Staatsbankrott

Aus kulturkritik

Man sagt, ein Staatsbankrott sei unmöglich, weil der Staat immer auf das gesellschaftliche Potenzial zukünftiger Arbeit zurückgreifen kann. Das ist zwar richtig, beruht aber auf dem Glauben an ein unendliches Fortbestehen der Marktwirtschaft, durch welche Arbeitsprodukte immer zu handeln sei. Das unterstellt, dass die organischen Bedingungen, also die sozialen, wirtschaftlichen und politschen (rechtlichen) Funktionen eines Staates immer, also auch beim Versagen der gesamten Kapitalwirtschaft funktionieren. Doch das ist innerhalb einer globalsierten Kapitalwirtschaft nicht mehr sicher, wie es z.B. der Fall von Island und Irland gezeigt hat. Weil der Staat mit der Globalisierung selbst betriebswirtschaftlich kalkulieren muss, also selbst in Konkurrenz zu anderen Staaten seine Produkte auf dem Weltmarkt feilbietet, kann er durchaus unter die Grenze seiner Reproduktionsfähigkeit kommen, eben dann, wenn sein Geld nichts mehr wert ist - nicht, weil es Staatsschulden darstellt, sondern weil es in fremder Verschuldung durch das Kreditsystem der Weltwährung zerronnen ist. Von daher funktioniert seine weltpolitsche Betriebswirtschaft nicht mehr und der Kapitalverkehr im Inland bricht von daher zusammen.

Ein Staat, dessen Währung weltwirtschaftlich nicht mehr funktioniert, kann auch mit Staatsverschuldung nichts mehr ausgleichen. Und wenn er kein Geld mehr aufnehmen kann und mit seinen Finanzmitteln seine monetären, sozialen und politischen Aufgaben nicht mehr erfüllen kann, so ist er dann bankrott. Die Staatskasse beruht nur auf Steuereinnahmen, Sozialgelder und Devisenüberschuss. Staatsbankrott bedeutet daher eigentlich, dass dem Staat die politische Gewalt zu weitergehender Steuererhöhung abgeht, weil die Produktion in seinem Land das Maß seiner Schulden und Geldentwertungen nicht mehr ausgleichen kann, und weil ihm zugleich Devisengewinne nicht meh möglich sind, weil seine weltpolitische Gewalt zur Weltspreisstabilisierung seiner Währung nicht hinreicht. Durch die Verbürgung seiner Schulden durch seine Bürger kann er sich dann noch halten, solange deren Arbeitsproduktivität noch wertmäßig hinreicht. Das verlangt aber eine Verbürgungsmacht über sie, die der Logik des Kapitalismus widerspricht. Man muss dann von einem Feudalkapitalismus reden. Staatsbankrott verlangt also immer eine Erhöhung des staatlichen Gewaltpotenzials und ist die Hauptursache für Krieg und Gewalt gegen die Bevölkerung (s.a. Faschismus).

Kapital und Staat haben durch die Staatsverschuldung und ihre Finanzierung einen teuflischen Pakt geschlossen. Das vom Finanzkapital vorgeschossene Geld zur Deckung der Staatsverpflichtungen kann sich nicht für den Staat, sondern nur für das Kapital rentieren, indem es dort Zinsen dadurch bringt, dass der Staat seine Pflichten (z.B. für Bildung, Gesundheit, Verkehrswege, Komunikation) zu erfüllen hat, auch wenn sie durch die Steuern und die Sozialgelder nicht mehr finanzierbar sind. Sobald die Staatsausgaben sich nicht durch diese Staatseinnahmen decken lassen, wird über die Geldaufnahme bei den Banken eine Entwicklung eingeschlagen, die auf eine Alimentation des Geldes über Zinserträge hinausläuft, die sich nicht mehr aus der Kapitalanlage erwirtschaften können, sondern aus der Pflicht gedungen werden, ihre Verwertungsbedingungen in Ordnung zu erhalten.

