Informationsgesellschaft

Aus kulturkritik

Information ist der Treibstoff der Börse (n_tv-Werbespruch)

Der Begriff einer Informationsgesellschaft entspringt dem Neoliberalismus und behauptet einen gesellschaftlichen Zusammenhang durch Information, durch welchen eine Gesellschaft sich aus reinem Informations- und Wissensaustausch - sich materiell also im freien Spiel der Kräfte durch Informiertheit - entwickeln würde und sich jeder bestimmten praktischen Notwendigkeit entziehen, sich also auch frei hiervon entschließen und entfalten könne. Es ist dies ein Begriff, der sich gegen die Notwendigkeit seiner Bedingtheit, gegen die Bestimmtheit des Indormiertsein-Müssen getrennt hat und somit als Begriff einer neoliberalen Ideologie fungiert. Er will besagen, dass darin sich bereits die Überwindung der Notwendigkeiten der bisherigen Gesellschaftsform vollziehen würde, dass eine Informationsgesellschaft nicht mehr auf Arbeit gründen würde, die praktische Freiheit von notwendiger Arbeit beinhalte, weil sie die Gesellschaftsform moderner Technologie sei. Hierin wird bloß informelles Wissen als Produktionsfaktor verstanden, der sich über informelle Verbindungen (z.B. Agenturen oder Genossenschaften) bewirtschaften ließe und der zunehmend zum ausschließlichen Faktor gesellschaftlicher Produktivität werde. Von daher wird diese Entwicklung von einigen intellektuellen Gruppierungen auch schon als systemtranszendierende gesellschaftliche Keimform einer Wesensveränderung der Gesellschaft verstanden (siehe z.B. Wertkritik).

Informationsgesellschaft soll demnach auch eine neue Kultur entwickeln, in welcher das gesellschaftliche Zusammenwirken selbst auf informellen Beziehungen (z.B. Internet) gründen würde. Ein solcher Begriff ist - wie der einer Leistungsgesellschaft - ein Widersinn in sich: Gesellschaft ist Information, weil Information Gesellschaft macht. Worüber informiert sie dann? Natürlich über sich, über ihre Rezepturen und Haltungen und Werte. Und wozu? Um in aufgeklärter Gesellschaft zu sein, um Aufklärung im Wissen auch gesellschaftlich zu saktionieren und zu vollstrecken. Der gesellschaftliche Gehalt von Information ist damit geradezu in sein Gegenteil verkehrt, zum Mittel eines Selbstzwecks der Aufklärung an sich.

Zwar ist Information und ihre Agentur eine wichtige Technik der Bezugsvermittlung in einer Dienstleistungsgesellschaft. Aber sie kann kein gesellschaftliches Wesen sein, weil dies hieße, dass sich aus Information Gesellschaft begründen und entfalten könnte, die im informellen Bezug von Hier und Dort und Jetzt und Nachher sich erschöpfen könne. Informelle Vermittlung wäre damit eine Produktivkraft, welche einen wirklichen Zusammenhang z.B. als gesellschaftliche Agentur stifte und entwickle. Eine Agenturgesellschaft, also eine Gesellschaft, die nur aus Agenturleistungen begründet wäre, kann es aber nicht geben. Worüber sollte die informieren, was wirklich anders wäre, als das, was Information wirtschaftlich längst ausmacht: Nützlichkeit in einer Welt abstrakt geteilter Arbeit und ebensolchen Konsumverhältnissen? Ist nicht ein Großteil der Information, nämlich alles, was nicht Wissen ist, nicht zu einem immer größer werdenden Teil sogar überflüssig - z.B. als Spam, Müll oder Prothese denaturierter, weil isolierter Armseligkeit (Computerspiele, Sex am Bildschirm)? So wäre eine Informationsgesellschaft als Gesellschaft voller Informations- und Unterhaltungsautomaten eher als Gesellschaftsform des Tittytainments anzusehen, als dass darin eine gesellschaftliche Fortentwicklung zu erkennen wäre.

Und auch wenn es um Sachen geht, die Information verlangen, und die Menschen dadurch wirklich weiterkommen: Gibt es einen Zusammenhang von Menschen, die alle Rezepte, Technologien usw. kennen und davon leben könnten, ohne die auch herzustellen? Das beste Wurstrezept macht noch keine Wurst. Und Information über die notwenigen Bestandteile und Zusammenhänge ist längst noch kein Wissen, keine Erfahrung, keine Fähigkeit, also keine wirkliche Arbeit. Information hat keinen eigenen Stoff zur Erzeugung von Gütern des Lebensstandards und kann - wie auch Wissen selbst - nur ein Moment des Bewusstseins sein. Dies unterstellt immer Sein und kann es daher auch nicht begründen. Der Begriff ist also lediglich eine Vorstelllung von gesellschaftlichem Zusammenhang: Eine Ideologie, welche Informiertheit an sich verherrlicht und zur Lebensgrundlage machen will. Die Menschen darin würden sehr hungrig sein und auf die Almosen der Dritten Welt sehr angewiesen bleiben.