Einfalt

Aus kulturkritik

Wo die Einfalt die Vielfalt bestimmt, zerstört sie das Ganze ihrer Wirklichkeit (siehe hierzu Phänomenologie). Ein Ganzes ist der Zusammenhang seiner Teile, der Eigenschaften seiner Verhältnisse. Weil das Einzelne im Jenseits seiner Beziehungen nur zufällig da zu sein scheint, weil es dort in Wahrheit noch beliebig da ist, hat es sein wahres Wesen noch außer sich. Und was abwesend ist, das zieht das an, was ihm im Verhalten zu einer ganzen Gegenwärtigkeit fehlt.

Reichtum erscheint in der Vielfalt seiner Beziehungen einfach und einfältig, wenn diese durch eine Masse von Verallgeminerungen vereinseitigt werden. Soweit sie durch die Dichte ihrer Wirkungen, durch die Abstraktionskraft ihrer Urteile ihren Inhalt verloren haben (siehe Selbstverlust), werden sie sie allein schon durch die Masse ihrer Form mächtig (siehe auch Formbestimmung). Als Eigenschaft der Wahrnehmung ist jede Einfältigkeit eine Reduktion des Lebens auf seine unmittelbare Erscheinung und Wirkung (siehe Phänomenologie), die der Verdrängung von lebendigem Inhalt folgt (siehe auCh eidetische Reduktion).

Im Unterschied zur Naivität ist die Einfalt eine Reduktion vielfältiger Erscheinungen auf ein einfaches Sein in einem wesenlosen Dasein. Wesenloses Sein ist sich selbst fremdes Sein, das unbegriffen, also ohne Begriff von dem, was es in Wahrheit ist, belassen wird, - als Dasein einer Selbstentfremdung, das ohne Zwiespalt jenseits aller Zweifel bleiben kann, was es schließlich auch sein soll, weil es sich in einer heilen Welt so empfinden lässt, wie diese dann auch befunden wird (siehe auch ästhetischer Wille). In der Einfalt wird ihr Schmerz reaktionär verarbeitet und zur Affirmation des Fakischen als Faktenglaube gewendet.

Es gibt viele Worte, Namen und Bezeichnungen, die nicht unbedingt begriffen sein müssen, weil sie selbst schon als Sprache greifen, weil sie ganz adäquat benennen, worauf sie deuten, was sie bedeuten, was sprachlich schon selbstverständlich ist, sich also von selbst verstehend besprechen lässt (siehe auch Nominalismus). Ein Begriff beschreibt nicht die vielen Möglichkeiten der Bezeichnung von irgendwelchen Erscheinungen, sondern das, was sie substanzielll ausmacht, nicht die sich von selbst verstehende Verallgemeinerung von Einzelheiten, sondern das Wesen von Einzelnem, das sich in der ganzen Vielfalt seiner konkreten Eigenschaften zunächst nur durch das Nachdenken in ihrer Allgemeinheit erklären und erkennen lässt (siehe auch Gedankenabstraktion).