Diese Zinsen sind im Wesentlichen durch nichts gedeckt und könnten nur durch ungewöhnlich hohe Steuereinnahmen oder Steuerersparnise finanziert werden, was aber im Widerspruch dazu steht, dass Steuern für den Wirtschaftskreislauf nicht höher als unbedingt nötig sein dürfen. Wo also soll die Zinsdeckung herkommen? Der Staat selbst hat außer durch den Devisenhandel der Bundesbank keine Möglichkeit, Kapital zu bilden. Reichen die Erträge durch die Ausbeutung von Devisen nicht mehr hierfür aus, so bedeuten Staatsschulden eine Selbstkasteiung des ganzen gesellschaftlichen Verhältnisses, das der Staat darstellt und vollzieht. Durch solche Staatsverschuldung nämlich wird er abhängig von den Zinssätzen seiner privaten Kreditgeber. Auch wenn die Bundesbank die Leitzinsen festlegt, so können die nur die wirtschaftlichen Notwendigkeiten des Wertwachstums reflektieren und sich nicht aus den eher unproduktiven Ausgaben des Staatshaushalts begründen. Letzterer kann also immer nur relativ zur Produktivität des Kapitals sich entwickeln. Zwischen der Zinsentwicklung des Kapitals und der jeweiligen Neuverschuldung des Staates bestehen daher sehr enge Zusammenhänge, die nur so lange analog verlaufen, wie sich Staatsausgaben produktiv auswirken. Eine Krise in der Produktivität des Kapitals stellt sich unmittelbar als Mindereinnahmen von Steuern und also als wachsende Staatsverschuldung dar. Wenn solche Krisen andauern, entsteht eine Abwärtsspirale zwischen Steuereinnahmen, die immer geringer werden, und Staatsschulden, die immer größer werden. Parallel zum Fall der Profitrate fällt auch die staatliche Finanzautonomie gegenüber dem Kapital: Der Staat wird abhängig von den Wertbestimmungen der Finanzwirtschaft, das von ihm ausgegebene Geld enthält selbst zunehmend nur spekulative Werte und wird also auch zunehmend zur Absicherung und Erfüllung von Spekulation ausgegeben. Im Unterschied hierzu bestehen die Zinsverträge als fixe und zugleich wachsende Ansprüche des Kapitals gegen den Staat, die unbedingt und stetig zu erfüllen sind. Die "Selbstalimentation der Geldvermögen" sichert sich durch diesen Kreislauf zwischen dem Wachstum der Zins- und Neuverschuldung des Staates und sinkenden Profiten. Nur wenn das Sozialprodukt aus irgendeinem Grunde wieder wächst, kann sich dies umkehren - und also ist der Staat mit den Interessen des Kapitals vollständig vereint, auch wenn er hierfür in einen Widerspruch zu seinen ursprünglichen Aufgaben für die Gesamtheit seiner Bürger gerät. Diese sind dann mit recht "politikverdrossen", weil der Staat zunehmend nicht mehr ihre Sache vertritt.

Staatsbankrott ist ein Zustand der Staatsverschuldung, bei welchem das Wachstum der Staatseinnahmen aus den Steuern des Bruttosozialprodukt vom Wachstum der Zinsausgaben für die Staatsverschuldung derart überschritten ist, dass sich die Zinsen nicht mehr finanzieren lassen und alle Möglichkeiten der Kapitaleinkünfte des Staates durch Verkäufe von Staatseigentum oder Lizenzen ausgeschöpft sind. Die Krisen des Kapitalismus enden immer in einer Krise des Staatshaushalt, weil sich dort das eigentliche Drama des Krisenzyklus konkret abspielt: Die Zinserwartungen von der Seite des Kapitals ergeben sich aus festen Kredtiverträgen mit dem Staat und durch ihn wird zugleich die Unfähigkeit wahr, den Erwartungen eines durch Zinsvereinbarung unterstellten Wirtschaftwachstums nicht mehr gerecht zu werden. Im deutschen Staatshaushalt machen die Sozialleistungen derzeit zusammen mit den Zinszahlungen bereits 60 % des Gesamtetats aus. Und alle 30 Sekunden macht irgendjemand in Deutschland einen Offenbahrungseid.

Je geringer das prozentuale Wachstum der Wirtschaft ist, desto dramatischer wirken sich die Folgen der festliegenden und sogar weiter wachsenden Ansprüche des Geldkapitals aus. Die Zinszahlungen gehen nicht in ein Wirtschaftswachstum des Staatshaushaltes ein, da dieser selbst keine wirtschaftliche Verwertung betreiben kann, sondern immer nur als Bedingung des Wirtschaftswachstums des Kapitals (siehe Wertwachstum) zu fungieren hat. Somit ist wachsende Staatsverschuldung und Zinsforderung ein zwangsläufiger Selbstzerstörungsprozess des Kapitalismus. Darin tritt das Kapital seiner eigenen Bedingung mit ökonomischer und politischer Macht entgegen. Der Staats steht unter seinem gewaltigen Druck und Anspruch und gibt diesen an die Bevölkerung weiter, die aber lediglich 4 % des Volksvermögens besitzt. Die exponentiell wachsenden Ansprüche des Kapitals auf Zinszahlungen überschreiten die Möglichkeiten der Zinszahlungen durch Steuergelder: Der Staat ist bankrott.

