Wolfram Pfreundschuh (9.9.2011)

Ergänzen statt Ausbeuten!
Auf dem Weg in eine internationale Kommunalwirtschaft

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Ist doch klar: Ergänzen ist besser als Ausbeuten! Das weiß jedes Kind. Und im Grunde will Kapitalismus doch nichts anderes, sollte darin ein Wille herrschen. Die Arbeit soll es bringen, das Geld, das alles voranbringt, zum einen für die Existenz, zum anderen für den gesellschaftlichten Fortschritt. Kapitalismus soll eine Gesellschaft des Fortschritts, des Miteinanders und Ergänzens sein, das Glücksrad der Win-win-Beziehungen: Jedem das Seine ergibt den Vorteil für alle, egal was er gibt und egal was er nimmt. So meinen es auch heute noch die Liberalen und die Sozialdemokraten und die Grünen und die Christlich-Sozialen. Und überhaupt: Schon in der Bibel steht geschrieben: Du sollst deinen Nächsten lieben.

Wie aber kann das Resultat sein, dass 10 % der Bevölkerung 60 % des Geldvermögens besitzen? Haben die wirklich soviel mehr gearbeitet, wie sie behaupten, also 6 mal mehr, 48 Stunden pro Tag, die, welche sich so gerne als "Leistungsträger" ansehen? Macht Arbeit wirklich reich und Faulheit wirklich arm? Wie kann es sein, dass mehr als die halbe Welt, und gerade die, welche über 60 % unserer Existenzgrundlagen - Lebensmittel, Kommunikationsmittel, Unterhaltungsgeräte, Kinderspielzeug usw. - erzeugt und liefert, im Elend lebt, während die andere im Überfluss verödet? Ist das alles nur den Entscheidungen einiger von Geldgier besessener Personen geschuldet oder dem perfiden Interesse oder Mißgeschick der Staatenlenker oder der Dummheit fehlgeleiteter wissenschaftlicher Ratgeber? Oder macht das die Gierigkeit der Banker und Finanzjongleure oder sind das einfach nur konjunkturelle Fehlläufe, die es immer wieder mal gibt und die man in Griff bekommen muss?

Wenn die als Ungerechtigkeit der Geldverhältnisse - also der Geldverteilung - wahrnehmbaren Phänomene des Kapitalismus so subjektiv begründet wären, dann wäre doch eigentlich auch schon klar, was zu tun wäre: Man müsste eine objektive Ordnungsmacht hiergegen setzen, die für Gerechtigkeit sorgt. Man müsste den Staat stark machen, seine Macht für strengere Regularien ausweiten - und schon ließe sich ein großes Problem aus der Welt schaffen. Und vielleicht könnte man sogar noch etwas nachlegen mit einer "gesunden Sozialmoral", einem am  Gemeinwohl orientierten Kapitalismus. Das kann ja nicht so schwer sein, wenn alle am selben Strang ziehen, weil sie doch im selben Boot sitzen. Aber - war davon nicht auch schon mal bei Adolf Hitler die Rede?

Nicht, dass es diese Charaktermasken des Kapitals nicht wirklich gäbe: die Gierköpfe, Kapitalfetischisten, Herrschsüchtigen und Autoritären. Doch: was macht ihr Erfolg denn tatsächlich aus, wodurch ist er wirklich begründet? Nur durch ihr persönliches Durchsetzungsvermögen? Zweifellos gibt es ein ungeheuerliches Anwachsen des Geldes in der Hand der Mächtigen und von daher erscheint auch schon die Vermehrung ihres Vermögens selbst das Problem zu sein. Aber wie kann dadurch der Geldkreislauf ins Stocken kommen, Kredite nicht mehr eingelöst werden, die Produktion an Wert verlieren und ganze Länder zum Kaputtsparen gezwungen werden? Sind die Herrschenden zu dumm, ihr Geld so einzusetzen, dass sich der Fortschritt zumindest für sie selbst lohnt? Wäre wirklich alles anders, wenn die bösen Geldbetrüger im Gefängnis, das Wachstum gestoppt und der ganze Geldverkehr durch einen "gerecht verteilenden Staat" so ähnlich wie der Straßenverkehr geregelt wäre? Sind in Wirklichkeit nicht die Krisen der Finanzwirtschaft schon selbst ein Problem der Reduktion, der Selbstbegrenzung, die der Kapitalismus zwangsläufig nach seinen Expansionsphase zur Folge hat? Wa s immer die wahren Gründe für die Ungerechtigkeiten des Kapitalismus auch seien: Immerhin begreifen schon viele, dass dessen Probleme so subjektiv nicht sein können, dass die derzeiten Krisen fast unabhängig vom Willen der Menschen verlaufen und dass eben dies schon immer das Problem der Geldverwertung war.

Ich will dieses Problem und den Versuch einer Auflösung in sechs Teilen auseinandersetzen:

Teil I: Die Niedertracht der Geldwirtschaft

Teil II: Am Ende der Klassenkämpfe

Teil III: Vorstellungen, Proteste und Bewegungen gegen den Kapitalismus

Teil IV: Wirtschaft und Demokratie

Teil V: Grundzüge einer synergetischen Vertragswirtschaft

Teil VI: Der Weg ist wie das Ziel