Gesundheit
"Der menschliche Leib ist von Natur sterblich. Krankheiten können daher nicht ausbleiben. Warum wird der Mensch erst dem Arzte unterworfen, wenn er erkrankt, und nicht, wenn er gesund ist? Weil nicht nur die Krankheit, weil schon der Arzt ein Übel ist. Durch eine ärztliche Kuratel wäre das Leben als ein Übel und der menschliche Leib als Objekt der Behandlung für Medizinalkollegien anerkannt. Ist der Tod nicht wünschenswerter als ein Leben, das bloße Präventivmaßregel gegen den Tod? Gehört freie Bewegung nicht auch zum Leben? Was ist jede Krankheit als in seiner Freiheit gehemmtes Leben? Ein perpetuierlicher Arzt wäre eine Krankheit, an der man nicht einmal die Aussicht hätte, zu sterben, sondern zu leben. Mag das Leben sterben: der Tod darf nicht leben. ... Hat der Geist nicht mehr Recht als der Körper? Allerdings hat man dies oft dahin interpretiert, daß den Geistern von freier Motion die körperliche Motion sogar schädlich und daher zu entziehen sei." (MEW 1, S. 59)
Gesundheit ist ein Ideal, das aus der Krankheit entstanden war, wo sie nicht von selbst wieder ins Leben findet, wo Leben in der Hemmung lebt und nicht so nat�rlich sein kann, dass es an einem Ideal der Gesundheit �berhaupt bemessen werden muss. Ein perpetuierlicher Arzt ist ein Gesundheitsberater und Gesundmacher, der sich gegen die Krankheit als K�mpfer verh�lt, als Lebensbeistand, der die Ideale kennt und vermittelt. Und nat�rlich ist das nur m�glich, weil es Krankeit gibt und jeder Mensch auch immer wieder mal krank wird und den Belastungen seiner Lebenswelt erliegt - eben weil es Krankheit als Besch�digung seiner gesellschaftlichen Funktionalit�t auch gibt (siehe auch Medizin). Und je m�chtiger die Lebensnotwendigkeiterscheinen, je belasteter die Menschen in diesen Funktionen sind, desto zentraler wird das Lebensideal der Gesundheit des Lebens. Je weniger es also seine Natur in seiner Freiheit �u�ern kann, desto mehr wird Gesundheit zu seiner Natur idealisiert, zur Gesundheitsideologie.
Gesundheit ist eigentlich nur zu fassen als ein subjektiver Begriff des Wohlbefindens, der von den Lebensbedingungen und allen Belastungen der Wirklichkeit absieht und die Integrit�t der Befindlichkeiten eines oder mehrer Individuum erfassen will. Als solcher Begriff unterstellt er zum einen die [[Normalit�t]] der Bedingungen als gew�hnlicher Durchschnitt, zum anderen aber ist er auch durchaus in der Lage, die Unm�glichkeit einer Integrit�t im Individuum festzustellen. Von dieser Seite kann er kritisch sein f�r eine Gesellschaft, in der die Mehrzahl der Individuen nicht zu einer Identit�t ihres Wohlbefindesns gelangen (vergl. z.B. den hohen Anteil von 10% an Depressionen in der BRD oder den "psychischen Krankheiten" �berhaupt).
Auch k�rperlich l�sst sich eine absurde Funktionalit�t erfassen, wenn z.B. ein Viertel der Bev�lkerung unter Fettsucht leidet (USA) und mit krankhaften Bewegungseinschr�nkungen und Blutwerten aufwartet, zumindest so lange, bis diese Werte f�r normal gehalten werden.