Ausf�hrungen hierzu in: "Zur Militarisierung der deutschen Selbstverst�ndigung"
Thesen zur Militarisierung der deutschen Selbstverständigung
Die b�rgerliche Gesellschaft hatte sich mit den Forderungen nach Freiheit, Gleichheit und Solidarit�t gegr�ndet und sich geistig auf die allgemeine Grundlage eines humanistischen Weltbildes gestellt, worin die Entwicklung und Entfaltung des Menschen als h�chste Selbstverst�ndlichkeit gelten sollte. Dies ist der ideelle Hintergrund der b�rgerlichen Demokratie und dieser ger�t zunehmend au�er Kraft. Die deutsche Geisteslage hat sich im Gleichschritt mit der Disfunktionalisierung des b�rgerlichen Staates durch die f�r das Wertwachstum des internationalen Kapitals n�tig gewordene Deregulation von dem eher reflektierenden Selbstverst�ndnis des Humanismus zu einem vorrangigen Verst�ndis f�r die Notwendigkeiten der Sachzw�nge entwickelt. Das Diktat der Sachwelt ist inzwischen selbstverst�ndlicher als jedes menschliche Selbstverst�ndnis inmitten der M�chte des Faktischen. Die Besinnung der Menschen auf ihr Leben relativiert sich an dem, was sachlich n�tig erscheint. Wer dies nicht durchdringen und auf die Lebensfragen der Menschen nicht zur�ckf�hren will, steht ausschlie�lich und alles andere ausschlie�end vor platten Notwendigkeiten.
Was n�tig ist, das f�gt sich, und so sind die Menschen dann auch geistigen Kr�ften gebeugt, die sie nicht mehr �berwinden k�nnen, Kr�ften, die alleine dadurch, dass man sie gelten l�sst, nicht nur das materielle Leben bestimmen, sondern zunehmend auch das geistige. Alle Institutionen geistiger Auseinandersetzung und Befassung sind von den neuerlichen objektiven Entwicklungen, den notwendigen F�gsamkeiten unter die Sachgewalten befangen. Politik, Geschichte, Psychologie und Philosophie vermengen sich zum Gewirke einer praktischen Vernunft, die nurmehr Handeln und ein Verhalten bedenken und nahelegen, welches Konfrontationen ausweicht und sich eher abstrakten Gemeinsinnigkeiten �berantwortet, als dass es eine wirklich konkrete Beziehung sucht. Der Sinn solchen Verhaltens bleibt lediglich individuell und oft substitutionell, sein Grund nicht mehr wirklich erkennbar, und seine Wirkung ist eine vollst�ndige Unterwerfung an den Lauf der Welt. Eigene Handlungsperspektiven reduzieren sich weitgehend auf die blo�e Regeneration des Lebens, weil dar�ber hinaus ein sinnvoll bezogenes Handeln kaum mehr denkbar ist. So wollen Politik und Wirtschaft es auch haben und in diesem Sinn sind die theoretischen und praktischen Allgemeinheiten der neuen Selbstverst�ndigung der Deutschen entstanden. Selbstverst�ndlich ist die Menschlichkeit, was immer auch damit gemeint sei. In dieser Abstraktion werden dann die Menschen in ihrem eigenen Namen behandelt und eingeregelt in eine Welt, die nur noch durch Definition und Moral zu formulieren vermag, was ihr offensichtlich g�nzlich fremd geworden ist. Alles wird inzwischen darauf hin interpretiert, was f�r solche "Menschlichkeit" n�tig erscheint. und weltweites milit�risches Engagement der Deutschen wird so ganz nebenbei zu einem finalen "Menschenrechtsinterverntionismus" (Joschka Fischer).
