Nation

Aus kulturkritik

Nation (lat. natio, �Volk, Sippschaft, Menschenschlag, Gattung, Klasse, Schar�) bezeichnet eine umschlossene Gemeinschaft von Menschen, denen gemeinsame Merkmale wie Sprache, Tradition, Sitten, [[Br�uche]] oder Abstammung zugeschrieben werden. Diese Begriffsdefinition ist allerdings inad�quat, da keine Nation diese Definition vollumf�nglich erf�llt. Nation ist eben ein widerspr�chlicher Begriff. Zum einen bezeichnet er eine politische Formation, einen Staat und dessen Grenze als politisch bestimmten Lebensraum mit eigener Rechtshoheit und den politischen Eigenschaften seiner B�rger (Nationalit�t), zum anderen umschreibt er auch das politische Resultat der Geschichte des Wirtschafts- und Kulturraums von [[V�lkern]], die sich mit der politischen Grenzziehung mehr oder weniger gut befriedet haben. Wo die Befriedung nicht gelungen ist, herrschen B�rgerkriege (vergl. Nordirland, Kosovo, Kurdistan, Palästina u.a.), die sich kulturalistisch zu begründen suchen, auch wenn sie letztlich aus ökonomischen Interessen entstanden sind.

Die Nation ist also ein umgrenzter Kultur- und Wirtschaftsraum (Kulturgemeinschaft) eines oder mehrerer [[V�lker]], die als gemeinschaftliche Form auftritt, ohne dass diese auch wirklich geeint sein muss. Es ist ein politischen Begriff, der die geschichtliche, kulturelle und wirtschaftliche Verfassung eines geografischen Lebensraums erfassen soll und sich meist in einem Staat konstituiert, der die mehr oder weniger anerkannte Form der Nation ist, ihre Volkswirtschaft aussteuert, ihre Lebensbedingungen sch�tzt, pflegt und die Infrastruktur der Reproduktion des Gemeinwesens (Verkehr, Kommunikation, Gesundheitswesen, Bildung, Kultur, Recht, Sitte, Allgemeinbesitz, Verteidigung usw.) analog seiner allgemeinen Notwendigkeiten entwickelt. Sie ist die Basis einer Reichtumsproduktion eines bestimmten Lebensraums, welche die Erweiterung und Entwicklung des Lebensstandards mit sich bringt. Der Nationalstaat reflektiert die optimalen wirtschaftlichen und kulturellen Entfaltungsm�glichkeiten dieses Lebensraums, soweit diese durch ihn erfa�bar sind. Seine Grenzen waren urspr�nglich auch die politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Grenzen einer Lebenseinheit, die eine bestimmte Bev�lkerung, ein Volk, mehr oder weniger hatte. Allerdings gab es auch V�lker ohne Nation (siehe z.B. Sinti, Roma oder das Judentum). Ihr Unterschied zu nationalen V�lkern r�hrte an [[Gef�hle]] nationaler Unsicherheit, welche in den Nationen in ihren Krisenzeiten grassieren (siehe Nationalismus)

Die Funktion des Nationalstaats war also die Zusammenf�hrung von Kultur und Wirtschaft zu einer politschen Ganzheit, sowie der Ausgleich von Konflikten und K�mpfen darin. Der Bismarck'sche Nationalstaat ist bis heute noch die Vorstellung eines gediegenen Sozialsystems, durch welches Klassengegens�tz in der F�rsorgeleistung eines Staates aufgehoben sind und das Mehrprodukt zu einer Verbesserung des Lebensstandards verteilt w�rde. Solcher Staat hatte zwar die unmittelbare Lebensnot der Besitzlosen zugunsten einer Versicherungsgesellschaft ausgeglichen, zugleich aber den Staat erst richtig als Manager der allgemeinen Kapitalverh�ltnisse entwickelt. Hieraus hervor ging auch seine Funktionalisierung zum Staatskapitalismus in einem Kulturstaat der Nationalsozialisten.

Die Aufl�sung der Einheit von Kultur und �konomie innerhalb bestimmter Staatsgrenzen begann im 20. Jahrhundert und entwickelt mit der Globalisierung der M�rkte ihre Fundamente auseinander. Weder die �konomie macht an den Staatsgrenzen halt oder sch�tzt sich national und vollst�ndig durch Z�lle, noch die Kultur eines Produktionszusammenhangs verbleibt in diesem Lebensraum. Sie greift mit den wirtschaftlichen Interessen in andere V�lker und ver�ndert deren Kulturgewohnheiten. Zwar bezieht sich noch jeder Staat auf die Wirtschaftsbedingungen eines Volkes, aber die Bedingungen sind weitgehend auch bedingt durch jene anderer V�lker, die sich darin einmengen (vergl. z.B. den Anteil von Ausl�ndern in der Volkwirtschaft). Auch wenn sich ein Staat vor "seine" nationale Kultur stellt, so kann er dies nicht auf alle Menschen beziehen, die ihren Lebensmittelpunkt innerhalb seiner Grenzen haben. Die Nation als Wirtschafts- und Kulturgebilde eines bestimmten Lebensraumes dr�ckt zunehmend immer weniger kulturelles Leben darin aus und trennt im Fortschreiten der Globalisierung zunehmend den Wirtschaftsraum der Reproduktion und Produktion von ihrem Kulturraum, dem Lebensraum von Kultur (Sprache, Lebenszusammenhang, Kunst usw.), Brauchtum und Sitte, wie sie durch v�lkische [[Selverstverst�ndigung]] in Religion und Lebensgewohnheit �berliefert ist.

