Wolfram Pfreundschuh (9.3.2012)

Diskussionen rund ums Geld

>> Einführung  | Teil 1 | Teil 2 | Teil  3 | Teil  4 | Teil  5 | Teil  6 | Teil  7 | Teil  8 | Teil  9 |  

Teil I: Über die Grenzen der Nützlichkeit hinaus

Das wirtschaftspolitische Credo der Neoliberalen war die Behauptung, dass Geld auch Geld produzieren könne, dass die Finanzwirtschaft also Geld als Produkt liefern könnte, so wie die Automonilindustrie Autos liefert. Vor allem die Finanzmärkte seien die Produktivkraft der Zukunft, weil sie am effektivsten wirtschaften, Geld aus dem unendlichen Jungbrunnen der Vermögenden "gewinnen", das alle Ressourcen optimal ausschöpft und in Sekundenbruchteilen handeln kann. Geld gab es ja schon mehr als genug. Und weil es sich auf dem Finanzmarkt oft perspektivlos rumtrieb, wenn es nicht mehr durch Investoren abgefragt wurde. machte man die Börse zunehmend zu einer Wettagentur, zur Lotterie auf Aktienpapiere und andere Kreditierungssysteme. Dort war mehr zu holen, weil Geldwerte nicht mehr als verfügbare Geldmenge eingesetzt, sondern als Buchungsoption spekuliert wurde, durch Kreditversicherungen gedeckt und durch Währungsdifferenzen auf den Devisenmärkten abgefedert wurden. Kredite wurden selbst zu Währungsspekulationen und konnten durch geschickte Finanztechniken die Reserven ganzer Länder einsacken. Ganze Länder gingen in den Ruin, Regierungen beugten sich der Finanzmacht, Infrastrukturen und Kommunaleinrichtungen wurden privatisiert und Ratingagenturen zu den tragenden Sterndeutern der Märkte. Das Maß ihrer Zahlungsfähigkeit wurde zu einem mörderischen Maß ihrer Existenzberechtigung.

Die Weltherrschaft der Geldrendite war nicht neu erfunden worden und auch nicht wie ein schlechter Gedanke oder ein böser Traum zur Welt gekommen. Sie ist die Stringenz einer Logik des Geldes, das unter der Bedingung einer zunehmenden Automation der Produktionsmittel immer mehr reinen Mehrwert produzierte, der immer weniger in die Warenproduktion zurücktransferiert werden konnte. Die Geldmenge, die diesen Wert darstellte, hatte sich von der realen Preisbildung der Technologie und Arbeitswelt so weit abgelöst, dass Geld verwettet wurde, um es überhaupt noch zur Anwendung und Geldanlage zu bringen. Zudem lösten sich viele Nachteile der Konkurrenz dadurch auf, dass man sich mit überschüssigen Geldmengen am Produktionswert des Konkurrenten beteiligte, seinen Wert mit abschöpfte, sobald der eigene Betriebswert im Schwinden war. Im Prinzip ging die Konkurrenz gegen Null, je mehr die Kapitale sich gegenseitig finanzierten. Monopole? Das war gestern. Heute sind es transnationale Konzerne, die sich auf Finanzmärkten die Hand reichen, über weit mehr Geld verfügen als die Nationalstaaten und eigene Banksysteme errichtet haben, in denen oft nicht mehr zu erkennen war, welches Geld überhaupt real und welches de facto nur noch wertlos war. Die knallharten Optionen der Spekulanten um Geldhandelsprofite wurde zum Glücksspiel auf dem Parkett einer sogenannten Finanzindustrie und der Gewinn von Geldmengen in ungeheuerlichem Ausmaß wurde zum Beleg für die "Leichtigkeit des Seins" einer Spezies, für die eine Gesellschaft nur darin bewertet wurde, wie sie zur Geldabschöpfung taugt. Geschöpft wurde bis zu deren Erschöpfung. Und das ist bis heute so, denn der ideelle Gesamtkapitalist ist nicht mehr der Nationalstaat sondern die vereinte Macht der Finanzindustrie, die ganz nach den Regeln der Wertabschöpfung funktioniert und die Bankgeschäfte des Geldhandelskapitals weltweit bestimmt. In deren Ödnis lebt man fröhlich in der Trance eines Glückspielers und hat wenigstens den Spaß, den man mit seiner Wette hat. "No risk, no fun", das klingt doch irgendwie fröhlich, wenn auch ziemlich verkrampft.

Fröhlich ist allerdings nicht das Leben der Menschen, die nicht nur für den Mehrwert arbeiten müssen, sondern auch noch die Last der Krisen auferlegt bekommen, wenn das Geld seinen Wert zu verlieren droht und durch Staatsverschuldung aufgewertet oder wenn zur Bankenrettung ihr Lohn per Steuerlast direkt aus ihrer Tasche gezogen wird. Aufgeplatzte Wertblasen erzeugten neue Krisen, denen durch immer absurdere Kreditierungen begegnet wird. So z.B. bei der Immobilienkrise in den USA oder durch Kredite an vorindustrielle Gesellschaften wie Griechenland, Estland oder Portugal. Aus jedem Loch, in welchem produzierte Werte verschwanden, erwuchs eine erneute Spekulation, weil das Verlorene bei jedem Glückspiel der Nährboden für die Hoffnung auf ein neues Spiel war, auf den einen New Deal. Das ist ein Begriff aus dem Kartenspiel um Geld und meint: Neu mischen! Neues Glück, neues Spiel! So hatte ihn schon 1930 Franklin D. Roosevelt eingeführt.

Wenn das Spiel vorbei ist, gibt es aber nur für das Kapital immer wieder ein neues Spiel. Für die Maloche bleibt alles beim alten, wenn man Glück hat. Doch inzwischen geht hier die Sprirale auch ziemlich steil nach unten. Es ist schließlich schon überall auf diesem Globus augenfällig geworden, dass Arme immer ärmer und Reiche immer reicher werden. Reiche besitzen eben meist mehr Geld als Arme und Geld muss irgendwelche Eigenschaften haben, die sie immer reicher werden lassen. Auch das ist alt. „Wär ich nicht arm, wärst du nicht reich“, ließ Bertold Brecht den armen Mann sagen, der gar nicht anders kann, als Reichen zu mehr Reichtum zu verhelfen. Sollte er damit nicht einfach mal aufhören und für eine gerechtere Welt tätig werden? Was bindet die Menschen so sehr an diese öffentliche Schmach, dass sie immer wieder mitmachen, sich damit trösten, dass es anderen noch schlechter geht und dass es ihnen selbst schlechter gehen könnte, wenn sie sich aus ihrer Ohnmacht zu befreien versuchen.

