Foucault
Bezogen auf Psychologie und Psychiatrie war Michel Foucaults Denken von große Wirkung. Es hatte in den 80ger und 90ger Jahren des letzten Jahrhunderts mit seiner Version des Dekonstruktivismus, der sich de facto auf den Antiautoritarismus einer Diskurstheorie reduzierte, weitreichende Gegenwärtigkeit indem sie die Kritik der institutionellen Gewohnheiten und Macht und ihre Vertreter zur Sprache brachte. Seine Kritik deines rein strukturell verstandenen Nominalismus sollte zugleich eine Aufhebung des nominalistischen Denkens dadurch herbeiführen, dass sie durch ihren Dekonstruktivismus schon als Besonderungen ihrer Allgemeinbegriffen (Staat, Nation, Recht) deren Macht bestritt, indem er sie als bloß politische Illusion ansah und ihre besondere Wirkungen aus deren ideeller Allgemeinheit verstand, die sich politisch schon durch den Diskurs der Beteiligten auflösen ließe.
Diese Kritik würde auch ohne Weiteres dem Bemühen eines jeden aufgeklärten Bürgers entsprechen, würde sie keinen Anspruch auf die besondere Allgemeinheit der Kritik einer im Allgemeinen besonderte institutionelle Macht erheben, der man auch ohne Ansehen ihrer Funktionalität in der sprachlichen Auseinandersetzung politisch entgegentreten könne. Nicht was hiervon gegenwärtig wesentlich ist, sondern was die Macht durch die Ereignisse ihrer Geschichte, in ihrer Genealogie geworden ist, steht da für sich. Mit solcher Gegenwärtigkeit ist jede Diskrepanz von Wesen und Erscheinung, alles Wesentliche, Wesen als Grund einer Folgerung praktisch abgeschafft. Übrig bleibt daher eine Kritik in der Sprache, eine Sprachkritik ohne Bedeutung, bzw. als Deutung der Sache, welche eine Unmittelbarkeit der Entgegnung suggeriert, die keinen Begriff von ihrer Sache nötig hat, weil sie ihren Gegenstand schon aufgehoben behauptet, bevor sie sich ihm entgegenstellt. Roger Behrens schrieb hierzu:
"Foucault lehnte aus seiner Perspektive wohl zu Recht die dialektische Subjekt-Objekt-Beziehung ab, weil bei ihm die materielle Prozessualität subjektiver Praxis im objektiven Widerspruch gar nicht vorkommt, gar nicht vorkommen kann. Gleichwohl bleibt Foucaults idiosynkratisches Subjekt in seiner Selbstsorge Objekt, auf das dieselbe produktive Macht sich projiziert, die nach ökonomischen Maßgaben der fortgeschrittenen Wertvergesellschaftung ohnehin das Prinzip des bürgerlichen Selbstentwurfs ist. Es ist kein neues Subjekt, sondern eben der fröhliche Positivismus, der die Ideologie vom alten Entwurf bürgerlicher Subjektivität bestätigt. Foucaults Machtbegriff suggeriert diesem Subjekt seine Autonomie. Aber es bleibt ein Subjekt ohne Subjektivität. So ist es verständlich, dass Foucaults Theorie der Macht innerhalb einer Linken, die jedwede Autonomie verloren hat, adaptiert wird.
Der letzte Blick, den Foucault auf die Aufklärungszeit richtet, gilt der Gouvernementalität, der Regierung und dem regierten Menschen. Foucault verlässt das Zeitalter der Aufklärung und geht in die Antike der Sklaverei zurück, um sein Konzept von der Ästhetik der Existenz, von Lebenskunst vorzustellen, wonach sich das Subjekt durch die Selbsttechniken statt durch die Machttechniken konstituiert. Giorgio Agamben hat bekanntlich versucht, dies mit seinen Untersuchungen zum Lager und zum »Homo sacer« in die Gegenwart zurückzuführen. Andere sehen in dem Subjekt die produktive Macht Foucaults, und in der Neuen Mitte der Konkurrenzgesellschaft heißt plötzlich die Parole nicht mehr »Bildet Banden!«, sondern »Regierungen bilden!«." (Roger Behrens, "Wer macht die Macht?")
Foucault berief sich mit seiner Philosophie ausdrücklich auf Martin Heidegger, dessem Sprachverständnis er sich fast nahtlos anschloss, weil dieser das Wort aus der Sprache heraus selbst dadurch schon als Kritik des Seienden verstehen wollte, dass es nicht mehr Begriff der Sache sondern unmittelbare Erkenntnis aus den Weisheiten der zwischenmenschlichen Kommunikation heraus darstellen würde. Von daher war dieser Kritik schon in der Objektivität der Sprache eine subjektive Anwendung zugeführt, die eine Position im Diskurs zum Subjekt einer Kritik ausstattete, die sie nicht ausfüllen musste - und wahrscheinlich auch nicht konnte.
In einem Text des Sozialistischen Forums Freiburg heisst es hierzu:
"Heideggers Philosophie war ein nazistisches Projekt, das 'aus dem Sprechen ein Raunen macht' und die 'Unmittelbarkeit der Dinge' auf Einzelexemplare der Metaphysik reduziert, so dass das Vorfindliche zur Metaphysik, die Erscheinung zum Wesen seiner selbst gerät, - die Grundlage für Rassenlehre und Verfolgung von Andersartigem. Die modernen Nominalisten, die sich gerne auf Heidegger berufen, sind sich dessen vielleicht nicht bewusst und können sich deshalb zugleich auf Marx beziehen, dem sie ihre Selbstbegründung aus seinem Fetischbegriff entnehmen. Indem sie 'den Warenfetisch als erste Natur der Gebrauchswerte setzen' und ihm damit die gewünschte Metaphysik, die Fetischisierung der Welt (und nicht umgekehrt), verleihen, kehren sie die Marxsche Begrifflichkeit zu ihrer im Grunde reaktionären Denkwelt um, wiewohl sie diese aus ihm herzuleiten vorgeben. Aus dem Fetisch der Sachverhältnisse werden sachliche Fetische: Der Kapitalismus als Kult des Fetischismus. Dies auf Marx zu münzen ist nicht nur eine Dummheit, sondern eine schlichte Un-Verschämtheit, die vor allem daran interessiert ist, theoretischen Subjektivismus überall dort einzufbringen, wo gegenständliches Denken vorliegt." (Sozialistisches Forum Freiburg: Heideggerisierung der Linken - Die Ideologie vom Diskurs)