Einsamkeit

Aus kulturkritik

Einsamkeit ist das Leiden an einer Isolation, an einer gesellschaftlichen Ausgeschlossenheit, an einer unrealisierten Beziehung auf andere, an der Abwesenheit von Menschen, die in dieser Beziehung als Anwesende notwendig - weil hierfür wesentlich - sind. Die Notwendigkeit rührt aus dem Schmerz der Abtrennung von gesellschaftlichen Inhalten, letzlich auch aus Naturempfiindung, die darin aufbewahrt ist, nicht als Naturnotwendigkeit aber als verselbständigte Wirkung des Entzugs von natürlichem gesellschaftlichem Sein.

In der Einsamkeit ist allerdings nicht nur eine Beziehung als Unwirklichkeit gegenwärtig, sondern vor allem der Verlust von Anwesenheit, von körperlicher Nähe in einem Lebensraum ihrer zwischenmenschlichen Beziehungen, in welchem sich die Menschen allgemein das Material für die Wahrnehmung ihres Lebens, Mittel ihrer Selbstwahrnehmung sind: In zwischenmenschlichen Verhältnissen, worin sie sich für ihr Leben benötigen, weil sie in ihrer Geschichte nicht zusammenwirken können, weil ihnen ihre gesellschaftliche Geschichte verschlossen ist.

Die bürgerliche Gesellschaft war die erste Gesellschaft, in der sich die Menschen freiwillig isolieren (Marx), durch ihre Veräußerungen vereinsamen, sich in ihrer Gesellschaft und durch ihre Gesellschaftlichkeit entäußern. Ihr gesellschaftlicher Zusammenhang existiert eben nur gebrochen in der Form ihrer Erzeugnisse, einer ungeheueren Warensammlung, in der ihr Reichtum existiert. Sie kann durch die Teilung der Arbeit und dem Dasein der Produkte nur in der Form unzähliger Trennungen existieren. Das Ganze der Getrenntheiten in ihren Verhältnissen kann daher als solches nur wahr sein, wenn das Einzelne darin wenigstens als abstrakten Beziehung auf das Ganze bewahrt ist. Und das Einzelne kann im Ganzen nur wahr sein, weil es seiner selbst nur im Ganzen wirklich ist. Und es ist sich durch seine Wirkungen im Ganzen gewahr, weil es durch seine Einzelheit das Ganze bildet und sich daher auch nur als Einzelnes im Ganzen erkennen kann - weil es darin eben sich selbst in seiner Allgemeinheit wahrhat die aus ihm begründet ist. Denn dies geht ihr geschichtlich voraus, bevor es allgemein (siehe auch Begriff) existieren, gesellschaftlich wesentlich werden kann.

Allerdings bewegt sich noch in der Religion das Allgemeine als abstrakter Mensch vom Himmel herunter und steigt auch dahin wieder auf. Aber der Übermensch umarmt den wirklichen Menschen um seine Isolation zu beherschen, seine Spaltung (siehe auch Teilung) zu totalisieren und sie ihm als allgemeine Notwendigkeit des Lebens mitzutilen, Der abstrakt allgemeine Mensch herrscht durch den Tod und verachtet den Menschen und seine Wirklichkeit, weil sie die Notwendigkeit seiner wirklichen Wesensnot ist.

Einsamkeit ist ohne Kritik an diesen Verhältnissen nicht nur ein Zustand, sondern selbst prozessierend, fortschreitender Selbstverlust, worin der Entzug von Leben verläuft, die Realabstraktion menschlicher Sinnlichkeit (siehe abstrakt menschlicher Sinn).