Warum hat ihre Emanzipation noch nicht stattgefunden, warum sind die bisherigen Versuche in der Gewalt verkommen, die sie bekämpfen wollten. Geht es vielleicht einfacher mit Moral und Nächstenliebe? Reicht es, wenn dem Reichen genommen wird, was der Arme bekommen sollte? Sind die Tarifkämpfe oder die staatlichen Eingriffe oder die Steuern hinreichende Mittel, um Gerechtigkeit der Geldverhältnisse herzustellen? Warum ist noch kein dauerhafter Wohlstand errreicht, wenn das doch seit Jahrhunderten das erklärte Ziel des Kapitalismus selbst ist?

Dessen Geschichte ist schon alt und wiederholt sich auch immer wieder, weil sich das Hamsterrad der Geldverwertung noch immer dreht, das nichts anderes ist als die sich selbst unendlich bestimmende, also verselbständigte Wertverwertung. Es ist eigentlich die Sache der Wissenschaft, die Probleme damit zu erklären und Auswege zu finden, damit Anspruch und Wirklichkeit nicht in einem dermaßen absurden Gegensatz forbestehen. Doch die Frage, wie sich denn Wert überhaupt verwerten kann, wurde in dieser Form nur von Karl Marx gestellt. Und das ist ja eigentlich die Frage, was Wert überhaupt ist, wie er entsteht und wie er sich in der Preisbildung der Löhne und der Produkte, also dem, was heute Realökonomie heißt, verhält. Wie Preise gebildet werden und wodurch ihr Wert bemessen ist suchen seit dem 18. Jahrhundert zwei theoretische Stränge zu beantworten: Die Grenznutzentheorie und die Arbeitswerttheorie. Es soll heute darum gehen, ihre Diskussion zu analysieren.

Die Grenznutzentheorie

Die Grenznutzentheorie geht im Unterschied zur Arbeitswerttheorie davon aus, daß sich der Wert einer Ware nach der Einschätzung der Individuen, der Nachfrage nach Waren im Verhältnis zu den Angeboten sich ermittelt, dass er also aus dem Handel der marktwirtschaftlich auftretenden Subjekte an der Frage, ob sie dieses oder lieber jenes kaufen wollen, sich bemißt (1). Der Wert ergibt sich demnach aus den Angeboten als Preis der gekauften Waren durch die rein subjektive Bewertung, die sich aus der Nützlichkeit ergeben soll, welche die Sachen, die als Waren auf dem Markt sind, für Individuen haben. Sie entstand im Sinne der Aufklärung als Theorie einer wirtschaftlichen Rationalität der Nützlichkeit. Wirtschaftlich verstanden ist der Nutzen nach dem Begründer dieser Theorie Jeremy Bentham (1748 - 1832) die Eigenschaft oder Fähigkeit eines Gutes, die Bedürfnisse eines Wirtschaftssubjektes zu befriedigen. Es war die vorherrschende These der klassischen Wirsschaftslehre im 18. Jahrhundert. Als Basis der neoklassischen Werttheorie der Neoliberalen war sie wieder modern geworden. Demnach bestimme auch heute wieder der (individuelle) Nutzenkalkül den Tauschwert - und zwar dergestalt, daß je höher der Nutzen eingeschätzt wird, desto höher der vom Wirtschaftssubjekt akzeptierte Tauschwert des Gutes angenommen werden kann und umgekehrt.

Das klingt einfach: Die Dinge seien eben soviel Wert, wie sie auch Gebrauchswert haben. Nach der Grenznutzentheorie ermittelt sich dessen Marktwert also aus dem Verhältnis von Angebot und Nachfrage, aus der Spannweite zwischen dem Preis, der bei größtmöglichen Nutzen bezahlt wird, und dem Preis, der für einen Nutzen gerade noch bezahlt wird, über dessen Grenze hinweg also ein Produkt keine „Marktchance“ mehr hat. Die Grenznutzentheorie ist demnach eine volkswirtschaftliche Theorie, die davon ausgeht, dass die Waren nicht aus dem Tauschverhältnis von Produkten, sondern aus dem Tauschbedürfnis heraus ihre Preise beziehen würden, dass also das Tauschsubjekt unmittelbar durch sein Verlangen nach Konsum den Preis der Waren bestimmen würde. Demnach wäre Geld selbst der Wert für die Produktion, nicht eine Wertgestalt der Gebrauchswerte, sondern selbst der Werterzeuger, also auch wirklicher Motor der Produktion schlechthin, wie es ja auch dem Kapital erscheint. Geld setze eben die Dinge so ins Verhältnis, dass es eigentlich nur Gewinner geben kann, weil etwas so lange produziert wird, wie von vielen Menschen gebraucht wird und es entstünde also eine marktbereinigende Überproduktionskrise, wenn nicht mehr gebraucht wird, was zu viel ist. Deshalb entstünde der Mehrwert auch aus dem Bedürfnis der Menschen, wenn sie für einen optimalen Nutzen arbeiten und daraus auch immer einen "positiven Profit" ziehen, wenn ihre Produktion der Nachfrage optimal entspricht. Profit sei also so natürlich, wie ihre Bedürfnisse es sind und wenn der wuchert, dann, weil sie wuchern. Alles wird so begriffen, wie es ja subjektiv auch erscheint. Der Kapitalismus ist damit als eine Oase der rechtschaffenden Subjekte aufgefasst, die nur hie und da daran leiden, dass sie übervorteilt werden oder ihren Bedarf überschätzen oder nicht genau wissen, was sie wollen - alles Mängel, die zu beheben sind, wenn die Politik das auch entsprechend regelt.

Der für alle positive Profit ist der Kern dieser Glaubenslehre. James Steuart hatte sie im Jahre 1805 so formuliert:

"Positiver Profit bedeutet für niemanden einen Verlust; er entspringt aus einer Vermehrung der Arbeit, Industrie oder Geschicklichkeit und hat den Effekt, den gesellschaftlichen Reichtum zu vermehren oder anzuschwellen" ("Principles of Pol. OEconomy", v. I. The Works of Sir James St[euart] etc., ed. by General Sir James Steuart, his son etc., in 6 vols., London 1805, p. 275, 276.) zitiert mach Marx MEW 26.1, S. 7

Nach dieser Auffassung ist "Geldschöpfung" unmittelbar auch Wertschöpfung, nicht Wertaneignung, die Arbeit nicht Lohnarbeit zum blanken Lebenserhalt in einer geldmächtigen Gesellschaft, sondern Dienst am Gemeinwohl, Beitrag zum allgemeinen Gebrauchswert der Dinge für die Menschen und ihre Gesellschaft. Geld gilt lediglich als das Regulativ der Marktverhältnisse zu aller Menschen Vorteil. Wenn dennoch etwas aus dem Ruder läuft, dann sei das nicht ein Problem des Marktes selbst, sondern eines der Politik, die Gesetze machen und verfolgen muss, die dem Gemeinwohl auch als Regelwerk über Recht und Pflicht des Bürgers in dieser Gesellschaft dienlich sein soll. Und so verstehen sich ja auch die Politikerinnen und Politiker in den Parlamenten der bürgerlichen Gesellschaft bis heute. Ihre vornehmste Aufgabe sei es, den Kapitalismus gegen Missbrauch und Unterdrückung zu verteidigen und seine Gemeinwohl bildende Kraft zu unterstützen. Jeder anständige Politiker würde deshalb auch gerne die Gier der Banken und Versicherungen bändigen und behauptet gerne, dass er oder sie das auch kann. Es ist das alte Lied der Gerechten gegen das Unrecht, das böse Menschen einer an und für sich wunderbaren Wirtschaftsweise zufügen.

