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MEW 23: Kapital Band I - Der Produktionsprozess des Kapitals
Abschn. 1: Ware und Geld
Kap. 1: Die Ware - Abs. 4


1.4 Der Fetischcharakter der Ware

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 MEW23 - Abschn. 1 - Kap.1 - Thema 1/34:  (Alles zu K.1 | Linkadresse)
Textstelle 1/34 | Kommentar 1/34 | Zusammenfassung 1/34


Wie sich die Natur der Dinge auf den Kopf stellt

In der Gleichsetzung der Waren durch ihre Wertform werden diese unbestimmt und als Wertdinge unbestimmbar, denn zwischen den Dingen (siehe auch Dazwischensein) ist der Wert nichts, eine reine Abstraktion von allem was natürlich bestimmt ist, ein abstrakt Allgemeines, in dem sein organisches Substrat zu einer besonderen Allgemeinheit in der allgemeinen Wertform zur Äquivalentform eines ganzen gesellschaftlichen Verhältnisses gerinnt und durch die Verallgemeinerung ihrer Eigenschaften im Warentausch in der besonderen Ware Geld verschwindet, das durch ihre Verselbständigung einen Sog der Gleichgültigkeit eines allen gemeinen Wertträgers gegen den natürlichen Warenkörper betreibt (siehe Trieb). Dieser im Allgemeinen besonderte Wertträger Geld ist daher auch nicht unmittelbar in seinem Wert messbar oder sinnlich wahrzunehmen. Als Formbestimmung der Dinge, wie sie auf dem Markt sich verhalten und ins Verhältnis ihrer Austauschbarkeit versetzen, greift er ihre Naturstofflichkeit so auf, wie sie für den Markt da ist, für den sie eine Form annehmen, die nicht ihrer Natur folgt, sondern sich dem Markt anpassen muss. Der Wert ist zu einer ökonomische Formbestimmung, die blindwirkend "hinter dem Rücken" der Menschen fungiert und die Gebrauchswerte, die Dinge einer wirtschaftlichen Nutzung ihrer wahrnehmbaren Existenz entrückt, sie selbst verrückt macht. So natürlich sie erscheinen, so unwesentlich ist dabei ihre Natur, steht geradezu auf dem Kopf, weil sie bloßes Moment einer ihr äußerlichen Bestimmung ist, einem ihr fremden Wesen folgt.

 Textstelle 1/34:  (Linkadresse)

"Es ist sinnenklar, daß der Mensch durch seine Tätigkeit die Formen der Naturstoffe in einer ihm nützliche Weise verändert. Die Form des Holzes z.B. wird verändert, wenn man aus ihm einen Tisch macht. Nichtsdestoweniger bleibt der Tisch Holz, ein ordinäres sinnliches Ding. Aber sobald er als Ware auftritt, verwandelt er sich in ein sinnlich übersinnliches Ding. Er steht nicht nur mit seinen Füßen auf dem Boden, sondern er stellt sich allen andren Waren gegenüber auf den Kopf und entwickelt aus seinem Holzkopf Grillen, viel wunderlicher, als wenn er aus freien Stücken zu tanzen begänne." (MEW Bd. 23, S. 85)

 Kommentar 1/34:  (Linkadresse)

Wir haben mit der Entfaltung der Wertform erfahren, dass die Äquivalentform bei ihrer Totalisierung eine Verkehrung durchmacht, wodurch die Ware in dieser Form sich umgekehrt verhält, als sich die Waren in ihren relativen Verhältnissen zueinander verhalten. Indem sie in ihren Tauschwerten relativ zueinander stehen, erscheinen sie als Wertdinge doch jetzt total, als Ganzes, als Macht der Dingwelt, weilche ihre ralativen Beziehungen zugleich als ganzes Verhältnis verwirklichen und sich als Ganzes verhalten. Dadurch steht Ihre Beziehung auf andere Waren Kopf und die Wertform wird selbst die Ware, worin alle anderen Waren ihren Wertausdruck haben. Das macht die ganze Warenwelt zu einem Schauplatz von eigener Natur.

"Der mystische Charakter der Ware entspringt ... nicht aus ihrem Gebrauchswert. Er entspringt ebensowenig aus dem Inhalt der Wertbestimmungen. Denn erstens, wie verschieden die nützlichen Arbeiten oder produktiven Tätigkeiten sein mögen, es ist eine physiologische Wahrheit, daß sie Funktionen des menschlichen Organismus sind und daß jede solche Funktion, welches immer ihr Inhalt und ihre Form, wesentlich Verausgabung von menschlichem Hirn, Nerv, Muskel, Sinnesorgan usw. ist. Was zweitens der Bestimmung der Wertgröße zugrunde liegt, die Zeitdauer jener Verausgabung oder die Quantität der Arbeit, so ist die Quantität sogar sinnfällig von der Qualität der Arbeit unterscheidbar. In allen Zuständen mußte die Arbeitszeit, welche die Produktion der Lebensmittel kostet, den Menschen interessieren, obgleich nicht gleichmäßig auf verschiedenen Entwicklungsstufen. Endlich, sobald die Menschen in irgendeiner Weise füreinander arbeiten, erhält ihre Arbeit auch eine gesellschaftliche Form." (MEW Bd. 23, S. 85)

Weder der Gebrauchswert der Waren, noch ihre Wertbestimmungen, Wertsubstanz und Wertgröße, haben für sich etwas Mystisches. Es waren lediglich Momente der Warenanalyse. Auch nicht aus der gesellschaftlichen Arbeit selbst wäre Verwunderliches zu entnehmen, insofern die Menschen ja immer auch füreinander arbeiten und ihre Teilarbeiten aufeinander beziehen. Erst im voll entfalteten Verhältnis der Wertformen treten die Waren als Dinge auf, die aus sich selbst heraus einen gesellschaftlichen Charakter zu haben scheinen, der keine gesellschaftliche Natur des Menschen darstellt, sondern eine Gesellschaft der Waren für sich bildet.

 Zusammenfassung 1/34:  (Linkadresse | Nächste Zusammenfassung)

Durch die unmittelbar gesellschaftliche Form des Werts in der Wertform als Gebrauchswert und Tauschwert zugleich scheinen die Warenkörper in ihrem Verhalten darin durch sich selbst Wert zu haben. In ihrer Naturalform verhalten sich die Waren als stofflich existierende Form des Arbeitsprodukts und als stofflich existierendes Tauschmittel in einem. Obwohl das Arbeitsprodukt und das Tauschmittel völlig gegensinniger gesellschaftlicher Herkunft sind, - das eine durch Arbeit, das andere durch den Tausch der Produkte auf dem Markt, - besteht ihre Stofflichkeit aus beidem zugleich im Wechsel der bestimmten Beziehungen aus ihrer Herkunft und ihrem Dasein als Wertträger, worin sich ihr gesellschaftliches Verhältnis in ihren Wertrelationen von ihrer isolierten Einzelheit zu ihrer abstrakten Allgemeinheit als Ganzes darstellt, als Fetisch abstrakter Beziehungen, als gesellschaftliches Verhältnis eines Warenfetischismus.


 MEW23 - Abschn. 1 - Kap.1 - Thema 1/35:  (Alles zu K.1 | Linkadresse)
Textstelle 1/35 | Kommentar 1/35 | Zusammenfassung 1/35


Die wundersamen Verhältnisse der Arbeitsprodukte in der Geldform

Die Arbeitsprodukte erscheinen in der Geldform nicht als das, was sie sind, sondern als gesellschaftliche Natureigenschaft der Dinge, als gesellschaftliches Verhältnis von Sachen.

 Textstelle 1/35:  (Linkadresse)

"Woher entspringt also der rätselhafte Charakter des Arbeitsprodukts, sobald es Warenform annimmt? Offenbar aus dieser Form selbst. Die Gleichheit der menschlichen Arbeiten erhält die sachliche Form der gleichen Wertgegenständlichkeit der Arbeitsprodukte, das Maß der Verausgabung menschlicher Arbeitskraft durch ihre Zeitdauer erhält die Form der Wertgröße der Arbeitsprodukte, endlich die Verhältnisse der Produzenten, worin jene gesellschaftlichen Bestimmungen ihrer Arbeiten betätigt werden, erhalten die Form eines gesellschaftlichen Verhältnisses der Arbeitsprodukte.

