Demokratische Ökonomie
Im Unterschied zur "Ökonomischen Demokratie" ist "Demokratische Ökonomie" ein strategischer Begriff in der Suche nach einer politisch adäquaten Form von Ökonomie, also einer Ökonomie, die unmittelbar gesellschaftlich bestimmt wird, oft auch im Verbund mit der Vorstellung einer sogenannten Gemeinwohlökonomie. Dabei wird der Wirtschaft eine demokratische Entscheidung vorangestellt, welche als politische Willensäußerung, also weiterhin als eigene Sphäre der Politik, die Wirtschaft bestimmen können soll. Dies aber war ja auch schon die Grundposition der Marktwirtschaft, wie sie zum Beispiel von dem Moralphilosophen und Ökonomen Adam Smith im 18. Jahrundert verfasst worden war.
Die Kritik von Karl Marx hieran war unter anderem, dass Wirtschaftlichkeit selbst die gesellschaftliche Eigenschaft von Politik sein muss, dass ein politisches Subjekt nur sein kann, wenn es die Beschließung der Wirtschaft einer Gesellschaft als seine wesentliche Eigenschaft ansieht und betreibt. Nicht eine politische Ökonomie könne demokratisch sein, sondern ein wirtschaftliches Verhältnis der Politik. Durch eine ökonomische Politik wäre der Kapitalismus, der durch und durch unwirtschaftlich funktioniert, weil er auf der Produktion von Mehrwert basiert und hierfür seine Ressourcen verschwendet, unmittelbar kritisiert. Eine Produktionsweise, die auf der Subsistenz der Ressourcen gründet und hierauf seine Entwicklung und die Erzeugung eines gesellschaftlichen Mehrprodukts betreibt, muss auch die Formen der Demokratie "auf die Füße" stellen (siehe hierzu Rätedemokratie). Von daher kann Politik sich auch nur auf den Grundformen der Wirtschaftskreisläufe zwischen Arbeit und Bedürfnis beziehen, müsse sich also aus der Wirtschaft der Kommunen begründen, wie es etwa erstmals mit der Pariser Kommune versucht worden war (siehe internationale Kommunalwirtschaft). Politische Entscheidungen können demnach auch nicht über einen Umweg zu höheren Instanzen wie Land oder Staat adäquat und qualitativ gebildet werden. Sie müssen in der Vermittlung der wirtschaftlichen Potenziale unmittelbar und zugleich gesellschaftlich, also in der Reflexion allgemeiner Zusammenhänge vollzogen werden. Dies muss in einem Subsidiaritätsprinzip entwickelt und rückversichert werden, welches den Staat und die Kontinentalverbände lediglich als Ort von Verwaltungsbeziehungen nutzt.
Vorstellungen zu einer "Demokratischen Ökonomie" haben die repräsentative Demokratie, wie sie der Marktwirtschaft entspricht, nicht überwunden. Sie schließt die abstrakte Repräsentation der Wählermeinung über einen Staat nicht aus, durch welchen immer eine abstrakte Vermittlungsebene eingesetzt ist. Allerdings verlangt sie nach einem Gemeinwesen, das sich aus den gesellschaftlichen Bereichen zu bilden hätte, um politische Entscheidungen an den ökonomischen Verhältnissen selbst zu orientieren.
Heute gibt es Vorstellungen von kooperativer Ökonomie, z.B. Alternativökonomie oder solidarische Ökonomie, die sich aber eher auf eine Betriebsform denn auf ein Gemeinwesen beziehen. Oft wird das spanische Beispiel "Mondragon" genannt, einem genossenschaftichen Unternehemen, das sich angeblich - zumindest seinem Anfänglichen Anspruch nach - weder an Kapital noch an Staatsbürokratismus orientiert. “Mondragón”, so schreibt Hans Nerge, sei "der Beweis dafür, daß es eine Alternative gibt, die dem kapitalistischen System in jeder Hinsicht überlegen ist.” Das Mondragóner Modell enthält drei Grundelemente: Den Gemeinschaftsbetrieb, die Genossenschaftsbank und den Assoziationsvertrag, der neben den sozialpolitischen und betriebswirtschaftlichen Grundregeln die Modalitäten der Kooperation zwischen ihnen regelt. Hier geht es um einen solidarischen Umgang der Beschäftigten. Geldverkehr und Markt werden hiervon nicht tangiert. Das mag den Vorstellungen einer alternativen Ökonomie entsprechen, soweit sie sich auf Mitbestimmung im Arbeitsprozess reduzieren, hat aber nichts mit Demokratie im eigentlichen Sinn des Wortes zu tun, weil es lediglich eine Form der Interessenabwägung eines Unternehmens ist. Erst im politischen Gemeinswesen kann die Frage beantwortet werden, wie Ökonomie und Politik ohne Fremdbestimmungen zusammwirken können.
Die politische Form des Kapitalismus ist die repräsentative Demokratie. Sie betreibt eine politische Repräsention der gesetzgebenden, exekutiven und judikativen Gewalt durch die Organe des bürgerlichen Parlamentarismus nach Maßgabe des bürgerlichen Rechts, also nach der politischen Macht, die Privateigentum seinem Besitzer verleiht. Besitz stellt sich ideell als Ausschließlickeit des Meinen, also als Meinung dar, die sich auch auf der Ausschließlichkeit eines für sich seienden Willens, auf den von seiner gesellschaftlichen Wirklichkeit abgetrennten, dem isolierten Willen beruht. Solcher Wille, der sich nur als Stimme darstellen lässt, kann sich auch nur als Menge, als Anzahl von Kreuzen auf den Stimmzetteln ausdrücken. Er bestimmt sich politisch nach einem Meinungsproporz, nach einer quantifizierten Wählermeinung, die sich als Proporz der hiernach gewählte Parlamentarier darstellt. Diese produzieren daher vor ihrer Wahl Populismus zur Beeinflussung des Wählers und sind nach der Wahl nur noch "ihrem Gewissen" verpflichtet.