Doch die Schere zwischen arm und reich ging trotz ihrer Appelle und Gesetze und Verordnungen immer weiter auseinander; der gesellschaftliche Reichtum geriet wie seit jeher zu einem größeren Teil immer in die Hände derer, schon schon mehr davon besaßen und über die verfügen konnten, die wenig oder nichts hatten. Die Beziehung von Reichtumsbildung und Wertschöpfung war so offenbar nicht wirklich zu klären. Im Gegenteil: Je mehr die Reichen politisch diszipliniert wurden, desto mehr reduzierte sich auch die Produktion durch Kapitalflucht oder invalider Marktrepräsentanz. Um auf den Märkten mitzuhalten müsste immer billiger produziert werden um immer mehr Produkte dort abzusetzen und immer effektivere Technologie einzusetzen. Das alles ließ sich kaum mit der Grenznutzentheorie beantworten, die ja den Profit dann gegen Null schwinden sehen müsste. Doch genau das darf im Kapitalismus nicht passieren und tatsächlich regelt sich vor allem dieses im Geldwert, der zwar zwischen Angebot und Nachfrage sich darstellt, letztlich aber nicht Produktwert sondern Produktionswert ist, Wert der Arbeit, durch welche die Waren entstehen (2).

Auf dem Markt geht es eben nicht nur um das Austauschen von Sache gegen Sache, nicht um Naturalien, die sich nach ihrem natürlichen Wert für das Bedürfnis der Menschen ins Verhältnis setzen lassen (siehe z.B. Vertragswirtschaft). Das Problem ist das Geld, mit dem dieser Wert bezahlt werden soll, zumindest also eine Zahl, die den Gebrauchswert als Preis zu quantifizieren hat. Geld stellt außerdem nicht nur eine Sache dar, sondern ein ganzes Lebensverhältnis der Menschen, die ihre Besitztümer austauschen. Es mag dem viel bringen, der es besitzt, aber auch dem alles abverlangen, der nichts hat. Der Geldwert () ist nicht voraussetzungslos. Er gründet auf Besitz und so steht der Macht des Geldes auch immer Ohnmacht gegenüber. Es bezahlt, was produziert ist und es muss selbst produziert sein, um zahlen zu können. Hätten alle Geld, würde niemand produzieren und wo nicht produziert wird, gäbe es auch kein Geld. Wer Geld hat, besitzt auch Produkte, wer keines hat, hat nur sich selbst und muss sich verkaufen, um etwas zu besitzen. Von daher kann Geld nicht "gerecht" sein. Als Zahlungsmittel bei einem Verkauf ist es etwas anderes, als es als Kaufmittel für den Einkauf ist. Während es als Zahlungsmittel nur Wertgestalt der Gebrauchswerte für einzelne bestimmte Dinge sein kann, stellt es für den Geldbesitzer als ein allgemeines Kaufmittel einen Allgemeinbesitz dar, der sich zum Eintausch für jedweden Erwerb von Dingen eignet, die das Wertquantum in seinen Händen bekommen kann. Solcher Nutzen ist grenzenlos und kann keinen Preis beschränken, also auch nicht im Sinne einer Grenznutzentheorie funktionieren.

Geld, das Kaufmittel schlechthin

Nach der Grenznutzentheorie dient Geld alleine als Vorschuss für den Kauf, als Kaufmittel, um Einkaufen zu können, um also zum Kauf zu animieren, mit dem dann auch Profit zu machen ist. Von daher bedürfe es einer vorgeschossenen Geldmenge, die jeder Staat einfach nur zur Verfügung stellen müsse. Er wird hiernach also als eine Art Geldpresse verstanden, die eine staatlich ermittelte Geldmenge produziert, um sie in das Kreditsystem der Nationalbanken einzugeben, die diesen Vorschuss wiederum gegen Schuldanerkenntnis an die Bürger ausgeben. Der Staat selbst wird damit zum Geldverteiler, der die Geldgeschäfte ankurbelt, indem er ein Kaufmittel zu einem Leitzins ausgibt, also mit dem Gebot, mindestens so und soviel Geld zusätzlich erwerben zu müssen, um dem Wert zu entsprechen, den es nach gegenwärtiger durchschnittlicher Profitrate mindestens in seiner Laufzeit auch zukünftig haben muss. Die Landesbanken, Geschäftsbanken und Privatbanken kaufen also dieses Geld, um es als Kaufmittel zu handeln und Profite aus Zinsgewinnen zu ziehen, die von denen bezahlt werden, die damit wirtschaften und sich Gelderträge über der entsprechenden Profitrate versprechen. Das können sie aber wiederum nur, indem sie Werte schaffen, die durch die Arbeit von Menschen erzeugt werden. Und die gehen zur Arbeit, weil sie damit ihren Selbsterhalt sichern, sich also mit Lohn am Leben halten. Von daher macht das allgemein gehandelte Geld als Kaufmittel jeden erst mal zu einem Schuldner, der es verdienen muss; der eine, um die Zinsen zu zahlen, die das Geld kosten, der andere, weil er Lebensmittel nötig hat, und sich durch Lohnarbeit diese erwerben muss. Um also seinem Bedürfnis nach Lebensmittel nachzugehen, muss er Geld erwerben, das irgendwie und irgendwo auch zur Produktion von Lebensmittel von einem Geldbesitzer verwendet wird, damit der seine Profite damit auf dem Markt machen kann.

Doch wessen Wert ist der Wert, den dieses Geld hat? Geld für sich genommen ist ein bloßes Kaufmittel, das als dieses immer nur Zurückgewonnen werden kann, indem es als Zahlungsmittel verwendet wird. Indem jemand Geld als Zahlungsmittel verwendet, um seine Lebensmittel zu erstehen, erkennt er zugleich ein Schuldverhältnis an, das im Kaufmittel Geld als Geldschuld zirkuliert und macht sich nur durch diese Schuldanerkenntnis gesellschaftlich gültig. Er kann sich nur sozialisieren, indem er diese Schuld anerkennt, eben weil und solange er keine andere Möglichkeit findet, sich am Leben zu halten. Wenn man will, kann man von daher natürlich auch Geld selbst als Produktionsmittel auffassen, das dazu dient, Wirtschaftsprozesse in Gang zu setzen, um dann auf die „Erfolge“ zu warten, die den Markt wiederum fortbewegen. Und davon gehen die Wirtschafttheoretiker der Volkswirtschaft auch aus.