Das Geheimnisvolle der Warenform besteht also einfach darin, daß sie den Menschen die gesellschaftlichen Charaktere ihrer eignen Arbeit als gegenständliche Charaktere der Arbeitsprodukte selbst, als gesellschaftliche Natureigenschaften dieser Dinge zurückspiegelt, daher auch das gesellschaftliche Verhältnis der Produzenten zur Gesamtarbeit als ein außer ihnen existierendes gesellschaftliches Verhältnis von Gegenständen. Durch dies Quidproquo werden die Arbeitsprodukte Waren, sinnlich übersinnliche oder gesellschaftliche Dinge." (MEW Bd. 23, S. 86)

 Kommentar 1/35:  (Linkadresse)

In der Wertform wurde die Wertsubstanz, die substanzielle "Gleichheit der menschlichen Arbeiten", zu einem Wertausdruck in den Waren, zur "sachlichen Form der gleichen Wertgegenständlichkeit der Arbeitsprodukte". Ebenso die Wertgröße: "Das Maß der Verausgabung menschlicher Arbeitskraft durch ihre Zeitdauer erhält die Form der Wertgröße der Arbeitsprodukte". Und schließlich wurden "die Verhältnisse der Produzenten, worin jene gesellschaftlichen Bestimmungen ihrer Arbeiten betätigt werden", zur "Form eines gesellschaftlichen Verhältnisses der Arbeitsprodukte".

Dies alles in einem macht den selbständigen Schein dieser Warenwelt aus, die "den Menschen die gesellschaftlichen Charaktere ihrer eignen Arbeit als gegenständliche Charaktere der Arbeitsprodukte selbst, als gesellschaftliche Natureigenschaften dieser Dinge zurückspiegelt, daher auch das gesellschaftliche Verhältnis der Produzenten zur Gesamtarbeit als ein außer ihnen existierendes gesellschaftliches Verhältnis von Gegenständen." (MEW Bd. 23, S. 86)

 Zusammenfassung 1/35:  (Linkadresse | Nächste Zusammenfassung)

Dadurch, dass vermittelst der allgemeinen Wertform die Wertsubstanz als Wertgröße die Verhältnisse der Produktion von Waren bestimmt, erscheint das gesellschaftliche Verhältnis der Menschen selbst als eine ihnen fremde Macht. Es ist die tote Form ihrer lebendigen Naturmächtigkeit, welche ihnen ihr eigenes gesellschaftliches Verhältnis als Mythos bereitet.


 MEW23 - Abschn. 1 - Kap.1 - Thema 1/36:  (Alles zu K.1 | Linkadresse)
Textstelle 1/36 | Kommentar 1/36 | Zusammenfassung 1/36


Durch die Geldform wird Gesellschaft zu einem versachlichlichten Verhältnis der Personen und einem gesellschaftlichen Verhältnisse der Sachen.

Das Verhältnis der Waren erweist sich als ein von der Natur der Dinge und den Menschen entfremdtetes gesellschaftliches Verhältnis unabhängiger Gegensände des Konsums und der Arbeit.

 Textstelle 1/36:  (Linkadresse)

"Dagegen hat die Warenform und das Wertverhältnis der Arbeitsprodukte, worin sie sich darstellt, mit ihrer physischen Natur und den daraus entspringenden dinglichen Beziehungen absolut nichts zu schaffen. Es ist nur das bestimmte gesellschaftliche Verhältnis der Menschen selbst, welches hier für sie die phantasmagorische Form eines Verhältnisses von Dingen annimmt. Um daher eine Analogie zu finden, müssen wir in die Nebelregion der religiösen Welt flüchten. Hier scheinen die Produkte des menschlichen Kopfes mit eignem Leben begabte, untereinander und mit den Menschen in Verhältnis stehende selbständige Gestalten. So in der Warenwelt die Produkte der menschlichen Hand. Dies nenne ich den Fetischismus, der den Arbeitsprodukten anklebt, sobald sie als Waren produziert werden, und der daher von der Warenproduktion unzertrennlich ist.

...

Gebrauchsgegenstände werden überhaupt nur Waren, weil sie Produkte voneinander unabhängig betriebner Privatarbeiten sind. Der Komplex dieser Privatarbeiten bildet die gesellschaftliche Gesamtarbeit. Da die Produzenten erst in gesellschaftlichen Kontakt treten durch den Austausch ihrer Arbeitsprodukte, erscheinen auch die spezifisch gesellschaftlichen Charaktere ihrer Privatarbeiten erst innerhalb dieses Austausches. Oder die Privatarbeiten betätigen sich in der Tat erst als Glieder der gesellschaftlichen Gesamtarbeit durch die Beziehungen, worin der Austausch die Arbeitsprodukte und vermittelst derselben die Produzenten versetzt. Den letzteren erscheinen daher die gesellschaftlichen Beziehungen ihrer Privatarbeiten als das, was sie sind, d.h. nicht als unmittelbar gesellschaftliche Verhältnisse der Personen in ihren Arbeiten selbst, sondern vielmehr als sachliche Verhältnisse der Personen und gesellschaftliche Verhältnisse der Sachen." (MEW Bd. 23, S. 86 f.)

 Kommentar 1/36:  (Linkadresse)

Weil in der Wertform der Gebrauchswert die Erscheinungsform seines Gegenteils, des Werts ist und hierin die konkrete Arbeit zur Erscheinungsform der abstrakten Arbeit geworden war und weil somit die Privatarbeiten nun insgesamt als Produkte auf dem Warenmarkt zur Erscheinungsform der gesellschaftlichen Arbeit schlechthin geworden sind, weil also alles seine unmittelbare Herkunft abgestreift hat und nun nicht mehr abstrakt vermittelt, sondern wirklich unmittelbar abstrakt erscheint, deshalb erscheint "das bestimmte gesellschaftliche Verhältnis der Menschen" in dieser Verhältnisform selbst als "phantasmagorische Form eines Verhältnisses von Dingen". Es ist praktisch dasselbe Verhältnis im körperlichen Sinn, was die Religion im geistigen Sinn entfaltet: Die selbständige Gestalt eines abstrakten Wesens, das keine Herkunft und keinen Grund außer sich zu haben scheint.

 Zusammenfassung 1/36:  (Linkadresse | Nächste Zusammenfassung)


 MEW23 - Abschn. 1 - Kap.1 - Thema 1/37:  (Alles zu K.1 | Linkadresse)
Textstelle 1/37 | Kommentar 1/37 | Zusammenfassung 1/37


Der gesellschaftliche Charakter der Arbeit erscheint in der Produktform seines Gegenteils: als gesellschaftlicher Charakter der voneinander unabhängigen Privatarbeiten

 Textstelle 1/37:  (Linkadresse)

"Es steht ... dem Werte nicht auf der Stirn geschrieben, was er ist. Der Wert verwandelt vielmehr jedes Arbeitsprodukt in eine gesellschaftliche Hieroglyphe. Später suchen die Menschen den Sinn der Hieroglyphe zu entziffern, hinter das Geheimnis ihres eignen gesellschaftlichen Produkts zu kommen, denn die Bestimmung der Gebrauchsgegenstände als Werte ist ihr gesellschaftliches Produkt so gut wie die Sprache. Die späte wissenschaftliche Entdeckung, daß die Arbeitsprodukte, soweit sie Werte, bloß sachliche Ausdrücke der in ihrer Produktion verausgabten menschlichen Arbeit sind, macht Epoche in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit, aber verscheucht keineswegs den gegenständlichen Schein der gesellschaftlichen Charakter der Arbeit. Was nur für diese besondre Produktionsform, die Warenproduktion, gültig ist, daß nämlich der spezifisch gesellschaftliche Charakter der voneinander unabhängigen Privatarbeiten in ihrer Gleichheit als menschliche Arbeit besteht und die Form des Wertcharakters der Arbeitsprodukte annimmt, erscheint, vor wie nach jener Entdeckung, den in den Verhältnissen der Warenproduktion Befangenen ebenso endgültig, als daß die wissenschaftliche Zersetzung der Luft in ihre Elemente die Luftform als eine physikalische Körperform fortbestehn läßt." (MEW Bd. 23, S. 88)

 Kommentar 1/37:  (Linkadresse)

