Politische Identität

Aus kulturkritik

"Es ist die alte Illusion, dass es nur vom guten Willen der Leute abhängt, die bestehenden Verhältnisse zu ändern ... Die Veränderung des Bewusstseins, abgetrennt von den Verhältnissen, wie sie von den Philosophen als Beruf, d. h. als Geschäft, betrieben wird, ist selbst ein Produkt der bestehenden Verhältnisse und gehört mit zu ihnen. Diese ideelle Erhebung über die Welt ist der ideologische Ausdruck der Ohnmacht der Philosophen gegenüber der Welt." (Marx MEW 3, S. 363)

Eine politische Identität ware das sich Gleichbleibende in politischen Entscheidungen, wo entschieden, wo also das Eine gegen das Andere gewägt werden muss. Im Jenseits solcher Notwendigkeiten ist diese Identität lediglich die Selbstbehauptung einer Lebenshaltung, wie sie als Lebenswert auch leicht präsentierbar ist und sich als bloße Meinung zu einem Ideal (siehe auch Ideologie) in einem nationalstaatlich bestimmten Lebensraum verhält (siehe repräsentativen Demokratie).

Die Repräsentanten einer repräsentativen Demokratie verstehen sich gerne als die Subjekte der gesellschaftlichen Geschichte, denn tatsächlich erscheint es oft so, als ob ihre Entscheidungen und Verträge – wenn sie über die Gewalt des Staates wirksam werden – ihren Lauf bestimmen würden. Nichts schmeichelt dem Selbstbewusstsein ihrer Persönlichkeit mehr, als dass die persönlichen Dofürhaltungen ihres politischen Wollens, ihre Vorstellungen zu den Lebensverhältnissen – der Menschen, die Lebenswirklichkeit ganzer Völker – davon abhängig sind was sie für gut oder schlecht halten. Die politische Elite ihrer Gesellschaft stimmt gerne zumindest darin überein, dass ihr politischer Wille als Maß und Ziel ihrer politischen Präferenzen allmächtig sein könne und daher falsche Gedanken ausschließlich über das Wohl und Wehe der Geschichte entschieden würde und daher schon vor aller Auseinandersetzung hierüber als Gesinnung gezüchtigt werden müsse (siehe hierzu auch Bücherverbrennung). Doch der politische Wille entstand immer schon in den verselbständigten Vorstellungen von einer gesellschaftlichen Gewalt, die um das Wohl und Wehe ihres Lebens zu kämpfen hätte. Mit der Vervollständigung und Vereinseitigungen der Gewalten des bürgerlichen Staates ist sie zum Lebensprinzip ihrer politischen Repräsentationen geworden.

"Das Prinzip der Politik ist der Wille. Je einseitiger, d.h. also, je unvollendeter der politische Verstand ist, um so mehr glaubt er an die Allmacht des Willens, um so blinder ist er gegen die natürlichen und geistigen Schranken des Willens, um so unfähiger ist er also, die Quelle sozialer Gebrechen zu entdecken." (Karl Marx in Kritische Randglossen zum Artikel eines Preussen, Marx-Engels-Werke Bd.1, S. 402

Niemand hatte das Prinzip der Vergesellschaftung eines politischen Willens und seiner Vereinseitigung radikaler bestärkt als der Philosoph der Aufklärung Immanuel Kant (siehe hierzu auch seinen kategorischen Imperativ), wodurch die Fortbildung der repräsentative Demokratie über das Glaubensbekenntnis "mündiger Politik" zu einer allmächtigen Nation der "Meister des Todes" (Paul Celon, 1920-1970) weltmächtig für den "Sinn des Seins" einer Fundamentalontologie gemacht hatte (siehe hierzu auch Martin Heidegger). Durch die Anmutung einer höheren, weil allgemeineren Zweckmäßigkeit begründet sich die Selbstgerechtigkeit eines Moralismus des Verstandes, der als politischer Wille aus der bloßen Vorstellung einer abwesenden Gemeinschaft gespeist wird (siehe auch autoritärer Charakter) und der daher auch alles verspeist, was sich aus dem Großen und Ganzen der eigenen Lebensverhältnisse begründen lässt (siehe auch Religion).

