur Formation eines abstrakt menschlichen Sinnes und die Wirtschaft zur Formation einer abstrakt menschlichen Arbeit. "Nicht die Einheit der lebendigen und tätigen Menschen mit den natürlichen und unorganischen Bedingungen ihres Stoffwechsels mit der Natur, und daher ihre Aneignung der Natur – bedarf der Erklärung oder ist Resultat eines historischen Prozesses, sondern die Trennung zwischen diesen unorganischen Bedingungen menschlichen Daseins und diesem tätigen Dasein." (Karl Marx, "Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie", Moskau 1939, Reprint Europa-Verlag Wien 1972, S. 389) In dieser Getrenntheit von Kultur und Wirtschaft erweist sich die Trennung von Bedürfnis und Arbeit ebenso wie die zwischen Individuum und Gesellschaft als Grundlage sozialer Verwerfungen. Von daher ist der Begriff der Arbeit im Sinn der Bedürfnisse, die wesentliche Einheit von Bedürfnis und Arbeit ganz elementar für eine Kritik der politischen Kultur wie auch der politischen Ökonomie. Ein menschliches Bedürfnis ist eben nicht aus seiner individuellen Natur heraus Grund zu einer gesellschaftlichen Fortentwicklung, nicht unbedingt menschliches Verlangen aus purer Not, sondern ein Verlangen, das notwendige Lebensbereicherung beinhaltet, das sowohl Not aufhebt, wie auch das Leben für sich frei macht, sich in seiner Freiheit emanzipiert. Darin vereint sich Freiheit und Notwendigkeit der menschlichen Naturmacht in ihrer gesellschaftlichen Form als geschichtliches Streben ihrer Fortbildung (siehe hierzu auch Historischer Materialismus). Doch diese Macht trennt sich durch den Warentausch der bürgerlichen Gesellschaft auf in zwei gegensinnige Positionen in der Vermittlung des gesellschaftlichen Reichtums: der Position des Käufers und der des Verkäufers. Was der eine hat, muss der andere geben, weil er in Not ist, während er sich der Freiheit des anderen beugen muss, solange Geld als allgemeines Kaufmittel den Markt beherrscht. So hat diese Macht selbst immer noch unterschiedliche Existenzweisen der Menschen zur Voraussetzung und verhält sich in und durch diese als Verhältnis unterschiedlicher Klassen, die durch den Sinn und Zweck ihrer jeweiligen Lebensgründe sich gegensinnig verhalten. "Das Bedürfnis des Geldes ist ... das wahre, von der Nationalökonomie produzierte Bedürfnis und das einzige Bedürfnis, das sie produziert. - Die Quantität des Geldes wird immer mehr seine einzige mächtige Eigenschaft; wie es alles Wesen auf seine Abstraktion reduziert, so reduziert es sich in seiner eignen Bewegung als quantitatives Wesen." (Karl Marx in Ökonomisch-philosophische Manuskripte (1844) - MEW 40, S. 547f) Es unterscheiden sich daher die Bedürfnisse der Menschen vor allem darin, in wieweit sie aus einer existenziellen Not entspringen oder über diese hinausgreifen, Verlangen nach Reichhaltigkei oder aber auch nur gleichgültiges Begehren sind (siehe auch Geldgier). Eine existenzielle Not ist also nicht einfach ein stofflicher Mangel, sondern eine Not, die daraus entsteht, dass die gewöhnlichen Verhältnisse nicht so sind, wie sie sein müssen, um den Lebenszusammenhang zu bewahren und bewähren und die Menschen an den Inhalten seines Reichtums teilhaben lässt. Zwischen notwendigem Verlangen und dem Fortschritt des Lebensstandards herrscht dasselbe Verhältnis wie zwischen notwendiger und freiwilliger Arbeit. Es war zwar äußerst produktiv aber nicht notwendig, eine Eisenbahn zu erfinden, weil diese die Mobilität der Gesellschaft enorm weiterbrachte. Wenn sie aber heute nicht mehr fährt, so entsteht vielerlei Not. Was ein Bedürfnis im Sinn hat, ist die Freiheit, ein notwendiges Verlangen zu befriedigen. Was dem Gegenstand seiner Befriedigung entspricht, entspringt auch diesem - sowohl in seiner Notwendigkeit einer