In den praktischen Verhältnissen des Warentauschs ist eine „gesellschaftliche Hieroglyphe“ entstanden, deren Sinn sich nicht unmittelbar praktisch begreifen lässt. Im Nachhinein erst wird wissenschaftlich entdeckt, was dieses gesellschaftliche Produkt ausmacht, worin also die Gebrauchsgegenstände wirklich bestimmt sind. Dass sie als sachliche Ausdrücke verausgabter menschlicher Arbeit existieren, hat schon Epoche in der Entwicklungsgeschichte der Menschheit gemacht, aber immer noch nicht den gegenständlichen Schein dieses gesellschaftlichen Charakter der Arbeit verscheucht, die Gleichgültigkeit der gesellschaftlichen Beziehung auf das Arbeitsprodukt durchdrungen und aufgehoben. Für die Warenform nämlich gilt dennoch weiterhin, „daß der spezifisch gesellschaftliche Charakter der voneinander unabhängigen Privatarbeiten in ihrer Gleichheit als menschliche Arbeit besteht und die Form des Wertcharakters der Arbeitsprodukte annimmt“. Die Produkte existieren also nicht als gesellschaftliche Arbeitsprodukte, sondern als Arbeitsprodukte aus privater Arbeit, die in Gesellschaft nur auf ihren Wert reduziert existieren. Aber dies ist dem an diese Verhältnisse fixierten Bewusstsein ebenso gleichgültig, wie die bestimmte Arbeit dem Wert gleichgültig ist. Es erscheint dem an die Praxis gebundenen Bewusstsein als natürlich und endgültig.

 Zusammenfassung 1/37:  (Linkadresse | Nächste Zusammenfassung)

Mit der Entdeckung, dass Arbeitsprodukte gesellschaftlichen Wert haben, ist dieser noch nicht auf die wirklichen gesellschaftlichen Verhältnisse bezogen. Das nur praktische Bewusstsein, das rein positive Bewusstsein, kann noch nicht vom "gegenständlichen Schein dieses gesellschaftlichen Charakters der Arbeit" und dem wirklich gegenständlichen Sein gesellschaftlicher Arbeit als geselllschaftliches Produkt unterscheiden. Es sieht beides als eines an und es erscheint ihm daher beides in einem als natürlich. Erst mit der Unterscheidung der praktischen Notwendigkeiten der Wertform von der Notwendigkeit gesellschaftlicher Wirklichkeit wird die gesellschaftliche Form privater Arbeit angreifbar und die gesellschaftliche Substanz individueller Wirklichkeit als Grund und Potenzial ihres Reichtums begriffen. Hierdurch wird dessen überkommene Wertform überwunden, weil Individualität und Geselllschaft darin schon längst ihren konkreten Zusammenhang haben.


 MEW23 - Abschn. 1 - Kap.1 - Thema 1/38:  (Alles zu K.1 | Linkadresse)
Textstelle 1/38 | Kommentar 1/38 | Zusammenfassung 1/38


Die Mystifikation des gesellschaftlichen Verhältnisse erweist sich als notwendiger Schein ihrer Wertgröße

Weil die Glieder der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit, die allseitig voneinander abhängig sind, als unabhängige Privatarbeiten erscheinen, erweist sich ihre gesellschaftliche Beziehung als Reduktion ihrer quantitativen Verhältens fortwährend durch ein gesellschaftlich proportionelles Maß bestimmt, dessen Macht und Wirklichkeit unerkennbar ist und sich als gesellschaftliches Mysterium durchsetzt, das nurmehr funktional erfasst wird.

 Textstelle 1/38:  (Linkadresse)

"Was die Produktenaustauscher zunächst praktisch interessiert, ist die Frage, wieviel fremde Produkte sie für das eigne Produkt erhalten, in welchen Proportionen sich also die Produkte austauschen. Sobald diese Proportionen zu einer gewissen gewohnheitsmäßigen Festigkeit herangereift sind, scheinen sie aus der Natur der Arbeitsprodukte zu entspringen. ... In der Tat befestigt sich der Wertcharakter der Arbeitsprodukte erst durch ihre Betätigung als Wertgrößen. Die letzteren wechseln beständig, unabhängig vom Willen, Vorwissen und Tun der Austauschenden. Ihre eigne gesellschaftliche Bewegung besitzt für sie die Form einer Bewegung von Sachen, unter deren Kontrolle sie stehen, statt sie zu kontrollieren. Es bedarf vollständig entwickelter Warenproduktion, bevor aus der Erfahrung selbst die wissenschaftliche Einsicht herauswächst, daß die unabhängig voneinander betriebenen, aber als naturwüchsige Glieder der gesellschaftlichen Teilung der Arbeit allseitig voneinander abhängigen Privatarbeiten fortwährend auf ihr gesellschaftlich proportionelles Maß reduziert werden, weil sich in den zufälligen und stets schwankenden Austauschverhältnissen ihrer Produkte die zu deren Produktion gesellschaftlich notwendige Arbeitszeit als regelndes Naturgesetz gewaltsam durchsetzt, wie etwa das Gesetz der Schwere, wenn einem das Haus über dem Kopf zusammenpurzelt. Die Bestimmung der Wertgröße durch die Arbeitszeit ist daher ein unter den erscheinenden Bewegungen der relativen Warenwerte verstecktes Geheimnis. Seine Entdeckung hebt den Schein der bloß zufälligen Bestimmung der Wertgrößen den Arbeitsprodukte auf, aber keineswegs ihre sachliche Form." (MEW Bd. 23, S. 89)

 Kommentar 1/38:  (Linkadresse)

Bei jedem Produktentausch interessiert die Menge der Produkte, die sich durch die Menge anderer Produkte tauschen lasssen. Die Proportionen dieser Mengen scheinen von daher immer Eigentümlichkeiten der Arbeitsprodukte zu sein. Deshalb „befestigt sich der Wertcharakter der Arbeitsprodukte erst durch ihre Betätigung als Wertgrößen“. Da diese aber nicht sich aus ihrem Dasein als Arbeitsprodukte, sondern als Warenwerte begründen, ist der Wechsel der Wertgrößen vom bloßen Augenschein her nicht begreifbar. Sie haben keinen anderen Grund als den ihrer Unbezogenheit, also einen nur negativen Grund, der ihre Wirklichkeit bestimmt, sie im Grunde unwirklich macht.

Doch die Dinge bleiben dabei das, was sie ihrem stoffölichen Dasein nach sind: Notwendige Gegestände für das menschliche Leben. Von daher ist auch ihre Erscheinung notwendig sachlich. Sie erscheinen trotz ihrer Unwirklichkeit als das, was sie sind, als gesellschaftich notwendiger Schein eines sachlichen Verhältnisses.

Dem praktischen Bewusstsein kann sich nicht erschließen, warum und um welche Beträge die Wertgrößen sich im Tausch verhalten und ändern. Sie „wechseln beständig, unabhängig vom Willen, Vorwissen und Tun der Austauschenden“. Die Besitzer der Waren sind nicht Herr ihrer Dinge, die ihnen an und für sich unterstehen sollten. Von daher schließt die Mächtigkeit ihres Besitzstandes zugleich ihre gesellschaftliche Ohnmächtigkeit ein. „Ihre eigne gesellschaftliche Bewegung besitzt für sie die Form einer Bewegung von Sachen, unter deren Kontrolle sie stehen, statt sie zu kontrollieren.“ Wirkliche Gesellschaft kann nicht in einer Gesellschaft sein, worin sich die Menschen über die Beziehungen der Warenwerte vermitteln und austauschen. Darin reduziert sich alles auf eine gesellschaftliche Form, die sich selbst fortbestimmt. Selbst wenn sie Kapital zu Händen haben, können sie zwar die Organisation der Arbeit bestimmen, niemals aber die wirkliche gesellschaftliche Geschichte, die sich „hinter ihrem Rücken“ vollzieht. Von daher wird ihr praktisches Bewusstsein selbst durch diese Wirklichkeit mystifiziert. Ihm erscheinen die Verhältnisse notwendig verkehrt. In der Unmittelbarkeit ihrer Seinsgewissheiten, ist das Bewusstsein mit sich selbst im Widerspruch, weiß sich sowohl als gesellschaftlich bestimmend, soweit es sich durch den Besitz an Gütern menschlichen Reichtums gewiss ist, wie es sich zugleich in seiner gesellschaftlichen Ohnmacht bestimmt fühlt, soweit es sich der Notwendigkeit von Besitz als sachlich gegebenes Quantum des Besitzen-Müssens gewiss wird. Das bürgerliche Bewusstsein im Allgemeinen ist ein einziger Zwiespalt, ein beständiges Wechseln im Einerseits und Andrerseits des Besitzstandes.