Personen mögen über die Verfolgung bestmmter Lebenshaltungen und ihrer Medien entscheiden können. Politisch kann aber nur die Eigenschaft einer substanziellen Beziehung sein. Ohne diese ist sie lediglich Anspruch an sich selbst, nur ideel, Ideologie. Eine politische Identität kann daher begrifflich nur Widersinnig sein, weil sie sich selbst politisieren müsste, um mit sich identisch zu sein. Dennoch wird sie als Anspruch einer politisch bestimmten Wahrnehmungsidentität immer wieder angeführt. Das hat auch in der linken Bewegung dazu geführt, dass die Repräsentation einer bestimmten Politik mit ihrer politischen Bedeutung verwechselt wurde. So verschwand z.B. die Kritik der politischen Ökonomie in einer Kritik der Wirtschaftlichkeit überhaupt, die Kritik der politischen Ästhetik in einer Kritik der Wahrnehmung von bürgerlicher Kultur überhaupt (siehe hierzu auch Adorno).

"In der Tat, man muss jeder historischen Kenntnis ermangeln, um nicht zu wissen, dass es die Regierungen sind, die zu allen Zeiten sich den wirtschaftlichen Verhältnissen fügen mussten, aber niemals die Regierungen es gewesen sind, welche den wirtschaftlichen Verhältnissen das Gesetz diktiert haben. Sowohl die politische wie die zivile Gesetzgebung proklamieren, protokollieren nur das Wollen der ökonomischen Verhältnisse." (K. Marx, Elend der Philosophie, MEW 4, 109)

Politik gründet auf Zielvorstellungen, die durch Beeinflussung der allgemeinen gesellschaftlichen Verhältnisse zu verwirklichen sein sollen. Von daher begründet sich Politik im Allgemeinen durch einen Willen, diese Zielsetzung zu erreichen: auf einem politischen Willen. Aber aus einer Zielsetzung lässt sich keine Identität bestimmen, wohl aber viele Vorstellungen darin vereinen, wie sie in den Verhältnissen des Warentauschs marodieren, weil sie überhaupt nur Spekulation einer mystifizierten Wahrnehmung vom Standpunkt einer bildungsbürgerlichen Trittbrettfahrerei sind, als könne man in diesen Verhältnissen aus allgemeinen Vorstellungen ein konkret erwünschtes politisches Verhältnis, aus einem persönlichen Verhalten eine allen "gerechte Gesellschaft" ableiten (siehe hierzu auch Aufklärung). Dagegen entwickelte der so genannte Realsozialismus absurde Perversionen einer gesellschaftlichen Entwicklung, die sich mit einer strikten Befolgung des Wertgesetzes (siehe hierzu auch Strukturalismus) begründete und den Sozialismus des Ostens zu einem Staatskapitalismus totalisierte (siehe hierzu auch Linksfaschismus)

"Die Spekulation, welche aus den verschiednen wirklichen Früchten eine "Frucht" der Abstraktion - die "Frucht" gemacht hat, muß daher, um zu dem Schein eines wirklichen Inhaltes zu gelangen, auf irgendeine Weise versuchen, von der "Frucht", von der Substanz wieder zu den wirklichen verschiedenartigen profanen Früchten, zu der Birne, dem Apfel, der Mandel etc. zurückzukommen. So leicht es nun ist, aus wirklichen Früchten die abstrakte Vorstellung "die Frucht" zu erzeugen, so schwer ist es, aus der abstrakten Vorstellung "die Frucht" wirkliche Früchte zu erzeugen. Es ist sogar unmöglich, von einer Abstraktion zu dem Gegenteil der Abstraktion zu kommen, wenn ich die Abstraktion nicht aufgebe." (MEW 2, Seite 59)

Politiker reden gerne über die politische Identität ihrer politischen Partei und meinen damit meist die Zusammenfassung ihrer politischen "Erkenntnisse", aus denen heraus sie ihr Handeln begründet wissenwollen. Was aber kann eine "politische Erkenntnis" sein? Doch nur, dass etwas nicht so ist, wie es sein sollte oder wie man es gerne hätte, also nichts ist, was es ist, substanzielleabsolut Unidentisches. Aber in einer politischen Kultur verhält sich dieses durch deren Wirkung auf das Verhalten einer Bevölkerung als eine substanzielle Kraft. Einer politischen Kultur geht um den Glauben an das Image in einer Welt, in der die Kultur einen Eigenwert als den Existenzwert eines wirtschaftlichen Vorteils darstellt, der sich nicht in einer ImageSache verhält, sondern sich aus der Konkurrenz von Handelsbilanzen für die Selbstwahrnehmung ergibt. Im Image verhält sie sich als Formbestimmung der Produktivkraft der Selbstwahrnehmung, wodurch die Vorstellung einer objektiven Wirksamkeit der Beziehung auf sich selbst durch diesen Eindruck auch als Kraft einer Selbstbeziehung in zwischenmenschlichen Verhältnissen betrieben wird (siehe hierzu auch Narzissmus).