Befriedigung, als auch der Freiheit seiner Bildung, seinem Erfindergeist, seiner Kultur und seiner Schaffenskraft. Denn der Gegenstand ist das Material seiner Entstehung, und die Arbeit, ihn zu erzeugen oder zu verändern, ist die Idee, die dem zugrunde liegt und ihren Willen gebildet hatte. So wird diese Idee zuerst nur theoretisch sein und sich soweit verwirklichen lassen, wie die Wirklichkeit zu ihrem Gedanken drängt, selbst das wirkliche Bedürfnis als Bedürfnis nach Wirklichkeit wahr machen muss:. "Die Theorie wird in einem Volke immer nur so weit verwirklicht, als sie die Verwirklichung seiner Bedürfnisse ist. ... Werden die theoretischen Bedürfnisse unmittelbar praktische Bedürfnisse sein? Es genügt nicht, daß der Gedanke zur Verwirklichung drängt, die Wirklichkeit muß sich selbst zum Gedanken drängen." (MEW l, S. 386). In diesem Sinne ist wohl auch die konkrete Utopie des Marxismus im Kampf um eine freie Gesellschaft zu verstehen, worin die einzelne Entwicklung zugleich allgemeine Geschichte bilden kann, worin "jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen" eine eigene Geschichte möglich ist, die zugleich in der Geschichte aller aufgehen kann, weil darin das notwendige Verlangen zugleich Äußerung der Freiheit und Freiheit die Basis eines jeden Verlangens ist. Nicht die Willkür einer "Lust und Laune" verwirklicht das Streben solcher Freiheit, sondern die Einheit von Bedürfnis und Arbeit, das Bedürfnis, für seine Bedürfnisse zu arbeiten, weil die Arbeit selbst auch die Bedürfnisse bereichert, die Einfälle und Bestrebungen erzeugt, die sie ihren Produkten mitgeben kann, sobald die Teilung der Arbeit, die Trennung von Produktion und Konsumtion darin aufgehoben sein wird. So ist die emanzipatorische Position des Marxismus gegen die politische Reaktion, für einen Staatsreformismus, wie auch gegen die Willkür eines absoluten Individualismus, gegen einen reaktionären Anarchismus ebenso wie gegen einem reaktionären Marxismus zu verstehen: "In einer höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft, nachdem die knechtende Unterordnung der Individuen unter die Teilung der Arbeit, damit auch der Gegensatz geistiger und körperlicher Arbeit verschwunden ist; nachdem die Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das erste Lebensbedürfnis geworden; nachdem mit der allseitigen Entwicklung der Individuen auch ihre Produktivkräfte gewachsen und alle Springquellen des genossenschaftlichen Reichtums voller fließen - erst dann kann der enge bürgerliche Rechtshorizont ganz überschritten werden und die Gesellschaft auf ihre Fahne schreiben: Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!" (Karl Marx in Kritik des Gothaer Programms MEW 19 S. 21). Die bürgerliche Gesellschaft beruht einerseits auf der Trennung von notwendigem Verlangen in der Privatform existenzieller Isolation und der Reichtumsbildung durch die Gesellschaftsform des Geldes und seiner Anwendung als Kapital. Von daher zerteilt sich in solcher Gesellschaft das menschliche Bedürfnis elementar einerseits in das der Notwendigkeit von Arbeit zur Selbsterhaltung der Arbeitskraft und der wertschaffenden Arbeit des Kapitaleinasatzes andererseits, der Bildung von Reichtum in Geldform als Geldbesitz. Die Privatform der gesellschaftlichen Beziehungen, das Privateigentum, ist durch die Teilung der Arbeit noch immer der Scheitelpunkt zwischen Verrohung oder Entwicklung, Reaktion oder Progression und es lässt sich zum einen oder dem anderen wenden. Aufgehoben ist die Privatform erst, wenn gesellschaftlicher Sinn und Nutzen der Produkte vereint sind. Unter der Bedingung des Privateigentum sind die Bedürfnisse von der Produktion ebenso getrennt wie dies von ihnen. Sie sind für die Menschen daher auch ebenso isoliert von ihrem