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a) Das Ich und das Es

Freud will das Ich als den ganzen Zusammenhang der Person in sich selbst verwenden. Hierdurch hat er eine Instanz gesetzt, welche sowohl zwischen Innenwelt und Außenwelt zu vermitteln versteht, welche aber zugleich die ganze Integrität der Person in sich selbst ausmachen soll. Durch diese Setzung hat er das Problem gelöst, welches oben die doppelte Bestimmung des Bewußtseins ausgemacht hatte, und in seiner Herkunft nicht erklärt werden konnte. Das Ich soll nämlich von dem Standort, wo es gesetzt ist, sowohl sich nach außen verhalten, wie es sich auch zu seinem Inneren beziehen muß. Nach innen treibt es die Verdrängung, betätigt es den Widerstand, der "sicherlich von seinem Ich ausgeht und diesem angehört" (ebd., S. 287). Nach dieser Seite ist es ganz Herr des Geschehens und unterstellt allem psychischen Geschehen von vornherein das Interesse am Zusammenhang, den es verkörpert. Deshalb geht Freud in der Strukturhypothese vom Ich aus.

Indem es aber innere Wahrnehmungen hat, unterstellt es zugleich etwas, was von ihm aus innerlich ist. Es sind Empfindungen, "die der Lust- Unlustreihe gelten. Sie sind ursprünglicher, elementarer als die von außen stammenden (und haben eine) größere ökonomische Bedeutung" (ebd., S. 290). lias hier empfunden wird, ist das Esq welches 4en Kern unseres Wesens ausmacht% Dieses "verhält sich wie eine verdrängte Regung" (ebd., S. 291), welche erst bewußt wird, wenn sie an das Wahrnehmungssystem anlangt. Das Ich wird also als die Oberfläche oder das Bewußtsein oder Wahrnehmungssystem eines Apparats aufgefaßt, welcher ein unerkanntes Wesen hat, zugleich macht dieses Ich die ganze Integrität der Person aus. Indem das Ich das ganze repräsentiert, soll es das Es beherrschen. "Es gleicht so im Verhältnis zum Es dem Reiter, der die überlegene Kraft des Pferdes zügeln soll, mit dem Unterschied, daß der Reiter dies mit eigenen Kräften versucht, das Ich mit geborgten." (ebd., S. 294). Die Trennung zwischen den Kräften oder der Libido, welche den seelischen Apparat antreibt und der Wahrnehmung, welche die Inhalte der Vorstellungen in der Psyche ausmachen, ist hierdurch ganz getrennt. "Die Wahrnehmung spielt für das Ich die Rolle, welche im Es dem Trieb zufällt" (ebd., S. 293). Der einst passive Organismus der Freudschen Wahrnehmungspsychologie in der Traumdeutung, hat jetzt von vornherein die Aktivität des Herrschenden und erinnert an die Ich-Triebe des Narzißmus. Nur deren Kraft fehlt ihm, denn es hat keine eigenen Triebe zum Inhalt. Es ist also ökonomisch getragen vom Es, inhaltlich bestimmt, dieses zu beherrschen. Diese Fähigkeit zur Herrschaft hat es aber nur, indem es die Eigenschaft besitzt, dem Verdrängten gegenüber Widerstand zu leisten. Das Es, das sich "wie eine verdrängte Regung" verhält, wird durch diese Fähigkeit bemeistert. Es nimmt die Kraft zur Verdrängung einfach aus der Tatsache, daß sich der Widerstand selbst wie etwas Verdrängtes benimmt und das Verdrängte der Energiespeicher ist.(vgl. S. 287). Demnach würde aber etwas Verdrängtes die Verdrängung verursachen. Der Widerstand ist zugleich Abwehr der unbewußten Kräfte wie unbewußte Abwehr. Diese Ungereimtheit kann man nur dadurch auflösen, daß man das Es als den reinen Trieb ansieht, das Ich als das reine Wissen und Bewußtsein. Nur in dieser Auffassung ergibt das Gesagte einen Sinn, wenngleich dieser auch nur durch eine neue Setzung geschieht und die bisherige Erklärung über den Widerstand unnötig wird.

Freud folgt auch tatsächlich diesem Gedanken, wenn er das Ich als einen "modifizierten Anteil des Es" (ebd., S. 296) ansieht. In dieser Auffassung wird es gänzlich zur Erscheinung des menschlichen Wesens, was das Es ausmachen soll. Aber als dieses kann es nur als "Vertreter der realen Außenwelt im Seelischen" (ebd.) gelten. Und so soll es als Vertreter der Außenwelt die unbewußten Regungen des Es beherrschen. Aber auch diese Auffassung ist paradox: Als Vertreter der Außenwelt soll das Ich die unbewußten Regungen beherrschen, indem es diese verdrängt. Es soll also das Unbewußte zum Unbewußten machen. Es bleibt hierbei die Auffassung übrig, daß der inhaltliche Grund zur Verdrängung in der Außenwelt liegt und die Kraft zur Verdrängung in den Trieben; so kann man sagen, daß das Ich als Vertreter der Außenwelt und zugleich als modifizierter Teil des Es die Triebe zu verdrängen vermag. Damit aber ist das Verdrängte, die Triebe, zugleich Ursprung wie Resultat des Ichs, und man müßte die Aussage darauf reduzieren, daß sich die Außenwelt gegen die Triebe verhält, und diese beherrscht. Damit aber ist das ganze Interesse der in sich selbst strukturierten und integrierten Person im Ich zu Ende.

Im Grunde bleibt eine Auffassung der Person, wie sie bereits in den "drei Abhandlungen" als menschliche Natur, wie sie ursprünglich im Kind selbst auftritt, gefaßt ist: Der Mensch ist primär "polymorph pervers" und asozial, und erfährt seine Entwicklung durch äußere Kräfte, die ihn dahin bringen, wo er im Grunde nicht sein will, die ihn nämlich nach den Idealen der bestehenden Welt erziehen. Der eigentliche Mensch existiert also von vornherein unter dem, was der Mensch sein soll, der zunächst nur in den "Erziehungsidealen" gegeben ist, also das Ideale des erzogenen Menschen dem Unerzogenen gegenüber bestehen muß. Diese Ideale sind identisch mit der bestehenden Kultur, die sich das Ich introjizieren muß, um seine Triebkräfte in der gegebenen Kultur überhaupt zur Wirkung zu bringen. Das Ich errichtet daher in sich selbst ein Ideal, das Ich-Ideal oder das Überich.

b) Das Ich und das Über-Ich

Es ließ sich die Auffassung vom Ich, daß es der Vertreter der Außenwelt im Seelischen ist, nicht mit der Integrität der Person vereinbaren. "Wäre das Ich nur der durch den Einfluß des Wahrnehmungssystems modifizierte Anteil des Es, der Vertreter der realen Außenwelt im Seelischen, so hätten wir es mit einem einfachen Sachverhalt zu tun. Allein es kommt etwas anderes hinzu." (ebd., S. 296) Die Kultur kann nämlich nicht die Objektbesetzungen gelten lassen, welche "vom Es ausgehen, welches die erotischen Strebungen als Bedürfnisse empfindet " (ebd., S. 297). Das Es ist nämlich pervers und von daher das Negativ der Kulturwerte. Seine inzestuösen Interessen können in keiner Kultur aufgehen, und so muß das Es die Objekte, die ihm naheliegen (seine Eltern) aufgeben. Dies bewirkt, daß sich im Ich, welches diese Aufgabe betreibt, die Objektbesetzungen negativ niederschlagen, "daß der Charakter des Ichs ein Niederschlag der aufgegebenen Objektbesetzungen ist" (ebd.). Durch diese "Aufrichtung des Objekts im Ich" (ebd.) bemeistert es die Interessen des Es und nimmt "die Züge des Objekts an, drängt sich sozusagen selbst im Es als Liebesobjekt auf, sucht ihm seinen Verlust zu ersetzen" (ebd.). Diese Umsetzung von Objektlibido in narzißtische Libido, die hier vor sich geht, bringt offenbar ein Aufgeben der Sexualziele, eine Desexualisierung mit sich, also eine Art von Sublimierung" (ebd., S. 298). Das geliebte Ich ist das Ich, welches die sexuellen Interessen des Es aus Gründen der Kultur zu negieren und zu vertreten versteht. Freud nennt diesen kultivierten Narzißmus, der sich gegen die ursprüngliche Beziehung zu retten und diese zu meistern versteht, das Überich. Es ist der charakteristische Niederschlag von dem Schicksal, das die Erfahrung der Beziehungen des Es mit den Kulturwerten bei bestimmten Objekten ausgemacht hatte. Das Überich ist sozusagen der Antagonist des Es in der Struktur einer Person und steht ihm daher näher als dem Ich. Es wird durch die Energien, welche das Es auf die Objekte gerichtet hatte, selbst getragen, indem es diese zugleich negiert. Aus kulturellen Gründen sind also die Antriebe des Menschen selbst gespalten, und das Ich ist bemüht, diese Spaltung zu betreiben und aufrechtzuerhalten. Dies kann es aber nur gegenüber der Außenwelt, denn nach innen hin hat es sich als Liebesobjekt des Es diesem selbst unterworfen.

