Nominalismus
„Gewöhnlich glaubt der Mensch, wenn er nur Worte hört, es müsse sich dabei doch auch was denken lassen.“ (Johann Wolfgang von Goethe, * 28. August 1749 in Frankfurt am Main; † 22. März 1832 in Weimar)
"Es ist dies nur eine andere Wendung der alten beliebten, ideologischen, sonst auch aprioristisch genannten Methode, die Eigenschaften eines Gegenstandes nicht aus dem Gegenstand selbst zu erkennen, sondern sie aus dem Begriff des Gegenstandes beweisend abzuleiten. Erst macht man sich aus dem Gegenstand den Begriff des Gegenstandes; dann dreht man den Spieß um und mißt den Gegenstand an seinem Abbild, dem Begriff. Nicht der Begriff soll sich nun nach dem Gegenstand, der Gegenstand soll sich nach dem Begriff richten." (Friedrich Engels, Antidühring, MEW 20, S. 89)
Nominalismus identifiziert Eigenschaften von Anschauungen, Gewohnheiten oder Theorien (siehe auch Ideologie) wie ein einzelnes Nomen mit einem dem entsprechenden Urteil oder auch Politikim Allgemeinen (siehe hierzu auch Politischer Nominalismus). Weil der Konstruktivismus der Postmoderne von einem fundamentalen Zweifel der objektiven Erkennbarkeit von Wirklichkeit ausgeht, kann er deren Wahrheit nur subjektiv verstehen. Durch den Nominalismus praktiziert der Konstruktivismus eine Weise seiner Weltsicht (siehe auch Erkenntnisinteresse), indem er in dem Wort, das die Sprache zur Bezeichnung eines Gegenstands zur Verfügung stellt, ihren Begriff schon verstanden wissen will, durch den er auch schon seine Gewissheit als gültige Seinsgewissheit hat (siehe auch Positivismus). Nominalismus bestreitet somit die Abstraktion einer Begrifflichkeit, also das Denken von Abstraktionen und in Abstraktion, nicht nur von Gedankenabstraktionen (z.B. Idee), sondern auch von Realabstraktionen.
"Die Spekulation, welche aus den verschiednen wirklichen Früchten eine "Frucht" der Abstraktion - die "Frucht" gemacht hat, muß daher, um zu dem Schein eines wirklichen Inhaltes zu gelangen, auf irgendeine Weise versuchen, von der "Frucht", von der Substanz wieder zu den wirklichen verschiedenartigen profanen Früchten, zu der Birne, dem Apfel, der Mandel etc. zurückzukommen. So leicht es nun ist, aus wirklichen Früchten die abstrakte Vorstellung "die Frucht" zu erzeugen, so schwer ist es, aus der abstrakten Vorstellung "die Frucht" wirkliche Früchte zu erzeugen. Es ist sogar unmöglich, von einer Abstraktion zu dem Gegenteil der Abstraktion zu kommen, wenn ich die Abstraktion nicht aufgebe." (MEW 2, Seite 59)
Mit der Wendung des begrifflichen zum sprachlichen Denken betreibt der Nominalismus gerade, was er kritisiert: Er macht Sprache zum Medium einer Wissenschaft, die damit ihren Gegenstand in der Weise bestärken muss, wie er in der Umgangssprache schon bezeichnet ist, und von daher auch nur nachgezeichnet werden kann. In der Begründung des Nominalismus von Berkley wird ein Denken der Abstraktion als in sich selbst falsches, abgehobenes Denken angesehen, das per se schon ideologisch sei. Es sei ein Wegdenken, das zwangsläufig schon ein Ressentiment als Metaphorik beinhalte, eine psychologische Eigenschaft der Seinsverfälschung an den Gegenstand des Denkens bindet. Wenn Wahrnehmungen in ihrer Einzelheit nicht auch in allgemeinen Begriffen des Denkens rekapituliert sind (man denke immer auch an bestimmte Bäume, wenn man an Bäume denkt), so hätten Begriffe auch keine gedankliche Qualität. Das Übel der Philosophie seien ihre Denkschulen und Denksysteme, die sich einem unvereingenommenen Empirismus quasi psychologisch vorlagern. Für Berkley waren Systeme des Denkens per se zweifelhaft und ideologisch, schon bevor sie ausweisen konnten, dass das Gedachte selbst System hat, das im Begriff als Ganzes erkannt sein muss. Jede Abstraktion, die ein Bild nur als Vorstellung vom Gegenstand enthält, jeder Hintersinn, der nicht bildhaft wahrnehmbar ist, wird so per se zur Mythologie des Denkers, zum logischen Irrtum seiner Spekulation, die zwangsläufig reaktionär wird (siehe reaktionäres Bewusstsein).
Das platte "auf der Hand liegen" des Gedankens hebt allerdings den Unterschied von Wesen und Erscheinung, überhaupt den Begriff einer logischen Ganzheit auf. Was dann übrigbleibt vom "Denken" ist die Rekapitulation der Wahrnehmung von Gegebenheiten, die lediglich in "Korrelationen" ihrer Allgemeinheit erfasst wird, die nur in ihrer raum-zeitlichen Nähe, in körperlich und geschichtlich unmittelbaren Relationen Begriffe bildet. In dieser Grundlegung wird Positivismus zur Falle des Faktischen, da er das Fakt zum Maßstab des Denkens macht (siehe Positivismusstreit). Das Denken kann das Fakt nicht mehr bezweifeln und das Fakt kann auch nicht zweifelhaft sein. Das ist die Denkschule des Nominalismus, der sich gegen jede Denkschule wendet: Das absolute Denkverbot. In diesem nominalistischen Zirkel begeht Denken seine Selbstabschaffung: Denken kann nur sich selbst bezweifeln. Was aber wäre dann Zweifel, wenn er nicht Gedanke werden kann?
Nominalismus kann es allerdings auch in einer heute weit verbreiteten Verkehrung geben, in der die Wahrnehmung selbst begrifflich verstanden wird, indem also mit Begriffen Wahrnehmungen zusammengefasst sind, bevor sie wirklich erfasst werden - als Subsumtion von Wahrnehmungen unter einem Begriff, der weder Idee, noch gedachte Abstraktion ist, sondern den Gegebenheiten lediglich politische Implikationen zuweist (siehe hierzu auch Dogmatismus). Hierbei wird der Begriff selbst nominell entleert, weil er sich nicht im Denken von Wirklichkeit zurückvermitteln und bewahrheiten lässt. Man könnte dies einen politischen Nominalismus nennen, was kennzeichnet, dass es sich hierbei um eine politisch negierte Ideologie, also um absolut politische Ideologie handelt. Diese ist vor allem Grundlage des esoterischen Denkens und des Rassismus.