Das Papier "Die Militarisierung der deutschen Selbstverst�ndigung" will eine Entwicklung des deutschen Selbstverst�ndnisses darstellen, durch welches Menschen ohne eigene Handlungsm�glichkeiten zunehmend
1. wehrlos gegen politische Zumutungen gemacht werden (z.B. Ideologie als Anpassungsstrategie der politischen Argumentation, "Macht der Freiheit und des Mitgef�hls"),
2. �konomischen oder politischen Interessen folgen m�ssen, die ihnen nicht entsprechen k�nnen (z.B. Hartz IV, Kriegspolitik als politisches Machtb�ndnis der "freien Welt"),
3. der Wirklichkeit ihrer gesellschaftlichen Konflikte beraubt werden (z.B. die Einbettung Nachkriegsdeutschlands in die Strategie und das Weltbild der USA, das Geschichtsverst�ndnis der deutschen Politik als Spannungsverh�ltnis von politischen Pers�nlichkeiten),
4. seelische N�te und Ausweglosigkeiten zur Unterwerfung an herrschende Ordnungen benutzen lassen m�ssen (z.B. durch das Weltverst�ndnis von "Therapeuten" wie Hellinger & Co.),
5. ihre geistigen und menschlichen Perspektiven im gesellschaftlichen Diskurs entwendet werden (z.B. Heideggers Humanismuskritik, Sloterdijks provokative Vorstellungen von Menschenz�chtung), und schlie�lich
6. ihre Kultur zu einem Medium internationaler Auseinandersetzungen verwendet wird (z.B. "Kampf der Kulturen").
Die Ideologie der "freien Welt" macht ein beliebiges Freiheitsverst�ndnis zur Grundlage aggressiver Weltpolitik, die mit einer Kulturgrenze zwischen freier und unfreier Welt argumentiert und an die "Macht der Freiheit und des Mitgef�hls und der Hoffnung" (Condoleza Rice) appelliert. Die "freie Welt" impliziert zwangsl�ufig eine "unfreie Welt", die als Negation der Freiheit, also als ihre Bedrohung behandelt werden muss.
Die urspr�ngliche Bedeutung von Freiheit als Emanzipationsbegriff des B�rgertums hat sich somit nicht nur verkehrt zu einem Begriff der Notwendigkeit, sich in dessen Besitzverh�ltnissen durchzusetzen, sondern wurde jetzt zu einem milit�rischen Begriff f�r Angriffskriege, die vor aller wirklichen Geschichte schon als Verteidigungskriege deklariert sind. Freiheit wird so zum Begriff ihres Gegenteils: Der Ausschluss von freien Beziehungen durch die Vorwegnahme ihrer Negation, die Fixierung des Andersdenkenden zur Unfreiheit. Es ist die Grundlage eines jeden Fremdenhasses.
Das globale Kapital dereguliert nicht nur die Nationalstaaten, es vermittelt kraft seiner Funktion als ihr Gl�ubiger auch viele Zw�nge an sie – sowohl was ihre "Sparsamkeit" betrifft, wie auch ihre "Verteidigungsbereitschaft". Die westlichen Machtb�ndnisse haben die deutsche Beteiligung an den sogenannten Weltordnungskriegen n�tig. Die geschichtliche Aufarbeitung der deutschen Geschichte ist entsprechend wirkungslos gemacht worden. Hierbei wurde deutsche T�terschaft so sublim zu einer Opferrolle verkehrt, dass neuer Antisemitismus und die Best�tigung nationalistischer Interessen darin wieder m�glich geworden sind.
Die Wendung des Begriffs der Scham zum Begriff einer "deutschen Schande", die es abzuwehren gelte (Martin Walser), appelliert an die Rechte und macht aus den T�tern Opfer eines unredlichen Progroms. Die deutsche Redlichkeit wird darin wieder zum politischen Argument eines notwendigen Selbstschutzes, das auch schon fr�her dem Antisemitismus zur Grundlage gedient hatte und sich entsprechende innere und �u�eren Feinde zur Begr�ndung nationaler Selbstbehauptung aufbaut.
Das deutsche Geschichtsverst�ndnis wurde zunehmend anekdotenhaft und vom Standpunkt eines B�rgerfriedens im Ermessen des Betrachters bestimmt. Die Ausgrenzung geschichtsentscheidender Prozesse wie der V�lkermord an den Juden bewirkt eine geschichtliche Substanzlosigkeit, die jedes politische Verhalten wieder zul�sst (vergl. Walser-Rede, Diskussion mit Bubis). Es wird praktisch nurmehr das Verhalten von Personen der Geschichte unter den psychischen, politischen, �konomischen, sozialen und kulturellen Einwirkungen untersucht, nicht mehr die Geschichte als Werdegang menschlicher Lebensverh�ltnisse und des ihnen entsprechenden Verhaltens. Geschichtliche Aufarbeitung wird somit nicht nur unn�tig, sondern unm�glich, da sich alte Geschichte als neue ereignet, als Farce einer Unkenntlichkeit.
