Politische Partei

Aus kulturkritik

"Mit Recht fordert ... die praktische politische Partei in Deutschland die Negation der Philosophie. Ihr Unrecht besteht nicht in der Forderung, sondern in dem Stehnbleiben bei der Forderung, die sie ernstlich weder vollzieht noch vollziehen kann. Sie glaubt, jene Negation dadurch zu vollbringen, daß sie der Philosophie den Rücken kehrt und abgewandten Hauptes - einige ärgerliche und banale Phrasen über sie hermurmelt. Die Beschränktheit ihres Gesichtskreises zählt die Philosophie nicht ebenfalls in den Bering der deutschen Wirklichkeit oder wähnt sie gar unter der deutschen Praxis und den ihr dienenden Theorien. Ihr verlangt, daß man an wirkliche Lebenskeime anknüpfen soll, aber ihr vergeßt, daß der wirkliche Lebenskeim des deutschen Volkes bisher nur in seinem Hirnschädel gewuchert hat. Mit einem Worte: Ihr könnt die Philosophie nicht aufheben, ohne sie zu verwirklichen.

Dasselbe Unrecht, nur mit umgekehrten Faktoren, beging die theoretische, von der Philosophie her datierende politische Partei. Sie erblickte in dem jetzigen Kampf nur den kritischen Kampf der Philosophie mit der deutschen Welt, sie bedachte nicht, daß die seitherige Philosophie selbst zu dieser Welt gehört und ihre, wenn auch ideelle, Ergänzung ist. Kritisch gegen ihren Widerpart, verhielt sie sich unkritisch zu sich selbst, indem sie von den Voraussetzungen der Philosophie ausging und bei ihren gegebenen Resultaten entweder stehenblieb oder anderweitig hergeholte Forderungen und Resultate für unmittelbare Forderungen und Resultate der Philosophie ausgab, obgleich dieselben - ihre Berechtigung vorausgesetzt - im Gegenteil nur durch die Negation der seitherigen Philosophie, der Philosophie als Philosophie, zu erhalten sind. Eine näher eingehende Schilderung dieser Partei behalten wir uns vor. Ihr Grundmangel läßt sich dahin reduzieren: Sie glaubte, die Philosophie verwirklichen zu können, ohne sie aufzuheben." (MEW 1, S. 384)

Jede Partei ist ein Bündnis, stellt die Parteinahme für Entscheidungen innerhalb des Ganzen einer Gemeinschaft dar und ist von daher von sich aus schon politisch. Indem sie aber ihre Parteinahme selbst nochmal als politisches Etikett – wie z.B. freiheitlich, christlich, sozial oder völkisch – zusammenfasst, verdoppelt sie ihre Politik zu einer Lebenshaltung als Gesinnung zu einer Geschichte im Ganzen eines großen Gedankens, formuliert teleologisch deren Ziel, z.B. durch eine Ideologie oder Religion. Von daher kann es keine kommunistische Partei geben. Kommunismus kann daher nur eine wirkliche Bewegung sein – keine Diktatur eines politischen Gruppierung, keine "Übergangsgesellschaft" und kein politischer Zustand des "Fortschritts" einer politischen Partei.

„Der Kommunismus ist für uns nicht ein Zustand, der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten habe. Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt.“ ((K. Marx, Dt. Ideologie, MEW 3, S. 35)

Politik hat immer explizite oder implizite philosophische Voraussetzungen, die entweder durch eine Ideologie oder als Bewusstsein formuliert werden. Als Bewusstsein ist sie das Resutat einer Analyse, in der theoretische und praktische Notwendigkeiten erwiesen wurden und gesellschaftlich notwendiges Handeln erschließen. Politik vollzieht daher einen Zusammenhang von theoretischem und praktischem Bewusstsein.

Um diesen geht es in der Auseinandersetzung von Marx mit Lassalle, der das Proletariat als "Volk" einer "Übergangsperiode" das "Staatswesen" als solches schon zum Untergang zwingen könne. Es war ein Ziel, das von Lenin als Grundlage für eine kommunistischen Avantgarde als Kaderpartei hernahm und ihm die Inbesitznahme der "Staatsmaschine" zuwies, das im revolutionieren Prozess einer Diktatur des Proletariats untergehen würde. Im Grund war es ein sozialdemokratisches Prinzip, das damit entworfen worden war, das von Marx schon in seiner Kritik bei deren Grundung in seiner Kritik des Gothaer Programms diskutierte.

