X liquiddemocracy
Rätedemokratie meint ein einfaches Prinzip, über das sich u.a. einige Naturvölkern in ihrem Stammeswesen, vor allem aber bisherige sozialistische Gesellschaften organisiert haben. Allgemein grundlegend ist, dass bestimmte Gruppen von Menschen gewählte Räte in ein Gremium entsenden, das einer „höheren“ Organisationseinheit angehört. Sie wählen z.B. Dorfräte, Dorfräte wählen Kreisräte, Kreisräte wählen Regionalräte, und so geht es weiter bis zu den höchsten Entscheidungsgremien. Auch eine eine Mischung aus subsidiarer und direkter Demokratie von ganz unten bis ganz oben kann damit gemeint sein. Letztendlich meint Rätedemokratie heute die qualifizierte Delegation einer Auseinandersetzung an besonders befähigte Menschen, Einrichtungen oder Ausschüsse, die ihre Positionen nicht persönlich, sondern auftragsgemäß umsetzen, so auseinandersetzen, dass sie deren Resultate auch rückvermitteln können. Meist sind sie dabei auch ermächtigt, Beschlüsse zu fassen und Entscheidungen zu treffen, die erst in der Rückvermittlung von ihren Auftraggebern, ihren Wählern beurteilt werden können.
Rätedemokratie ist also im Wesentlichen eine Form von Demokratie, die konsequent von „unten“ nach „oben“ funktionieren soll, nicht ohne sich mit den wisenschaftlichen Kompetenzen der Wirtschaft auf allgemeinerer Ebene zu beraten und deren Resultate, dann auch wieder "nach unten" über diesselben Räte zu vermitteln sind. Wesentlich ist, dass sich solche Demokratie in direkter Beziehung zu den wirklichen politischen Entscheidungen einer Bevölkerung steht und nicht über Personen nur repräsentiert wird (siehe repräsentative Demokratie), die sich wiederum aus eigenem Interesse aus ihrem Dasein als politische Klasse willkürlich oder "frei nach ihrem Gewissen" verhalten können. Wichtig dabei ist also ein qualifiziertes Stimmrecht als „imperative Mandat“, d.h. die Räte tragen im Rat nicht ihre eigene Meinung vor, sondern geben getreulich die Meinung der Menschen wider, von denen sie gewählt wurden, die sich aber hierbei zu einer Beziehung auf die Allgemeinheit über das bloß Meine emanzipiert. Und sie stimmen auch in deren Sinne ab.
Die Räte sind immer nur ihrer Basis unmittelbar, also direkt verantwortlich, an deren Weisungen gebunden und jederzeit abrufbar. Ohne die Bindung an die realen Lebenszusammenhänge kann sich allerdings eine solche Demokratieform ebenso leicht verselbständgen, wie die repräsentative Demokratie, denn bloße Meinungsbildung ohne Rückvermittlung des Gemeinten durch das Allgemeine eines Gemeinwesens gerät leicht in ein populistisches Fahrwasser. Eine Kontrolle des politischen Systems jenseits der populistischen Mandatierung gab es z.B. bei der "realsozialistischen" Rätedemokratie noch nicht. Von daher wurde dem Verallgemeinerungsprozess von politischen Entscheidungen ohne Rückmeldung durch vorhandene Allgemeinheiten vertraut, die sich durch die theoretische Schematisierung von "sozialistischer Politik" ergaben.
Das System der Delegierung setzte sich im sogenannten "Realsozialismus", also dem Staatssozialismus, ungebrochen bis zum Zentralrat auf staatlicher Ebene fort. Die Wahlvorgänge geschahen somit zwar angeblich von unten nach oben, wurden oben aber letztlich an der Doktrin einer "Einheitspartei" ausgerichtet, deren Entscheidungsebenen lediglich an Verwaltungsebenen gebunden waren.
Im Unterschied zu klassischen Demokratiemodellen nach Locke und Montesquieu gab in den bisherigen Staatsmodellen der Rätedemokratie keine Gewaltenteilung, wie es für eine im Staat verselbständigte Regierungsgewalt nötig wäre, um diese überhaupt als Teil eines Rechtsssystems zu halten. Bleibt die Frage, ob diese mit einer Gewaltenteilung zu ergänzen und also auch zu vereinbaren ist, also ob sich ein konsquentes Rätesystem überhaupt mit einem Staatsmodell verträgt, oder ob es nur die Gesellschaftsform eines offenen Kommunalsystems sein kann, das keine hochgeordnete Regierungsgewalt anerkennt (siehe Internationale Kommunalwirtschaft).