gesellschaftlichen Zusammenhang. "Der Konsument ist nicht freier als der Produzent. Seine Meinung hängt ab von seinen Mitteln und seinen Bedürfnissen. Beide werden durch seine soziale Lage bestimmt, die wiederum selbst abhängt von der allgemeinen sozialen Organisation." (MEW 4, Seite 75) Soweit der Unterschied der Bedürfnisse nach Selbsterhalt und denen nach gesellschaftlicher Sinnbildung nicht gesellschaftlich gleichermaßen existent sein können, wird sich in der Trennung immer wieder ein Waren produzierendes System entfalten. Dies wird von den Entwicklungsvorstellungen auf rein genossenschaftlicher Basis nicht bedacht (siehe hierzu Sozialdemokratie). Eine internationale Kommunalwirtschaft muss sowohl notwendige Arbeit in einer Subsistenzwirtschaft (siehe Subsistenzindustrie) wie produktive Arbeit durch Bereicherung der Gesellschaft aus der Freiheit der Individuen heraus, aus ihren schöpferischen Beiträgen nebeneinander existieren lassen können. Menschen produzieren ihre Bedürfnisse, indem sie Gegenstände zu ihrer Befriedigung produzieren. Sie bilden somit durch ihre Produktion sich selbst im gesellschaftlich wirkenden Bedarf, der Grundlage für jedes sinnliche Verlangen. Die Arbeit wendet zwar dessen Not, folgt ihr aber nicht, weil Konsum quasi naturnotwendig wäre. Die Not besteht gegenüber der Unangemessenheit ihres Befindens in ihrem gesellschaftlichen Verhältnis und ist von daher auch grundlegende Notwendigkeit einer jeden Kultur, sei diese geistig oder körperlich inbegriffen, als Notwendigkeit des Geistes oder als Gewissheit der menschlichen Natur, des Stoffwechsels, der Gattungsbedürfnisse, der Existenz, - was immer ihre gesellschaftliche Form auch sei. Bedürfnisse setzen einerseits ihre Gegenstände voraus, insofern sie ihre Existenz als Grund ihres Verlangens unterstellen. Anderseits verlangen sie auch einen Aufwand, um den Mangel an diesen Gegenständen zu beheben, nicht nur als Unangemessenheit, sondern auch in ihrer Geschichte, in der Bildungsgeschichte menschlicher Sinne. Sie enthalten also einen Zweck, der ein notwendiges Mittel verlangt, um Bedürfnisse zu befriedigen (siehe Arbeit) und einen Sinn, der sie darüber hinaus entwickelt, eine Tätigkeit, in welcher sich Notwendigkeit und Freiheit des menschlichen Lebens vereint, die Menschen mit sich zusammenschließt, ihre Kultur verwirklicht und zugleich bildet. In ihrer Arbeit und Befriedigung - sowohl im einzelnen wie auch in ihrer Wechselseitigkeit - vollzieht sich ihre Natur, weil Menschen die Mittel ihrer Befriedigung, ihre Naturmacht, in Wahrheit nur über ihre gesellschaftliche Tätigkeit zugleich als Genuss ihres gesellschaftlichen Lebens und seiner Verhältnisse haben. Bedürfnisse unterscheiden sich demnach vor allem darin, wieweit sie sich auf bestehende Produkte beziehen und wieweit sie ihre Produktion bestimmen, deren Inhalt ausmachen. Jedes Bedürfnis ist aber letztlich immer ein gesellschaftlich entstandenes und nur gesellschaftlich befriedigbares Verlangen, da Menschen für sich und isoliert von ihrer Gesellschaft nicht der Natur gegenüberstehen können. Von daher ist es immer ein Verlangen von Menschen nach Menschen, nach dem, was den Menschen nötig ist, was sie äußern und wodurch sie leben, nach den Gegenständen ihrer Kultur, nach nützlichen Sachen (siehe auch Gebrauchswerte) und Kulturgütern, worin sie in Gesellschaft sind. Menschliche Bedürfnisse sind ganz allgemein genommen ein Verlangen, dessen Sinn notwendig ist, sowohl qualitativ als auch quantitativ, weil er einer wirklichen Not entspringt, weil er der Notwendigkeit eines sinnlichen Mangels gefolgt ist und gesellschaftlichen Reichtums gebildet hat, worauf sich die Menschen aufeinander beziehen. Gleich, wodurch diese Not entstanden war und worin sie verspürt