Widerstandskultur

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Der Begriff Widerstandskultur bezeichnet einen kulturellen Widerstand, der sich gegen eine bestimmte gesellschaftliche Formation menschlicher Kultur wendet. Er setzt voraus, dass Kultur selbst eine gesellschaftliche Form hat, welche sich menschlicher Kultur entgegenstellt und daher menschliche Kultur Widerstand hiergegen nötig hat, soll sie daran nicht zerbrechen. Wesentlich mündet jede Kulturkritik, sofern sie nicht bloßer Diskurs ist, in eine Widerstandskultur, worin menschliche Kultur dem Inhalt nach gegen politische Formbestimmungen steht, die sie angreift.

Dies ist nicht unproblematisch, unterstellt Kulturkritik doch immer auch die Gewissheit einer menschlichen Kultur und muss diese auch erweisen können. Kulturkritik steht schnell in der Gefahr, menschliches Leben definieren zu wollen oder als übergeschichtlich determiniert anzusehen (siehe Onthologie) oder sich Leitkulturen vorzustellen. Aber Vorstellungen und Ideen können nicht Kulturkritik sein (siehe hierzu auch "Zur Geschichte der Kulturkritik"). Es geht darin nicht um ideologische Strömungen der Modernen oder Antimodernen und nicht um Menschenbilder oder Philosophie oder Idole eines besseren Lebens oder um ein an sich wahres Leben, sondern um den Erweis eines menschlichen Lebens gegen seine existente Form. Widerstandskultur setzt demnach eine Kulturkritik voraus, welche in der Lage ist, diesen Beweis zu führen, ohne dass die Beweisführung selbst menschliche Verhältnisse nur kulturalisiert.

Andrerseits muss man auch erkennen, dass menschliche Gesellschaft nicht alleine auf Nutzen und Arbeit, also nicht nur auf Wirtschaft gründet, sondern selbst wesentlich menschliche Kultur darstellt. Arbeit erzeugt zwar nützliche Dinge auch als Kulturdinge, als Kulturgüter, welche dem Inhalt nach menschliche Bedürfnisse befriedigen, aber sie ist zum anderen auch nur der notwendige Aufwand hierfür. Dem Widerstand der Arbeiterbewegung gegen den Kapitalismus war das Nötige auf die Stirn geschrieben, aber die kulturelle Emanzipation der menschlichen Bedürfnisse, um die es auch im Arbeitsprozess wesentlich gehen soll, war so nicht ganz ihre Sache.

Die Globalisierung des Kapitals hat die Konfrontation mit ihm zudem so verallgemeinert, dass die Produktionsstätten selbst nicht mehr als gesellschaftlicher Ort der Produktion erscheinen, sondern selbst nur als Kapitalform des Geldmarktes gegenwärtig sind. Von daher ist die Beweglichkeit des Kapitals unbeschränkt und bestimmt sich eher durch die Angst vor Kapitalflucht und der damit verbundenen Stellenreduzierung, als dass sich hierbei noch ein relevanter Widerstand gegen die politische Ökonomie und ihrer Logik möglich ist.

Derweil hat sich die Ausbeutung von Mensch und Natur vertieft und greift in die Reproduktionsstätten der Menschen imer tiefer ein, unterwirft sich Natur, Infrastrukturen, Verkehrsmittel, Immobilien, Energieträger usw, also alles, was dem Grundbedarf der Menschen zuzurechnen ist. die Grundlagen der menschlichen Kultur, die Kulturgüter wie z.B. Wohnraum, Kommunikation, Kultur, Wissen, Bildung, stehen damit selbst zur Disposition. Direkt betroffen davon sind nicht nur die Arbeitsleute, sondern die ganze kommunale Reproduktion, die Auflösung des lokalen Gewerbes, der Landwirtschaft, der Energieversorgung, der Verkehrseinrichtungen usw. Das Kapital erhält immer mehr die Eigenschaft eines Feudalherrn (siehe Feudalkapitalismus).

Zum Widerstand gegen die Globalisierung gehört daher zu allererst der Widerstand gegen die Vermarktung von lokalem Gewerbe, lokalem Wohnungsbau, der regionalen Energieversorgung und den kommunalen und staatlichen Einrichtungen für den Selbsterhalt (Schulen, Verkehrsmittel, Bildungseinrichtungen, Alten- und Jugendbetreuung usw.). Es geht hierbei nicht um die politische Form, nicht um die Kommune als politische Gliederung eines Staatswesens und auch nicht um den Nationalstaat, sondern um den Ansatzpunkt einer menschlichen Reproduktion, welche nur in einem ihr entsprechenden Gemeinwesen für alle Beteiligten durchsichtig vollzogen werden kann.

Eine Widerstandskultur kann nur im Widerspruch zu den bestehenden politischen Formationen sich bilden, indem sie sich als Produktionsform, zumindest und zu allererst als Reproduktionsform eines menschlichen Lebenszusammenhangs erweist. Das verlangt vor allem, dass sie sich weitestgehend den Kapitalkreisläufen des Geldes entziehen kann und menschliche Reproduktion zu einer wesentlich kommunalen Angelegenheit macht. Diese mag erst mal in alternativen Einrichtungen oder Selbstverwaltungen oder genossenschaftlichen Betrieben eingeführt werden. Doch in rein familiaren Strukturen lässt sich kein gesellschaftlicher Zusammenhang auf Dauer verwirklichen. Diese müssen daher in eine möglichst lückenlose kommunal gegliederte Selbstverwaltung übergehen. Die Übernahme der vom Aktienkapital veräußerten Betrieben und Wohnungen und einem Einkaufsverbot für Aktiengesellschaften wäre ein erster wichtiger Schritt, den auch heute schon Kommunalpolitik gehen kann. Ihr Ziel aber muss letztlich die Bildung einer Infrastruktur von einer Arbeit sein, die in Vertragswirtschaft die Selbsterhaltung der beteiligten Menschen sichert.

Ohne die Einrichtung eines kommunalen Geldkreislaufs, der völlig unabhängig von Kapitalinteressen ist, wird das nicht gehen. Der nächste Schritt in einer Widerstandskultur wäre demzufolge die Herstellung eigener Geldkreisläufe mit einem Geld, das nur als Zahlungsmittel fungieren kann. Und das wäre ein Geld mit Einführungs- und Verfallsdatum, dessen Existenzdauer an die der damit dargestellten Arbeitsprodukten gebunden ist. Das wäre als Computergeld auf Chipbasis heute leicht zu handhaben, z.B. als Schwundgeld, das mit seiner Verweildauer auf dem Markt seinen Wert prozentual verliert.