Wenn man den Finanzexperten Dirk Müller hört, der sich inzwischen durchaus kritisch zur Globalsierung des Kapitals gibt und viel Verständnis gegen ungerechte Geldverteilung äußert, dann ist die Sache mit der Marktwirtschaft doch klar. Sie ist nur in die falschen Hände geraten, aber sie scheint ihm immer noch jeder anderen Wirtschaftsweise überlegen zu sein: Sie beruhe auf einem Vorschuss, der Geld auf den Markt bringt, mit dem Waren eingekauft werden, die weitere Produktionen nach sich ziehen und weiteres Geld „erwirtschaften“ und damit den Markt wieder stabilisieren. Kapitalismus sei immerhin ein Kreditsystem, das allen eine Chance geben würde, aus seinem Leben das Beste zu machen. Gerade weil Geld die Werte wachsen lässt, kann es manchmal ja auch „daneben“ gehen kann. Damit spricht er aus, was alle Ökonomen denken und womit sie auch die politische Klasse „beraten“. Aber für das Finanzkapital ist Geld nur das Mittel einer permanenten Markterweiterung. Und das kann nicht unendlich funktionieren, weil mit wachsender Produktivität es immer schwerer wird, den schwindenden Wert der Arbeit in den Geldwerten zu adaptieren, der sich in den Produktpreisen miiteilt und durch höhere Löhne ausgeglichen werden müsste, wenn der Wert weiter wachsen soll. Und weil das nicht geht, kommt immer wieder das heraus, was man schon kennt: Geld vorschießen, Gürtel enger schnallen und schon werden wieder Waren auf dem Markt sein, die man ja immerhin kaufen muss, um nicht zu verhungern. Nur: Diese Waren erbringen keinen Mehrwert, oft nicht mal Steuern, geschweige denn Schuldentilgung. Das Wachstum der Durchschnittsprofitrate kann letztlich nur durch Marktausdehnung gelingen, vorübergehend aber auch durch technologischen Fortschritt, ab besten, wenn beides zusammengeht und dieser auch zum Exportschlager wird. (3)

In den letzten Jahrzehnten war die Grenznutzentheorie als Grundlage des Neoliberalismus politisch maßgeblich. Sie bot die Grundlage für den Glauben an das völlig verselbständigte Kreditsystem des Finanzmarktes, weil sie es zuließ, Geld als völlig unabhängiges Zahlungsmittel anzusehen, das aus jedem beliebigen Geldvorschuss etwas machen kann. Jeder Nutzen lässt sich in dem Maß verwerten, wie er nachgefragt wird, ohne dass auf realwirtschaftliche Abläufe oder auf die Grundlagen des gesellschaftlichen Stoffwechsels Rücksicht genommen werden müsste. Jedes Verhältnis, jedes Land könne auf diese Weise Weise wachsen, wenn man ihm nur Geld zuführt, damit bezahlt und also auch für nützliche Dinge gearbeitet werden kann. Wie total das scheitern kann, ist nicht nur an Griechenland zu erkennen. Verfolgt man die Geschichte der letzten 200 Jahre, so zeigt sich im Zyklus der Krisen und der sie oft begleitenden Kriege, dass sich die Geschichte immer in derselben Logik ereignet hat. Beim Nachdenken über die Eurokrise kam dann immerhin auch unter den Volkswirtschaftlern zum Nachdenken über die Grenznutzentheorie. Allerdings fielen sie damit als Berater der Regierungen aus und bekannten sich orientierungslos.

Und seit die Erfolge des Kreditsystems der Nationalbanken und Finanzmärkte ausblieben, wurde die Grenznutzentheorie auch von vielen Seiten vor allem aus der Praxis heraus wieder infrage gestellt. Immer mehr Menschen distanzieren sich daher auch zunehmend von ihrem Glauben an das unendliche Kreditsystem und verweigern ihm ihre Stimme. Viele Politiker und Wissenschafter ziehen inzwischen auch wieder die ganze Grenznutzentheorie in Zweifel. Für die Expertisen ist hier ein wissenschaftliches Vakuum entstanden, das sich auch politisch in wirren Einfällen darstellt. Die Politik dreht sich im Kreis und schindet nur noch Zeit. Hiergegen steht nach wie vor die große andere theoretische Denkrichtung, welche die Preisbildung aus einer Arbeitswerttheorie ableitet, der Theorie, dass Geld seinen Wert nicht aus dem Markt bezieht, sondern aus der Arbeit, die im Durchschnitt der Warenpreise vergegenwärtigt wird.

Das Wertproblem

Die Frage zwischen Grenznutzentheorie und Arbeitswerttheorie ist die Frage: Was macht den Wert aus, der so zentral für eine Geldtheorie ist? Was ist seine gesellschaftliche Substanz? Ist es der Nutzen oder sein Preis, das Bedürfnis oder die Arbeit, das wirkliche Leben oder das Geld, was die Geschichte bestimmt, was ihren Fortschritt ausmacht? Es ist eigentlich eine philosophische Frage, die von Marx nur in ihrer boßen Negation beantwortet wurde: Geschichte ist die Lebensparxis der Menschen, ihr wechselseitiges Wirken, das Verhalten in ihrer Gesellschaft als gesellschaftliches Verhältnis, in dem Bedürfnis und Arbeit denselben Lebensinhalt haben müsste, also zusammengehören. Doch dieses Verhältnis ist noch nicht konkret, solange es keine gesellschaftliche Wirklichkeit in der Beziehung bei der Bildung von Arbeit und Bedürfnis gibt. Es ist noch kein wirkliches Verhältnis, solange es nur in ihrem Wert fortschreiten kann, nur Wertwachstum ist, das sich nicht nur jenseits der Gesellschaft durch Aufzehrung ihrer Lebensverhältnisse entwickelt, sondern sich auch gegen Menschen und Natur dieser Gesellschaft stellt. Es ist die Trennung selbst, die solche Geschichte bestimmt, die Trennung der Arbeit von den Bedürfnissen, der Individuen von ihrer Gesellschaft und dem Inhalt der Arbeit und ihrer ökonomischen Form. Geld ist die Brücke, um die Schluchten zu überwinden, um die Trennungen zu versöhnen, die Konkurrenten zu vereinen. Doch es ist auch die Falle, sich immer tiefer zu trennen, sich auf der Seite zu verselbständigen, auf der man gelandet ist, und welche die Konkurrenz zum Elexier der Geldmächtigkeit werden lässt. Was die Gesellschaft zerstört, ist die gestörte Vermittlung der Menschen, vertiefte Armut und verabsolutierter Reichtum. Die vielen, die auf wirtschaftlichen Ausgleich, auf wirtschaftliche Demokratie hoffen, werden aufgehalten von den wenigen, die fast alles besitzen, wofür sie arbeiten müssen.