Nun erkennt Freud, daß dieser Antagonismus von Es und Überich sich als eine Entmischung der Triebeigenschaften selbst entpuppt. Der Konflikt zwischen beiden läßt sich nämlich als eine "Entmischung" des Triebes auffassen, welcher in seiner Dualität in den hier gefundenen Strukturteilen der Psyche wirksam wird. Das Es verkörpert nämlich zugleich die Lebenstriebe, wohingegen sich im Überich das "Freiwerden der Aggressionstriebe" (ebd., S. 321) herausstellt. Nämlich erst "aus dieser Entwicklung wird das Ideal überhaupt den harten, grausamen Zug des gebieterischen Sollens beziehen" (ebd.). Der kulturelle Gegensatz hat sich in der psychischen Struktur als Triebgegensatz dargestellt, zugleich aber ist es der Triebgegensatz, welcher sich in dem Strukturgegensatz repräsentiert. Das Argument ist also im Grunde die Identität der Triebgegensätze mit denen des Individuums und seiner Kultur. Hierdurch wird der Konflikt des Ichs oder eines Menschen mit seiner Kultur dem gleichgesetzt, was als natürlicher Konflikt in ihm selbst angelegt ist. Die Wahrnehmung der Welt, die Bestimmung der Kultur und die Zerrissenheit der Identität ist somit in eins gesetzt worden; der erste Gesichtspunkt und der zweite Gesichtspunkt sind in dieser Auffassung untergegangen.

Damit aber hat die Kultur sich zugleich in ihren Interessen identisch erwiesen wie das Triebleben. Sie führt die Lebenstriebe genau dorthin, wo der Todestrieb selbst wirkt. Dieser aber soll nur im einzelnen Individuum zur Wirkung kommen, wohingegen die Kultur jenseits des Menschen ein allgemein durch die Überwindung der Natur notwendig gewordenes Erbteil ist. Sie kann sich also nurmehr dadurch von dem Innenleben der Person unterscheiden, als sie einen "phylogenetischen Erwerb" (ebd., S. 303) gegenüber dem einzelnen zu vertreten hat. Es ist die Menschheitsgeschichte, welche sich der individuellen Geschichte aufzwingt. "Die Kultur ist "das Erbteil der durch die Eiszeit erzwungenen Entwicklung" und verkörpert sich im Ich-Ideal als "archaische Erbschaft" (ebd.). Obwohl die Kraft in dem Verhältnis von Es und Überich sich aus dem Triebdualismus begründet, soll das Überich zugleich die überwundene Triebhaftigkeit des Menschen darstellen, indem es als die internierte Verdrängung der Lebenstriebe gilt. Die psychische Struktur repräsentiert somit zum einen den Gegensatz seiner Lebensinteressen mit einer vorausgesetzten Kultur, welche sein Schicksal ausmacht, zum andern aber soll sie den allgemeinen Gegensatz von Lebenstrieb und Todestrieb gleichermaßen enthalten, der nur im einzelnen wirksam ist und zugleich durch die Kultur allgemein gelten soll. Freud ist somit in einer doppelten Weise mythologisch geworden: Seine Kulturtheorie gründet auf einem archaischen Erbe, welches "durch die Eiszeit erzwungen" ist und den "seelischen Besitz" als "phylogenetischen Erwerb" verkörpert, der den perversen Strebungen des einzelnen Lebens entgegentritt; zum andern begründet sich das seelische Leben auf einen Triebgegensatz, der ihm als allgemeine Naturtatsache vorausgesetzt ist. Die Gegenwart des Menschen besteht nur noch aus seinem Ich, welches von der Macht der Mythen bedroht wird.

Die Tätigkeit des Ichs ist somit nur noch negativ; es hat die Triebe wahrzunehmen und zu beherrschen und zugleich die Realität zu integrieren und abzuwehren. Es soll einmal die Beziehung von der Innenwelt und zur Außenwelt in dem Konflikt von Trieb und Kultur lösen und zugleich in der Beziehung seiner Begründung selbst den Dualismus von Lebenstrieb und Todestrieb vereinbaren. In dieser allseitigen Bedrohung zerreibt sich das Ich, welches doch der Herr und Agent der Autonomie sein sollte. "Das Ich kämpft also auf zwei Fronten, es hat sich seiner Existenz zu wehren gegen eine mit Vernichtung drohende Außenwelt, wie gegen eine allzu anspruchsvolle Innenwelt" (Freud, 1940, S. 55). Das kollektive Leben in der Psyche hat es genauso zu beherrschen wie das Verhältnis des Psychischen zur Naturnotwendigkeit. Es soll das allgemeine anthropologische Konstrukt der Triebe genauso meistern wie das phylogenetische Konstrukt der Kultur. Da sieht Freud selbst ein, daß das "Ich ein armes Ding (ist), welches unter dreierlei Dienstbarkeiten steht und demzufolge unter den Drohungen von dreierlei Gefahren leidet, von der Außenwelt her, von der Libido des Es und von der Strenge des Überich. Dreierlei Arten von Angst entsprechen diesen drei Gefahren, denn Angst ist der Ausdruck eines Rückzugs vor der Gefahr. Als Grenzwesen will das Ich zwischen der Welt und dem Es vermitteln, das Es der Welt gefügig machen und die Welt mittels seiner Muskelaktionen dem Es wunschgerecht machen." (Freud 1923, S. 322). Das Ich ist "zum Spielball antagonistischer Kräfte (geworden), zwischen denen es steht" (Wyss, S. 89) und die ihm vorausgesetzt sind. Freud sieht diesen Gegensatz des Ichs als Tatsache, die ihm nur durch die Psychoanalyse überwindbar erscheint ("die Psychoanalyse ist ein Werkzeug, welches dem Ich die fortschreitende Eroberung des Es ermöglichen soll"- S. 322). Er sieht es als Herr über die Triebe, von denen es zugleich bedroht wird. Der strukturierte und autonome Mensch ist nichts anderes als Opfer der Bestimmungen, die er zu meistern hat. Diese Bestimmungen sind es letztlich, die das Argument für die Strukturhypothese ausgemacht haben. Die strukturanalytische Betrachtung hat daher ihre Begründung nur in der Mythologie selbst, welche Freud in seinen kulturtheoretischen Schriften ausführt. Diese bestehen aber nur aus seiner Selbstauffassung, welche sich in seiner Systematik bisher nur implizit bewegt hatte. In der Struktur ist die Ablösung von seiner Auffassung als Begründung seines Theoretisierens und der Durchführung seiner Theorie entstanden, so daß hier nicht mehr in der immanenten Argumentation der Theorie weitergegangen werden kann. Das Problem ist jetzt, wie Freud sich selbst versteht, wenn er das Leben unter einer Struktur betrachtet, die im einzelnen Akt nurmehr erscheint, aber in diesem sich nicht zu entwickeln vermag.

c) Die strukturanalytische Betrachtung

Der strukturpsychologische Gesichtspunkt endet in einer Doppeldeutigkeit, welche Freud nicht mehr diskutiert. Dies liegt nun nicht mehr an fehlenden Argumenten, sondern an der strukturanalytischen Betrachtung selbst, also an dem Selbstbewußtsein, das in diese Betrachtung eingeht. Es macht ja gerade das strukturanalytische Denken aus, daß es eine Identität von objektiven und subjektiven Prozessen voraussetzt, in welchem sich das einzelne Subjekt erklären läßt. Hierbei gilt die Bestimmung des menschlichen Lebens überhaupt als Rahmen für das Verhältnis, das der Einzelne zur Welt hat. Was die andern Gesichtspunkte als menschlichen und individuellen Entwicklungsprozess selbst noch in der ihnen eigenen Weise zu erklären bemüht waren,(der wahrnehmungspsychologische Gesichtspunkt wollte das Verhältnis des Individuums zu seiner Welt klären, der identitätspsychologische den Kampf des Menschen mit sich selbst), wird nun zu einer ewigen, d.h. entwicklungslosen, weil in sich geschlossenen Struktur, in welche das einzelne Schicksal hineingeboren wird, ohne die Gründe für sein Schicksal selbst zu beinhalten. Daher sind die allgemeinen Strukturen mit den einzelnen eben in der Struktur identisch gesetzt, da es sich gegen sie nicht wehren kann, so daß alle Bewegungen einem Bewegungsprinzip bereits entsprechen, bevor sie stattfinden.

Die Strukturtheorie ist eine phylogenetische Theorie, welche das Einzelschicksal von einem Standpunkt her erklärt, der nicht mehr in ihm selbst begründet sein kann. Es wird in den Begriffen erfaßt, welche der Strukturanalytiker aus seiner Lebenssicht gewonnen hatte. Seine Begriffe sind nämlich genauso einzeln wie allgemein und machen alle wirklichen Konflikte zu allgemeinen, die sich den einzelnen Beweggründen gänzlich zu entziehen verstehen.

Der wissenschaftliche Gegenstand wird in dieser Theorie nur noch in der Form des Objekts des Wissenschaftlers angeschaut, nicht mehr als Subjekt seiner Entwicklung, deren Probleme in einer wenn auch in sich widersprüchlichen - Theorie auftreten. Aus seinen widersprüchlichen Erklärungen menschlicher Entwicklung hat Freud sich auf die Seite des Entwickelten geschlagen und kann daher nicht mehr die eigenen Widersprüche in seiner Theorie verfolgen. Er mußte so zum Agent des Bestehenden werden, der in den Konflikten keine Infragestellungen mehr sehen kann, sondern an deren Unterwerfung in die Gegebenheiten des Lebens er interessiert ist. So hat sich auch sein Verhältnis zur Krankheit geändert, welche für ihn zum Problem der Schwäche und der Irrläufer geworden ist, die sich nicht zum normalen Bürger zu entwickeln vermochten. Als Agent des gesunden Bürgers, des "Kulturweltbürgers", wie ihn Freud nennt" versucht er, den Kranken in seine psychologischen Konstruktionen einzuweisen, um ihm ein Ich zu verschaffen, mit welchem es sein Es erobern kann.