wird, sei es aus Mangelgefühl an Naturstoff (z.B. einem Mangel des Stoffwechsels oder des Gattungsvermögens) oder als Mangelgefühl an gesellschaftlicher Wirklichkeit oder Kultur (z.B. Vereinsamung, Isolation, Identitätsverlust): Bedürfnisse artikulieren diesen Mangel immer als notwendiges Verlangen in einem bestimmten gesellschaftlichen Verhältnis, ganz gleich, ob in ihrer unmittelbaren Notwendigkeit sich nur getrennt darstellen können. Auch wenn das Bedürfnis nach Geld sich nicht unmittelbar auf das menschliche Leben bezieht, so ist es jedoch durch die Notwendigkeit der gesellschaftlichen Existenz und Fortbildung - wenn auch nur mittelbar - durchaus notwendig. Wenn die Not übergroß ist und das Bedürfnis aus seiner gesellschaftlichen Kultur ausscheidet und verroht, kann es daher auch zu einem reaktionären Verlangen werden (siehe auch reaktionäres Bewusstsein). Im Unterschied zum Wunsch bezieht sich jedes Bedürfnis auf einen Gegenstand, der es befriedigt, der also sein Verlangen nach ihm tilgt, gleich, ob dieser Gegenstand Sache, Kultur oder Mensch ist. In der rohen Auffassung sind Bedürfnisse bloß zufällig, eine Mangelempfindung, die Gegenstände finden muss, um zum Frieden zu kommen. Menschliche Gegenstände sind aber immer auch Gegenstände des menschlichen Lebens, gesellschaftliche Gegenstände von und für Menschen, Gegenständlichkeit menschlicher Geschichte. Von daher entstehen Bedürfnisse nicht einfach in einer von aller Gesellschaft isolierten Triebfeder vereinzelter Menschen, in der Ausschließlichkeit eines bloß individuellen Verlangens, das willkürlich und frei und unabhängig entsteht, sondern immer auch aus einer gesellschaftlich erzeugten Mangelempfindung, die ein notwendiges Verlangen äußert, gleich ob im einzelnen oder vereinzelten Menschen, oder in vielen Menschen zugleich. Ein Bedürfnis stellt die Not dar, die ein Mensch im Mangel an Produkten empfindet, die gesellschaftliche Wirklichkeit ausmachen und daher auch auf ihn wirken. Weil es den Sinn einer gesellschaftlichen Produktion enthält, weil sich darin also auch menschliche Kultur reflektiert, stellt es auch im Privaten immer das dar, was gesellschaftlich nötig ist, was man haben muss, um als Mensch - und also auch gesellschaftlich - zu existieren, eine Not, die wirklich behoben werden muss. Jedes Bedürfnis ist ein gesellschaftliches Mangelgefühl, ein notwendiges Verlangen, das nicht nur auf ökonomische Gegenstände, auf rein nützliche Dinge bezogen ist, sondern auf eine bestimmte menschliche Kultur, gleich, in welcher Form sie existiert und ob sie nur privat oder gesellschaftlich auftritt. So unterscheiden sich Bedürfnisse auch nach ihren Zeitepochen. Da Kommunikationsbedürfnis ist z.B. heute so tragend, dass kaum ein Mensch vollständig auf Kommunikationsmittel (z.B. Telefon, Handy, Zeitung und Medien) ohne massive Konsequenzen in seinem Leben verzichten kann. Nicht, weil es die Erfindungen dieser Mittel erst erbracht hätten (das Kommunikationsbedürfnis muss ihnen ja auch schon vorausgesetzt sei, um sie entstehen zu lassen), sondern weil die gesellschaftlichen Beziehungen und Arbeiten auch selbst schon den Mangel hervorgerufen haben, die Notwendigkeit, die in den Bedürfnissen der Menschen als notwendiges Verlangen gesellschaftlich gebildet sind und auftreten. Die Gegenstände menschlicher Bedürfnisse haben sich im Lauf der Geschichte menschlicher Gesellschaften als bestimmte Sinnbildungen entwickelt und sind Vergegenständlichungen menschlicher Kultur - sowohl in ihrer individuellen Gestaltung, als auch im allgemeinen Lebenszusammenhang der Menschen selbst. Von daher ist substanziell jedes Bedürfnis ein Verlangen des Menschen nach dem Menschen, also immer eine gesellschaftliche Beziehung der menschlichen Natur, wie immer sie