Geld ist als absolute Wertform nur die Form des Besitzes von gesellschaftlich abgetrennten Gütern, von einem Reichtum an Privateigentum, der nur als Wert Bestand hat, sodass alle Bedürfnisse und Arbeiten der Menschen hierfür dienlich sein, sich ihm unterordnen müssen. Alles Konkrete unterliegt seiner Abstraktionsmacht, Geld ist die Form, worin die sinnlichen Beziehungen der Menschen untergehen und in ihrer Aufhebung vergesellschaftet werden zu einer bloßen Abstraktion. Gesellschaft wird zu einer abstrakten Gesellschaft, zu einem Lebenszusammenhang, der nur dazu dient, Geld zu machen; Arbeit wird zur abstrakt menschlichen Arbeit, die nur ihre Verwertung befördert, den Wert produziert, das Wertwachstum erzeugt, durch das sie immer mehr beherrscht wird; und Kultur wird zum abstrakt menschlichen Sinn, zu einer Naturalform, deren Inhalt aufgebraucht wird nur um Geld zu vermehren, ohne dass es für die Menschen Sinn haben kann. Der Nutzen ist eine wirtschaftliche Kategorie, die durch den Geldwert nicht dargestellt, sondern in Wahrheit aufgehoben wird, weil der einzige Nutzen für das Geld der Kauf sein kann. Der Genznutzen kann Wert überhaupt nur soweit darstellen, wie er abstrakt allgemeinen Nutzen, den Nutzen des Tauschverhältnisses selbst darstellt. Und dabei greift dieser immer schon über die Grenzen des wirklich Nützlichen hinaus, weil mit Geld nicht nur der Nutzen bezahlt, sondern auch seine Verwertung bestimmt wird.

Da jede Theorie eine Aussage über einen allgemeinen Zusammenhang machen will, muss sie auch das allgemeine Wesen ihrer Kategorien kennen. Die Grenznutzentheorie ist innertheoretisch daran gescheitert, dass es keinen allgemeinen Nutzen geben kann, der sich quanttativ ermitteln lässt. Der Wert der Waren kann sich daher auch nicht aus ihr bestimmen lassen. Dennoch zeigt sie ein Problem der Wertbestimmung auf, das daraus resultiert, dass die Waren augenfällig auf dem Markt Preise tragen, die natürlich unterstellen, dass sie damit auch gekauft werden könnten, dass sie also immer irgendwie preis-wert sein müssen. So regelt Angebot und Nachfrage als Grenzen der Preiswertigkeit, was überhaupt auf dem Markt ist. Doch das Quantum der Preise bestimmt sich aus dem Quantum der vorhandnen Produkte schlechthin, bevor sie sich aneinander durch ihre unterschiedlichen Gebrauchswerte relativieren. Subjektiv wird sich jeder fragen, ob er heute sich dies oder jenes noch leisten kann, wenn er so und soviel Geld in der Lohntüte hat. Der Preis seiner Arbeitskraft relativiert also jeden Einkaufspreis an Lebensmittel und bestimmt somit auch, was nachgefragt wird und überhaupt ein Preisschild bekommen kann. Und damit ist die wesentlichere Bestimmung der Preise der Preis der Aufwendungen, die zu ihrer Herstellung erbracht sein müssen, der Preis der Arbeit und der Rohstoffe und der Arbeitsmittel. Doch dieser erscheint nicht als Kostpreis auf dem Markt, weil der Markt selbst nur aus dem Tauschverhältnis der Waren gegen Geld besteht. Er bestimmt aber den Wert, der hinter allen Preisen wirksam ist, eine Größe, die sich nur hinter dem Rücken der Menschen ergibt. Wie kann aber dieser Wert überhaupt allgemein gültig sein, eine gesellschaftlich wirksame, also wirkliche Wertgröße darstellen, die sich im Austausch von Waren auch bewährt und bewahrheitet?

Wer Geld hat, sagt man, der sei reich. Und von der Anschauung her stimmt das ja auch. Doch wodurch er reich ist, das ist eigentlich garnicht das Geld als eine Wertsumme, über die er verfügen kann, sondern durch das Recht, das er durch diese Wertsumme hat, das Recht, sich etwas anzueignen, das er sich einkauft, egal, was er verkauft hatte, bevor er einkaufen kann. Jedenfalls versichert ihm das Recht, das durch den Geldwert der Währnung auch staatlich abgesichert ist, dass er kaufen kann, was sich ihm zum Kauf bietet. Geld ist die Form, worin gesellschaftlicher Reichtum festgehalten ist, der sich als reines Wertquantum darin verhält. Doch dieses Wertquantum ist nicht so fest, wie es erscheint. Das wissen die Geldbesitzer auch alle und deshalb legen sie es lieber an, als dass sie es in der Tasche rumtragen oder im Strumpf verstecken. Geld ist nur so viel wert, wie es den Wert der Waren auf dem Markt auch einlösen kann, was also als Produktmenge und Anlagevermögen ihm gegenübersteht. Für sich ist es nur eine Zahl und dehalb kann man auch auf die Idee kommen, diese Zahl sei als Geldschein bloß vom Staat vorgestreckt, damit man damit kaufen kann. Doch in Wahrheit ist das umgekehrt. Der Schein deckt nur Wertgrößen, die bereits produziert worden waren, die es also schon gibt und denen gegenüber sich der verschuldet, der den Geldschein zur Hand hat, der also einen Schuldschein hernimmt, um etwas zu erhalten, was er nötig braucht. Er wird zum Schuldner an einem gesellschaftlichen Vermögen, das bereits produziert ist und für das er deshalb auch etwas beibringen muss, um daran teilzuhaben, was andere vor ihm schon produziert hatten. Weil die meisten Menschen aber nichts von bleibendem Wert haben, ist das meist seine Arbeitskraft, die er einsetzen muss, um die Dinge des Lebens auch für sich zu erwerben. Soweit die Arbeit also auch erbracht wird, und ökonomisch so funktioniert, dass sie ihren Wert, also das, was sie zum Leben braucht, auch einbringt, könnte dann das ganze Schuldverhältnis auch wieder ausgeglichen werden, wenn man davon absieht, dass anderntags, wenn der Hunger wieder hochkommt, das selbe von vorne beginnt. Doch das Ganze hat einen zusätzlichen Pferdefuß. Geld kann sich als Wertform des Sozialprodukts nur in seinem Wert erhalten, wenn sich auch der darin aufgehäufte Reichtum erneuert, sich im Verbrauch auch reproduziert. Und weil auch der wertmäßig nur darstellt, was Arbeit erbracht hat und weil er in der Produktion auch zum Teil verschlissen wird, ist die ganze Sache etwas komplizierter. Geld kann nämlich seinen Wert nicht halten, wenn es nicht auch als Geldwert erneuert wird. Für sich ist es bloße Form, die ihrem Inhalt nach nichts Wirkliches ist und die dahinschwindet, sobald ihre inhaltliche Erneuerung nicht mehr funktioniert.