"Zunächst nach II erstrebt die deutsche Arbeiterpartei "den freien Staat". Freier Staat - was ist das? Es ist keineswegs Zweck der Arbeiter, die den beschränkten Untertanenverstand losgeworden, den Staat "frei" zu machen. Im Deutschen Reich ist der "Staat" fast so "frei" als in Rußland. Die Freiheit besteht darin, den Staat aus einem der Gesellschaft übergeordneten in ein ihr durchaus untergeordnetes Organ zu verwandeln, und auch heutig sind die Staatsformen freier oder unfreier im Maß, worin sie die "Freiheit des Staats" beschränken. Die deutsche Arbeiterpartei - wenigstens, wenn sie das Programm zu dem ihrigen macht - zeigt, wie ihr die sozialistischen Ideen nicht einmal hauttief sitzen, indem sie, statt die bestehende Gesellschaft (und das gilt von jeder künftigen) als Grundlage des bestehenden Staats (oder künftigen, für künftige Gesellschaft) zu behandeln, den Staat vielmehr als ein selbständiges Wesen behandelt, das seine eignen "geistigen, sittlichen, freiheitlichen Grundlagen" besitzt.((K. Marx, Dt. Ideologie, MEW 19, S. 27f)

"Nach dem Lassalleschen "ehernen Lohngesetz" das Heilmittel des Propheten! Es wird in würdiger Weise "angebahnt"! An die Stelle des existierenden Klassenkampfes tritt eine Zeitungsschreiberphrase - "die soziale Frage", deren "Lösung" man "anbahnt". Statt aus dem revolutionären Umwandlungsprozesse der Gesellschaft "entsteht" die "sozialistische Organisation der Gesamtarbeit" aus der "Staatshilfe", die der Staat Produktivgenossenschaften gibt, die er, nicht der Arbeiter, "ins Leben ruft". Es ist dies würdig der Einbildung Lassalles, daß man mit Staatsanlehn ebensogut eine neue Gesellschaft bauen kann wie eine neue Eisenbahn!“ ((K. Marx, Dt. Ideologie, MEW 19, S. 27)

„Es fragt sich dann: Welche Umwandlung wird {durch} das Staatswesen in einer kommunistischen Gesellschaft untergehn? In andern Worten, welche gesellschaftliche Funktionen bleiben dort übrig, die jetzigen Staatsfunktionen analog sind? Diese Frage ist nur wissenschaftlich zu beantworten, und man kommt dem Problem durch tausendfache Zusammensetzung des Worts Volk mit dem Wort Staat auch nicht um einen Flohsprung näher. Zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Gesellschaft liegt die Periode der revolutionären Umwandlung der einen in die andre. Der entspricht auch eine politische Übergangsperiode, deren Staat nichts andres sein kann als die revolutionäre Diktatur des Proletariats.

Jedoch haben die verschiednen Staaten der verschiednen Kulturländer, trotz ihrer bunten Formverschiedenheit, alle das gemein, daß sie auf dem Boden der modernen bürgerlichen Gesellschaft stehn, nur einer mehr oder minder kapitalistisch entwickelten. Sie haben daher auch gewisse wesentliche Charaktere gemein. In diesem Sinn kann man von "heutigem Staatswesen" sprechen, im Gegensatz zur Zukunft, worin seine jetzige Wurzel, die bürgerliche Gesellschaft, abgestorben ist.

Es fragt sich dann: Welche Umwandlung wird das Staatswesen in einer kommunistischen Gesellschaft untergehn? In andern Worten, welche gesellschaftliche Funktionen bleiben dort übrig, die jetzigen Staatsfunktionen analog sind? Diese Frage ist nur wissenschaftlich zu beantworten, und man kommt dem Problem durch tausendfache Zusammensetzung des Worts Volk mit dem Wort Staat auch nicht um einen Flohsprung näher.

Zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Gesellschaft liegt die Periode der revolutionären Umwandlung der einen in die andre. Der entspricht auch eine politische Übergangsperiode, deren Staat nichts andres sein kann als die revolutionäre Diktatur des Proletariats.

"Die deutsche Arbeiterpartei verlangt, um die Lösung der sozialen Frage anzubahnen, die Errichtung von Produktivgenossenschaften mit Staatshilfe unter der demokratischen Kontrolle des arbeitenden Volks. Die Produktivgenossenschaften sind für Industrie und Ackerbau in solchem Umfang ins Leben zu rufen, daß aus ihnen die sozialistische Organisation der Gesamtarbeit entsteht."Staat nichts andres sein kann als die revolutionäre Diktatur des Proletariats.

