Lebensäußerung
"Ein Wesen, welches seine Natur nicht außer sich hat, ist kein natürliches Wesen, nimmt nicht teil am Wesen der Natur. Ein Wesen, welches keinen Gegenstand außer sich hat, ist kein gegenständliches Wesen. Ein Wesen, welches nicht selbst Gegenstand für ein drittes Wesen ist, hat kein Wesen zu seinem Gegenstand, d.h. verhält sich nicht gegenständlich, sein Sein ist kein gegenständliches. Ein ungegenständliches Wesen ist ein Unwesen." (Karl Marx in Ökonomisch-philosophische Manuskripte (1844) - MEW 40, S. 578)
Lebensäußerung ist die Äußerung des praktischen Lebens selbst, die sie als Vergegenständlichung in ihrer Kultur als Preodukt des Zusammenwirkens ihrer tätigen Sinnbildung für sich erfahren, und die sie für ihr Leben so gegenständlich gemacht haben, wie sie es in ihren Gegenständen als Lebensform sowohl sachlich wie auch kulturell verwirklicht haben. Es sind dies dann die objektiven Gestalten des Lebens, die Formen, in der es "seine Natur außer sich" hat, Form, für sich ist, sich objektiv macht, sich darstellt und erkennt und zu deren Bildung ihre Kraft aufgewendet wurde und hierfür immer noch gearbeitet wird.
Äußerung ist Formgebung, Objektivierung, Vergegenständlichung, setzt also subjektive Inhalte als objektive Form, ist Produkt einer Lebenstätigkeit, die als Äußeres nach ihrer Äußerung Gegenstand für das Leben in seiner Entfaltung sind. Äußerung ist Lebensentfaltung, Erzeugung des Lebens als Reichtums an Leben und Aneignung des Erzeugnisses. Das Geäußerte steht dem Menschen gegenüber und ist sein Gegenstand, menschliche Gegenständlichkeit, ein Produkt, das von und für Menschen ist. Wenn es nicht als dieses existiert, wenn es nicht als das für sie ist, als was es von ihnen ist, so ich es auch in Wahrheit dem Menschen äußerlich, ein äußeres Ding, Unding, das in der Äußerlichkeit seiner Form zugleich einen eigenen äußeren Zweck als Bestimmung seiner Form, als Formbestimmung seiner Existenz: hat (siehe hierzu Entäußerung) und von daher eine fremde Kraft, eine Entfremdung seines Inhalts verwirklicht, ihn verkehrt, eben als Verkehrung seiner Form, als verkehrte Form einer Scheinwelt äußert (siehe hierzu auch Warenfetischismus).
Während aber Arbeit nur den Aufwand der Lebensäußerung betreibt, ist diese selbst unmittelbarer Ausdruck einer natürlichen Intelligenz, die schon bei Pflanzen Leben gestaltet. Auch sie schaffen sich schon Gegenstände ihres Wesens, indem sie sich in bestimmmter Art und Weise miteinander verwurzeln und an die Natur zurückgeben, was sie in ihr selbst verstofflichen, was ihr Stoffwechsel "hergibt". Im Unterschied zur tierischen Lebensäußerung ist dies aber keine Form für sich, sondern lediglich Stoff. Und erst der Mensch äußert sein Leben in der Gestaltung seiner Naturmacht, der ihm entsprechenden Zusammenführung und Verwandlung der natürlichen Elemente zu Gegenstände seines Lebens. Er selbst bildet sich indem er diese umbildet. So hat sich z.B. das menschliche Gehirn nur durch den Umgang mit Feuer, durch das Aufkochen hoher Eiweißkonzentrationen bilden können.
Jeseits hiervon können sich die Menschen nur zwischenmenschlich aufeinander beziehen. Das zwischenmenschliche Leben, das in der Abfolge des Erlebens von Ereignissen sich vollzieht, zerfällt jedoch in seiner Geschichte in Augenblicke, die unmittelbar keinen Sinn in ihrem Zusammenhang erkennen lassen, wenn sich darin kein Selbstgefühl mehr empfindet und bestärkt. In seiner Wirklichkeit ist es von dem bedroht, wovon es in seinen Erlebnissen abgesehen hat, wenn es nicht dauerhaft seine Absichten zu einem ihnen entsprechenden Ereignis bringen konnte, wenn also keine Erlebnisse mehr stattfinden, die solches Leben mit Sinn begeistern und füllen, auch wenn dieser nur einverleibt und nichts Eigenes ist (siehe auch Kulturkonsum). Mehr oder weniger plötzlich kann es dabei zu einem Nichtigkeitsgefühl, zur Empfindung eines Nichts kommen, das substanzielle Gewalt allein durch die Abwesenheit von Sinn, also als eine Gefahr durch Nichts erfährt.
In der seelischen Entwicklung eines Menschen macht sich die Abtrennung seelischer Wahrnehmung von wirklicher darin geltend, dass er Wirklichkeit als Gegebenheit zur Kenntnis nimmt, an der er sich nur seelisch bilden kann. Er erscheint sich als Wunderwerk seiner Seele, die nicht wirklich leben muss, sondern in der Entwirklichung des Lebens ihre Kraft sammelt (Freud nannte dies die Libido und machte sie flugs zu einer ontologischen Kategorie). In der Äußerlichkeit von wirklicher Wahrnehmung ist die dem Leben äußerliche Bedingung nicht erkennbar und stellt sich daher gegen die Identitätsbestrebung der Erkenntnis. Es ist das Wahrhaben entäußerter Erkenntnis; Selbstentfremdung.
Als Bedingung kann Leben niemals sein, weil kein Ding lebt, auch wenn viele Dinge zum Leben gehören. Die Unterscheidung der Dingwelt vom eigenen Leben ist Grundlage jeglicher Erkenntnis und also notwendig, um die Lebensnöte zu erkennen. Werden Lebensbedingungen unmittelbar gelebt, so müssen sie unendlich viel Angst machen, weil sie zugleich den Tod bedeuten. Leben kann nur in der Gewissheit um seine Bedingungen frei sein, frei, dass es diese von seinem Tod unterscheiden kann. Wo tote Bedingungen herrschen (siehe tote Arbeit), ist die Erkenntnis dieser Herrschaft unmittelbare Lebenstätigkeit. Sie schließt ein, den Tod als dem Leben immanentes Moment anzuerkennen. Was sonst kann im Leben Angst machen, wenn es von seinem Tod weiß? Leben hat den Tod als sein verschwindendes Moment. Es kann hiervon nur gekränkt werden, wenn es sich als Überleben in Isolation vom Leben, als vom gesellschaftlichen Leben getrenntes Leben erkennen muss.