Eine politische Identität entstand zunächst aus dem nationalen Konservativmus des politischen Willens im Kampf gegen Entfremdung, die personalsiert interpretiert und durch Ächtung "betraft" werden sollte. So entstand eine verheerende Selbstgerechtigkeit eines politischen Moralismus, einer Sitte als Leitkultur, schließlich der Autoritarismus eines völkischen Patriarchats. Dieses vermittelte sich in der kulturellen Überlieferung als Angst vor einem Identitätsverlust, und bewirkte einen nationalistischen Familiarismus und die zugehörige Kulturelle Hegemonie (Burschanschaften, Junge Freiheit), zur autoritären Demokratie einer Tendenz einer gesellschaftlichen Entmenschung. Dagegen stand schon längst der Utopismus des radikalen Subjekts, des individualistischen Anarchismus (siehe Max Stirner "Ich hab mein Sach auf mich gestellt"). Schließlich hatte der Kommunalismus das konkrete Gemeinwesen als Grundlage und Inhalt für eine konkreten Utopie entdeckt, die die Teilung der Gesellschaft überwinden können sollte.

"Die durch die moderne Teilung der Arbeit, die moderne Form des Austausches, die Konkurrenz, die Konzentration usw. bedingte Ungerechtigkeit in den Eigentumsverhältnissen geht keineswegs aus der politischen Herrschaft der Bourgeoisklasse hervor, sondern umgekehrt, die politische Herrschaft der Bourgeoisklasse geht aus diesen modernen ... Produktionsverhältnissen hervor." (MEW 3, Seite 338)

Als "Erkenntnis" erfuhr Politik immer eine schlechte Wesenslogik, politischer Nominalismus. Und auch eine Identität in politischem Handeln ist ein Widersinn in sich, sowohl subjektiv wie objektiv: Wie kann ein Mensch in seinem Willen, etwas Politisches zu erreichen, mit sich identisch sein oder damit identisch sein, dass er sich in seinem politischen Willen mit dessen Gegenstand gleichsetzt? Oder wie kann eine politisches Ereignis (z.B. Wahlkampf, Boykott usw.) dazu führen, dass ein Mensch darin mit sich identisch wird? Handelt er nicht ausdrücklich im Sinne von vielen (Polis), deren Wille sich zwar in seinen Gedanken allgemein fassen mögen, aber doch niemals im Menschen selbst! Er müsste seine Existenz vollständig verleugnen (siehe auch Existenzwert).

Das mag auch das wahre Interesse sein, das hinter solchem Gerede steckt, ist es doch meist die Rede innerhalb der politischen Klasse oder einer politischen Szene. Wer begründet da sein Tun schon gerne aus sich heraus, worin offenkundig wäre, dass er seine Verbindung zu den Menschen, die er politisch als einer von ihnen vertreten will, längst verloren hat, dass z.B. repräsentative Demokratie immer schon eine Hintergehung des Wählers mit sich bringt, weil sie einen Willen durch dessen Repräsentation vorgaukeln muss, welcher dessen Meinung entsprechen soll? Politik ist immer etwas anderes, Form für sich innerhalb bestehender Form. Und wer Politik selbst als politischen Willen zu einer Form des Bestehenden begreift, kann niemals sich in dieser Form selbst verstehen. Eine Politische Identität kann es nicht geben - es sei denn als Täuschung oder Selbsttäuschung. Siehe daher besser Kritik der politischen Ökonomie und Kritik der politischen Kultur. Die Aufhebung von Politik kann nur Wissen als Bewusstsein der menschlichen Geschichte und Wirklichkeit sein, Wissenschaft im strengen Wortsinn.