Freuds Identität als Wissenschaftler ist daher nurmehr die Identität, die er in den Kulturwerten oder im Kulturweltbürgertum hat; und das ist nicht mehr seine Identität als Wissenschaftler. Er hat sich durch die Widersprüche seiner Theorie in eine ihr äußere Identität hineinmanövriert, für die er nur noch als Agent im Bereich der Psychologie auftreten kann. Worin sich nun die Entwicklung seines Systems erschöpft ist diese Theorie des ewigen Bürgers oder die Auflösung der Identität von Wissenschaft. Von diesem Resultat her will ich nun das Verhältnis der Gesichtspunkte, die Freud in seiner Wissenschaft vertreten hatte, darstellen und zeigen, daß ihr Gegensatz nicht in der Anschauung selbst begründet ist, sondern es Gründe dieser Art von Reflexion gibt, die jenseits der Wissenschaft gegeben sind. Ich will also zeigen, wie sich die Gesichtspunkte als Momente von Selbstreflexion dadurch zu unlösbaren Widersprüchen verwirren, daß sie sich als Reflexion über einen Gegenstand ausgeben, welchen sie in ihrer Partikularität nicht zu erfassen vermögen. Damit wird gezeigt, daß Freud seinen Gegenstand, die Psyche, "nur partiell erfassen konnte, und daher in der Entwicklung ihrer Erklärung an den hieraus folgenden eigentümlichen Problemen scheitern mußte. Damit soll letztlich auch gezeigt werden, daß es nicht das Problem eines Einfalls ist, den seine Gesichtspunkte repräsentieren, sondern daß Freud die Psyche nicht als Problem einer objektiven Mangelhaftigkeit erkennen konnte und deshalb von verschiedenen Gesichtspunkten her ihre Erklärung versuchen mußte. Der Nachweis der Widersprüchlichkeit dieser Gesichtspunkte soll somit zugleich zu einem Schritt werden, durch welchen das Problem der Psyche und der Psychologie offener zutage treten kann.

C. Die gegensätzliche Identität der Freudschen Psychologie

In A. sollte gezeigt worden sein, daß Freud das Unbewußte als Gegenstand seiner Psychologie ansah; d.h. er sah das Wesen von dem, wo er psychologische Probleme und psychische Phänomene vor sich hatte, im Unbewußten. Ihm ging es in seiner Psychologie darum, die Begründung für das Unbewußte im menschlichen Bewußtsein zu finden. Obwohl er das Unbewußte zunächst nur aus Problemen, welche in der psychischen Krankheit auftraten, erschlossen hatte, machte er es zur Grundlage seiner Theorie und damit eben zum Begriff der Psychologie überhaupt, die das gesunde und kranke Bewußtsein bei Freud gleichermaßen umfaßt. Er sah daher im Unbewußten die Begründung für die inneren oder psychischen Prozesse des Menschen, welche zwar in ihrer Herkunft und in ihrer Wirkung mit der Wirklichkeit korrespondierten, aber nur im Unbewußten ihre eigene Vermittlung hatten. Sein Ziel war also, die beobachteten seelischen Prozesse auf ihren Grund hin zu erschließen und ihre Bezogenheit aufeinander in einem "psychischen Apparat" zu erkennen. "Meine Lebensarbeit war auf ein einziges Ziel eingestellt. Ich beobachtete die feineren Störungen der seelischen Leistungen bei Gesunden und Kranken und wollte aus solchen Anzeichen erschließen ... oder ... erraten ... wie der Apparat gebaut ist, der diesen Leistungen dient, welche Kräfte in ihm zusammen- und gegeneinander wirken." (Freud 1930b, S. 292).

In B. habe ich versucht, die Gesichtspunkte, unter welchen Freud diese Erklärung betrieben hatte, auszuführen, in ihrer Implikation darzustellen und in ihren Begriffen das zu verdeutlichen, was deren allgemeine Konsequenz ausmacht.

Ich habe in seinem ersten Ansatz, dem wahrnehmungspsychologischen Gesichtspunkt, die darin implizierte Beweisführung über die natürlichen und naturwissenschaftlich gesetzten Qualitäten des Menschen hervorzuheben versucht.

Der Gedankengang aus der Perspektive des Naturwissenschaftlers basierte auf einer natürlich gesetzten Einheit des Lebensprozesses, welcher als Tendenz in allen Momenten des Lebens (hier als Konstanzprinzip) sich vollzieht. Da alle Bewegung des Gegenstands durch diese Tendenz erklärt sein soll, damit also in ihr bezweckt gelten muß, konnte Freud in diesem Ansatz eigentlich nicht erklären, warum diese Naturkraft sich mit ihr widerstrebenden Kräften verbinden können soll. Er scheiterte in dem Ansatz darin, - daß er die "Realitätstüchtigkeit" der Psyche dadurch erklären mußte, daß sich ihr Zweck und ihr Antrieb gegeneinander stellen sollten. Er konnte das Problem zwischen Lust und Realität nicht lösen, da er es dem Antagonismus von Natur und Realität gleichzusetzen bestrebt war. An dem Bedürfnisbegriff, welcher diese Gleichsetzung repräsentieren sollte, (d.h. als Begriff von natürlichen Interessen identisch mit den Interessen an Lusterlebnissen gelten sollte) ließ sich der Widerspruch in seiner Ableitung erkennen. Die Bedürfnisbefriedigung galt als Ursprung und Ziel der Psyche zugleich und hob damit ihre eigene Begründung auf. Freud hatte dies nicht bemerkt, weil er den Zweck der Psyche als Ziel bestimmte (das Realitätsprinzip gehorchte ihm) und den Antrieb der Psyche als ihren Ursprung ansah (das Konstanzprinzip im Wunsch), und er konnte deshalb diesen Ansatz nur durch die Einführung eines neuen Begriffes, dem Narzißmus, zersetzen, um seine Theorie weiterzuführen. Es war ihm nämlich nicht möglich, mit diesem Ansatz zu begründen, warum die Psyche sich über die Realität zu setzen in der Lage ist (vgl. das Problem mit dem Größenwahn in der Paraphrenie). Es war ihm nicht gelungen, die Psyche als einen in sich passiven Apparat, welcher seiner Erlebnisweise und seinen Erlebnisinteressen folgen sollte, zu erhalten.

In seinem zweiten Ansatz, welchen ich den identitätspsychologischen Gesichtspunkt genannt hatte, konstruierte er daher eine aktive Psyche, die sich auf den narzißtischen Interessen gründet. Hier sah er die Psyche zwischen Selbstsucht und Weltbezogenheit und konnte das Problem der narzißtischen Psyche dadurch nicht lösen, daß er die Welt der Selbstsüchtigen nicht mit ihrer Weltbezogenheit verbinden konnte. Er scheiterte hierbei am Lustprinzip, welches die Grundlage der Selbstsucht sein sollte, die allgemeine Selbstsucht aber dieser Grundlage widersprechen mußte, da sie einer Selbstvernichtung gleichkommt. Am Problem der Vernichtungsinteressen kam er daher auf den Todestrieb, durch den er seine optimistischen und natürlichen Erklärungen aufgab und zum Geisteswissenschaftler wurde, der das Leben jenseits des Materiellen und Leblosen zu begreifen versucht. Er mußte daher Kulturtheoretiker werden, der die höheren Werte des Menschlichen in seinen Lebensprozess gegen die niederen Regungen des Materiellen zu verteidigen bestrebt ist. Seine Theorie erfuhr hierdurch einen entscheidenden Wendepunkt, da sie nicht mehr in die "konstitutionelle Energie des Menschen" vertrauen konnte, sondern sich auf die Seite des kultivierten Bürgers schlug, dessen Gegensatz zwischen seinen Triebkräften und seiner Außenwelt sich in seinem Bewußtsein selbst abspielt und dieses widersprüchlich bestimmt. Freud war es daher nicht gelungen, den Gegensatz von Unbewußtem und Bewußtem mit dem von Kultur und Natur des Menschen zu verbinden. Das Bewußtsein sollte sowohl kultiviert sein, wie es auch auf den natürlichen Kräften des Menschen gründen sollte. Der identitätspsychologische Ansatz scheiterte daher am Bewußtseinsbegriff, dessen doppelte Zweckmäßigkeit jegliche Identität des Menschen zerstören mußte.

Der strukturpsychologische Ansatz sollte beide vorausgesetzten Betrachtungen der Psyche zur Einheit bringen, indem er die aktiven Momente der Psyche, welche in ihren Identitätsinteressen gesetzt sein sollten, mit ihren passiven, welche in ihren Wahrnehmungsprozessen gesetzt waren, zu einem neuen Verhältnis in der Psyche selbst zusammenführen sollte. Der Bedürfnisbegriff wurde jenseits des ihm immanenten Problems mit dem Bewußtseinsbegriff jenseits dessen Problem zu einer psychischen Struktur verbunden, welche in sich gegensätzlich, aber als ganzes System formuliert war. Die Probleme zwischen Trieb und Realität einerseits und Natur- und Kulturkräften des Menschen andererseits wurden in einer psychischen Struktur zusammengeführt, welche nun den Menschen überhaupt in einer widersprüchlichen Dreifaltigkeit nurmehr zum unendlichen und rein praktischen Problem der Psychoanalyse herabsetzte. In ihm selbst war seine Kultur und Realität so vertreten, daß es nur Ideen, mystische Ereignisse oder phylogenetisch begründete Urverhältnisse sein konnten, welche sein Schicksal begründen sollten. Hierdurch aber hatte die Psychoanalyse ihr theoretisches Interesse selbst ad absurdum geführt und sich zum Vertreter der Menschheitsgeschichte gemacht.

Freud hat sich nun als dreifacher Wissenschaftler entpuppt, der die gegensätzlichen Probleme, die er in seinen ersten beiden Ansätzen (am Bedürfnisbegriff und Bewußtseinsbegriff) fand und in seinem dritten systematisch untergehen ließ. Er sah die Begründung für die Psyche sozusagen in verschiedenen Ecken, nämlich einmal in der Erlebnisweise (was den Bedürfnisbegriff zum Problem werden ließ), zum andern in der Selbstentfaltung (welche den Bewußtseinsbegriff zum Problem werden ließ).

