Recht auf Stadt

Aus kulturkritik

Das »Recht auf Stadt« wurde von Henry Lefebvre erstmals 1968 in Frankreich als Kampfbegriff gegen die sogenannten "grands ensembles" formuliert, - das sind einheitlich konzipierte und standardisierte Siedlungen mit jeweils Tausenden von Wohneinheiten, in den städtischen Peripherien. Lefebvre hatte begriffen, dass der französische Staat eine Restrukturierung des nationalen Raumes und eine Reorganisation des Kapitalismus vorantrieb. Das »Recht auf Stadt« fasste er weniger als juristisches Recht auf, sondern verstand es als Forderung jener sozialen Gruppen, die unter dem reglementierten städtischen Alltag leiden oder in irgendeiner Weise marginalisiert werden: Jugendliche, Frauen, Studenten, Migranten, Kolonisierte und Semikolonisierte, Arbeiter und Intellektuelle.

Von den NGOs wurden dann auch allgemeine Rechte, die als Leitfaden für good urban governance-Praktiken gelten, einbezogen: menschenwürdiges Wohnen, ausreichende Infrastrukturversorgung, partizipatorische Entscheidungsfindung und Transparenz im kommunalen Regierungshandeln. Damit allerdings trat das emanzipatorische Anleigen oft in den Hintergrund, das sich in keiner Weise auf ein reines Stadtteil- und Wohnproblem reduzieren lässt. Im Gegenteil: Lefevre verstand sein Anliegen von vorn herein als ein "globales Projekt":

»Nur ein globales Projekt kann alle Rechte, die der Individuen und die der Gruppen, definieren und verkünden, indem es die Bedingungen ihrer praktischen Verwirklichung bestimmt. Heben wir unter diesen Rechten hervor das Recht auf Stadt (das Recht, nicht aus der Gesellschaft und der Kultur abgedrängt zu werden in einen Raum, der zum Zweck der Diskriminierung produziert wurde) und das Recht auf Abweichung (das Recht, nicht von notwendigerweise homogenisierenden Mächten in vorgegebene Kategorien gepresst zu werden).« 

Der kapitalisierte Raum zeichnet sich nach Lefebvre grundsätzlich durch Einheitlichkeit und Fragmentierung aus. Er basiert auf der wertbedingten Trennung von Orten (z.B. Mietpreise, Arbeitsplatz), die über kommunale Machtstrukturen wieder miteinander verbunden werden (Stadtplanung, Wohnungsbau). Einerseits bewirkt die Logik der Warenökonomie und der staatlichen Kontrollstrategien eine Tendenz zur Homogenisierung, andererseits fragmentieren die kapitalistischen Verwertungsstrategien (Bauindustrie, Immobilienspekulation etc.) den Raum, indem sie ihn parzellieren, zerschneiden und »pulverisieren«. Beides in einem, die Aufwertung und Veredelung eines Stadtteils und seine bestmögliche Verwertung durch Kapitalisierung der Stadtkultur wird heute mit Gentrifizierung bezeichnet