Warum Geld seinen Wert nicht halten kann

Die Grenznutzentheorie hat sich aus den Bedürfnissen der Menschen zu begründen versucht, was doch Geld auch sehr sympathisch, so subjektiv bekömmlich machen könnte. Sie ist relativ leicht aufzufassen, weil sie im Grunde nur eine Vorstellung ist, die aber in der blanken Wirklichkeit versagt, weil die meisten Menschen kein Geld lange besitzen, um beliebigen Bedürfnissen zu fröhnen, sondern vor allem dafür arbeiten müssen, um Lebensmittel kaufen zu können, die ihnen lebensnotwendig sind. Der Bedarf des einen ist die Macht des anderen, der die Mittel besitzt, die "nachgefragt" werden. Doch solche "Nachfrage" ist keine Frage; es ist schlichte Notwendigkeit, deren Vollzug den bereichert, der sie nicht hat und der dadurch die Freiheit hat, sich anzueignen, was anderen mötig ist, ihre Kraft für sich einzunehmen um ihre Ohnmacht zu verstärken. Der bedürftige Mensch wird zum Knecht seiner Not, weil und solange der besitzende Mensch zum Hüter eines ihm entfremdeten Reichtums ist, einem Reichtum, der gesellschaftlich erzeugt und privat angeeignet ist.

Geld ist notwendig ungerecht, weil es gesellschaftliche Macht in fremder Hand darstellt. An dieser Macht der Entfremdung lässt sich durch das Palaver in den Parlamenten und dem Zuspruch der Kirchen oder der Sittenwächter nichts ändern, weil Geld eben einen Wert darstellt, der für die Menschen garnicht wirklich existieren kann, weil es letztlich einer von ihren gesellschaftlichen Beziehungen abgetrennten Rechtsform, dem Recht auf Privatbesitz beruht. Und das kann nicht anders sein, solange es den Warentausch gibt, solange also Werte an Sachen ausgehandelt werden, die ein Wachstum an Wert wuchern lassen müssen, solange sich Menschen nicht durch ihre Sachen menschlich aufeiander beziehen können, nicht füreinander arbeiten und einander bedürfen. Nicht ganz so leicht zu begreifen ist daher, warum der Tanz um den Geldwert immer noch anhält, ein so unaufhörlicher ist, wo doch das Geld objektiv immer wieder zugrunde geht, wenn es sich nicht durch die Arbeit der Menschen bereichern kann. Der Wert des Geldes als Zahlenwert, als identisches Quantum von veränderlichem Größe muss sich permanent in den Preisen bilden, während sein Wert zugleich durch sie dargestellt wird. Es ist als Zahlungsmittel relativ zu den Waren, die es eintauscht, als Kaufmittel aber absoluter Maßstab der Preise, Wert, der die Waren relativ zu einer allgemeinen Wertsumme bewertet, einer Preissumme, die nicht wirklich existieren kann, weil sie nur aus einer durchschnittlichen Wertgröße besteht.

Allgemein verstanden gibt es Geld nur in der Form des Sozialprodukts, in welchem sich der Reichtum der Warensammlung darstellt, der von den Menschen erzeugt wurde und erzeugt wird. Aber als Maß des Geldes kann der Geldwert nur flüchtig sein. Die Menschen erzeugen Wert, der sich nach jedem Tauschakt auch wieder verfüchtigt, der aus der Produktion entstanden ist, auf dem Markt als Preis der Waren auftritt und nach dere Abkauf im Konsum wieder untergeht. Als menschlicher Reichtum ist er auf dem Warenmarkt immer nur Moment einer ständig wechselnden Beziehung von Werten, die allgemein selbst schon die Auflösung des darin aufgehäuften Wertes betreiben. Das Geld mag als Kaufmittel eine Preissumme von Waren darstellen und von daher auch Maßstab der Preise sein, es kann sich aber nicht selbst als Zahlungsmittel bewerten, sondern muss sich in den Tauschverhältnissen in den wechselseitigen Werten ständig als Wertmaß beweisen, um tatsächlich auch - wenn auch verschwindend - einen Wert zu haben. Und das zeigt Geld als eine inadäquate Form des Reichtums auf, der als handfestes Produkt auf dem Markt nur repräsentativer Wert sein kann. Ihm geht es wie den Politikern der Repräsentativen Demokratie: Sie werden durch Auswahl bestimmt, um dann zu tun, was alllgemein staatlich nötig ist. Als allgemeine Form versagt solche Politik genauso wie das Geld, das sie hüten soll, weil darin alles, was quantitativ bestimmt war, qualitativ einer Wirklichkeit gegenübersteht, die mit dem Quantum als solchem nichts zu tun hat, das als Geld in der Tasche oder auf dem Preisschild an der Ware auftritt. Geld bleibt nur dadurch Geld, dass es identisches Quantum für sich bleibt, indem es "veränderlichen Wert repräsentiert". Am deutlichsten hat Marx dies in seinen "Grundrissen zur Kritik der politischen Ökonmomie" formuliert:

"Als allgemeine Form des Reichtums steht [dem Geld] die ganze Welt der wirklichen Reichtümer gegenüber. Es ist die reine Abstraktion derselben, - daher so festgehalten bloße Einbildung. Wo der Reichtum in ganz materieller, handgreiflicher Form als solcher zu existieren scheint, hat er seine Existenz bloß in meinem Kopf, ist ein reines Hirngespinst. (Midas). Andrerseits, als materieller Repräsentant des allgemeinen Reichtums wird es bloß verwirklicht, indem es wieder in Zirkulation geworfen, gegen die einzelnen besondren Weisen des Reichtums verschwindet. In der Zirkulation bleibt es als Zirkulationsmittel; aber für das aufhäufende Individuum geht es verloren, und dies Verschwinden ist die einzig mögliche Weise, es als Reichtum zu versichern. Die Auflösung des Aufgespeicherten in einzelnen Genüssen ist seine Verwirklichung. Es kann nun wieder von andren einzelnen aufgespeichert werden, aber dann fängt derselbe Prozeß von neuem an. Ich kann sein Sein für mich nur wirklich setzen, indem ich es als bloßes Sein für andre hingebe. Will ich es festhalten, so verdunstet es unter der Hand in ein bloßes Gespenst des wirklichen Reichtums. Ferner: Das Vermehren desselben durch seine Aufhäufung, daß seine eigne Quantität das Maß seines Werts ist, zeigt sich wieder als falsch.