Der Streit um die Wehrmachtaussstellung und die sogenannte Goldhagen-Debatte stand in der Perspektive eines faktischen Beweises f�r die Entwicklung und Teilnahme geistiger Kapazit�ten in Deutschland am Holocaust und den von Deutschland geplanten Vernichtungskriegen. Deren Umsetzung h�tte tiefgreifende Folgen auf das Verst�ndnis der deutschen Geistesgeschichte gehabt. Durch Zweifel an Details und der Heftigkeit der vorgebrachten Einw�nde bis hin zum Besch�mungsvorwurf f�r die Bundeswehr, wurde der hohe Anspruch aufgegeben und das Anliegen auf eine Darstellung der allgemeinen menschlichen Bereitschaft zur Tat reduziert. Dass Faschismus wesentlich �konomische Voraussetzungen hat, n�mlich die kapitalistische Krise und die Erfahrung absoluter Chancenlosigkeit der Menschen in einer zerst�rten Gesellschaft, wird damit aus der Welt geschafft. Dies k�nnte ja die Erkenntnis gegenw�rtiger Verh�ltnisse und Interessen beleben.
Viele Psychologinnen und Psychologen beziehen sich heute wieder auf den Reichs-Philosophen Heidegger, der sich von einer wirklichen Begr�ndung menschlicher Probleme abgewendet hatte und sie zu blo�en Ereignissen machte, in denen sich das Sein eines jenseitigen Ganzen, das heile Leben, das eigentliche Heil, zum pers�nlichen Schicksal als "Seins-Geschick" "lichten" w�rde. Die Konflikte der Menschen in ihren zwischenmenschlichen, gesellschaftlichen wie auch internationalen Beziehungen werden auf diesem Hintergrund entgegen jeder wirklichen Praxis nur noch als Gegebenheiten eines Weltganzen begriffen, als Ausfluss einer h�heren Dynamik, einer kosmischen Ordnung. Die unterstellte und unter isolierten Lebensbedingungen einf�hlbare Fiktion einer Ganzheit aus dem Jenseits aller Beziehungen vermittelt naturhafte, esoterische Ordnung, die "gesunde Vernunft des Ganzen", die durch Wirklichkeit gest�rt ist. Solche gest�rten Verh�ltnisse sind auf ihre "gesunde Vernunft" zur�ckzuf�hren und durch Vers�hnung mit ihrer wesentlichen Natur wieder anzugleichen. F�r Psychologie und Philosophie werden Vers�hnungsbedarf und Ausgleich zum Regelprinzip ihrer Interventionen, weil die Suche nach wirklichen Konfliktl�sungen immer weniger erfolgreich zu sein scheint, bzw. weil die Individualgeschichte zu einer sich selbst erkl�renden und kl�renden Geschlossenheit gebracht wird.
Die psychologische Identit�tsbildung des psychopopulistischen Mainstreames verl�uft heute �ber ein Subjekt der Vers�hnlichkeit. Es ist dadurch wirksam, dass es
- sich auf h�here Ursache, auf ein Grundprinzip des menschlichen Lebens als Grundordnung nat�rlicher Gesundheit beruft,
- Identit�t erzeugt, indem es an sie appelliert und wirkliche Konfliktursachen als fremde Beeinflussung nat�rlicher Identit�t (Ordnung) absondert,
- ein allgemeines Subjekt der Seele ausmacht (Archetypus), das zur Grundlage seelischer Selbstbehauptung als eine Art Volksseele allgemein bestimmend wird.