In seinem letzten Ansatz wollte er die Psyche in ihrem doppelten Grund zwischen Erlebnisweise und Selbstentfaltung versöhnen und mußte daran scheitern, daß ersteres bereits etwas anderes unterstellt, was sich durch letzteres entfalten soll und die Einheit beider Prozesse konnte daher nur im Jenseitigen der Psyche erklärt werden durch die Mythologie, welche Freuds Kulturtheorie zugrundeliegt.

Freud war nicht in seinen Gedanken deshalb dreifach interessiert, weil sein Gegenstand in dreifacher Bestimmung besteht und daher die Gesichtspunkte seiner Erklärung Freud aufgezwungen hätte, sondern weil Freud selbst in dem Verhältnis des Forschers zu seinem Gegenstand in seiner Erklärung von einem bestimmten Implikat ausgegangen war, welches in seinen Gesichtspunkten sich als deren abstrakter Grund dreifach durchsetzt: Freud hatte das Verhältnis zu seinem Gegenstand in der Bestimmung gesehen, die als affirmierte Abstraktion seine Erkenntnis unkritisiert unterstellt und ihren Gang geleitet hat. Die Abstraktion, von der er ausgegangen war, erwies sich als mangelhaft und mußte von einer andern Abstraktion abgelöst werden, welche sich zwar aus der Aufhebung der ersten begründet, aber zugleich ein neues Denken produziert, das seinen Gegenstand erfassen sollte. Den Zusammenhang der Abstraktionen in Freuds Theorie habe ich nun angeführt und damit deren immanente Widersprüchlichkeit expliziert. Nun will ich diese Abstraktionen, die den Gang seines Denkens begründet hatten, zunächst als positives Implikat des Verhältnisses, in welchem Freud sich und seinen Gegenstand identisch hat, veranschaulichen, um schließlich auf das Problem seines Denkens und Wissens selbst zu kommen.

Die Auffassung, die Freud in seinem Denken von der Psyche hat, stelle ich zunächst in seiner Denkweise dar und analogisiere hierzu ein bestimmtes Leben, das Freud damit affirmiert. Das kann natürlich weder Freuds Gedanken noch dieses Leben kritisieren, sondern soll nur die Identität Freuds mit einzelnen Momenten einer bestimmten Kultur verdeutlichen, die von seinem Denken daher auch in der Form als unterschieden aufgezeigt werden soll. Diese Kultur wird zunächst als Produkt seiner Gedanken genauso gelten, wie als deren Produzent. Es kommt mir darauf an zu zeigen, was beides ausmacht.

1. Die Psyche als Erfahrungstatsache

Im wahrnehmungspsychologischen Gesichtspunkt war die Identität von Form und Inhalt des Erklärten wesentlich. Hieraus ergab sich die Unfähigkeit Freuds, zwischen der Notwendigkeit natürlicher Befriedigung und menschlicher Lusterfahrungen unterscheiden zu können. Er verstand den Organismus in seiner Begründung identisch mit dem, was dieser erfährt.

a) Die Theorie der Erfahrung

Die Theorie, welche die Identität von Begriff und Erfahrung zu ihrer Begründung hat, ist im wesentlichen der Empirismus, welcher sich bei Freud in seiner naturwissenschaftlichen Gestalt geltend gemacht hatte. Vom naturwissenschaftlichen Standpunkt aus ist der Mensch als Körper, Stoffwechsel, Sexualität, Erregung usw., und was als dieses am Menschen erscheint, gilt mit dem identisch, was sich darin ereignet und was das Interesse des Menschen ausmacht. Er klärt die Menschen darin auf, was es in ihren Problemen, Krankheiten usw. in den Zusammenhängen auf sich hat, welche ihre Natur ausmachen sollen. Das Problem findet an Ort und Stelle statt, und so ist jede Spannung zugleich im Ziel der Entspannung verstanden, nicht etwa in der Lösung von Konflikten, die sich in ihr ausdrücken. Das empiristische Denken, das den naturwissenschaftlichen Erklärungsinhalt ausmachte, beschränkt sich auf die raumzeitliche Assoziationskette, in welcher sich natürliche Kausalitätsketten geltend machen. Der Empirismus, der seine letzte Weisheit in der Natürlichkeit des Geschehens findet, gründet stolz gegen alle idealistische Theorie darauf, kein Wesen jenseits dessen anzuerkennen, was erscheint. Die Einheit von Erscheinung und Wesen macht jedes Problem zum einzelnen Fakt, das - zwar in Kausalitätsketten von Fakten verknüpft - an Ort und Stelle sowohl Ursache wie auch Lösung des Problems zu finden verspricht, ohne es in einer anderen Ganzheit zu sehen, als in der Natürlichkeit des gegebenen Stoffes selbst. Die oben erwähnte Trennung von erklärendem Prinzip (gemeint war das Konstanzprinzip) und den einzelnen Fakten (die Ereignisse im Leben) ergibt sich allein aus dieser Anschauung. Die Menschen benehmen sich so natürlich, wie "das Schema des Reflexapparats" (Freud 1900,S.538)und erfahren allein in ihrer natürlichen Sehnsucht nach den hierin erfahrenen Ereignissen ihre geistige Betätigung, die ihnen selbst wie ein Naturakt gelten muß. Jedes Ereignis, das es in ihrem Leben gibt, ist nämlich für sich sowohl Folge wie auch Ursache für ein anderes Ereignis, welches in der Tradition der naturwissenschaftlichen Gesetze stattfinden wird.

Was nun aber dieses Denken wesentlich ausmacht, ist nicht seine Legitimationsbasis, die Natürlichkeit der Prozesse, sondern sein Verknüpfungsinteresse, durch welches es die einzelnen, für sich bleibenden Ereignisse, Erlebnisse oder Erfahrungen selbst als die maßgeblichen Akte des theoretischen Gangs ansieht. Diese Verknüpfung nämlich bleibt gerade dadurch mystisch in ihrem Zusammenhang, daß ihr die abstraktesten Prinzipien (z.B. die Assoziation nach Raum und Zeit oder die Tendenz zur Erregungssenkung) als erklärende Konstruktionen aufgepfropft werden. Diese allem Empirismus und Positivismus angemessene und notwendige Konstruktion macht gerade ihn selbst zum Subjekt des Mythos, den er an den Idealisten zu bekämpfen verstanden haben will. Wo der Idealismus die abstrakten Interessen wie Ideen, metaphysische Wesenheiten (Gott) und anderes noch in der Form des Objekts seiner Theorie hat, ist der Empirismus und Positivismus in seiner Tätigkeit selbst Subjekt der Mythen, indem er seinem Gegenstand gerade das als Erklärung aufpfropft, was ihm seinen Zusammenhang entwirklicht. Was hierdurch dem Subjekt als sein eigenes Wesen erscheint, ist identisch mit dem Mythos der Welt, in der er sich selbst zu erhalten nur bestrebt ist. Das, was sich an ihm abspielt, sieht es als seinen einzigen Inhalt an, und das, was außer ihm ist, gilt ihm als bitterer Umstand, in welchem es die ihm wesentlichen Eigenheiten zu bewahren bestrebt ist.

b) Der erfahrungsgebundene Mensch

Das Denkinteresse, welches in der naturwissenschaftlichen Betrachtung sich verkörpert und in ihrer Argumentationsfolge sich ausdrückt, ist daher mit den Individuen identisch, die - wie oben beschrieben - ihren eigenen Zusammenhang dadurch mystisch begreifen müssen, daß sie sich nur als Objekte anerkennen, und sich dort, wo sie zu ihrer eigenen Ruhe kommen, andere verzehren müssen, denn sie finden sich selbst nur dann, wenn sie im andern das Objekt ihrer eigenen Natur sehen. Sie gelten sich als das Subjekt, der andere gilt als Mittel ihrer Naturbeschaffenheit. Was sich als allgemeines Subjekt hier gestaltet, ist allein der Mythos der Natürlichkeit ihrer Beziehung, dem sie sich auch als Objekt zu opfern bereit finden müssen.

Der Mensch, der in seiner Erlebnisweise seine Entwicklung sieht, daher in seinen Bedürfnissen bereits sein Ziel erkennt, in diesem Ziel seine Erfahrungen schon wiederfindet, sich daher von allem Neuen ausschließt und sein Leben auf die Wiederholung des schon einmal Gewesenen reduziert, hat sein Leben bereits begriffen, bevor es stattfindet. Er muß nur den Prinzipien dieses Lebens folgen, sich Tricks und Umwege einfallen lassen zu ihrer Vollendung und mit allen Möglichkeiten seiner Befriedigung liebedienen, um das Prinzip einzulösen, was er sich selbst unterstellt als seine Natur. Bevor er etwas erlebt, ist sein Wille bereits als natürlicher gefaßt, der seine Inhalte allein jenseits von sich finden kann. Er ist von Natur aus Ruhesuchender und hat es aber zugleich seiner Natur zu verdanken, daß er in Erregung gerät, um Ruhe zu finden. Er gerät in Lebensnöte und macht bittere Lebenserfahrung; doch das, was er erlebt, gilt ihm in der Form, in welcher es sich seiner natürlichen Gesetzmäßigkeit unterwirft. Sein Leben versteht er daher nur unter der Konstruktion seiner Naturprinzipien, die in ihrer natürlichen Selbststeuerung, in ihrem naturhaften Willen, von Kräften gestört werden, die bereits als Bedrohung hierdurch gelten, bevor sie erkannt werden. Die Grenze der Wahrnehmung ist der Körper, und die Empfindungsqualitäten, die sich an ihm in der Wahrnehmung ereignen, werden mit dem Inhalt der Wahrnehmung identifiziert. Das Wahrgenommene ist mit dem wahrnehmenden Subjekt in seiner Form identisch. Seine individuelle Fassade ist sein eigener Wahrnehmungsgegenstand, da sie als allgemein in ihrer Natürlichkeit unterstellt ist.