Wenn die andren Reichtümer sich nicht aufhäufen, so verliert es selbst seinen Wert in dem Maß, in dem es aufgehäuft wird. Was als seine Vermehrung erscheint, ist in der Tat seine Abnahme. Seine Selbständigkeit ist nur Schein; seine Unabhängigkeit von der Zirkulation besteht nur in Rücksicht auf sie, als Abhängigkeit von ihr. Es gibt vor, allgemeine Ware zu sein, aber ihrer natürlichen Besonderheit wegen ist es wieder eine besondre Ware, deren Wert sowohl von Nachfrage und Zufuhr abhängt als er wechselt mit seinen spezifischen Produktionskosten. Und da es selbst in Gold und Silber sich inkarniert, wird es in jeder wirklichen Form einseitig; so daß, wenn das eine als Geld - das andre als besondre Ware und vice versa erscheint, und so jedes in beiden Bestimmungen erscheint. Als der absolut sichre, ganz von meiner Individualität unabhängige Reichtum, ist es zugleich als das mir ganz äußerliche, das absolut unsichre, das durch jeden Zufall von mir getrennt werden kann. Ebenso die ganz widersprechenden Bestimmungen desselben als Maß, Zirkulationsmittel, und Geld als solches. Endlich in der letzten Bestimmung widerspricht es sich noch, weil es den Wert als solchen repräsentieren soll; in der Tat aber nur ein identisches Quantum von veränderlichem Wert repräsentiert." (Marx in Grundrisse, MEW 42, S. 160)

Auch wenn die Menschen hierbei gierig werden können; Geld selbst kann nicht gierig sein, wohl aber Entwicklungen antreiben, die das Verhalten der Menschen bestimmen und sie auch subjektiv beherrschen. Als Kaufmittel, das nur Wert hat, solange es die Preise bestimmen kann, muss es dem Trieb folgen, der aus seiner beständigen Entwertung, seiner Negation entsteht: Dem Verwertungstrieb. Geld verliert seinen Wert, wo es nichts mehr tauschen kann oder unter seinem Wert tauschen muss. Und das macht seine rastlose Existenz aus. Geld als Kapital muss fliehen, wo es an Wert verliert. "Kapital ist scheu wie ein Reh" und es flüchtet vor seinem Reinfall, seinem Untergang immer hin zu den stabileren Wertanlagen. Es treibt sich selbst zu den anlagestabilsten Märkten und entzieht sich so schnell wie möglich wieder, wo die Verwertung schwächer wird. Aber es flüchtet nicht aus Bosheit oder Gier, sondern alleine schon um den Wert zu behalten, den es gerade noch hatte. Und das ist die eigentliche Verrücktheit des Kapitalismus: Es muss fortwährend etwas produziert werden und deshalb wird ein Wertwachstum betrieben, das stetig immer wieder nur im Untergang der Werte endet, Mensch und Natur verbraucht, nur um in der Verfügungsgewalt seiner abstrakten Macht zu wachsen. Es ist das Prinzip schlechthin, das schon im Geld angelegt ist, auch wenn es sich am deutlichsten erst auf den Finanzmärkten abspielt. Es ist die Bildung eines Mehrwerts, der nicht als Sache existiert, sondern lediglich als politische Macht wirksam ist und eben deshalb immer die sogenannte Realwirtschaft beherrschen wird.

Geld ist ein gesellschaftlich wirksames Verschuldungsprinzip

Die Menschen mögen sachlich austauschen, was sie wollen, ihre Arbeit aufeinenander beziehen, wie es nötig ist; allgemein bewertet wird ihr Verhältnis in der Marktwirtschaft nur durch Geld und dieses ist auch die einzige gesellschaftliche Form ihrer Verhältnisse im Kapitalismus. Geld ist nicht einfach eine Sache sondern ein Verhältnis, ein Lebensverhältnis sogar, das in allen gesellschaftlichen Beziehungen auf den Waren- und Geldmärkten sachlich relativ und absolut zugleich wirksam ist, weil es alle Verhältnisse der Menschen durch den Wert bestimmt den Waren und Geld haben, sie also gesellschaftlich darin in die Pflicht nimmt. Gesellschaft wird durch die Geldverhätnisse selbst zu einem Schuldverhältnis (), in welchem die Menschen nur existieren können, wenn sie hierfür etwas ihnen Fremdes erbringen, einen Wert, der nicht der ihre sein kann, der sie aber zumindest privatim und ganz für sich leben lässt, wenn sie dafür arbeiten. Die ungerechte Verteilung des Geldes, die Spaltung zwischen arm und reich, ist nichts anderes als die Aufspaltung seines Wertes aus vergangener Produktion zwischen denen, die sich damit reproduzieren müssen und denen die damit ihre Produktionen finanzieren können, um Mehrwert abzuschöpfen. Geld für sich genommen ist nichts Wirkliches, keine wirkliche Sache und hat daher auch gar keinen wirklichen Wert, sondern bewegt sich wertmäßig zwischen Vergangenheit und Zukunft, zwischen Reproduktion und Produktion, Reproduktion durch Schuldenabgleich der Menschen gegenüber dem Geldreichtum des Kapitals und Produktion von Kapital durch Kredit auf die Zukunft.

Die Verteilung von Geld ist daher auch kein positives Recht auf Anteil am Sozialprodukt, sondern das schlichte "Recht", das einem zuteil wird, wenn man seine Schuld bezahlt hat, wenn man zur Arbeit geht nicht um etwas zu erzeugen und weiter zu bringen, sondern um zu bleiben, was man ist, während der Geldbesitzer fortwährend sich ändern kann, je nachdem, was seinem Geld an Wert, an Verfügungsmacht zugefügt wird oder ihm auch manchmel vor der Nase zerplatzt. Die Geldform ist ein Fetisch, an dem sich alle Aufwändungen treffen, die erbracht werden und über den der Geldbesitzer so verfügt, wie er will, weil es in seiner Privatmacht steht. Meist verfügt er allerdings so, wie es der Rationalität des Geldbesitzes entspricht, weil damit aus Geld immer mehr Geld werden kann und aus Geldbesitz auch der Besitz an Sachwerten akkumuliert wird.