Hierdurch werden Augenscheinlichkeiten des bürgerlichen Selbstverständnisses zur "Volksherrschaft" einer Wählermeinung gebracht, die sich ihnen unter den gegebenen Bedingungen am besten zu nähern verstand und deren Ausrichtung vorwiegend durch die politischen Parteien betrieben oder auch erst gebildet wird. Wählerstimmen werden also im Verhältnis der vorgegebenen bürgerlichen Parteien quantifiziert, die schließlich in der Willkür der "Gewissensbildung" von ihrem Ursprung abgelöst wird und in dieser Selbständigkeit Politik macht.
Ökonomische Probleme treten hierbei nur in der Form in Erscheinung, wie sie von der öffentlichen Meinung, den Augenscheinlichkeiten des bürgerlichen Selbstverständnisses reflektiet werden, wie sie also dem Erhalt dieses Selbstverständnisses förderlich sind. Ihre Wirklichkeit wird dabei auf ihre Wahrnehmung reduziert, wie sie von den Medien und Organen der bürgerlichen Politik vorgestellt wird. Sie beruhen wesentlich auf dem Verständnis der Rechtsform, welche die bürgerlichen Verhältnisse begründen, das Recht des Privateigentums. Diese ist allerdings nur die Form eines von seiner gesellschaftlichen Wirklichkeit abgetrennten Besitzes und dessen Stand, dem Besitzstand des Bürgertums.
Dieser steht im Widerspruch zur Erzeugung von Eigentum, das sich nur durch die gesellschaftliche Entwicklung der Menschen und ihrer Produktionsmittel ergeben kann. In dem Widerspruch der gesellschaftlichen Produktion zu ihrer privaten Existenzform fixiert sich der Kapitalismus politisch in einer Demokratie, welche ledigich die Volksherrrschaft des Kapitals sein kann, das sich in der privaten Aneignung des gesellschaftlichen Reichtums aus den wirklichen Lebenszusammenhängen der Menschen als ökonomisch fungierender Rechtsform des allgemeinen Privatbesitzes heraussetzt und von daher das Leben einer großen Mehrheit der Menschen nicht fördert, sondern bestimmt und erpresst.
Dem Kapitalismus, der nichts anderes als die politische Ökonomie des Kapitals ist, kann daher nicht nur ökonomisch (z.B. gewerkschaftlich) entgegengetreten werden. Eine politische Entgegnung durch eine Ökonomie gesellschaftlicher Produktion ist zu seiner Überwindung unabdingbar. Diese wurde in der bisherigen Geschichte allerdings mit einer Staatswirtschaft gleichgesetzt und damit auf eine Parteiendiktatur reduziert. Obwohl sich diese kommunistisch oder sozialistisch etikettiert hatte, konnte sie in der ökonomischen Entwicklung keinen gesellschaftlichen Reichtum befördern, sondern nur einen faschistoiden Parteienbürokratismus befestigen.
Jede Produktion ist schon dadurch geselllschaftlich, dass sich nur aus ihrer gesellschaftlichen Enwicklung heraus ihre Voraussetzung, die Materialien und Mittel gebildet hatten (siehe historischer Materialismus). Aber als solche war sie nicht notwendig ökonomisch und die Ökonomie nicht notwendig gesellschaftlich. Eine Ökonomie ist dadurch gesellschaftlich, dass die Menschen ihre Bedürfnisse durch einander bilden und erklären, den hierfür gebotenen Arbeitsaufwand feststellen und die vorhandenen Mittel (Arbeitskraft, Technik, Rohstoffe) hierzu beitragen oder erzeugen und dass sie schließlich bei der Bewältigung des Aufwands, also in der Arbeit, durch ihr Zusammenwirken wirtschaftlich effizient sind. Das Problem dabei ist vor allem die Vermittlung der einzelnen Menschen zwischen Konsumtion und Produktion ihrer Güter. Nur wo Bedürfnisse auf Produkte wirklich bezogen sind, also weder Bedürfnis noch Arbeit durch fremde Anforderungen bedrängt werden, kann es eine gesellschaftliche Wirklichkeit geben, in welcher sich Individuen frei gesellschaftlich beziehen, sich ihre Gesellschaft so verwirklicht wie auch die Individualität der Menschen. Dies ist die Programatik einer Ökonomischen Demokratie.
Dabei kann es nicht mehr um Privatformen des Eigentums, aber auch nicht um Eigentumslosigkeit oder Enteignung gehen. Es geht um eine oekonomische Form der Politik, die zugleich eine Gesellschaftsform der Politik ist, um eine Gesellschaft, worin Sinn und Nutzen ihrer Verhältnisse grundlegend sind. Das Gemeinwesen des Eigentums unterscheidet sich inhaltlich nicht vom Wesen des einzelnen Eigentums, verlangt aber auch seine Erarbeitung als politische Realisierung von Eigentümlichkeiten, die als Produkte zur Bedürfnisbefriedigung und zum Genuss für alle individuellen wie gesellschaftlichen Eigentümer da sind. Es erfordert eine politische Auseinandersetzung um die Beziehung individueller und gesellschaftlicher Eigentümlichkeit, eine kommunale Wirklichkeit von Politik und Ökonomie, die zugleich auch über die Kommune hinausgreift wie eine Gesellschaft über ein Individuum. Diese lässt sich am ehesten in einer Vertragswirtschaft innerhalb einer kommunalen Wirtschafsdemokratie vorstellen (siehe auch internationale Kommunalwirtschaft).