auch vermittelt ist. In dieser Beziehung sind Kultur und Natur an sich im Einklang, beziehen ihr Verlangen aber zugleich auf einen Mangel, der weder bloße Natur, noch bloße Kultur betreffen kann. Eine reine Natur kann es für den Menschen nicht geben, weil er immer schon menschliche Natur hat und in seiner Kultur bildet und vorfindet. "Die Natur, abstrakt genommen, für sich, in der Trennung von Menschen fixiert, ist für den Menschen nichts." Indem die Menschen ihrer Gegenstände bedürfen, verwirklichen sie daher keinen zufällig Mangel, sondern verwirklichen das, was darin auch von ihnen vergegenständlicht ist: ihre Natur, ihr Sinn, ihr Erfindungsreichtum, ihre Erkenntnis, Schönheit, Arbeit usw., kurz: Ihre Kultur. Das Bedürfnis nach ihren Gegenständen ist daher auch kein Einfall, der in einer Vorstellung eines rein individuellen Mangelgefühls entsteht, sondern eine Unangemessenheit gegenüber dem gesellschaftlichen Reichtum der Menschen, den sie geschaffen haben und in dem sie leben, der Mangel an der Vielfältigkeit ihres gesellschaftlichen Vermögens, Gegenstände herzustellen um die Gegenwart zu verändern, Geschichte zu bilden, - ist letztlich das Verlangen des Menschen nach dem Menschen als ein gesellschaftliche Verhältnis von Erzeugung und Lebensgenuss. Bedürfnisse sind von daher auch nicht einfach nur ökonomischer Natur und ihre Gegenstände sind nicht einfach nur nützlich, weil sie menschliche Bedürfnisse irgendeiner Art irgendwie befriedigen und von daher nur brauchbar sind und Gebrauchswert haben, einzelne Gegenstände rein sachlicher Natur, die im Nutzen ebenso vereinzelt dem Menschen privat zukommen. Bedürfnisse beziehen sich immer auf Kultur, auch wenn sie hiervon getrennt rein wirtschaftlich in der Nützlichkeit der Dinge zur Wirkung kommen. Deshalb ist auch die Arbeit hierfür nicht bloß Aufwand - und Genuss ist nicht bloß Konsum. Beides ist Wirklichkeit des menschlichen Lebens als menschliche Gegenständlichkeit, als das gesellschaftliche Verhältnis der Menschen zu ihren Gegenständen. In deren Wahrnehmung wird ihre Tätigkeit angeeignet, gleich ob sie in deren Produkten die sachlichen, rein stofflichen Eigenschaften nötig haben oder auch ihre intelligible Natur in sich aufnehmen, ob nützlich oder geistig oder virtuos, rein ökonomisch oder auch kulturell. Bedürfnisse sind die Basis jeder Wirtschaft, denn der Aufwand zu ihrer Befriedigung kann nur sinnvoll sein, wenn er effektiv ist, denn Wirtschaft ist nichts anderes als effektive Arbeit: Ein Minimum an Arbeit soll ein Maximum an Bedürfnisbefriedigung erbringen. Von daher ist die Wirtschaft die quantitative Ausdrucksform des Verhältnisses von Bedürfnis und Arbeit. Wirtschaft ist aber auch die politische Form einer bestimmten Gesellschaft. Von daher besteht in der Wirtschaft eine Identität von etwas, das nicht identisch ist. Bedürfnis und Politik haben unterschiedliche Substanz. Was das Bedürfnis für die Wirtschaft ist, das ist der Wille für die Politik. Aber im Unterschied zum Willen ist jedes Bedürfnis in seiner Entstehung immer schon gesellschaftlich, weil im gesellschaftlichen Bezug notwendig und nur durch gesellschaftliche Produkte erfüllbar; der Wille ist dagegen eine Selbstbehauptung, welche Gesellschaft zu bestimmen sucht, ein gesellschaftliches Sollen herbeiführen muss (siehe politischer Wille). Der Inhalt der Bedürfnisse ist ihr Sinn, der sich als Verlangen nach Wirklichkeit bildet, als Verlangen nach Gegenständlichkeit, sei es in der Herstellung eines Gegenstands, sei es in seiner Einverleibung zur Befriedigung eines Bedürfnisses. Die Sinnbildung der Menschen macht ihre Geschichte als bedürftige Wesen in ihrer Gesellschaft aus (siehe historischer Materialismus), worin ihre Bedürfnisse ihre Arbeit bestimmen und Arbeit neue