Essstörungen

Aus kulturkritik

Ess-Störungen entstehen in der Unterwerfung von Selbstgefühlen im Selbstzweifel einer entfremdeten Selbstwahrnehmung. Darin entsteht ein Ekel vor sich selbst, worin sich eine fremde Selbstoptimierung gegen eine ohnmächtige Selbstwahrnehmung in einer erzieherischen Beziehung geltend gemacht hat, und so ein entfremdetes Selbstgefühl darin begründet hatte (siehe Selbstentfremdung). Eine Ess-Störung ist eine Selbstverletzung, eine Selbstbestrafung über den Ausschluss von Nahrung, wodurch das Selbstgefühl einer symbiotischen Selbstbehauptung vernichtet werden soll, um ein weltliches Gefühl hiergegen zu halten, um durch dessen organische Umkehrung deren Wirkung aufzuheben. Es ist die auf sich selbst reduzierte Reaktion auf eine Selbstunterdrückung durch mächtige Objektbestimmungen, die einer selbstgerechten Perfektion in einer erzieherischen Beziehung beigefügt werden und jede Liebe ohnmächtig werden lassen. Auch dienen dabei oft weltliche Kulturmaßstäbe als Vermittlung (z.B. Schlankheitskult). Die Flucht in die Welt sucht Beziehungen, die aber nicht wirklich sein können. Die Betroffenen wirken exrovertiert, obwohl sie sich in Wahrheit nur gegen jede Art von Einverleibung, wenden, indem sie ihren Leib gegen die herkömmliche Weltbeziehung des Konsums, vor allem gegen die Nahrungsaufnahme bestimmen. Es geht dabei weder um einen bewussten Protest noch gegen allgemeine Probleme mit Konsumtion. Die Nahrungsreduzierung ist die Tätigkeit einer Empfindung, die sich gegen das wehrt, worin sie ihren Körper verloren fühlt, weil er das Medium ihrer Selbstentfremdung geworden ist.

Die im Selbstgefühl der Symbiose einer symbiotischen Selbstbehauptung verschmolzene Beziehung entgegenwärtigt jegliche Wahrnehmung und lässt deren Gewohnheiten als fremde Macht wirken, die erdrückend wird. Sie lähmt das Selbstgefühl und bedroht damit die hierzu nötige Identität. Autoaggressionen suchen im Schmerz der Selbstkasteiung nach der Selbstgewissheit einer Empfindung, welche durch eine zunichte gemachte Selbstwahrnehmung in eine Abwärtsspirale des Selbstverlustes gekommen ist. Was in einer unmöglich gewordenen Geschichte in einer umöglich gewordenen Beziehungswelt an Gefühlen ertragen wird, schließt die Selbstwahrnehmung aus, die sich durch Selbstverletzung wieder herstellen soll. Der wirkliche Schmerz löst Angstzustände auf und reduziert eine depressive Problematik vorübergehend auf eine körperliche Befindlichkeit.

Die Verweigerung strebt nach einem Leben, das sich nicht mehr fühlen lässt, dem jedes Gefühl abhanden gekommen ist. Hierdurch unterscheidet sie sich von der Depression. Es ist zugleich Affirmation und Flucht, Wahrnehmung einer ungenießbaren Beziehungswelt als Verweigerung, die Flucht vor einem im Überleben der Lebensburg übersteigerten Lebensbild, das selbst die Überwertigkeit von Leben vermittelt und durch die Sinnesgemeinschaft der darin nur Überlebenden vollzogen wird. Ihr Gemeinsinn besteht im Unvermögen des Lebens durch Aufzucht aller Überlebensmöglichkeiten, welche zum Beispiel Kinder darstellen. Darin wachsen und gedeihen vor allem die Vorstellungen, welche das Bürgertum in sich trägt und welche es auf dem Altar eines funktionell hochwertigen Lebens zelebriert.

Hierdurch wird das Überleben so veräußerlicht, dass es nur noch als innere Notwendigkeit wahr werden kann, als vollständige Beherrschung der Schmerzen und in ihrem Erleben. Aber die so entstandene innere Überlebensnotwendigkeit ist so stringent und selbstzerstörerisch wie das Prinzip der Sucht, auch wenn der Vorgang hierzu gegensinnig ist: Die Selbstkasteiung ist wirkliche Selbstvernichtung, welche als Überlebensprinzip erscheint. Und diese Wirklichkeit ist in ihrem finalen Sinn tötlich, wenn nicht hiergegen eine Unwirklichkeit des Lebens, also das unverwirklichte Leben begonnen werden kann.