Radikal

Aus kulturkritik

"Die Theorie ist fähig, die Massen zu ergreifen, sobald sie ad hominem <am Menschen> demonstriert, und sie demonstriert ad hominem, sobald sie radikal wird. Radikal sein ist die Sache an der Wurzel fassen. Die Wurzel für den Menschen ist aber der Mensch selbst. Der evidente Beweis für den Radikalismus der deutschen Theorie, also für ihre praktische Energie, ist ihr Ausgang von der entschiedenen positiven Aufhebung der Religion. Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist. Verhältnisse, die man nicht besser schildern kann als durch den Ausruf eines Franzosen bei einer projektierten Hundesteuer: Arme Hunde! Man will euch wie Menschen behandeln!" (MEW 1, S.385)

Radikal kann nur die Analyse sein und die Kritik, die sie vorantreibt. Radikal ist nicht Verhalten, weil es immer in Verhältnissen stattfindet. Radikales Verhalten ist bloß scheinbar radikal, im Grunde nur total, wo es sich beziehen können sollte. Radikales Verhalten ist totalitär, wohingegegen radikale Analyse die Basis einer grundlegenden Emanzipation ist.