Die Menschen, welche dem naturwissenschaftlichen Konstrukt der Tendenz zur Spannungssenkung folgen, gehorchen alle der Entfaltung ihrer Natur, welche sie auf die Sensationen reduziert, die sich an ihrem Körper ereignen, während sie sich aufeinander beziehen, denn Ziel all ihrer Erlebnisse ist die Lust. Die Menschen gelten sich als Objekte ihrer natürlichen Befriedigungsinteressen und besitzen sich darin, daß sie diese Interessen aneinander zu besetzen verstehen. Der Mensch hat den andern in der Form eines natürlichen Objektes, an welchem er die ihm gewohnten Erlebnisse zu vollziehen trachtet; er ist überhaupt Objekt seiner Triebdetermination, die sein subjektives Interesse ausmachen soll. Die Inhalte menschlicher Verhältnisse verkörpern dieses Interesse, bevor sie existieren. Ihre Gesellschaft ist eine Anhäufung von Organismen, die ihren Bedürfnissen folgend sich mit ihren Gegenständen befassen, und die Umstände und Umwege zu ihrer Befriedigung kalkulieren. Ihre Kultur ist ein Zusammensein einander konsumierender Organismen, die aus Gründen der Umwege zur Lusterfüllung ihre Arbeit verrichten und ihre natürlichen Nöte meistern.

In der Identität ihrer psychischen Akte mit ihren körperlichen Erlebnissen kann es keinen Willen jenseits des Genusses geben, so daß die Bedürfnisse, die sie haben, hiergegen wie eine bittere Lebenserfahrung gelten müssen, und zum Zwecke der Befriedigung alle psychischen Akte in Gang setzen. Denn nur in der Entspannung sind sie bei sich und daher in jeder willentlichen Handlung außer sich. Genuß und Befriedigung sollen ihr Leben tragen, und ihre Zwecke sind diesem Leben eingeordnete Momente. Alle Zwecke nämlich reduzieren sich auf das, was ihnen in der Erfahrung vorausgegangen sein sollte und was im Falle einer Spannung zu deren Löschung beigebracht werden muß.

c) Die Reduktion des Menschen auf seine Natur

Was Freud im wahrnehmungspsychologischen Gesichtspunkt zur Idee hat, verwirklicht sich in dem Selbstbewußtsein von Menschen, die nach dieser Idee ihr Leben verarbeiten. Die Idee dieses Gesichtspunktes ist dadurch zugleich wirklich, daß sie in das Bewußtsein, welches sich Menschen von ihrer Existenz, ihren Konflikten usw. machen, bestimmend eingeht, indem darin die Wirklichkeit vernichtet wird, die sich in der Existenz äußert. Die Reduktion menschlicher Erfahrung auf das, was ihr als Erfahrung vorausgegangen war, verlangt zugleich die Behauptung einer allgemeinen Gesetzlichkeit, nach welcher das Vorausgegangene sich zu etwas anderem entwickeln soll.

Diese Gesetzlichkeit soll im wahrnehmungspsychologischen Ansatz ein Naturprinzip vertreten, welches in allen Interessen identisch ist und als qualitätslose Allgemeinheit einen Grund ausmachen soll, der die einzelnen Momente der Erfahrung selbst zur Entwicklung bringt. Die menschliche Wirklichkeit wird demnach als die Wirkung von der versammelten Natur der Organismen, als das Zusammensein von einzelnen Menschen in ihrer natürlichen Wesenhaftigkeit begriffen.

Ihre Natur wird darin als eigene Kraft verstanden, durch welche alle Tätigkeit von Menschen selbst begründet wird, indem ihr Lebensinteresse mit dem Zweck der Natur schlechthin gleichgesetzt wird. Hierdurch gilt die Natur implizit als Begriff ihrer Tätigkeit, durch welche sie ihre Gegenstände nur in der Form von Naturgegenständen aneignen. Die Natur wird somit zum Begriff einer Vermittlung, in welcher der Lebensprozeß gedacht wird (13). Dieser Begriff soll sowohl den Menschen wie auch seine Tätigkeit als Erscheinung eines Naturwesens begründen und damit eine Adäquanz von menschlichen Wesen und seiner Natur überhaupt behaupten. "Aber der Mensch ist nicht nur Naturwesen, sondern er ist menschliches Naturwesen; das heißt für sich selbst seiendes Wesen, darum Gattungswesen, als welches er sich sowohl in seinem Sein als in seinem Wissen betätigen und bestätigen muß. Weder sind also die menschlichen Gegenstände die Naturgegenstände, wie sie sich unmittelbar bieten, noch ist der menschliche Sinn, wie er unmittelbar ist, gegenständlich ist, menschliche Sinnlichkeit, menschliche Gegenständlichkeit. Weder die Natur - objektiv - noch die Natur subjektiv ist unmittelbar dem menschlichen Wesen adäquat vorhanden." (Marx, MEW 40 S. 578).

Der Mensch der Freudschen Theorie wird mit seinem Gegenstand wesentlich identisch gedacht, aber zugleich von ihm getrennt und unbezogen formuliert. Die Natur beider ist bekannt, bevor sie unterschiedlich existieren: Der menschliche Gegenstand gilt dem menschlichen Organismus und ist somit subjektiv und objektiv nur als Natur, die das Wesen des Verhältnisses ausmacht und daher nicht als Natur außer dem Wesen gelten kann. Aber "ein Wesen, welches seine Natur nicht außer sich hat, ist kein natürliches Wesen, nimmt nicht teil am Wesen der Natur. Ein Wesen, welches keinen Gegenstand außer sich hat, ist kein gegenständliches Wesen. Ein Wesen, welches nicht selbst Gegenstand für ein drittes Wesen ist, hat kein Wesen zu seinem Gegenstand, d.h. verhält sich nicht gegenständlich, sein Sein ist kein gegenständliches. Ein ungegenständliches Wesen ist ein Unwesen. Setzt ein Wesen, welches weder selbst Gegenstand ist noch einen Gegenstand hat. Ein solches Wesen wäre ... das einzige Wesen, es existierte kein Wesen außer ihm, es existierte einsam und allein ... Aber ein ungegenständliches Wesen ist ein unwirkliches, unsinnliches, nur gedachtes, das heißt nur eingebildetes Wesen, ein Wesen der Abstraktion" (ebd., S. 578).

Indem Freud einen für sich bestimmten natürlichen Inhalt in Bezug des Menschen zu seinen Gegenstand behauptet, expliziert er einen Begriff, der die abstrakte Wesenhaftigkeit des Menschen mit seiner Welt voraussetzt und als ungegenständliches Prinzip die Entwicklung getrennt von den wirklichen Erfahrungen bestimmen soll. Die Natürlichkeit des Bezugs ist somit getrennt von dem wirklichen Menschen gesetzt und gilt als reine Gedankenfigur, die sein Verhalten erklärt. Diese Erklärung ist aber nichts anderes als eine Abstraktion aus dem Zusammenhang, den sie erklären soll. "Aber die Natur, abstrakt genommen, für sich, in der Trennung vom Menschen fixiert, ist für den Menschen nichts." (ebd., S. 596). Das ist der Grund, weshalb die Ableitung reduktiv ist, d.h. immer nur auf das natürliche Erklärungsprinzip zurückfallen kann, welches durch die Abstraktion gesagt ist. Alle Inhalte im Gang der Entwicklung fallen auf das Prinzip zurück, das sie erklären soll. Die Ableitung der Psyche aus dem Naturprinzip mündet durch diesen Reduktionismus der Erklärung in die Nichtigkeit all ihrer Schritte, denn der Reduktionismus muß alle Entwicklung zurücknehmen, um die einzelnen wechselweise zum Subjekt ihrer Entwicklung zu machen. Die einzelne Entwicklung geht nur unter dem Verzicht einer allgemeinen Entwicklung. Daher stellt sich Freud gegen seinen ursprünglichen Gesichtspunkt in der Erklärung der Psyche nicht nur aus psychologischen Erwägungen - nun auf die Seite des allgemeinen Entfaltungsstrebens und führt eine Kategorie ein (den Narzißmus), der alle naturwissenschaftliche Denkart aufheben wird, da er ein ihr gegenteiliges Interesse verbirgt.