 Zusammenfassung 1/38:  (Linkadresse | Nächste Zusammenfassung)

Die Proportionen der Produktmengen variieren auf dem Warenmarkt im Widerspruch zu den Proportionen ihres Wertausdrucks. Ihr quantitatives Regulativ ergibt sich weder aus ihrer Arbeit noch aus dem Dasein ihrer Produkte, sondern aus dem abstrakten Zusammenwirken von beidem, aus deren Reduktion auf abstrakt menschliche Arbeit im Austausch von Waren, welche als Gebrauchsgüter zugleich Arbeitsprodukte sind, die einen Wert formulieren, dessen Größe sich nur im Durchschnitt ihrer Herstellungszeiten ergibt. Indem diese als Produktmengen aufeinander bezogen werden, wird den Menschen ihr Wertverhältnis zu einer wirklich fremden Bestimmung. Sie werden von ihren eigenen Produkten deshalb auch wirklich bestimmt, die sie zu Markte tragen. Und weil dies nicht gedanklich, sondern wirklich so ist, trägt sich der Widerspruch der Seinsgewissheiten auch im Bewusstsein der Bürger zu, soweit es nicht aus seiner objektiv abstrakten Unmittelbarkeit herauszutreten vermag und sich zu einem Wissen um menschliche Subjektivität zur Erkenntnis der sachlichen Reduktion, der Herabsetzung menschlicher Verhältnisse durch ihre Sachen, emanzipiert und deren Formationen kritisiert.


 MEW23 - Abschn. 1 - Kap.1 - Thema 1/39:  (Alles zu K.1 | Linkadresse)
Textstelle 1/39 | Kommentar 1/39 | Zusammenfassung 1/39


Durch den Mystizismus der Warenwelt trennt sich das praktiche Bewusstsein vom theoretischen Bewusstsein

Die theoretische Bemühung um Gewissheit gerät durch seine negative Begründung aus dem praktischen Verhalten ihrer Gegenstände in einen Gegensatz zu diesen. Die bürgerliche Wissenschaft, die dies nicht überwindet, formuliert nurmehr sachliche Notwendigkeiten als ewige überhistorische Sachlichkeit, als reine Vernunft, reine Objektivität, für welche sie die Menschen zu reinigen hat.

 Textstelle 1/39:  (Linkadresse)

"Das Nachdenken über die Formen des menschlichen Lebens, also auch ihre wissenschaftliche Analyse, schlägt überhaupt einen der wirklichen Entwicklung entgegengesetzten Weg ein. Es beginnt post festum und daher mit den fertigen Resultaten des Entwicklungsprozesses. Die Formen, welche Arbeitsprodukte zu Waren stempeln und daher der Warenzirkulation vorausgesetzt sind, besitzen bereits die Festigkeit von Naturformen des gesellschaftlichen Lebens, bevor die Menschen sich Rechenschaft zu geben suchen nicht über den historischen Charakter dieser Formen, die ihnen vielmehr bereits als unwandelbar gelten, sondern über deren Gehalt. So war es nur die Analyse der Warenpreise, die zur Bestimmung der Wertgröße, nur der gemeinschaftliche Geldausdruck der Waren, der zur Fixierung ihres Wertcharakters führte. Es ist aber ebendiese fertige Form - die Geldform - der Warenwelt, welche den gesellschaftlichen Charakter der Privatarbeiten und daher die gesellschaftlichen Verhältnissen der Privatarbeiter sachlich verschleiert, statt sie zu offenbaren. Wenn ich sage, Rock, Stiefel usw. beziehen sich auf Leinwand als die allgemeine Verkörperung abstrakter menschlicher Arbeit, so springt die Verrücktheit dieses Ausdrucks ins Auge. Aber wenn die Produzenten von Rock, Stiefel usw. diese Waren auf Leinwand - oder auf Gold und Silber, was nichts an der Sache ändert - als allgemeines Äquivalent beziehn, erscheint ihnen die Beziehung ihrer Privatarbeiten zu der gesellschaftlichen Gesamtarbeit genau in dieser verrückten Form.

Derartige Formen bilden eben die Kategorien der bürgerlichen Ökonomie. Es sind gesellschaftlich gültige, also objektive Gedankenformen für die Produktionsverhältnisse dieser historisch bestimmten gesellschaftlichen Produktionsweise, der Warenproduktion." (MEW Bd. 23, S. 89 f.)

 Kommentar 1/39:  (Linkadresse)

Geschichte und Logik sind nicht identisch, weil Logik selbst nur den Zusammenhang von Abstraktionen darlegen kann. Geschichten müssen nicht unbedingt logisch sein. Logik aber setzt Geschichte voraus, und zwar Geschichte, welche Abstraktionen enthält, soll ihre logische Erklärung überhaupt sinnvoll sein, soll sich ihre Logik also bewahrheiten können. Wir waren deshalb anfangs von einem Unding ausgegangen, das eine Analyse desselben notwendig gemacht hatte: Ein Reichtum, welcher als ungeheuere Warensammlung erscheint, eine Qualität, deren Quantum sich anders darstellt, als es wesentlich bestimmt ist.

Die geschichtliche Entwicklung und das praktische Bewusstsein darin verläuft umgekehrt wie der daraus resultierende Zusammenhang wirklich für die Menschen ist. Erst die gedankliche Durchdringung durch die theoretische Erarbeitung ihres hierdurch entstandenen Begriffs macht erklärlich, woraus das natürlich scheinende Dasein seine mystischen, also praktisch unbegreiflichen Wirkungen, seine Unwirklichkeit notwendig bezieht, also Beziehungen schafft, worin ihre Not gewendet erscheint (siehe notwendiger Schein). Wir haben durch die Analyse der Ware also ihren Begriff erkannt, indem wir das, was sie mystisch machte, seiner Substanz nach entdeckt haben. So hat die Analyse der Warenpreise erst die Unbegreifbarkeit ihrer Wertgröße aufgelöst und der Geldausdruck der Waren sich in der Erkenntnis ihres Wertscharakters als abstrakt menschliche Arbeit offenbart.

Unmittelbar blieben alle solche Beziehungen für sich verrückt, wären sie nicht durch ihren Begriff, dem Wert, erklärlich geworden. Die Kategorien des bürgerlichen Verstandes allerdings verharren in diesem Mythos, weil sie ihn entweder als solchen gar nicht erkennen und nachplappern, was die Gegebenheiten der Welt von sich sagen, oder sie verherrlichen den Mythos als solchen und begeistern für die Abstraktionen, welche die Welt beherrschen, nehmen Teil an dieser Weltherrschaft.

In beiden Fällen stellen sie sich ausdrücklich auf die Seite der objektiven Gedankenformen dieser „historisch bestimmten gesellschaftlichen Produktionsweise“ und machen sie unendlich, fixieren das praktische Bewusstsein durch ihre Theorie an eine schlechte Unendlichkeit dieser Welt, machen es reaktionär. Ein theoretisches Bewusstsein, welches die objektive Welt nicht bis hin zu der darin substantivierten menschlichen Subjektivität durchdringt, unterliegt dem notwendigen Schein der Verhältnisse, auf die es sich bezieht, und kettet jegliches Bewusstsein an ihre realen Abstraktionen, bildet selbst theoretische Abstraktionen, welche die realen nur noch bestätigen können und schließlich auch zu ihrer Bestätigung nützlich sein sollen - auch wenn sie damit die Menschen selbst verrückt machen müssen.

 Zusammenfassung 1/39:  (Linkadresse | Nächste Zusammenfassung)

Das Nachdenken über den Reichtum, welcher als ungeheuere Warensammlung erscheint, hat einen Begriff erbracht, worin sich die mystischen Zusammenhänge der bürgerlichen Gesellschaft erklären lassen. Darin sind sich praktisches und theoretisches Bewusstsein einig geworden. Das mit seinen Gegebenheiten verfestigte Bewusstsein, das bürgerliche Bewusstsein, erweist sich als Bewusstlosigkeit eines verrückten Seins, das die Menschen verrückt macht, welche sich ihm beugen. Es entrückt ihnen ihren subjektiven Lebensgrund durch die Reproduktion einer abstrakten Objektivität in ihrem Geist.


