Trauma

Aus kulturkritik
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"Mit dem ersten Schlag der Polizeifaust, gegen den es keine Wehr geben kann, endigt ein Teil unseres Lebens und ist niemals wieder zu erwecken", Jean Améry in seinem Essay "Die Tortur" (1965).

Traumatisch ist ein Wahrnehmungszustand infolge unerträglicher und daher auch unbegreiflich intensiver schmerzhafter Ereignisse, die sich in der Selbstwahrnehmung verselbständigen, um die Wahrnehmung von der Erinnerung einer noch unbewussten Störung frei zu halten (siehe Erinnerungsbild). Sie werden besonders verstärkt, wenn sie ausweglos und hoffnungslos erlebt wurden. Das Trauma ist dabei weitgehend unabhängig von körperlichen Schmerzen und reproduziert eine Verletzung der Psyche, die sich als innerer Zwang im Gedächtnis ihrer Wahrnehmung darstellt, der sich als Gebrechen der Wahrnehmungsfunktionen zwischen Empfindungen und hieraufbezogene Gefühle äußert, in der sie durch einander ihre Nichtung betreiben und hierdurch zwanghaft werden.

Jede Empfindung hat ihreWahrheit durch die hieraus gebildeten Gefühle, in der das Wahrgenommene als ein auch wirklich Wahrgehabtes sich bewährt und sich darinbilden und in der Ausgestaltung der eigenen Subjektivität fortbilden kann. Oft kann man diesen Prozess an Traumbildern erkennen, die ihre Verbindung in der Traumarbeit erneuern und rekonstruieren. Wo dies - z.B. durch Schlafstörungen - nicht geschieht, können sich Gefühle auch im Menschen selbst durch Erregungen isolierter Regungen verrücken, ihn verrückt machen.

Das Trauma selbst besteht aus einer Identitätsangst (siehe auch Lebensangst) , aus einer zwanghaften Erinnerung an ein äußerst schmerzhaftes Ereignis, das die Beziehung zwischen seiner Empfindung zum Selbstgefühl eines Menschen so sehr beeindruckt hat, dass sie dauerhaft gestört oder sogar auch zerstört sein kann und von daher sich in Schmerzerinnerungen wiederholen muss, um sich Zugang zur Wahrnehmung zu verschaffen und diese noch funktionsfähig zu halten, ihren Ausfall ( z.B. durch psychisch bedingte Blindheit, Taubheit, Gehörlosigkeit usw.) zu verhindern.

Eine länger anhaltende Bedrohung des Lebens oder die beständige Erwartung massiver Schmerzen (Folter) hat eine wesentliche Veränderung der körperlichen und geistigen Identität zur Folge, weil sie die Selbstwahrnehmung gegen die Wahrnehmung kehrt und in dieser Verkehrung ihre Selbstvergegenwärtigung unter dem Zwang sucht, sich gegen diese durchzusetzen und damit das Trauma zumindest durch traumatische Selbstgewissheit auszuschalten, bzw. zu verdrängen.

Durch die Verkehrung der Wahrnehmung im Tramata kann eine Verrückung seelischer Aktivität und körperlicher Nerventätigkeit (chronische Stresssyndrome) entstehen, die wie ein Trieb zur Schmerzzufügung oder zum Töten (siehe Todestrieb) die Selbstwahrnehmung beherrscht. Nach Rückkehr in den normalen Alltag sind traumatisierte Menschen auf Grund ihrer Geschichte und ihres darin befangenen Gedächtnisses nicht in der Lage, die Brücke hierzu ohne Hilfe und Verstand zu finden (siehe hierzu auch Fanatismus). Auch in der Geschichte von sogg. "multiplen Persönlichkeiten" hat sich oft (wahrscheinlich immer) eine permanente Lebensbedrohung in früher Kindheit als Grund dafür erwiesen, warum derart betroffene Menschen mehrere Identitäten entwickeln müssen, um mit einem Leben zwischen voneinander isolierten Lebensräumen "fertig zu werden". Der Grund ist nicht die Bedrohlichkeit selbst, diese könnte auch zu Agonie, Delirium führen. Es ist die Notwendigkeit, mit vollkommen gespaltenen Erfahrungswelten auszukommen, ein Leben zu leben, das zwei absolut verschiedene und vollständig gegensinnige Lebenswelten hat, dem Wesen nach absoluter Schmerz ist. In der Verwirklichung gegensinniger Wahrheiten lebt der Wahnsinn jedweder Natur. Dass Menschen hierdurch als Opfer zu Tätern werden können, dass ihr Leben durch einen Trieb bestimmt werden kann, anderen Schmerzen zuzufügen oder sie töten zu müssen, hat Sigmund Freud im Angesicht der Kriegsheimkehrer aus dem ersten Weltkrieg dazu veranlasst, neben dem Luststreben (siehe Lustprinzip) der Lebenstriebe einen Todestriebe anzunehmen, weil er sich diese Verkerhung nicht anders erklären konnte.

Dies haben auch einige anders ausgerichtete PsychologInnen, besonders die PsychoanalytikerInnen und die Familienaufsteller (siehe Hellinger) dafür hergenommen, einen jeden Schmerz der Seele, ihre Selbstaufhebung, mit einem Trauma gleichzusetzen und in jedem seelischen Problem ein verletzendes seelisches Ereignis als Begründung anzunehmen. Seele muss so nicht zur Erkenntnis ihres Lebens gelangen, sondern zur Schmerzerfahrung, wenn sie Gegenstand einer Therapie, einer psychologisch angetriebenen Heilung, zu einer Heilserfahrung wird. Hierfür wird die Individualgeschichte eines Menschen (bei C.G. Jung oder Hellinger auch der seiner Ahnen) darauf befragt, was in seinem Leben traumatisch war, und somit die Besonderheit seines seelischen Leidens quasi objektiv erklären könnte. Diese Theorie hatte zu einem wahrhaften Missbrauchboom geführt, der besonders in den USA einschlägige TherapeutInnen dazu brachte, Gedächtnis zu manipulieren, bis der "Missbrauch" endlich erinnert wird, sodass die Befreiung hiervon durch das transzendente Mitgefühl der TherapeutInnen die Genesung beginnen könne. Das eigentliche Trauma findet hierbei durch die Therapie statt. Wenn es "Heilungserfolge" damit gegeben haben sollte, so die, das mit der Therapie auch das Trauma ein Ende haben müsse. Kann sein, dass damit auch ältere Schwierigkeiten belanglos geworden sind oder isolierte Lebensräume erträglicher wurden. Das Ergebnis jedoch ist ein notwendig reaktionäres Bewusstsein, das sich in anderen Bereichen der Gesellschaft als Trauma für andere Menschen einbringen wird. Es bestätigt sich vor allem in der Mythologie, im Glauben an eine ungeahnte Ahnenreihe der privaten Lebensgrundlagen (siehe auch Lebensbedingungen).