Das Programm nun hat es weder mit letzterer zu tun, noch mit dem zukünftigen Staatswesen der kommunistischen Gesellschaft. ((K. Marx, Dt. Ideologie, MEW 19, S. 27ff)

„Was den Kommunismus auszeichnet, ist nicht die Abschaffung des Eigentums überhaupt, sondern die Abschaffung des bürgerlichen Eigentums. Aber das moderne bürgerliche Privateigentum ist der letzte und vollendetste Ausdruck der Erzeugung und Aneignung der Produkte, die auf Klassengegensätzen, auf der Ausbeutung der einen durch die andern beruht. In diesem Sinn können die Kommunisten ihre Theorie in dem einen Ausdruck: Aufhebung des Privateigentums, zusammenfassen." (MEW 4, 475)

Eine Partei ist immer ein Teil eines ganzen Zusammenhangs, der sich darin verhalten muss, weil er auch für sich existiert und ohne das Ganze in Not gerät. Eine politische Partei ist die Versammlung einer politischen Position innerhalb eines ganzen Wirtschaftsverhältnisses. Diese kann sich begründen aus realen oder gedanklichen Unterschieden, real durch die Vertretung (siehe auch qualifizierte Delegation) aus der Arbeits- und Konsumwelt (siehe auch Rätedemokratie), gedanklich durch unterschiedliche Vorstellungen zu einer gesellschaftlichen Entwicklung (Ideologie), welche Wählermeinungen gruppiert und als politisches Verhältnis derer Repräsentanten in den Parlamenten debattiert und hieraus die Verhältnisse eines allgemeinen politischen Willens quantifiziert (siehe auch Repräsentative Demokratie).

Eine reale Parteinahme kann sich nur aus der qualifizierten Delegation aus den wirtschaftlichen Bereichen der Gesellschaft ergeben, die in einer Rätedemokratie aus bestimmten Berufsständen und Konsuminteressen zusammenkommen (z.B. durch gewerkschaftliche Vertretungen oder Konsumentenvertretungen).

Die Politische Partei ist in der bürgerlichen Demokratie ein Moment des politischen Willens, der als politische Position entweder an der Macht oder in der Opposition von Persönlichkeiten repräsentiert wird, die mit dem Mainstream einer durch Meinungen versammelten Ideologie ausgezeichnet wurden. Solche Parteien begründen sich daher in einer ideologischen Parteinahme im Staatswesen. Gewählt werden sie durch die Wählermeinungen, die sich in ihnen personifizieren. Die Parteien verfolgen demnach die Polarisation von Ideologien nach Maßgabe der Zustimmung aus Meinungen, die sich die Menschen über ihre Existenz bilden und den Parteien mehr oder weniger passend zuordnen.

In der Diskussion darüber, ob eine politische Partei der Lohnarbeiter nötig und als Avantgarde des Proletariats revolutionär sein kann, gab es schon im Kommunistischen Bund in der Mitte des 19. Jahrhunderts einen Streit um das, was sie sein kann: Entweder Avantgarde eines per se revolutionären politischen Willens derArbeiterklasse als kommunistische Partei oder Partei der sozialen Lage der Lohnarbeiter, die darin ihren polilischen Kampf um ihre Existenz auf den Staat bezogen formatieren.

Marx bezeichnete in der Auseinandersetzung im Kommunistischen Bund die Avantgardisten, gegen die er sich entschieden wehrte, als Revolutionsmacher und trat für eine Partzei der Lohnarbeit ein, die nicht von einer Gesinnung oder Ideologie schon bestimmt sein sollte, sondern die Partei lediglich als Mittel im Kampf um die Existenz der Arbeiterschaft und der Auseinandersetzung über ihren Lebensstandard innerhalb der bürgerlichen Lebensverhältnisse nützen sollte, um sich auf deren Überwindung vorzubereiten. Von daher aber geriet er nicht nur in einen Streit mit den Avantgardisten, sondern auch den Vordenkern der Sozialdemokratie, besonders Ferdinand Lasalle, gegen die er sich in seiner Kritik ihres Gründungspapiers, dem Gothaer Programms verhielt.

Es ging dabei immer schon darum, wieweit eine Partei selbst schon einen Gemeinsinn entwickeln muss, oder wieweit sie sich frei auf eine gesellschaftliche Lage beziehen kann. Für Marx sollte eine politische Partei das politische Mandat der Gewerkschaften sein, die sich in der Auseinandersetzung um die politischen Gewalten des bürgerlichen Staats positionieren müssen, um seine Überwindung in Gang zu setzen. Gegen eine Partei der Gesinnung wandte er sich besonders auch gegen die Auffassungen von Bakunin, der in der Parei die Einheit des Gedankens und des Handelns als politische Gesinnung verwirklichen und damit die politischen Auseinandersetzungen in den bürgerlichen Verhältnissen im Ganzenbestimmen wollte:

"Einheit des Gedankens und des Handelns heißt weiter nichts als Orthodoxie und blinder Gehorsam. Perinde ac cadaver. Wir befinden uns mitten in der Gesellschaft Jesu." K. Marx/F. Engels, Komplott, MEW 18, Seite 346