Bedürfnisse erweckt, weil sie nicht nur Sinn äußert, sondern auch bildet, indem sie ihn gegenständlich macht und in der Befriedigung der Bedürfnisse deren Sinn erneuert und darin den Boden für ein erneutes Verlangen bereitet. Was der Mensch an Verfeinerung seiner Sinne im Genuss seines Gegenstands entwickelt, begründet auch die Erneuerung seines Bedürfnis in der Arbeit, die Bereicherung seiner Geschichte. Die Entwicklung und Verwirklichung, also Vergegenständlichung der Bedürfnisse durch Arbeit machen den Reichtum einer Gesellschaft aus. Auch wenn die Menschen mit Automaten arbeiten, so wären sie arm dran, würden sie nicht mehr arbeiten, nicht mehr sich vergegenständlichen: Sie hätten automatische Bedürfnisse für automatische Gegenstände. Bedürfnisse entstehen aber nicht ohne ihre Bildungsgeschichte und Voraussetzung, auch nicht durch überhistorische Notwendigkeiten, wie etwa durch unmittelbar natürlichen Stoffwechsel oder Naturbedrohung. Eine Ermangelung an lebensnotwendigen Stoffen (z.B. als reiner Hunger) oder selbstverständlichen Gewohnheiten (z.B. als Geschlechtstrieb) enthält nur Mangel (siehe Armut), kein Entwicklungspotenzial menschlicher Geschichte. Bedürfnisse entstehen als menschliche Sinnbildung im gesellschaftlichen Verkehr der Menschen miteinander und im Verhältnis zu ihren Sachen. In der bürgerlichen Gesellschaft erfahren die Bedürfnisse im Allgemeinen ihre Befriedigung durch die Konsumtion von Waren, auf welche Bedürfnisse nur einzeln konkret (also auf ihren Gebrauchswert) bezogen sein können, weil sie allgemein nur für sich und abstrakt als Wertdinge über den Tauschwert bezogen sind. In dieser Beziehung muss jeder Mensch die Gesellschaftlichkeit seines Bedürfnisses verneinen, ja, verleugnen, um den Tauschakt optimal günstig für sich zu vollziehen. In dieser Ausschließlichkeit des Bedürfnisses bezieht es sich einzig auf die Nützlichkeit eines Dings, nicht auf eine Sache als menschliches Produkt. Es ist von daher unmittelbar praktisch, praktisches Bedürfnis. Das entäußerte Bedürfnis, das notwendige Verlangen, das in seiner Notwendigkeit für sich bleibt, sich nicht in Arbeit verwirklichen kann, hat seinen Sinn abgespalten, ist zum Verlangen nach bloßem Überleben geworden, nach nützlichen Dingen, von deren Sinn völlig abgesehen werden kann, sofern sie nur zum Überleben taugen. Der Sinn wird für die Menschen zu einer Sache des Erlebens, zum Verlangen nach Leben außer sich. Das macht die Konstitution einer Kultur aus, die sich aus der gesellschaftlichen Wirklichkeit der Gegenstände heraushebt als Erlebensbrücke einer öden Welt (siehe Wahrnehmung in der Systematik des Erlebens). Während Bedürfnisse Inhalte der Lebensproduktion und des Wirtschaftens, das Verlangen der Arbeit sind, ist der Wille bloße Reflexion ihrer Form, die zwar allerlei Begehren, Wünsche nach Reizen und ihrer Befriedung hervorbringt, nicht aber wirklichen Beziehungen entspringen und ebenso wirkliche Befriedigung verlangen. Man will haben, was nur als Besitz Eigentum sein kann. Der Wille ist daher der Inhalt der Politik, indem er sich vom Inhalt der Bedürfnisse wesentlich darin unterscheidet, dass er auf gesellschaftlichen Formen gründet und sich auch nur hierauf bezieht (siehe auch politischer Wille). Ohne lebendiges Bedürfnis wird Wille selbständig, zur Selbstbehauptung eines entäußerten Menschseins. Und das kann nur als Macht allgemein werden. In der Macht ist das Bedürfnis in seiner Reaktion aufgehoben zu einem Moment erstarrter Ökonomie, wie sie dem bürgerlichen Staat zur Lösung auferlegt ist. Macht ist von ihrer subjektiven Seite her das entäußerte Bedürfnis, welches Ökonomie nicht erfüllt und sich in der Politik des bürgerlichen Staats fortbestimmt. |
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