 MEW23 - Abschn. 1 - Kap.1 - Thema 1/40:  (Alles zu K.1 | Linkadresse)
Textstelle 1/40 | Kommentar 1/40 | Zusammenfassung 1/40


Der Zauber der Verschmelzung positiver und negativer Bestimmtheit verschwindet durch die Kritik seiner Wirklichkeit.

 Textstelle 1/40:  (Linkadresse)

"Aller Mystizismus der Warenwelt, all der Zauber und Spuk, welcher Arbeitsprodukte auf Grundlage der Warenproduktion umnebelt, verschwindet daher sofort, sobald wir zu andren Produktionsformen flüchten." (MEW Bd. 23, S. 90)

 Kommentar 1/40:  (Linkadresse)

Ein Zauber entsteht durch die Verschmelzung von Gegensätzen in wirklichen Abstraktionen, die in ihrer Formbestimmung wirksam sind. Durch Kritik dieser Identität wird deren Unterschied in ihrer Bestimmung und Bestimmtheit erst erkennbar. Kritik heißt unterscheiden. Wissenschaft kann daher nur kritisch sein, indem sie analysiert. Nimmt man die Momente des Werts auseinander, die in der Wertform ineinander verschmolzen sind und worauf das Wertprinzip die Wirklichkeit der Arbeitsprodukte auf der Ebene des Warentauschs reduziert, so wird die dem Wert zugrunde liegenden Abstraktion als fremde Macht einer Realabstraktion erkannt, in ihrer Erscheinung entmachtet und die darin verschwundenen Verhältnisse für sich - also in ihrer Getrenntheit vermittelt in einer Wesensabstraktion "hinter dem Rücken" der Wahrnehmung - in ihrem wesentlichen Zusammenhang begriffen. Die Trennung, der Widerspruch von Wesen und Erscheinung ist die Voraussetzung und Notwendigkeit wissenschaftlicher Erkenntnis (siehe hierzu auch theoretisches Bewusstsein) und diese ist unmittelbar Kritik der aufgetrennten und sich in ihrer Teilung ausschließenden Welten (siehe hierzu auch praktisches Bewusstsein).

Wenn das aber als bloße Vorstellung für sich genommen wird, so wird in dieser verselbständigten Form dann wiederum diese als Gedankenabstraktion zur Totaliisierung ihrer Mystifikation genutzt. Auf diese Weise entstehen Ideologien, die in der Idealisierung das Getrennte kurzschließen, um durch Absehung von der gesellschaftlichen Notwendigkeiten des Werts mit der Vereinseitigung ihrer Momente den Budenzauber neuer Welten zu entfachen. Diese enthalten die Vorstellungen eigenartiger Welten, die für sich das enthalten, was als Teil eines Ganzen der Wirklichkeit auch existiert, hier aber als eigenständige Ganzheit interpretiert wird. Geht man diesen Interpretationen nach, so stößt man auf vielerlei Illussionen, die im bürgerlichen Bewusstsein auftreten wie in der Märchenwelt einer netten Kinderstunde, auch wenn die oft in die Hörsäle an den Universitäten verlegt ist. Es lohnt sich daher, diese sich genauer anzuschauen, um ihre Träume zu verstehen.

Zuerst verfolgen wir die Vorstellung einer von aller Geselllschaft unabhängigen Lebensform, einem ausschließlich individualen und in sich selbst zirkulierenden Lebensraums, dem Individualismus, der sich einzig um die nötigen Dinge des Lebens, um die Gebrauchswerte schert, die durch nützlice Arbeit erzeugt werden müssen:

"Da die politische Ökonomie Robinsonaden liebt, erscheine zuerst Robinson auf seiner Insel. Bescheiden, wie er von Haus aus ist, hat er doch verschiedenartige Bedürfnisse zu befriedigen und muß daher nützliche Arbeiten verschiedner Art verrichten, Werkzeuge machen, Möbel fabrizieren, Lama zähmen, fischen, jagen usw. ... Alle Beziehungen zwischen Robinson und den Dingen, die seinen selbstgeschaffnen Reichtum bilden, sind hier so einfach und durchsichtig, daß selbst Herr M. Wirth sie ohne besondre Geistesanstrengung verstehn dürfte. Und dennoch sind darin alle wesentlichen Bestimmungen des Werts enthalten." (MEW Bd. 23, S. 90 f)

Dann die Vorstellung von unmittelbar gesellschaftlicher Produktion, welche ohne die Individualität des Warenbesitzes für sich nur als bodenständige Gewalt existieren kann, als gewaltsame Naturmächtigkeit gegen persönlich abhängig gemachte Menschen:

"Versetzen wir uns nun von Robinsons lichter Insel in das finstre europäische Mittelalter. Statt des unabhängigen Mannes finden wir hier jedermann abhängig - Leibeigne und Grundherrn, Vasallen und Lehnsgeber, Laien und Pfaffen. Persönliche Abhängigkeit charakterisiert ebensosehr die gesellschaftlichen Verhältnisse der materiellen Produktion als die auf ihr aufgebauten Lebenssphären. ... Aber eben weil persönliche Abhängigkeitsverhältnisse die gegebne gesellschaftliche Grundlage bilden, brauchen Arbeiten und Produkte nicht eine von ihrer Realität verschiedne phantastische Gestalt anzunehmen. Sie gehn als Naturaldienste und Naturalleistungen in das gesellschaftliche Getriebe ein. Die Naturalform der Arbeit, ihre Besonderheit, und nicht, wie auf Grundlage der Warenproduktion, ihre Allgemeinheit, ist hier ihre unmittelbar gesellschaftliche Form." (MEW Bd. 23, S. 91)

Außerdem lässt sich auch noch jenseits der Warenwelt eine Form produktiver Abhängigkeit in autonomer Arbeitswelt vorstellen und zum Teil auch noch beobachten: Die Individualität als Organ der gemeinschaftlichen Arbeit, welche naturabhängig ist, ohne schon wirklich gesellschaftlich zu sein.

"Für die Betrachtung gemeinsamer, d.h. unmittelbar vergesellschafteter Arbeit brauchen wir nicht zurückzugehn zu der naturwüchsigen Form derselben, welche uns an der Geschichtsschwelle aller Kulturvölker begegnet. Ein näherliegendes Beispiel bildet die ländlich patriarchalische Industrie einer Bauernfamilie, die für den eignen Bedarf Korn, Vieh, Garn, Leinwand, Kleidungsstücke usw. produziert. Diese verschiednen Dinge treten der Familie als verschiedne Produkte ihrer Familienarbeit gegenüber, aber nicht sich selbst wechselseitig als Waren. Die verschiednen Arbeiten, welche diese Produkte erzeugen, Ackerbau, Viehzucht, Spinnen, Weben, Schneiderei usw. sind in ihrer Naturalform gesellschaftliche Funktionen, weil Funktionen der Familie, die ihre eigne, naturwüchsige Teilung der Arbeit besitzt so gut wie die Warenproduktion. Geschlechts- und Altersunterschiede wie die mit dem Wechsel der Jahreszeit wechselnden Naturbedingungen der Arbeit regeln ihre Verteilung unter die Familie und die Arbeitszeit der einzelnen Familienglieder. Die durch die Zeitdauer gemeßne Verausgabung der individuellen Arbeitskräfte erscheint hier aber von Haus aus als gesellschaftliche Bestimmung der Arbeiten selbst, weil die individuellen Arbeitskräfte von Haus aus nur als Organe der gemeinsamen Arbeitskraft der Familie wirken." (MEW Bd. 23, S. 92 f.)

