Situationismus

Aus kulturkritik

"Unter Situationismus ist weniger eine bestimmte Stilrichtung als vielmehr eine Lebenshaltung zu verstehen. Ursprünglich 1957 entstanden, erlebte die Situationistische Internationale während der 68´er Unruhen in Paris eine neue Blüte, gerade wegen ihrer gesellschaftspolitischen Kernaussage, derzufolge die Bürger westlicher Industrienationen zunehmend in die Rolle eines Konsumenten gedrängt wurden. Ein wichtiges Konzept dieser Bewegung stellt die Integration von Kunst in das Alltagsleben (Urbanisme unitaire) dar."

Als Gruppierung von Künstlern und Intellektuellen übten die Situationisten Einfluss auf die politische Linke aus, vor allem im Umfeld des Pariser Mai ’68 sowie in der Entwicklung der Methoden der Kommunikationsguerilla wie auch auf die internationale Kunstszene sowie insbesondere auf die Popkultur. Die Zahl der Mitglieder lag zwischen zehn und über 40, über die Zeit waren insgesamt ca. 70 Personen beteiligt. 1972 gab die Gruppe ihre Selbstauflösung bekannt.

Als anarchistische Strömung war 1957 auch eine situationistische Internationale gegründet worden, die sich als politische Aktion der Situationisten organisieren wollte.

Die Situationisten operierten an der Schnittstelle von Kunst und Politik, Architektur und Wirklichkeit und setzten sich für die Realisierung der Versprechungen der Kunst im Alltagsleben ein. Sie forderten unter anderem die Abschaffung der Ware, der Lohnarbeit, der Technokratie und der Hierarchien, und entwickelten ein Konzept der "theoretischen und praktischen Herstellung von Situationen", in denen das Leben selbst zum Kunstwerk werden sollte. Einige Situationisten waren in den Ausbruch der Studentenunruhen vom Mai 1968 verwickelt, die auf ganz Frankreich übergriffen und dort, anders als in Deutschland, auch weite Teile der Arbeiterklasse erfassten. Situationistische Ideen waren in den folgenden Jahren sehr verbreitet und haben international in Kunst, Politik, Architektur und vor allem im Pop Spuren hinterlassen, die sich bis in die Gegenwart ziehen. Ihre Aktionsformen wurden unter anderem im Fluxus und der Performancekunst aufgegriffen.

Es wurden von 1957 an verschiedene Aktionen und Ausstellungen geplant und teils realisiert, von denen zum Beispiel "New Babylon" (1960) von Constant (mit vollem Namen Constant Nieuwenhuys) große Aufmerksamkeit erregte: Er konzipierte eine Stadt für einen "spielerischen", mobilen Menschen, den die Automatisierung aus seiner geregelten Berufswelt geworfen hatte und der nun seine Kreativität entfalten konnte. Constant entwarf damit eine moderne Gegenwelt zu den Konzepten von Le Corbusier. 1959 schlug er vor, die Börse von Amsterdam niederzureißen, um an ihrer Stelle einen Spielplatz zu errichten. Für eine mit seinem Bekannten Pinot Gallizio befreundete Gruppe von Zigeunern in Alba, Norditalien entwarf er schon 1956 den Plan eines mobilen Camps. Constants Arbeiten bewegten sich zwischen Malerei und Architektur. Seine sehr konkreten Vorschläge und sein Konzept, nur neue Gebäude zu verwenden, stießen in der Gruppe auch auf Kritik. Debord war beispielsweise eher an den Ablagerungsspuren der Zeit in der Stadt, an den Schichten von Erinnerung interessiert. Es kam daraufhin zum Bruch mit der Gruppe. Constant wurde sein künstlerischer Erfolg zum Vorwurf gemacht und egoistische Strategien wurden ihm unterstellt.