2. Die Psyche als Lebensinteresse

Für den identitätspsychologischen Ansatz war die Identität von Selbstsucht und Weltbezogenheit eine implizierte Unterstellung Freuds, welche in seinem Narzißmusbegriff aber nicht bewußt geworden war, so daß dieser sowohl die Bezogenheit wie die Trennung begründet hatte. Das führte zum Untergang des Lustprinzips, welches das Interesse zur Trennung nicht im selben Inhalt begründen konnte, wie den Bezug auf andere. Diese Theorie drehte sich daher wesentlich um das Problem der Selbstbehauptung, welches sowohl begrifflich in Art und Inhalt des Denkens wie auch wirklich in der neuen Idee vom Menschen ausgedrückt wurde, die diese Theorie in der Form des Lebensinteresses des Narzißten eingeführt hatte.

a) Die Theorie der Selbstbehauptung

Eine Theorie, welche die Selbstbehauptung des Menschen zur eigenen Grundlage hat, muß ein Selbst behaupten, das sich in jedem Menschen als Entwicklungsgrund geltend macht. Es ist dies (im Unterschied zum wahrnehmungspsychologischen Denken) der Inhalt eines Interesses, welches allgemein und für jeden gültig als Kategorie der Erklärung seiner Entfaltung reichen soll. Es ist dies also im Unterschied zum naturwissenschaftlichen Denken nicht ein Prinzip, in welchem etwas sich entwickelt, sondern der Inhalt von etwas, welches dieses entwickelt. So genommen verfährt das Denken in einer Tautologie: Das Allgemeine wird dadurch erschlossen, daß es analytisch als Inhalt von etwas erkannt wird, das heißt als einfaches Konstrukt dessen erkannt wird, was allgemein und kompliziert vorkommt und ist damit zugleich eine Allgemeinheit, die von allen Unterschieden absieht oder abstrahiert, also eine abstrakte Allgemeinheit, die aber zugleich in all dem vorkommt, wovon sie abgesehen hatte. Es ist eine Allgemeinheit, die per Abstraktion erschlossen wurde, aber nur dadurch konkretisiert wurde daß die Abstraktion zugleich wieder aufgehoben wird, indem man das Allgemeine am Einzelnen wiederfindet. Wenn es in den Geisteswissenschaften zum Beispiel gang und gäbe ist, Begriffe wie Freiheit, Vernunft, Trieb usw. als Wesen der Entwicklung anzusehen, so wird sich solch ein Begriff sicherlich auch in dem Entwickelten wiederfinden, Freiheit, Vernunft und Trieb sind dann Begriffe von etwas, an dem man sie erschließt und worin sie also erkennbar sind, zugleich wird man sie aber auch an dem finden, was sich hieraus entwickelt hatte, was also frei, triebhaft und vernünftig erscheint. Die Begriffe lassen sich am einzelnen finden, aber sie sollen zugleich dessen Inhalt oder Wesen allgemein formulieren. Das aus der Theorie Entwickelte hat aber kein anderes Wesen, als das der Theorie vorausgesetzte. Die Theorie selbst ist eine Betrachtung, welche Abstraktionen von etwas findet, das sie zugleich als dessen Inhalt ausgibt, ohne sie als dessen Inhalt entwickeln zu müssen. Die Theorie greift dann von etwas das heraus, was sie begrifflich allgemein abstrahiert, vgl. z.B. das Unbewußte, das Verdrängte, der Narzißmus und anderes. Diese Abstraktion aber wiederum soll als Idee dessen, was sich in dem Gegenstand bewegt, auf ihn zurückreflektieren. In dieser Reflexion ist aber nicht eine neue Wirklichkeit des Gegenstands gebildet worden, welche sich aus der Erkenntnis seiner Begründung ergeben hat und zum nächsten Schritt der Reflexion kommt, sondern es werden Begriffe als Begriffe aufeinander bezogen, als gegensätzliche Abstraktionen (vgl. z.B. Liebe und Haß), aus denen heraus sich das wirkliche Verhältnis erst ergeben soll, das allerdings in derselben Form der Theorie vorausgesetzt war. Der Narzißmus ist ein solcher Begriff. Ursprünglich gegen die passive Betrachtung des Subjekts als Abstraktion seiner Lebensinteressen gefunden, wird er zu einem Gegensatz selbst getrieben, den er aus sich heraus entwickelt. Ein Begriff bezieht sich somit auf einen andern, ohne daß eine, wirkliche Beziehung dieser entwickelten Begriffe vorausgesetzt ist (14).

In dem sich so entfaltenden Denken entstehen die Begriffsbeziehungen tatsächlich nur als Spekulation (die Freud jetzt für nötig hält), weil keine Wirklichkeit mehr zwischen sie tritt, also keine wirklichen Beziehungen mit den abstrakten Inhalten verbunden werden. Die Triebe werden daher zu einem geisteswissenschaftlichen Modell, das Zusammenhängen in der Wirklichkeit analog gelten soll, Es kommt bei diesem Denken daher nur darauf an, welche Modelle es findet, die dem Geschehen am weitestgehenden analog sind (15).

Der Unterschied ist vor allem auch gegen das naturwissenschaftliche Denken deutlich, wo nämlich Freud seine Konstrukte erst abzuleiten schien aus allgemein gesicherten Prinzipien (dort hat sich das Unbewußte aus dem Konstanzprinzip ergeben), sich jetzt aber das Konstrukt wie das Entwicklungsprinzip selbst oder wie die Idee, mit der es aus der Wirklichkeit abstrahiert versehen ist, benimmt. Der Begriff ist daher nicht nur einfach ein Modell, wie es z.B. das hypothetische Verfahren ausmacht, sondern zugleich ein Modell auf der Basis einer Entwicklungsidee, welche allerdings nichts anderes entwickelt, als ihre Idee selbst. Sie endet daher in einem Triebdualismus, der tatsächlich die logischen Momente des Narzißmus umfaßt, aber keine Wirklichkeit der Narzißten finden kann. Daher kann Freud am Ende dieser Entwicklung nur eine neue Idee entgegensetzen, nämlich die Kulturwerte, welche dem Schicksal der bisherigen Ideengeschichte entgegengestellt wird. Freud macht nun genau das gedanklich, was er in dem Leben seiner Gegenstände wirklich vermutet: Er gibt ihnen einen äußeren Zweck, eine ihnen äußerliche Idee, welche den Untergang der ideellen Konflikte - genauso wie den Untergang der wirklichen Konflikte - verhindern soll.

Die Konsequenz dieses Verfahrens ist, daß er auf der so gefundenen Idee affirmativ sich begründen muß, um überhaupt sich als Theoretiker noch zu setzen und sich nicht dem Untergang seiner eigenen Geister zu beugen. Er gibt daher das Problem seiner Kategorien in die Triebe der Menschen und hält sich ihnen als Protagonist des Vernünftigen und im Dienste der Vernunft arbeitenden Wissenschaftlers entgegen. Die "wissenschaftliche Weltanschauung", die er demzufolge propagiert (vgl. Schühlein, S. 177) soll für ihn gleichermaßen der Ausweg sein, den er auch den Menschen seiner Theorie zumutet. Als Wissenschaftler bestimmt er sich selbst in seiner Theorie zum allgemeinen Urteil über die Verhältnisse, die ihm vorausgesetzt sind und kehrt damit sein ursprüngliches Erklärungsinteresse in ein Urteil um, an das sich die Menschen zu wenden haben, deren Schicksal er erklären will (er sieht jetzt z.B. "als letztes Hindernis der analytischen Kur ... den Todestrieb oder Destruktionstrieb, auf dessen unauflösbare Wirksamkeit er das Scheitern einiger Behandlungen zurückführen muß" - Wyssg S. 98). Seine theoretischen Aussagen, die auch hier sich wiederum mit dem Leben seines Gegenstandes identisch sehen, "integrieren das Individuum, den Dreh- und Angelpunkt der Kulturtheorie, in noch größere, nicht mehr hinterfragbare Zusammenhänge und haben somit auch Entlastungsfunktion" (Schülein, S. 151). Die Freudsche Theorie, die nun ihrer eigenen Idee vom Menschen folgen muß, entwickelt durch ihr Urteil jenseits ihres Gegenstands einen wesentlich negativen Zug, da sie ja jetzt die Wahrheit in sich getrennt von der Wirklichkeit behauptet. Sie wird somit zur Weltanschauung, zur Wahrheit jenseits der Realität. Dies expliziert Freud ausdrücklich: "Eine auf die Wissenschaft aufgebaute Weltanschauung hat außer der Betonung der realen Außenwelt wesentlich negative Züge, wie die Bescheidung (!) zur Wahrheit, die Ablehnung der Illusionen" (Freud 1933, S. 608). Hiermit setzt er die Menschen unter seine Wahrheit, die darin besteht, daß sie nur durch seine Weltanschauung sich gegen ihre Illusionen behaupten können und sich zum Zwecke ihrer Selbstverteidigung die kulturellen Werte aneignen.

b) Das Selbstbehauptungsinteresse der Menschen

Im Interesse der Selbstbehauptung gilt dem Menschen alles Leben als Mittel seines Zwecks, zugleich aber bedarf er eines allgemeinen Zwecks, worin er sich vermitteln kann. Das Allgemeine soll demnach alles einzelne bestimmen, zugleich aber als Mittel jedes einzelnen gelten. Somit sieht jeder einzelne im allgemeinen Zweck die Bestimmung seiner selbst, aber zugleich in sich den Zweck, diese Bestimmung zu seinem Mittel zu haben. Die Idee, die der Narzißt vom Leben hat, muß als allgemeiner Zweck gelten, damit er darin das Mittel für seine Selbstbehauptung hat, denn nichts ist ihm unmöglicher, als das Mittel für seine Zwecke aus sich selbst heraus zu produzieren. Er erlebt die Welt sowohl als Objekt wie als Subjekt seines Lebens, weil er sich als Subjekt der Welt für objektiv hält.

Diese widersprüchliche Identität von Zweck und Mittel ist für den Narzißten durch das Interesse gelöst, welches er durchzusetzen bemüht ist, und er erfährt daher die Allgemeinheit seines Interesses eben nicht als seinen allgemeinen Zweck, sondern als das, was sich hinter dem Rücken der in sich reflektierten Einzelinteressen als Gesamtinteresse durchsetzt: Die wechselseitige Vernichtung der Selbstsüchtigen.

In der Kultur der Narzißten setzt sich der einzelne positiv durch, indem er den andern vernichtet und er erfährt die Allgemeinheit der Vernichtung als ein Resultat, das sich allgemein seiner Einzelheit als objektive Bedrohung entgegensetzt. Er kann in seinem Leben allgemein daher auch nur den Untergang seiner selbst erleben, da ihm nichts als Produkt seiner selbst, sondern als ihm fremdes Geschehen begegnet, das seine Lebensangst ausmacht. Der Narzißt kann sich nur einzeln den Momenten seines Lebens gegenüber öffnen, weil er allgemein um seinen Schutz und seine Abgrenzung bemüht sein muß. Er zerfließt zwar in der Beziehung auf alles und verliert sich selbst, wenn er liebt, aber er trennt sich von allem genauso unbestimmt durch die Abgrenzung in seinem Haß. Da ihm sein Haß dadurch zur Allgemeinheit wird, daß er ihn zugleich zum Schutz vor der allgemeinen Vernichtung hat, erfährt er seine Objektivität überhaupt nur im Haß, der zu seinem allgemeinsten Bezug wird und die partikularen Momente seiner Liebe überdauert.