Schließlich lässt sich - quasi zur Erholung - beim Entzerren der Wertform auch schon eine Gesellschaft darin entdecken und vorstellen, welche alle organischen Momente der Wertproduktion enthält, ohne Wert zu produzieren, weil sich darin die Notwendigkeit abstrakter Arbeitsteilung durch kooperierende Arbeit in einer Gesellschaft der Kooperation verflüchtigt hat und daher ihre Formbestimmtheit überflüssig geworden ist:

"Stellen wir uns endlich, zur Abwechslung, einen Verein freier Menschen vor, die mit gemeinschaftlichen Produktionsmitteln arbeiten und ihre Arbeitskraft verausgaben. Alle Bestimmungen von Robinsons Arbeit wiederholen sich hier, nur gesellschaftlich statt individuell. Alle Produkte Robinsons waren sein ausschließlich persönliches Produkt und daher unmittelbar Gebrauchsgegenstände für ihn. Das Gesamtprodukt des Vereins ist ein gesellschaftliches Produkt. Ein Teil dieses Produkts dient wieder als Produktionsmittel. Er bleibt gesellschaftlich. Aber ein anderer Teil wird als Lebensmittel von den Vereinsgliedern verzehrt. Er muß daher unter sie verteilt werden. Die Art dieser Verteilung wird wechseln mit der besondren Art des gesellschaftlichen Produktionsorganismus selbst und der entsprechenden geschichtlichen Entwicklungshöhe der Produzenten. Nur zur Parallele mit der Warenproduktion setzten wir voraus, der Anteil jedes Produzenten an den Lebensmitteln sei bestimmt durch seine Arbeitszeit. Die Arbeitszeit würde also eine doppelte Rolle spielen. Ihre gesellschaftlich planmäßige Verteilung regelt die richtige Proportion der verschiednen Arbeitsfunktionen zu den verschiednen Bedürfnissen. Andrerseits dient die Arbeitszeit zugleich als Maß des individuellen Anteils des Produzenten an der Gemeinarbeit und daher auch an dem individuell verzehrbaren Teil des Gemeinprodukts. Die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen zu ihren Arbeiten und ihren Arbeitsprodukten bleiben hier durchsichtig einfach in der Produktion sowohl als in der Distribution." (MEW Bd. 23, S. 92 f.)

Auf allgemeinster Ebene ist nun der abstrakte gesellschaftliche Zusammenhang in seinen organischen Teilen aufgelöst und deren Zusammenhang vorgestellt. Natürlich umschließt dies lediglich deren Dasein als Form und Inhalt einer Arbeitsteilung, als Beziehung im Reichtum einer arbeitsteiligen Gesellschaft, nicht die ganze Geschichte und Entwicklung, in welche Arbeits- und Lebenszusammenhänge involviert sind. Über die Geschichte der Reichtumsbildung als Entwicklung des Mehrprodukts und der Reproduktion des bisherigen Lebens wird im Gang durch die drei Bände des Kapitals genauer die Rede sein. Durch alles aber zieht sich dieser Grundwiderspruch der bürgerlichen Gesellschaft, welche einerseits eine historische Form menschlichen Reichtums ist, die überlebt, aber noch nicht überwunden ist, solange dieser Reichtum als Warensammlung für sich besteht und nicht in bewusster gesellschaftlicher Gestaltung des menschlichen Lebens erzeugt und angeeignet wird. Warum dies noch nicht erreicht wurde, liegt auch am Bewusstsein selbst, das sich noch nicht zu einem bewussten Sein der sowohl individuell als auch gesellschaftlich lebenden Menschen hervorgebracht hat. Bisher wurde nur versucht, dieses Sein neu zu bestimmen, nicht aber, es wirklich als menschliche Gesellschaft zu vollziehen und zu erfüllen.

 Zusammenfassung 1/40:  (Linkadresse | Nächste Zusammenfassung)

Alle notwendigen Momente der Produktion sind in der bürgerlichen Gesellschaft schon entwickelt, aber voneinander getrennt, und müssen daher solange in den abstrakten Vermittlungen der Wertform gesellschaftlich verwirklicht werden, solange sie keinen ihnen gemäßen wirklichen Zusammenhang erfahren. Die Überwindung des Wertverhältnisses kann daher nur in der unmittelbaren Verwirklichung der gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen sich entwickeln.


 MEW23 - Abschn. 1 - Kap.1 - Thema 1/41:  (Alles zu K.1 | Linkadresse)
Textstelle 1/41 | Kommentar 1/41 | Zusammenfassung 1/41


Der Kultus des abstrakten Menschen ist der zur Religion erhobene Mystifizismus der Wertproduktion.

 Textstelle 1/41:  (Linkadresse)

"Für eine Gesellschaft von Warenproduzenten, deren allgemein gesellschaftliches Produktionsverhältnis darin besteht, sich zu ihren Produkten als Waren, also als Werten, zu verhalten und in dieser sachlichen Form ihre Privatarbeiten aufeinander zu beziehn als gleiche menschliche Arbeit, ist das Christentum mit seinem Kultus des abstrakten Menschen, namentlich in seiner bürgerlichen Entwicklung, dem Protestantismus, Deismus usw., die entsprechendste Religionsform. In den altasiatischen, antiken usw. Produktionsweisen spielt die Verwandlung des Produkts in Ware, und daher das Dasein der Menschen als Warenproduzenten, eine untergeordnete Rolle, die jedoch um so bedeutender wird, je mehr die Gemeinwesen in das Stadium ihres Untergangs treten. ...

Jene alten gesellschaftlichen Produktionsorganismen sind außerordentlich viel einfacher und durchsichtiger als der bürgerliche, aber sie beruhen entweder auf der Unreife des individuellen Menschen, der sich von der Nabelschnur des natürlichen Gattungszusammenhangs mit andren noch nicht losgerissen hat, oder auf unmittelbaren Herrschafts- und Knechtschaftsverhältnissen. Sie sind bedingt durch eine niedrige Entwicklungsstufe der Produktivkräfte der Arbeit und entsprechend befangene Verhältnisse der Menschen innerhalb ihres materiellen Lebenserzeugungsprozesses, daher zueinander und zur Natur.

Diese wirkliche Befangenheit spiegelt sich ideell wider in den alten Natur- und Volksreligionen. Der religiöse Widerschein der wirklichen Welt kann überhaupt nur verschwinden, sobald die Verhältnisse des praktischen Werkeltagslebens den Menschen tagtäglich durchsichtig vernünftige Beziehungen zueinander und zur Natur darstellen. Die Gestalt des gesellschaftlichen Lebensprozesses, d.h. des materiellen Produktionsprozesses, streift nur ihren mystischen Nebelschleier ab, sobald sie als Produkt frei vergesellschafteter Menschen unter deren bewußter planmäßiger Kontrolle steht. Dazu ist jedoch eine materielle Grundlage der Gesellschaft erheischt oder eine Reihe materieller Existenzbedingungen, welch selbst wieder das naturwüchsige Produkt einer langen und qualvollen Entwicklungsgeschichte sind." (MEW Bd. 23, S. 93 f.)

 Kommentar 1/41:  (Linkadresse)

Wo die Lebensverhältnisse der Menschen durch fremde Mächte bestimmt erscheinen, und wo sich keine Erklärung hierfür aus dem Lebensprozess der Menschen ergibt, da verbleibt dann auch ein übermächtiges fremdes Wesen die Ursache der Wirkung, welche in den Dingen des Lebens haust, als Bestimmung des Schicksals, der alles gebeugt ist. Hierin erscheint menschliche Kultur selbst ohnmächtig und lässt das Verlangen nach einer Kulturmacht aufkommen. Religion ist nicht unmittelbar durch den Warenfetischismus begründet, wohl aber das Verlangen hiernach (siehe hierzu das Verhältnis von Ökonomie und Kultur). Sie ist eine Gedankenform, worin sich ein im Warenfetischismus untergegangener Geist rekonstruiert als kulturelle Bestimmung des Übermenschlichen, welches Verhältnisse versöhnt, die keine wirklich menschlichen Früchte trägt. "Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!" Das schafft die seelische Verbindung, welche die ökonomischen Vrhältnisse auch nahe legen. Und sie spricht aus, was durch den getrennten Nutzen der warenförmigen Beziehungen auch schon gegegben ist: Eigennutz durch das Angebot von fremdem Nutzen. Hierin ist die religiöse Liebe auch von ihrer Kultur her bestimmt: Selbstliebe durch die religiöse Kultivierung der Menschenliebe. Besser lässt sich die Entfremdung der Menschen in ihrer Liebe nicht formulieren.

