Politischer Nominalismus
"Die politische Emanzipation ist die Reduktion des Menschen, einerseits auf das Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft, auf das egoistische unabhängige Individuum, andrerseits auf den Staatsbürger, auf die moralische Person.“ (Marx, Zur Judenfrage, Marx-Engels-Werke Bd.1, S. 370)
Politischer Nominalismus identifiziert Eigenschaften der politischen Gewohnheiten oder Theorien wie ein einzelnes Nomen mit einer dem entsprechenden Politikim Allgemeinen. Was wie eine Hautfarbe oder Herkunft hergenommen werden kann wird zu einem Wesen des Denkens überhaupt, zu einer Lebenshaltung oder Gesinnung verallgemeinert und politisch beurteilt, auch wenn es selbst überhaupt keinen wirklichen Gedanken enthält (z.B. Fordismus, Moderne, Postmoderne, Strukturalismus,Poststrukturalismus). Er betreibt somit die Identifizierung eines benannten Ereignisses mit dem Begriff eines politischen Willens, macht es zu einer unmittelbar politischen Willensbestimmtheit. Von daher betreibt der politische Nominalismus die Faktifizierung einer Meinung als politischen Willen, wodurch eine politisch unmittelbare Wirklichkeit allgemein als entschieden gelten soll. Er ist die Nominierung einer politischen Identität, die Identifikation einer bestimmten Politik mit dem Willen der handelnden Subjekte als politische Persönlichkeiten, so als wären diese selbst bloße Willensform eines an und für sich egoistischen Individuums, das sich durch seine eigene Allgemeinheit schon im Umsturz der Verhältnisse wähnt. Hierbei erscheint dann gerade das Unpolitische zur Natur des Politischen verkehrt:
"Der Mensch, wie er Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft ist, der unpolitische Mensch, erscheint aber notwendig als der natürliche Mensch. Die droits de l´homme erscheinen als droits naturels >natürliche Rechte<, denn die selbstbewußte Tätigkeit konzentriert sich auf den politischen Akt. Der egoistische Mensch ist das passive, nur vorgefundne Resultat der aufgelösten Gesellschaft, Gegenstand der unmittelbaren Gewißheit, also natürlicher Gegenstand. Die politische Revolution löst das bürgerliche Leben in seine Bestandteile auf, ohne diese Bestandteile selbst zu revolutionieren und der Kritik zu unterwerfen. Sie verhält sich zur bürgerlichen Gesellschaft, zur Welt der Bedürfnisse, der Arbeit, der Privatinteressen, des Privatrechts, als zur Grundlage ihres Bestehns, als zu einer nicht weiter begründeten Voraussetzung, daher als zu ihrer Naturbasis." (MEW 1, Seite 369f)
Dass solche Individuen zugleich als Charaktermasken ihrer Besitzverhältnisse agieren, ist darin aufgehoben, dass sie sich selbst als unittelbare und daher auch unvermittelte Bedingung ihre Tuns gelten. Durch Vermeidung jedweden Bezugs auf die Wirklichkeit und daher auch Umgehung jeder Analyse derselben wird diese Willensform nicht abgeleitet aus dem Lebensverhältnis, sondern selbst unmittelbar politisch begriffen, als Objekt der Politik, an das Ansprüche oder Gebote zu richten sind. Wie sie erscheint, ist sie zugleich politisch beantwortet und wird hierbei schnell zu einem mächtigen Subjekt, das auch gerne subjektiv benannt und mit ebensolchen Zusammenhängen bedeutet wird (z.B. als Jude, Christ, Moslem, Russe usw.).
"Die Deutschen haben in der Politik gedacht, was die anderen Völker getan haben. Deutschland war ihr theoretisches Gewissen. Die Abstraktion und Überhebung seines Denkens hielt immer gleichen Schritt mit der Einseitigkeit und Untersetztheit ihrer Wirklichkeit." (Marx-Engels-Werke Bd.1, S. 385)
Politischer Nominalismmus beansprucht eine Allgemeinheit im politischen Verhalten, die er aus der Konfrontation selbst bezieht, in welcher ihm die politische Emanzipation gelingen soll. Er appelliert an den Egoismus eines politischen Willen, der seinen Idealismus zum Prinzip erheben will, indem er darin schon die Überwindung des politischen Sastems behauptet. Seine "Revolution" ist nur eine politische Revolution und wird daher immer nur auf die Gesellschaftsform zurückfallen, die sie aufzuheben beansprucht, weil sie ihren Egoismus nur radikalisiereen kann.
