Bücherverbrennung
"Das erste Opfer einer totalitären Herrschaft ist immer die Sprache. Die Sprache wird ihres Inhalts entleert, und mit Ideologie neu aufgefüllt. Das Ziel ist, Menschen zu stigmatisieren, politische Gegner zu identifizieren und mit abwertender Sprache auszugrenzen, um sie zu bekämpfen." (Karina Sainz Borgo, "Nacht in Carracas", Fischer Verlag)
Als Ausdruck des Allmachtsanspruchs der "nationalsozialistischen Intelligenz" verbrannten Studenten und Professoren zusammen mit ihren politischen Agitatoren am 10. Mai 1933 Bücher namhafter Schriftsteller und Wissenschaftler emanzipativer Geisteshaltungen. Die symbolische Vernichtung des freien Geistes war der öffentlich markante Wendepunkt zur faschistischen Kultur. Sie war eine Kulturveranstaltung der deutschen Universitäten, die sich aus der akademischen Schicht heraus selbständig und ohne Geheiß des Propagandaministers entwickelte. Sie ist ein Beleg dafür, dass es einen geistigen Gleichklang von Hochkultur und nationalsozialistischer Politik gegeben hatte. Die Nazis verstanden die Entwicklung der geistigen Elite zu nutzen und Goebbels hielt auch die entsprechende Ansprache. Aber Propaganda alleine hätte keinen Faschismus entwickeln können, das musste schon durch die "anerkannten Geister" jener Zeit und angesichts der sozialen und ökonomischen Krisen betrieben werden. In leerer Äußerlichkeit wirkt Staatspropaganda immer abstoßend und ist von sich schon kulturwidrig. Aber als Anspruch auf Befreiung vom Bösen, als Reinigungsappell, kann das große Bereinigungsprogramm mit entsprechend wissenschaftlicher Autorisierung wirklich mächtig werden. Die Rolle der Wissenschaft in der Politik und ihrer Legitimation wird gerne unterschätzt.