Tranquilizer

Aus kulturkritik

Tranquilizer sind eine chemisch uneinheitliche Gruppe. Man meint mit ihnen diejenigen psychiatrischen Psychopharmaka, mit denen Angst- und Spannungszustände tranquiliert, d.h. beruhigt werden sollen. Andere Begriffe für Tranquilizer sind »Ataraktika« (ausgleichende Mittel), »Anxiolytika« (angstlösende Mittel) und »minor tranquilizers«. Als wesentlicher Unterschied zu anderen Psychopharmaka, speziell Neuroleptika (»Antipsychotika«, major tranquilizers), gelten die geringere Toxizität und das Ausbleiben von Muskelstörungen. Psychiater verabreichen Tranquilizer auch bei der Diagnose »Schizophrenie«, dann allerdings in hohen Dosierungen. Zur Gruppe der Tranquilizer zählt man u.a. Benzodiazepine (z. B. Lexotanil, Rohypnol, Tavor, Valium), Diphenylmethan-Derivate (z. B. Atarax) und Nicht-Barbiturat-Tranquilizer (z. B. Buspar).

Tranquilizer greifen im Zentralnervensystem an, vor allem im Großhirn, im limbischen System und im Bereich der Formatio reticularis. Durch die verminderte elektrische Aktivität werden der Einfluss innerer und äußerer Impulse auf höhere psychische Zentren geringer, die psychische Verarbeitung erschwert und die damit verbundenen unerwünschten psychischen und körperlichen Begleiterscheinungen unterdrückt.

Als Indikationen für Tranquilizer gelten niedergedrückte Stimmung, Angst- und Erregungszustände, psychovegetative Beschwerden, Schlafstörungen u.v.m. Manche Benzodiazepine werden auch zur Vorbeugung epileptischer Anfälle und zur Sedierung vor diagnostischen und operativen Eingriffen sowie zur Narkoseeinleitung verwendet.

Tranquilizer bergen ein enormes Abhängigkeitsrisiko. Schon nach kürzerem Gebrauch können Entzugssymptome auftreten wie z. B. Zittern, Unruhe, Übelkeit, Erbrechen, Herzklopfen, Kopfschmerz, Schweißausbrüche, Schwindel, Angstzustände, Schlafstörungen, Depressionen, Delirien, epileptische Anfälle. Unter Verweis auf das Suchtpotenzial und Abhängigkeitsrisiko werden Tranquilizer seit Jahren in abnehmender Menge verabreicht und verstärkt durch Antidepressiva und Neuroleptika ersetzt; diese machen allerdings ebenso körperlich abhängig, was den Konsumenten jedoch verschwiegen wird.

Peter Lehmann (Antipsychiatrieverlag Berlin)