Das erste, was man von der Macht des Geldes zu spüren bekommt, ist natürlich die Ungerechtigkeit seiner Verteilung und die sich fortwährende Steigerung der Ohnmacht der Menschen, welche keines besitzen. Doch das wesentliche Problem des Kapitalismus ist nicht diese Ungerechtigkeit für sich, sondern vor allem deren Grund: Die Verwertung allen Lebens zum Zweck der Wertbildung, die sich seit Jahrhunderten steigernde Ausbeutung von Mensch und Natur, welche der Logik einer barbarischen Produktionsweise folgt. Schon das totale Scheitern der Milleniumsziele innerhalb von 12 Jahren beweist dies zur Genüge. Es ist das Prinzip im Einzelnen wie allgemein. Warum das so bleibt, solange der Tauschhandel mit Waren die gesellschaftlichen Verhältnisse bestimmt, solange also die Marktwirtschaft das herrschende gesellschaftliche Verhältnis ist, das will ich das nächste Mal an der Verdinglichung der Kultur diskutieren unter dem Titel: "Wie das Geld das Leben der Menschen auf den Kopf stellt".


(1) Nachdem bis in die siebzieger Jahre des 20. Jahrnunderts die Arbeitswerttheorie bestimmend in der Politik war, hat sich in den letzten Jahrzehnten wieder die Grenznutzentheorie, die im 18. Jahrhundert noch vorausgegenagen war, durchgesetzt. Nicht der Streit um moralische Positionen zwischen Marktwirtschaft und Planwirtschaft hat sich Ende der achtziger Jahre zugunsten einer freien Marktwirtschaft entschieden, wie es heute heißt. Sondern der Kampf um die Kapitalisierung der Weltmärkte, der von beiden Seiten betrieben worden war und der mit der Kündigung der Verträge von Bretton Woos zu Ende ging. Sie gaben die Währungsbindungen an Gold frei und entwerteten die russischen Devisenvorräte an Gold mit einem Schlag durch eine Unmenge freigewordenen Goldes aus den Reserven des US-Goldbunkers Fort Knox und der Federal Reserve Bank of New York. Die Deckung durch den Ölhandel machte die USA mit dem Petrodollar zum Universalgläubiger, der sich eben deshalb auch wie ein Universalschuldner verhalten konnte und die freien Wechselkurse zur Verstrickung des Welthandels in die Finanzmärkte nutzte. Geld war damit zu einem fast völlig freien Medium geworden, das nur durch die Öl-Ressourcen der Welt beschränkt war. Wer Öl mit seiner Währung bezahlte, erstand einen Wert, der nur durch Dollar darstellbar war, also nur durch Produkte der USA wieder umgetauscht werden konnte. Jeder Dollar wurde zu einem Schuldschein an die USA. Das war nicht gut für den Ruf der Finanzmärkte. Kein Wunder, dass man nicht mehr die Arbeit als Wertquelle ansehen wollte, sondern die Grenznutzentheorie benutzte, um die Abgetrenntheit der Geldwerte, um ihre Loslösung von den nationalen Märkten als die Freiheit der Märkte schlechthin zu propagieren.

So wurde die Grenznutzentheorie schließlich wieder zur Grundlage für den Glauben an das Kreditsystem, weil sie im sogenannten Freihandel die Entwicklungsschandsen der Welt sah und Geld als ein völlig unabhängiges Verwertungsmittel begriff, das als Geld auch Geld schöpfen, aus jedem beliebigen Geldvorschuss etwas machen kann, wenn nur die Nachfrage nach Produkten hochgepuscht werden kann. Denn das war das notwendig gewordene Prinzip eines Kapitalismus, der zuviel Wert produziert und zu wenig Waren absetzen kann, aber seine Verwertungsrate halten muss, um fortzubestehen

(2) Weil aber nach Auffassung der Grenznutzentheorie und auch nach den früheren Arbeitswerttheorien der Wert mit dem Preis gleichgesetzt wird, der sich auf dem Markt entwickelt, ist für sie auch der Mehrwert nur ein Mehr von zirkulierendem Geld und die Preisbildung selbst die Substanz des Wirtschaftwachstums. Von daher gilt es schlicht als ein konjunkturelles Problem, wenn die Kapitalwerte so alle 7 Jahre immer wieder mal dahinschmelzen. Es gehöre zu den Regeln der Geldverwertung, mit der man eben leben müsse, um an ihren Vorzügen teilzuhaben. Was zuviel ist ist zuviel und wenn es vernichtet wird, so sei dies eben schon eine produktive Zerstörung, auch wenn dabei viel Kraft und Stoff, Arbeit und Natur draufgehen muss. Der Geldwert ermittele sich danach eben auch einfach wieder aus der Nachfrage, welche die Preise um so teurer macht, je dringlicher sie nachgefragt werden. Sie werden dem somit wieder adäquat.

Den Zynismus dieser Theorie erkennt man auch schon daran, dass der Einkauf umso teurer werden müsste, je mehr die Menschen Hunger leiden. Und tatsächlich spielt sich ja auch einiges auf den Weltmärkten so ab. Die Grenznutzentheorie ist die Theorie der Geldbesitzer, die ihre Preise so gestalten wollen, dass aus den Bedürfnissen der Menschen so viel Geld rausgezogen werden kann, wie möglich. Profit gilt eben als der Garant des wirtschaftlichen Wohlstands im Allgemeinen und war mit dem Mehrwert identisch, den Waren tatsächlich im Verkauf einbrachten, wenn ihre Masse sie billig werden ließ und der Handel auf den verschiedenen Märkten ein Mehr an Geld einbrachte.

Für die Grenznutzentheorie gilt die Mehrwertrate als unmittelbarer Ausdruck der Profitrate und das Wertwachstum dem Wirtschaftswachstum identisch. Inzwischen muss man sich sogar schon vor diesem fürchten, ist es doch dabei, die Lebensgrundlage der Menschen überhaupt zu gefährden, weil es nicht die Wirtschaft als menschliches Verhältnis zur Natur verwirklichen kann, sondern nur als Wert, der sich auch nur in Geld darstellt.

(3) Das Kapitalinteresse ändert sich demnach auch zunehmend zu einem Feudalinteresse, der Habhaftmachung von Schuldnern, die sich nicht mehr durch Arbeit, sondern durch ihre ganze Lebenssubstanzen übereignen müssen. Ob Griechenland „wieder auf die Beine kommt“ oder nicht, wird dann gleichgültig, wie ein deutscher Banker zynisch vermerkte: Wenn sie ihre Ländereien übereignen müssen, haben wir immer was davon, am Schluss dann halt ne nette Insel, ... oder auch mehr. Für ihn wäre das die "ausgleichende Gerechtigkeit", denn für ihn - und das sagt er eben erst jetzt - leben in Deutschland die "Leistungsträger", in Griechenland die Schmarotzer, die Nutznießer des Wirtschaftsvermögens der anderen. Im bleibt Dunkeln bleibt, was die wirklich genossen haben sollen und warum man ihnen den Anschluss an die EU fast aufgeschatzt hat, wie anderen weniger "betuchten" Ländern auch, die durch den EU-Anschluss bettelarm geworden sind. Die Wissenschaft muss es für nötig befunden und die Politik es verlangt haben, sonst wäre es nicht geschehen. Was war der wahre Grund?