Von Heidegger wurde durch die Kritik des Humanismus dessen Ende als eine Widersinnigkeit seiner Begrifflichkeit festgestellt, und damit die widersinnigen Verhaftung der Philosophie in ihren Sophismus zum absoluten Sophismus gebracht, zum Vorwurf an die Menschen, der Wahrheit des Seins nicht Folge zu leisten ("Seinsvergessenheit"). So wird philosophisches Selbstverst�ndnis zu einer unendlichen und unendlich beliebigen und geistig m�chtigen Beziehung auf das weltliche Geschehen. Philsophie bestimmt die gegebene Lebenspraxis, indem sie diese als menschliches Versagen interpretiert. Ohne einen wirklichen Bezug zu ihr wird sie im Wahrheitsanspruch einer L�sung derer Probleme zum allgemeinen Bezugspunkt. Die Folgen sind katastrophal f�r das philosophische Denken selbst. Es wird zum Instrumentarium einer Weltbew�ltigung, deren Sinn unter aller Wirklichkeit und diese in ihrer Kritik dadurch affirmiert, dass sie sie totalisiert (Heilserwartung als Aufhebung von Wirklichkeit f�r wirkliche Aufhebungsprozesse).
Aus der Kritik des Humanismus folgerte Peter Sloterdijk (wie auch schon Heidegger) eine R�ckbesinnung auf Platon und Diogenes, deren Weltverst�ndnis "ungest�rt" von humanen Grundprinzipien (z.B. Unverletztlichkeit der Person und des K�rpers) waren und von daher den Anforderungen der kommenden Zeit gerechter werden k�nnten (z.B. Z�chtung des vollkomenen Menschen). Der heutige Mensch n�mlich sei eine Art Ungl�ck der Natur, eine Fr�hgeburt, die noch biotechnisch behandelt werden m�sse.
Die Selbstreflektion der westlichen Welt hat f�r sich aus einer Vereinigung von ideologischen, psychologischen und philosophischen Str�mungen das Selbstverst�ndnis der "reiferen Kultur" (Huntington) entwickelt, das auch weitgehend in Deutschland geteilt wird. Hier wurden wieder mal besonders markante Formulierungen f�r milit�rische Eingriffe geschaffen (vergl. den "Menschenrechtsintervenismus" von Fischer), und niemand f�hlt sich der "Sache n�her", als ein Deutscher, der wei� was "das Leiden an der Tyrannei" ausmacht: - und auch der Dank an die "Befreier" aus dem Westen. Das Ineinssetzen vom deutschen Niedergang und der amerikanischen Intervention im Freiheitsverst�ndnis des Westens verlangt enorme Kraftanstrengung (siehe z.B. Dresden) und Miskreditierung der wirklichen Opfer (z.B. auch der Russen), geh�rt aber inzwischen zu den Selbstverst�ndlichkeiten (so, als ob die Zerst�rung des Dritten Reichs nicht der ganze Prozess des 2. Weltkriegs gewesen war).
Die Folge solcher Heroisierung sind Kulturchauvinismus, Abschottung, Fremdenhass und letztlich Beteiligung am "Kampf der Kulturen", wenn auch mit anderem Interesse als die USA und vielleicht auch "nur" in den kulturellen Hilfetrupps (Sanit�tsdienste, Befriedungsdienste, Polizeibereitschaft). Doch gerade dies bringt ja europ�ische Kultur in alle Welt und macht mit fremder Kultur, was ihr zufolge sein muss: Vers�hnung mit dem gro�en Geist des Westens, des Geldes. Es schafft hierf�r M�rkte und l�st mit dem Waffensturm gegen das sogenannte B�se dieser Kulturen nicht nur deren Vernichtung aus, sondern bewirkt zugleich mit der Vernichtung von Waffen einen erneuten Produktionsschub von Waffen, welche die Staatskasse zum Produktivit�tsfaktor gegen die kapitalistische Krise bestimmt.
Die Menschen werden sowohl weltweit, wie auch in Deutschland zunehmend nur innerhalb der Alternative angesehen, sich entweder im Gl�ck eines objektiv oder kosmisch definierten Lebensplans einzufinden – oder solchen Ordnungen unterworfen zu werden. Dieses Selbstverst�ndnis funktioniert letztlich nur milit�risch. Und von daher ist die deutsche Selbstverst�ndigung analog zur derzeitigen Entwicklung eines Weltverst�ndisses der Westkulturen. Um sich dem entgegenzustellen, muss als erstes das Selbstverst�ndnis zu einem menschlichen Verstand, zur Notwendigkeit menschlicher Selbstreflektion gebracht werden. Dies geschieht praktisch in der Kritik der geistigen und politischen M�chte, die sie sich unterwerfen. Kulturkritik ist hierbei an erster Stelle notwendig.