"Der egoistische Mensch ist das passive, nur vorgefundne Resultat der aufgelösten Gesellschaft, Gegenstand der unmittelbaren Gewißheit, also natürlicher Gegenstand. Die politische Revolution löst das bürgerliche Leben in seine Bestandteile auf, ohne diese Bestandteile selbst zu revolutionieren und der Kritik zu unterwerfen. Sie verhält sich zur bürgerlichen Gesellschaft, zur Welt der Bedürfnisse, der Arbeit, der Privatinteressen, des Privatrechts, als zur Grundlage ihres Bestehns, als zu einer nicht weiter begründeten Voraussetzung, daher als zu ihrer Naturbasis. Endlich gilt der Mensch, wie er Mitglied der bürgerlichen Gesellschaft ist, für den eigentlichen Menschen, für den homme im Unterschied von dem citoyen, weil er der Mensch in seiner sinnlichen individuellen nächsten Existenz ist, während der politische Mensch nur der abstrahierte, künstliche Mensch ist, der Mensch als eine allegorische, moralische Person. Der wirkliche Mensch ist erst in der Gestalt des egoistischen Individuums, der wahre Mensch erst in der Gestalt des abstrakten citoyen anerkannt." (MEW 1, "Zur Judenfrage" S. 369f)
Der politische Nominalismus ist eine Umkehrung des Nominalismus, insofern er die Dinge nicht aus sich, sondern aus ihrer politischen Existenz heraus identifiziert. Von daher subsumiert er viele Wahrnehmungen von politischem Handeln in einer allgemeinen Wesenheit, unter einem Begriff, durch welchen sie zu einer politischen Form verallgemeinert werden, der sich den Begründungen von politischer Handlung enthebt. Es handelt sich dabei also nicht um fehlerhafte Begründungen oder Werturteile oder ideologische Ausrichtungen politischen Handelns (z.B. christlich, sozialdemokratisch, liberal usw.), sondern um die Fokussierung des Handelns auf einen oder mehrere allgemeine Gegner, der oder die für sich grundlos, lediglich durch derart begriffene Zugehörigkeiten als objektive Anwesenheit eines politischen Willens und also als Gegenstand für politisches Verhaltens angesehen werden, der sich aus einem politischen Jenseits begründet, meist aus einem kulturellen Wesen. Auf diese Weise werden daher auch besonders gerne politische Sachverhalte kulturalisiert.
Solche Identifikation verschafft sich durch Ausgrenzung des hierdurch fremd bestimmten einen eigenen Selbstwert, der alleine die Ausschließlichkeit als Fähigkeit zum Auschluß gewinnt, besonders in Szenen, die sich nicht politisch begründen müssen, weil sie ihr Handeln selbst als ausschließlich politische Identität und deren Äußerung leben und betreiben. So wird der politische Gegner nicht als wirkliches Gegenüber wahrgenommen, sondern aus nominalistischen Kategorien ausgeformt, die aus der Philosophie, der Ästhetik oder der Moral begründet sind (vergl. z.B. die Rassisten im Antisemitismus). Ziel dieser Identifikation ist daher eine Moralisierung der Selbstwahrnehmung. Es ist von daher das Verlangen einer Selbstveredlung.
Mit politischem Nominalismus geht meist monistisches Denken einher, das ihn leicht auch fanatisiert, da es dem Gegner ein Wesen verleiht, das übermenschlich erscheint und also auch dem eigenen Verhalten übermenschliche Dimensionen, meist in Form einer eigenen Sophistik zuweist. So konkret und real solcher Nomismus sich gibt und an allen Erscheinungsformen festmacht, die sich in seinem Willen zusammenfassen lassen, so abstrakt und irreal ist sein Bemühen. Gerade weil er durch keinen Begriff und keine Begründung bemessen ist, weder durch eine ideologische Setzung (z.B. wie Freiheit, Gleichheit usw.) noch durch ein klares Ziel, hat er seinen Zweck alleine in der Entgegensetzung zu politisch maskierten Phänomenen der Wirklichkeit, des Meinens und des Glaubens. Die Willkürlichkeit, die sich hierin immer bestätigen kann, weil sie sortiert, was sie als Sorte der Wirklichkeit haben muss, ist durch ihre Selbstisolation gefährlich, besonders wenn sie sich zudem noch mit seelischen Absichten vermengt. Es liegt schon in der Natur dieses Selektionsprozesses, dass das Nominierte zum Unheil wird und der Nominierende zum Erlöser, der sich hiergegen errichtet, indem er in hoher Allgemeinheit "an die Wand stellt", was für ihn der wahre Gegner ist. Der Schritt zur Ausrottung des so zusammengefasste Übel ist schnell gegangen, weil es nichts mehr gibt, was dem widersprechen kann - es sei denn, es sprechen die Mittel der Gewalt, die in solchem Nominalismus bereits mehr oder weniger schon getragen werden.
"Es ist dies nur eine andere Wendung der alten beliebten, ideologischen, sonst auch aprioristisch genannten Methode, die Eigenschaften eines Gegenstandes nicht aus dem Gegenstand selbst zu erkennen, sondern sie aus dem Begriff des Gegenstandes beweisend abzuleiten. Erst macht man sich aus dem Gegenstand den Begriff des Gegenstandes; dann dreht man den Spieß um und mißt den Gegenstand an seinem Abbild, dem Begriff. Nicht der Begriff soll sich nun nach dem Gegenstand, der Gegenstand soll sich nach dem Begriff richten." (Friedrich Engels, Antidühring, MEW 20, S. 89)