Die Zinszahlungen des Staates an das Kapital betrugen in Deutschland von 1970 bis 2000 insgesamt 970 Milliarden Euro, die zum größten Teil bis heute die Staatsschulden ausmachen und jährlich 67 Milliarden Zinsen einfordern, durch Zinsverszinsung mit wachsender Tendenz. Die Staatsverschuldung der BRD lag im September. 2007 bei 1.48 Mrd. EURO , die der USA bei 7,2 Billionen Dollar. Die Gesamtverschuldung, also die Summe aller Zahlungsverpflichtungen von Staat und Bürgern liegt in den USA bei ca. 32 Billionen Dollar.

Rechnet man die Zinsen in Arbeitszeit pro Kopf der Bevölkerung um, dann musste jeder Erwerbstätige im Jahr 1959 drei Wochen pro jahr hierfür arbeiten, 1975 sieben Wochen und 2000 bereits ein viertel Jahr (Quelle: TAZ). Der Zinsexperte Helmut Creutz hat lapidar festgestellt, dass auch auf der Seite des Kapitals "die Wirtschaft gar nicht mehr so schnell wachsen kann, wie Vermögen und Zinszahlungen zunehmen".

Der Staatsbankrott ist die Situation, in welcher der Staat mit den Einnahmen, die er aus den Steuern bezieht, seine Ausgaben für Zinsen und seine Aufgaben - besonders im Sozialbereich - nicht mehr finanzieren kann, und also die Grundlagen für Wirtschaft und Kultur nicht mehr gewährleistet sind. Dies scheint in Deutschland bereits der Fall zu sein, wenn man hinzunimmt, dass die "Rentenreform" wesentliche wirtschaftliche Problembereiche und deren Deckung durch Wachstumserwartungen an die nächsten Generationen ohne irgendwelche realistischen Deckungsvorstellungen abgetreten hat - ja, sogar völlig im Widerspruch zu allen demografischen Wachstumsoprognosen.

In einer solchen Situation des faktischen Staatsbankrotts entledigt sich der Staat zuerst seinen sozialen und humanen Verpflichtungen gegenüber seinen Bürgern - und zwar vor allem gegen die ärmeren und vor allem gegen die Arbeitslose, die sich ihm als reine Finanzbelastung darstellen und kein Wachstumspotenzial mehr sind. Die sozialen Leistungen für Alter und Gesundheit werden reduziert und auf Ziele bestimmt, welche die reine Funktionalität des Versorgungsablaufs betreffen. Mit der Reduktion der Staatsleistungen gegen die Bevölkerung geht seine Unterwerfung unter seine Verpflichtungen gegenüber dem Kapital einher. Insgesamt muss er seine Politik als allgemein notwendige Krisenpolitik so verkaufen, dass das Kapital bestärkt wird, und sich schadlos halten kann . Von da nur kann der Staat die Überwindung seiner Krisen erwarten, vorausgesetzt, er besorgt die politischen Voraussetzungen für eine Markterneuerung (z.B. Erhöhung des Eigenbedarfs, neue Außenhandelsverbindungen, neue oder billigere Energiequellen, neue Technologie, Devisenaufwertung oder durch Zerstörung bestehender Märkte mittels kriegerischer Handlungen).

Die Krisenbewältigung wird so vom Kapital auf den Staat übertragen und muss von daher zum Allgemeinanliegen aller Staatsbürger gemacht werden. Hierfür geraten dann "Volksvertreter" in den Vordergrund, die das Wohl des Kapitalverhältnisses als Volkswohl ausgeben (siehe Populismus), zur Aussonderung und Disziplinierung von disfunktionalen Bürger aufrufen und die hierfür legitimatorischen Ideologien (siehe auch Rassismus) als Ethik des Gemeinwohls (siehe Kulturstaat) verbreiten. Die Abwendung von der Staatskrise geschieht durch völkische Positionierung des Staatsganzen (siehe Vernichtungslogik): Das Volk wird darin als Kulturgemeinschaft (Volksgemeinschaft) mit dem Ziel einer Notwendung bestimmt (allgemeine Wohlfahrt), als Nation mit der Utopie einer Kapitalgemeinschaft (Mehrarbeit überwindet jede Krise) gleichgesetzt und in solchem Glauben an eine Erlösung durch eine funktionale kulturelle Ganzheit verschmolzen, zu deren Heil politisch agitiert wird (siehe auch Nationalsozialismus). Sobald ein hierin begriffener Staat seine Mittel (z.B. Gesetzgebung, Rechtsprechung und Exekution) gegen die Bürger zum Zweck ihrer kulturellen Ertüchtigung einsetzt, kann man von einem faschistischen Staat sprechen (siehe Faschismus).