In der Verbeugung vor einem Gott können die Menschen sich zu ihrer kulturellen Selbstentfremdung verhalten, in Demut Gunst erheischen, ihre Kultur durch Seinen Willen auffüllen, zum Geschöpf eines Übermenschen, zu einer Hochkultur machen. So entsteht immerhin eine Lebensweise, die in sich menschlich erscheint, wenn auch nicht menschlich erzeugt, sondern durch Gott gegeben und von Gott gewollt. Der "Seufzer der bedrängten Kreatur" (Marx) findet darin seine Stimme und Anhörung, um so mehr, wie die wirklichen Verhältnisse ihren Zusammenhang verlieren, sich zerteilen und obsolet werden. In dem Maß, wie der gesellschaftliche Organismus an seiner Form leidet, leidet das unmittelbare Bewusstsein an den Strafen Gottes, die ihm als Prüfung seiner Gotteskindschaft auferlegt scheinen.

Religionen. erzeugen seit Anbeginn des menschlichen Bewusstseins Identitäten seiner Ohnmacht, zunächst für seine natürliche, die aus der Unvollkommenheit seiner Produktionsmittel bestand, dann in seinen Kriegen und Kämpfen mit Menschengruppen erzeugte Gottesfurcht, welche dem Untergang kriegerischer Macht geschuldet war und Feudalmächte als Herrschaftsmittel dienten. Und schließlich als Ohnmacht gegenüber einem gesellschaftlichen Verhältnis, worin die Verhältnisse der Sachen eine Naturmacht über die Menschen erlangt hatten, indem sie zum ausschließlichen gesellschaftlichen Verhältnis wurden.

Von daher ist Religion die geistige Gestalt, in welcher der Warenfetischismus gelöst ist in einem Glauben an ein höheres Wesen. Umso weiter die Warenverhältnisse entwickelt sind, desto weiter wird auch Gott zur notwendigen Abstraktion der in ihren Verhältnissen fixierten Menschen. Ihre konkrete Kultur wird beherrscht durch seine Hoheit, durch Hochkultur. Darin erscheint nicht nur der Mensch abstrakt, sondern auch jede Abstraktion vermenschlicht. Der Glaube an den Kultus des abstrakten Menschen bindet alle Strebungen nach Befreiung aus dem Jammertal der Selbsterniedrigung des Menschen durch seine eigenen Verhältnisse. Die Freiheit von der Welt, welche in den Phantasmorgien des Glaubens möglich ist, zerschlägt die Befreiung der Menschen in ihrer Welt. Von daher ist die Rückbindung (Re-Ligio) der Menschen durch Religion das Gegenteil von Selbsterneuerung (Re-Volare) ihrer Lebensverhältnisse, Abstreifung ihrer überkommenen Lebensformen.

 Zusammenfassung 1/41:  (Linkadresse | Nächste Zusammenfassung)

Der gesellschaftlichen Abstraktion der Wertform entspricht die geistige Abstraktion des Menschseins, die Rückbindung des Menschen an seine Lebensverhältnisse durch den abstrakten Menschen, die Re-Ligio als Kultus einer vermenschlichten Abstraktion. Verschiedene Religionen entsprechen unterschiedlichen Formen der Bildung abstrakter gesellschaftlicher Zusammmenhänge. Doch die wirkliche Rückbeziehung der Menschen auf ihre Lebensverhältnisse kann nur durch die Selbsterneuerung ihrer Gesellschaft, durch Rückführung ihrer Lebensform auf ihr wirkliches Sein, durch Re-Volution geschehen.


 MEW23 - Abschn. 1 - Kap.1 - Thema 1/42:  (Alles zu K.1 | Linkadresse)
Textstelle 1/42 | Kommentar 1/42 | Zusammenfassung 1/42


Die politische Ökonomie ist Politik, die als Wissenschaft verbrämt wird.

In den sachlichen Verhältnissen der bürgerlichen Gesellschaft erweist sich deren Widerspruch von Form und Inhalt unmittelbar im gesellschaftlichen Verhalten.

 Textstelle 1/42:  (Linkadresse)

"Die politische Ökonomie hat nun zwar, wenn auch unvollkommen Wert und Wertgröße analysiert und den in diesen Formen versteckten Inhalt entdeckt. Sie hat niemals auch nur die Frage gestellt, warum dieser Inhalt jene Form annimmt, warum sich also die Arbeit im Wert und das Maß der Arbeit durch ihre Zeitdauer in der Wertgröße des Arbeitsprodukts darstellt. Formen, denen es auf der Stirn geschrieben steht, daß sie einer Gesellschaftsformation angehören, worin der Produktionsprozeß die Menschen, der Mensch noch nicht den Produktionsprozeß bemeistert, gelten ihrem bürgerlichen Bewußtsein für ebenso selbstverständliche Naturnotwendigkeit als die produktive Arbeit selbst. Vorbürgerliche Formen des gesellschaftlichen Produktionsorganismus werden daher von ihr behandelt wie etwa von den Kirchenvätern vorchristliche Religionen." (MEW Bd. 23, S. 94 ff)

 Kommentar 1/42:  (Linkadresse)

Die politische Ökonomie ist die gängige Nationalökonomie, die politisch ist, weil sie ihre Wirtschaft nur unter dem Standpunkt ihrer gesellschaftlichen Form betreibt, also die Beziehung auf deren Gegenstand als politische Form des Besitzverhältnisses, und damit deren Rechtsverhältnisse und Warenförmigkeit schon zum Ausgang und zur Bestätigung ihrer Überlegungen nimmt. Ihre Theorie kommt damit nicht zur Hinterfragung dieser Form. Sie kann ihre Implikationen benennen und über Herkunft und Notwendigkeit streiten - und zwar notwendig und unendlich streiten. Sie wird aber niemals, solange sie selbst politische Ökonomie bleibt, die Gesellschaftsformation selbst zu ihrem Gegenstand machen, weil sie diese ja vertreten und bewahren soll.

Selbst wenn es den Waren „auf der Stirn geschrieben steht“, dass sie nur einer bestimmten Gesellschaftsformation entstammen und nur dieser nützen können, so kann die politische Ökonomie gerade deshalb nicht auf die Lösung der Rätsel der Warenform kommen, weil sie damit sich selbst aufheben müsste und zu einer wirklich ökonomischen Wissenschaft werden müsste, zu einer Wissenschaft, welche untersucht, wie eine Gesellschaft ihre Produkte am effektivsten herstellt und am sinnvollsten verteilt. Die bürgerliche Gesellschaft kann solche Ökonomie nicht brauchen, weil sie durch sie infrage gestellt ist, weil sie eben für die Menschen eine völlig unwirtschaftliche Gesellschaftsform ist. Sie will deren Ohnmacht und befördert diese, weil sie dies als naturnotwendig ansieht, sowie sie sich als bürgerliche Gesellschaft selbst für allgemein naturnotwendig hält, um ihre Naturmacht als Macht der darin Herrschenden zu bewahren.

Von daher hat die Nationalökonomie auch noch niemals die Frage gestellt, "warum dieser Inhalt jene Form annimmt, warum sich also die Arbeit im Wert und das Maß der Arbeit durch ihre Zeitdauer in der Wertgröße des Arbeitsprodukts darstellt". Die Beziehung von Wertsubstanz und Wertgröße ist das durch die Wertform aufgelöste Rätsel der politischen Ökonomie, die genau diesen Zusammenhang nicht untersucht, weil sich darin der Unsinn der Warenförmigkeit der gesellschaftlichen Produktion offenbahrt. Sie starrt alleine auf die Warenpreise und stellt heute Prognosen, die sie morgen schon verwerfen muss, weil die Entstehung und Bewegung der Preise jenseits von ihrem Gegenstand, der Ware, begründet ist: In der abstrakten Form der Arbeitsteilung und deren Produktionszeiten, die sich im Warentausch nur ausdrücken, aber nicht durch ihn bestimmt sind, wie es die politische Ökonomie glauben machen will.

 Zusammenfassung 1/42:  (Linkadresse | Nächste Zusammenfassung)

Die politische Ökonomie muss die wesentlichen Gründe für die ökonomischen Probleme und Rätsel der bürgerlichen Produktionsverhältnisse ignorieren oder verfälschen, weil sie sich durch deren Lösung selbst infrage stellen und eine wirkliche Wissenschaft der Ökonomie werden müsste. Die Überwindung der bürgerlichen Gesellschaft muss daher mit der Kritik der politischen Ökonomie beginnen.