Da er hierdurch sich nur momenthaft erfährt und allgemein seine Bedrohtheit erlebt, muß er sich selbst als unvollkommen verwirklicht ansehen. Was ihn ausmacht, kann nicht allgemein wirklich sein, und die Mangelhaftigkeit dieses Lebens muß dem allgemeinen Zweck der Idee seiner selbst gegenüber als nur unvollständiger Ausdruck gelten. Der Narzißt ist damit der wirkliche Idealist, der von den Idealen lebt, die er aus der Partikularität seiner Selbsterfahrung gewinnt, deren Verwirklichung ihm aber nur in Form des Protests gegen eine Welt gilt, die sich diesem Ideal nicht zu beugen vermag.

c) Die Idealisierung des Selbst

Das Selbsbewußtsein, welches Freud in seinem identitätspsychologischen Gesichtspunkt auszudrücken und zu affirmieren gewillt ist, ist die Idee des Menschen von seinen Verhältnissen, in welchen er die Vernünftigkeit des noch nicht Erreichten in der Mangelhaftigkeit seiner einzelnen Wirklichkeit zu entwickeln versucht. Es geht hierbei um die Vernunft des absoluten Menschseins gegenüber der Mangelhaftigkeit der Exemplare von der Kategorie Mensch. Was den Menschen ausmacht, ist das Leben, in welchem er sich selbst verwirklichen soll, ohne daß seine Wirklichkeit hierauf bereits bezogen verstanden wird.

"Der Mensch wird gleich selbst gesetzt. Das Selbst ist aber der abstrakt gefaßte und durch Abstraktion erzeugte Mensch. Der Mensch ist selbstisch. Sein Auge, sein Ohr usw. ist selbstisch; jede seiner Wesenskräfte hat in ihm die Eigenschaft der Selbstigkeit. Aber deswegen ist es nun ganz falsch zu sagen: Das Selbstbewußtsein hat Aug, Ohr, Wesenskraft. Das Selbstbewußtsein ist vielmehr eine Qualität der menschlichen Natur, des menschlichen Auges usw., nicht die menschliche Natur ist eine Qualität des Selbstbewußtseins. Das für sich abstrahierte und fixierte Selbst ist der Mensch als abstrakter Egoist, der in seiner reinen Abstraktion zum Denken erhobene Egoismus." (ebd., S. 575)

Die Vernünftigkeit der Freudschen "wissenschaftlichen Weltanschauung" ist nichts anderes, als die Verkörperung dieser Abstraktion. Sie ist als Begründung sowohl im Narzißmus bereits impliziert und expliziert sich in der Auffassung seiner eigenen Tätigkeit. Indem Freud seinen ursprünglichen Gesichtspunkt, der auf dem Begriff der Natur des Menschen beruhte, aufgeben mußte, hat er seine Theorie jetzt auf dem Begriff der Vernünftigkeit errichtet, welche sich gerade allem natürlichen Sein entgegensetzt. Aus seiner ursprünglichen Abstraktion hat sich eine ihr gegenteilige ergeben, die ihren Ursprung zur äußeren Bedingung ihres Erklärungsinteresses hat.

Freuds Psychologie ist zu einer Theorie der Massenpsyche geworden, welche das Schicksal der Masse darzustellen hat, um ihm die Vernunft der Entwicklung, der die Masse zu widersprechen bestrebt ist, entgegenzuhalten. Aus dem naturwissenschaftlichen Aufklärer ist der Aufklärer der Vernunft geworden und es ist dies, was er in seiner Intention durchhält bis zuletzt. Als Vertreter der Wahrheit jenseits der Wirklichkeit kann er sich nur in den Pessimismus der Vernunft isolieren. Sein Interesse steckt hierbei weiterhin im "Anspruch der Aufklärung: Verzicht auf Illusionen und rationale Gestaltung der sozialen Wirklichkeit." (Schülein, S. 220) Seine Theorie, die aber jetzt zwei Abstraktionen zu ihrer Grundlage hat, welche sich antagonistisch gegenüberstehen (Trieb und Vernunft), muß zwischen ihren Aspekten (Lebensdrang und Lebensschicksal) sich entweder aufheben oder dort versöhnen, wo sie nichts mehr mit ihrer Abstraktheit zu tun haben muß: In ihrem Gegenstand. Freud gibt daher das Problem in den Menschen selbst zurück, in welchem er es lösen wollte und behauptet ihn in einer Lebensstruktur, in welcher es allein um die Erhaltung seiner selbst geht, damit sich die Selbstzerstörung der Freudschen Abstraktionen nicht geltend machen muß. Der gedankliche Zweck der Strukturtheorie, die dies ausführt, ist damit das Prinzip der Selbsterhaltung.

3. Die Psyche als Prinzip der Selbsterhaltung

In der Strukturtheorie ist die Theorie und das menschliche Leben unmittelbar eins, daher die Erkenntnis dessen auf die reine Darstellung seiner Konflikte reduziert. In der strukturellen Erfassung der Probleme verkörpert sich ein Denken, welches in dem Zusammenhang analytischer Abstrakta zugleich den wirklichen und notwendigen Zusammenhang behauptet. Das zirkelhafte Denken des identitätspsychologischen Gesichtspunktes hat sich in eine Selbstbeschränkung des wissenschaftlichen Denkens überhaupt aufgelöst, in welchem das Abstraktum (wie z.B. Es, Ich und Überich) zugleich als Erklärung des Wirklichen, damit aber als Erklärung einer unabänderlichen Wirklichkeit, identisch gesetzt wird. Es hat hierbei nur das Rationale, das analytisch und abstrakt Vermittelte zu seinem Gegenstand, in dessen Interesse es sich gegen alles Irrationale, in seiner Konflikthaftigkeit scheinbar Unlösbare wendet und dieses an die Rationalität der eigenen Abstraktion anpassen will. Das Freudsche Denken ist hierbei seiner eigenen Kulturtheorie, welche er noch als Gegenstand seiner Theorie hatte, in der Weise identisch geworden, daß er sich selbst als kulturell Schaffender versteht. Indem er sich hier mit seinem ursprünglichen Objekt identifiziert, subjektiv also das in sich sieht, was er objektiv abgeleitet hatte, kann sein Denken nur bemüht sein, alles, was seinen Gegenstand ausgemacht hatte, auf dieselbe Stufe von Subjektivität zu heben, in welcher er sich versteht. Seine "wissenschaftliche Weltanschauung" hat sich in seiner Denkweise unmittelbar dadurch durchgesetzt, daß er die Inhalte aller Irrationalität und Leidenschaftlichkeit von Menschen bereits derart, wie er ihre Probleme erfaßt, mit dem Ziel identifiziert hat, das er der menschlichen Kultur überhaupt und seiner wissenschaftlichen Tätigkeit im besonderen gibt. Er findet in den einzelnen Problemen das, was das Überich ausmacht, was das Es und was das Ich ausmacht, und ist bemüht, das, was ihm der Zusammenhang dieser Begriffe gilt, an den Einzelnen heranzutragen, der in seinen Beziehungen zwischen dem, was Freud Es, Ich und Überich nennt, seine Schwierigkeiten hat. Freud kann somit die Konflikte nur in der Weise gelten lassen, wie in ihnen seine Kategorien ablaufen und ist hiermit nicht mehr Forscher, der mit Hilfe von Begriffen sich bestimmte Konflikte verständlich macht, sondern Lebenspraktiker, der das Unverständliche in die Form des Verständlichen zu meistern versteht, ohne es aufheben zu wollen. Seine praktische Arbeit ist daher ganz von seinem Psychologismus bestimmt, in welchem er die wirklichen und spontanen Konflikte in die ihm naturhaft geltende Bestimmung des Individuums verzaubert. Die Menschen gelten ihm wie Dinge von Abstraktionen, und was er tut, ist, daß er seine Kategorien vermenschlicht und damit die Menschen in seine Kategorien verdinglicht. "Sobald die in Wahrheit den Einzelspontaneitäten entrückten, zwischen abstrakten Subjekten anhängigen Prozesse aus der Seele erklärt werden, vermenschlicht man tröstlich das Verdinglichte." (Adorno, S. 22) Das Freudsche Denken ist in sich so entfremdet, wie er seinen Gegenstand, die Psyche, nur in der Form der Entfremdung zu fassen versteht. Indem seine, Psychologie in den Abstraktionen selbst den Zusammenhang des Lebens vermutet, ist er als abstrakter Denker identisch mit dem Zusammenhang, den seine Abstraktionen in der Welt seines Gegenstands bewirken. Diese Identität macht die Psychoanalyse überhaupt zum psychologischen Gebrauchswissen, das Urteile in Form ihrer Begriffe zum Vorteil des Kenners zur Verfügung stellt. "Der Kultus der Psychologie, die man der Menschheit aufschwatzt und der unterdessen in Amerika aus Freud ein Volksnahrungsmittel bereitet hat, ist das Komplement der Entmenschlichung, die Illusion der Ohnmächtigen, ihr Schicksal hinge von ihrer Beschaffenheit ab. Ironisch genug verwandelt eben dabei die Wissenschaft, in der sie sich selbst als Subjekt zu begegnen hoffen, deren eigene Gestalt nach sie nochmals in Objekte im Auftrage einer Gesamtverfassung, die keine Schlupflöcher mehr duldet, in denen eine nicht gesellschaftlich präparierte, irgend unabhängige Subjektivität sich verstecken könnte." (ebd.. S. 20)

