Geschlechtsarbeit

Aus kulturkritik

"Das unmittelbare, natürliche, notwendige Verhältnis des Menschen zum Menschen ist das Verhältnis des Mannes zum Weibe. In diesem natürlichen Gattungsverhältnis ist das Verhältnis des Menschen zur Natur unmittelbar sein Verhältnis zum Menschen, wie das Verhältnis zum Menschen unmittelbar sein Verhältnis zur Natur, seine eigne natürliche Bestimmung ist. In diesem Verhältnis erscheint also sinnlich, auf ein anschaubares Faktum reduziert, inwieweit dem Menschen das menschliche Wesen zur Natur oder die Natur zum menschlichen Wesen des Menschen geworden ist. Aus diesem Verhältnis kann man also die ganze Bildungsstufe des Menschen beurteilen. Aus dem Charakter dieses Verhältnisses folgt, inwieweit der Mensch als Gattungswesen, als Mensch sich geworden ist und erfaßt hat; das Verhältnis des Mannes zum Weib ist das natürlichste Verhältnis des Menschen zum Menschen. in ihm zeigt sich also, in[wie]weit das natürliche Verhalten des Menschen menschlich oder inwieweit das menschliche Wesen ihm zum natürlichen Wesen, inwieweit seine menschliche Natur ihm zur Natur geworden ist. In diesem Verhältnis zeigt sich auch, in[wie]weit das Bedürfnis des Menschen zum menschlichen Bedürfnis, inwieweit ihm also der andre Mensch als Mensch zum Bedürfnis geworden ist, inwieweit er in seinem individuellsten Dasein zugleich Gemeinwesen ist." (Marx-Engels-Werke Bd. 40, S. 535)

Geschlechtsarbeit ist die Arbeit, wodurch sich die Geschlechter bilden, ihren Sinn f�reinander und aneinander erzeugen, sich auseinandersetzen, entwickeln und Geschichte machen. Dies setzt voraus, dass sie ihrem Geschlecht nicht unterworfen sind, dass sie aus ihren Regungen, ihrem Begehren heraustreten und sich als Menschen erkennen und begreifen, Geschlecht als ihr Lebensmoment wirklich wahrhaben und sich aus der sinnlichen Befangenheit der kulturellen Aufreizungen (siehe Reiz) und Getriebenheiten (siehe Trieb) heraus als Mensch zu finden beginnen und sich in ihrem Menschsein empfinden.

In jeder Kultur ist die Sinnbildung vor allem durch das Lebensverhältnis der Geschlechter bestimmt. So auch in einer Kultur, in der die Empfindungen der Menschen ihren Selbstgefühlen unterworfen sind, sich in einer rein ästhetischen Wahrnehmung in zwischenmenschlichen Beziehungen verhalten, in der sie sich durch die wechselseitige Einverleibung ihres Lebens behaupten müssen, im Geltungsstreben ihrer Selbstverwertung sich zugleich persönlich entziehen und nun in ihrer bürgerlichen Kultur nur außer sich verkehren können. Es ist die Anarchie ihrer Gefühle, die ihre Lebenswelt beherrscht und in ihrer Selbstsucht ihre Gesellschaftlichkeit zweifelhaft sein lässt. Von daher müssen sich die Menschen darin zumindest gesittet verhalten, sich gesellschaftlich selbstlos beziehen, aus ihren persönlichen Verrücktheiten den Gemeinsinn ihrer Sitten und Gebräuche vorkehren und durch ihre Sittlichkeit die Widersprüche ihrer Sinnbildung zwischen ihren Empfindungen und Gefühlen, zwischen Frauen und Männern, zwischen Familie und Kultur, zwischen Individuum und Gesellschaft usw. aufheben.

Wie Menschen im Arbeitsprozess der Arbeit unterworfen sind, wenn diese von toter Arbeit (Kapital) beherrscht ist, so sind sie auch ihrem Geschlecht unterworfen, wenn sie von toter Sinnlichkeit (siehe z.B. [[�sthetischer Wille]]) beherrscht sind. Geschlechtliches Verlangen wird so zum Verlangen nach Geschlecht, geschlechtliches Bedürfnis zur Begierde, zur Notwendigkeit einer Einverleibung von Geschlechtseigenschaften. Solange dieses Verlangen nicht ein menschliches ist, geistig wie sinnlich, leben die Menschen nach dem, was sie von ihrem Geschlecht haben, was ihnen geschlechtlich von Nutzen ist. Sie bleiben darin befangen und es geschieht ihnen nur, was sich in ihrem Geschlecht regt, was in ihnen entsteht, dass es wie eine Naturgewalt (siehe Geschlechtstrieb) erscheint. Sie �u�ern sich nicht geschlechtlich, weil und so lange sie ihr Geschlecht ver�u�ern, sich als Geschlecht �u�ern (siehe [[K�rperfetischismus]]) und in nichts au�er sich sind, was ihnen eigent�mlich ist (siehe Entleibung).

Indem sie aber ihre äußeren Geschlechtseigenschaften in sich belassen, sich hierüber verständigen und begreifen, wie über alle ihre Sinne (z.B. Schmecken, Hören, Riechen, Denken usw.), können sie geschlechtlich sein, haben sie ihr Geschlecht nicht wie ein gottgegebenes Naturprodukt, sondern sind geschlechtlich, weil sie sich in allem geschlechtlich äußern, weil sie als dieses besondere Geschlecht unter den Geschlechtern (Mann, Frau, Kind) und mit ihnen sich äußern, an ihrer Entwicklung und Bildung arbeiten. Geschlechtsarbeit ist also die Auseinandersetzung mit ihrem ganzen Menschein, mit ihren Beziehungen, ihren Erkenntnissen, kurz: in ihrer Liebe, mag sie auch total verstockt, verkrampft, unbeholfen oder verr�ckt sein. Solange sich Menschen in diesem Sein wirklich sind, verwirklichen sie auch ihr Geschlecht.

Der Mensch kann wirklich au�er sich nur sein, was er in sich und f�r sich ist. So wie Menschen in ihrer Arbeit au�er sich sind und durch ihr Produkt in sich zur�ckkehren, so sind sie es auch in ihrem Geschlecht. Wo sie selbst nur Objekte einer Form sind, formieren sie sich auch zu ihrem Mittel und vermitteln sie sich als Objekte. Erst vom Standpunkt des subjektiven Menschen ist Arbeit einfaches Lebensmoment, in welchem sich Menschen um so eindringlicher verwirklichen, wie sie es zu gestalten verm�gen.

In der [[b�rgerlichen Kultur]] ist ent�u�erte Geschlechtsarbeit f�r das Dasein abstrakt menschlicher Sinnlichkeit konstitutiv.