 MEW23 - Abschn. 1 - Kap.1 - Thema 1/43:  (Alles zu K.1 | Linkadresse)
Textstelle 1/43 | Kommentar 1/43 | Zusammenfassung 1/43


Die politische Ökonomie ist eine Politik des Privatrechts, das sich als Vollstrecker der sachlichen Notwendigkeiten bestimmt sieht

 Textstelle 1/43:  (Linkadresse)

"Wie sehr ein Teil der Ökonomen von dem der Warenwelt anklebenden Fetischismus oder dem gegenständlichen Schein der gesellschaftlichen Arbeitsbestimmungen getäuscht wird, beweist u.a. der langweilig abgeschmackte Zank über die Rolle der Natur in der Bildung des Tauschwerts. Da Tauschwert eine bestimmte gesellschaftliche Manier ist, die auf ein Ding verwandte Arbeit auszudrücken, kann er nicht mehr Naturstoff enthalten als etwa der Wechselkurs. ...

Könnten die Waren sprechen, so würden sie sagen, unser Gebrauchswert mag den Menschen interessieren. Er kommt uns nicht als Dingen zu. Was uns aber dinglich zukommt, ist unser Wert. Unser eigner Verkehr als Warendinge beweist das. Wir beziehn uns nur als Tauschwerte aufeinander. Man höre nun, wie der Ökonom aus der Warenseele heraus spricht:

"Wert" (Tauschwert) "ist Eigenschaft der Dinge, Reichtum" (Gebrauchswert) "des Menschen. Wert in diesem Sinn schließt notwendig Austausch ein, Reichtum nicht." "Reichtum" (Gebrauchswert) "ist ein Attribut des Menschen, Wert ein Attribut der Waren. Ein Mensch oder ein Gemeinwesen ist reich; eine Perle oder ein Diamant ist wertvoll ... Eine Perle oder ein Diamant hat Wert als Perle oder Diamant."

Bisher hat noch kein Chemiker Tauschwert in Perle oder Diamant entdeckt. Die ökonomischen Entdecker dieser chemischen Substanz, die besondren Anspruch auf kritische Tiefe machen, finden aber, daß der Gebrauchswert der Sachen unabhängig von ihren sachlichen Eigenschaften, dagegen ihr Wert ihnen als Sachen zukommt. Was sie hierin bestätigt, ist der sonderbare Umstand, daß der Gebrauchswert der Dinge sich für den Menschen ohne Austausch realisiert, also im unmittelbaren Verhältnis zwischen Ding und Mensch, ihr Wert umgekehrt nur im Austausch, d.h. in einem gesellschaftlichen Prozeß." (MEW Bd. 23, S. 97)

 Kommentar 1/43:  (Linkadresse)

Im Austausch der Warenkörper erscheint deren eigene Natur verkehrt: Was an ihnen Naturstoff ist, das fällt aus dem Tausch heraus in ein "unmittelbares Verhältnis zwischen Ding und Mensch", wohingegen das, was sie von Natur aus nicht sein können, "ihr Wert, umgekehrt nur im Austausch, d.h. in einem gesellschaftlichen Prozeß" sich realisiert. Von daher erscheint das Verschwinden der körperlichen Natur als gesellschaftlicher Zweck und in der Natur der Warenkörper erscheinen die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen als natürliche Beziehung einer Gesellschaft in den Dingen, die sie tauschen. Gesellschaft ist daher jetzt auch wirklich durch das Verhältnis von Waren im Tausch zu einem bloß sachlichen Verhältnis geworden. Gesellschaft ist hier in der Tat, also wirklich, das gesellschaftliche Verhältnis der Sachen, an dem sich die Menschen reflektieren, weil sie nur hierüber wirklich in Gesellschaft sind.

Und deshalb erscheint auch das politische Hantieren mit diesen Dingen als eine Behandlung der gesellschaftlichen Natur. Indem die Politik deren Sachgewalt vollstreckt, indem sie sich nach dem richtet, was allgemein aus dem Verhältnis der Sachen nötig wird, versteht sie sich als gesellschaftliches Subjekt, das seinen Willen im politischen Vollzug des Sachzwangs verwirklicht. Die ganze bürgerliche Gesellschaft erscheint sich darin als ein Verhältnis politischer Natur und erfreut sich daran, dass sie zwischen dem wählen kann, was ihr nötig ist, um die Individuen in ihrer Gesellschaft als private Besitzer ihres Arbeitsvermögens zu erhalten und dem, was ihr nötig ist, um die Gesellschaft zu erhalten durch die Vermehrung des Privatbesitzes an Kapital. Die allgemeine gesellschaftliche Privatheit des Besitzes ist von daher auch wirklich die gesellschaftliche Natur der davon Besessenen, und ihre Politik ist die Ausübung ihrer wirklichen politischen Macht, wie sie in den Sachen ihres Besitzstandes gegeben ist.

 Zusammenfassung 1/43:  (Linkadresse | Nächste Zusammenfassung)

Die politische Ökonomie besteht aus der Politik eines Willens, der sich als Vollstrecker der sachlichen Notwendigkeiten bestimmt sieht, weil er diese als natürlich ansieht. Im Verhältnis der Politik, welche aus dem Warenfetischismus erwächst und der Waren, welche zu diesem Fetischismus treiben, schließt sich der Kreis, worin sich die bürgerlichen Lebensverhältnisse verewigen würden, würden sie nicht an ihren Widersprüchen selbst notwendig immer wieder aufbrechen. Allerdings zielt die Politik in ihren Krisenzeiten einzig auf die Wiederherstellung dieses Zirkels, indem sie die Klassenherrschaft des gesellschaftlichen Scheins des allgemeinen Zusammenhangs stützt und ist von daher immer und notwendig reaktionär. Die herrschende Politik kann nur von Menschen durchbrochen werden, welche die herrschenden Verhältnisse zu einer Gesellschaft zu wenden vermögen, in welcher alle Klassen aufgehoben sind.

 Gesamte Zusammenfassung Kap.1 Abs.4 (Linkadresse | Nächste)

Marx hatte mit dem Begriff des Warenfetischismus eine Gesellschaft beschrieben, in der alle natürlichen Verhältnisse nur als Erscheinungsform ihres Gegenteils sich aufeinander beziehen, der "Gebrauchswert als Erschungsform des Werts", "konkrete Arbeit zur Erscheinungsform ihres Gegenteils, abstrakt menschlicher Arbeit" und "Privatarbeit zur Form ihres Gegenteils wird, zu Arbeit in unmittelbar gesellschaftlicher Form." (MEW 23, S. 70f), die sich nurmehr in gesellschaftlichen Strukturen äußern kann, die über ihre Formbestimmungen ihre Natur beherrschen und aufbrauchen. 

Mit der Abhandlung des Warenfetischismus entsteht als weiterführende Argumentation zur Ware, dass sie durch die Formbestimmungen ihrer Wertform alle gesellschaftlichen Verhältnisse der Menschen auf dem Kopf stellt, sodass ihre gesellschaftliche Form als Natur ihrer wirklichen Beziehungen erscheint. Sie ist als eine Rekapitulation der durch die Warenanalyse und mit der Wertform erhaltenen Schlussfolgerung, dass und wie sich der Reichtum als Warensammlung quasi naturwüchsig, als Mystifikation seiner Natur im Verhältnis von Waren darstellt und wie sich diese auf ein Bewusstsein auswirkt, das an solche Verhältnisse fixiert ist. Es ist der notwendige Schein der Wertverhältnisse, der hier als ein geistig und materiell in sich verselbständigtes Dasein einer Gesellschaft beschrieben wird, die ihre Produkte nur als Waren hat und worin sich die Menschen durch ein gesellschaftliches Verhältnis von Sachen aufeinander beziehen. Sie werden so verrückt, wie diese es sind, wenn sie sich nicht als Subjekte gegen die Warenverhältnisse als subjektiv scheinende Objektivität wenden, deren Formbestimmtheit durchdringen und auf sich als lebendige Menschen zurückführen, die ihre Gesellschaft erneuern müssen, um wirklich gesellschaftlich und also als Menschen wirklich zu sein.

 


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