Der Mensch, den Freud in einem strukturpsychologischen Gesichtspunkt wahrnimmt, ist ein Einzelwesen, das sich sowohl gegen eine "mit Gefahren drohende Außenwelt", wie auch gegen seine "allzu anspruchsvolle Innenwelt" zu verteidigen hat. Es soll im Zusammenhang seiner Person oder in seiner Struktur als Person die Gefahren meistern, indem es ihre Antagonismen aufeinander zu beziehen und zu versöhnen weiß. Es besteht aus einem Ich, das "an zwei Fronten" kämpfen muß und dessen Überleben davon abhängt, wie es sich gegen alle Bewegungen, welche sich um es herum abspielen, zu behaupten versteht. Es folgt als in sich abgeschlossenes Individuum dem Identitätsprinzip und ist zugleich nur als wahrnehmendes Individuum zu seiner Identität gezwungen. Die Selbstwahrnehmungen und die Wahrnehmungen der Außenwelt sind zu Gefahren geworden, welche die Menschen durch eine je einzelne Struktur in sich zu versöhnen haben und in sich die Organisation errichten, welche alle im menschlichen Leben vorkommenden Antagonismen zwischen ihren Trieben und ihren Kulturleistungen in ihnen selbst aufbewahren und zum individuellen Bewältigungsprozeß, zum je einzelnen psychologischen Schicksal werden lassen. Sie kämpfen um ihrer selbst willen, um die Erhaltung ihrer selbst innerhalb von Kräften, über die sie niemals selbst Herr werden können. Alle Konflikte sind in ihnen psychologisch und von allen gesellschaftlichen Akten unabhängig; sie reproduzieren sich im Leben der Menschen, ohne für das Leben des einzelnen zu einem andern als zu einem psychologischen Problem werden zu können. Der einzelne ist das psychologische Substrat einer Gesellschaft, die auch nur die Ansammlung der psychischen Substrate sein dürfte. Ihr eigenes psychologisches "Kräftespiel" wird als das naturnotwendige Verhältnis der Menschen zementiert, die in der Überwindung ihrer Gefahren zugleich immer nur die zeitliche Beruhigung ewiger Gefahren zu verstehen haben. Sie sind Monaden im Unglück einer Widersprüchlichkeit, die auch in ihrer Gesellschaft als absolutes Prinzip zu bestehen hat.

Ihre vereinzelte Struktur soll ihrer Gesellschaft dabei entsprechen, zugleich aber ist eine Gesellschaft als ihnen äußerliches Problem, als Gefahr, vorausgesetzt, in deren absoluten Gegensatz sich das einzelne konstituiert. "Das vereinzelte Individuum, das reine Subjekt der Selbsterhaltung, verkörpert im absoluten Gegensatz zur Gesellschaft deren innerstes Prinzip. Woraus sie sich zusammensetzt, was in ihm aufeinanderprallt, seine 'Eigenschaften', sind allemal zugleich Momente der gesellschaftlichen Totalität. Monade ist es in dem strengen Sinn, daß das Ganze mit seinen Widersprüchen vorstellt, ohne doch je dabei des Ganzen bewußt zu sein. Aber in der Gestalt seiner Widersprüche kommuniziert es nicht stets und durchgängig mit dem Ganzen, es rührt nicht unmittelbar von dessen Erfahrung her. Die Gesellschaft hat ihm die Vereinzelung aufgeprägt und diese hat als ein gesellschaftliches Verhältnis teil an seinem Schicksal. 'Psychodynamik' ist die Reproduktion gesellschaftlicher Konflikte im Individuum, aber nicht derart, daß es die aktuellen gesellschaftlichen Spannungen bloß abbildete. Sondern es entwickelt auch, indem es als ein von der Gesellschaft abgedichtetes, abgespaltenes existiert, nochmals die Pathogenese einer gesellschaftlichen Totalität aus sich heraus, über der selber der Fluch der Vereinzelung waltet." (Adorno, S. 21)

Der Widerspruch, in welchem Freud das einzelne Subjekt sieht, nämlich als Verkörperung einer psychischen Gesellschaft und zugleich als ein von ihr getrenntes Einzelwesen, stellt eine Trennung von den gesellschaftlichen Akten dar, in welchen der einzelne besteht, und die er zugleich nur als äußere Bedrohung auffassen kann. Der Psychologismus der Strukturtheorie gibt ihm diese Bedrohung zugleich als ewige Wahrheit, wie auch als Phrase, daß es auf den einzelnen Menschen ankäme, sich in dieser Welt zu behaupten. "Die Trennung der gesellschaftlichen Akte, in denen das Leben der Menschen sich reproduziert, von ihnen selber, verhindert sie daran, das Getriebe zu durchschauen und überantwortet sie der Phrase, es käme alles bloß auf den Menschen an, die kaum zuvor im gleichen Umfang komsumiert worden ist wie zur Zeit des Fließbands. Daß die gesellschaftlichen Tendenzen sich über den Köpfen der Menschen durchsetzen, daß sie jene Tendenzen nicht als ihre eigenen wissen, macht den gesellschaftlichen Schleier aus. Zumal jene, deren Arbeit sie und das Ganze am Leben erhält und deren Leben doch von dem Ganzen undurchsichtig abhängt, vermögen nicht zu erkennen, daß die Gesellschaft sowohl ihr Inbegriff wie ihr Gegenteil ist. Die Undurchsichtigkeit der entfremdeten Objektivität wirft die Subjekte auf ihr beschränktes Selbst zurück und spiegelt ihnen dessen abgespaltenes Für-Sich-Sein, das monadologische Subjekt und dessen Psychologie als das Wesentliche vor." (Adorno, S. 20)

Indem sich Freud in seinem Denken vollständig mit seinen Begriffen identifiziert, sein Denken selbst durch das, was es zum Gegenstand hat, nämlich das Triebleben, begründet sieht, ist es in den Zirkel getreten, sich aus dem heraus zu begründen, was es zum Gegenstand hat. Indem Freud den einzelnen und seine Kultur begreifen will, hat er sich schon durch das begriffen, was den zu begreifenden Inhalt seines Gegenstands ausmacht. Er selbst ist Resultat der Triebverdrängung, aus welcher heraus er diese als notwendig behauptet. Seine Wissenschaft nämlich ist sublimierter Trieb, weil Wissenschaftliches überhaupt Triebsublimation ist und als sublimierter Trieb begründet er die Sublimation der Triebe als notwendig. Das ist der letzte und absolute Widerspruch, in welchem die Theorie endet, der Widerspruch der Identität Freuds selbst. Er ist als Resultat seiner Erklärung Erklärender und hierdurch total und absolut. Seine in den einzelnen Gesichtspunkten verschieden dargestellte Identität als Denker hat sich somit zu dem Widerspruch seiner Identität überhaupt entwickelt, in welcher er das vollzieht, was ihm von dem Grund seines Denkens selbst entfremdet: Sein Produkt, seine Theorie, tritt ihm als Bedingung seiner eigenen Existenz fremd gegenüber, begegnet ihm als das, was ihn begründet, wo er zuvor Begründer dieser Theorie gewesen war. Und indem er sein Denken darin entfremdet hat, kann er auch nur den entfremdeten Menschen affirmieren in den Abstraktionen, die seine Selbstentfremdung ausmachen. Er sieht die Menschen in der ihnen eigenen Gesellschaft als jene, die sich dem ihnen Fremden anpassen und in der Selbsterhaltung ihre Selbstentfremdung "bis zum Trugbild der Gleichheit dessen treiben, was sie für sich und was sie an sich sind." (ebd., S. 32). Ihre einzelne und partikulare Form, in welcher sie ihre Entfremdung erfahren, gilt ihnen in ihrer Selbstentfremdung als Gewinn. "Der Triumph des Ichs ist einer der Verblendung durchs Partikulare" (ebd., S. 22). Indem der Mensch sich in seiner psychischen Struktur versteht oder sich an diese angleicht, triumphiert er über die Verhältnisse, die er erzeugt; es ist aber ein Triumph gegen den Erzeuger selbst, eine Verblendung über die eigene Tätigkeit und dem ihr veräußerten Willen.

 

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Fußnoten:

(9) Die Möglichkeit, das Konstanzprinzip gegenüber den bestehenden Trieben als ein Prinzip der Senkung eines Erregungsniveaus anzusehen, hatte freilich auch die Möglichkeit beinhaltet, es als einen Trieb anzusehen, wie es sich im Todestrieb bei Freud ausdrückt. Der Unterschied liegt allein darin, daß das Prinzip ein Erklärungsmodell ausmacht, mit welchem man einen Gegenstand - sozusagen von außen her - untersucht, der Trieb dagegen als Inhalt des Gegenstands selbst gesagt wird. Es zeigt sich, indem Freud das Lustprinzip zum Trieb gemacht hatte, daß er sein Denken zu einer Art Wesenslogik entwickelt hatte, welches seine naturwissenschaftliche Anschaulichkeit zunehmend verliert.

(10) Freud war sich über den Umfang der Änderung seiner Theorie durch die Einführung des Todestriebs genauso bewußt, wie ihm klar war, daß er ihn aus rein logischen Gründen einführen mußte. Hierüber schreibt er: "Der Todestrieb ist mir kein Herzensbedürfnis, er erscheint nur als unvermeidliche Annahme aus biologischen wie psychologischen Gründen. Davon leitet sich dann das übrige ab." (S. Freud und 0. Pfister, Briefe 1909-1919, 1963, S. 44).

(11) Freud hatte die Identität von Selbsterhaltungstrieb und Todestrieb selbst kritisiert: "Wir waren bereit, auch die angeblichen Selbsterhaltungstriebe des Ichs zu den Todestrieben zu rechnen, was wir seither berichtigend zurückgenommen haben." (Freud 1920, S. 263)