Dies birgt die gro�e Gefahr, dass die innere Entwicklung der V�lker sich abschlie�t vor einander, sich zu Kulturm�chten verselbst�ndigt, wo sie sich als Wirtschaftsraum nicht mehr bew�hren k�nnen. Dies um so mehr, wie sie sich auf diese Weise zugleich gegen ein wirtschaftliches Ausbeutungsverh�ltnis zur Wehr setzen wollen. Die Verst�ndigung der Kulturen, die nur als wechselseitige Bereicherung des menschlichen Lebens gelingen kann, vereinseitigt sich somit auch leicht zu Machtk�mpfen, die als [[Kulturk�mpfe]] von Nationen ausgegeben werden. Darin ist der Charakter der Gegens�tze mythologisiert und ihr Antagonismus verschleiert - sowohl in den armen wie den reichen L�ndern, jedoch mit umgekehrter Gewichtung von kulturellen und wirtschaftlichen Interessen. Kritik der Kulturk�mpfe muss daher wesentlich [[Kritik der politischen �konomie]], welche Ausbeutung verschleiert, in Einheit mit der Kritik der politischen Kultur, welche die Lebensvernutzung verschleiert, sein.

Der urspr�ngliche Nationalstaat ist am Ende. Zugleich ist die strukturelle Ganzheit, ein wesentliches Element des Industriekapitalismus, damit auch �berwunden. Ein wirklicher Zusammenhang in den Lebensverh�ltnissen der Menschen, ihrer Kultur und Wirtschaft, in welcher ihre Individualit�t ebenso bewahrt ist, wie ihr allgemeines Zusammenwirken, k�nnte an dessen Stelle treten. Aber wo Kultur und Wirtschaft nur auseinanderfallen und sich gegens�tzlich entwickeln, steht noch keine gesellschaftliche Erneuerung (= Revolution) an. Das Verh�ltnis, worin die Bewohner eines Landes sich im Staat wiedererkennen wollen, ist nichts als eine Ursprungssehnsucht, die zwar im Gegensatz zur Globalisierung des Kapitals steht, aber zugleich anachronistisch ist. Es machte eben die lokale Eigenart eines Nationalstaates aus, Kultur und Wirtschaft zu vereinen, ihre Gegens�tze zu befrieden und ihren Widerspruch zum Gegenstand seiner Politik zu haben und deren best�ndige Befriedung zu betreiben. Mit der Globalisierung aber ist die Nation selbst unter den Zweck der Verwertung gestellt worden; ihre Kultur und Wirtschaft wird einzig im Zweck des Wertwachstums vermittelt. Der Nationalstaat ist selbst zum Unternehmer einer gro�en Aktiengesellschaft geworden - allerding meist nicht so gro�, wie manche Transnationalen Konzerne!

Das hat zum einen die Folge, dass sich keine V�lker, sondern Kontinente gegen�berstehen, und zum anderen Kultur wie zu einer Individualit�t von Menschengruppen jenseits der wirtschaftlichen Zusammenh�nge ger�ckt ist. NationalistInnen sehen im Staat jedoch eine ideelle Einheit und erleben ihn selbst nur ideologisch wie eine Allgemeinform kultivierter Haushaltung, also eigentlich wie eine gro�e Familie. Der Faschismus l�st diesen Widerspruch zwangsweise in einem Kulturstaat auf, in welchem der Staatszusammenhang tats�chlich wie ein Familienzusammenhang behandelt wird.

In der [[b�rgerlichen Gesellschaft]] ist der Nationalstaat schon immer wesentlich von den Bed�rfnissen der Allgemeinheit kapitalistischer Produktion, also vom Kapital selbst bestimmt. Hierzu bedarf es keiner machtvoller Protagonisten des Kapitals: Die Allgemeinheit der Warenproduktion selbst setzt durch die Eigenart ihrer Schwierigkeiten, Krisen und Probleme die Funktion des [[b�rgerlichen Staates]] durch. Das internationale Kapital hat im Zuge der Globalisierung inzwischen das Seine dazu getan, die nationale Strukturen in seine Zwecke zu stellen und teilweise aufzul�sen. Die internationale Konkurrenz ist durch die Verweltlichung des Kapitals in transnationalen Konzernen weitgehend in den Interessen der reinen Wertm�chtigkeit bestimmt und stellt sich im v�llig losgel�sten Profitinteresse inzwischen global als Ganzes eines internationalen Finanzkapitalismus gegen die Menschen. Die Kultur ist als einziger Rest einer Lebensform nationaler Allgemeinheit verblieben, der sich gerade in seiner Ausgegrenztheit als Individualit�t einer Volksgemeinschaft gegen die Struktur der Welt d�nken kann. Daher, und weil [[reaktion�res]] Denken auf die Restauration von Urspr�ngen gegen ihre Wirklichkeit aus ist, wird die Nation f�r die Rechten zum Fokus ihres Antikapitalismus.

Von der geschichtlichen Progression her, also von Links sieht man die Nation in internationalen Zusammenh�ngen. Im [[Verh�ltnis]] zu anderen Nationen besteht ein politisches, wirtschaftliches und kulturelles Verh�ltnis, welches in gegenseitiger Anerkenntnis und Achtung f�deral sein m�sste, um dieser Form der Entwicklung der allgemeinen menschlichen Verh�ltnisse selbst zu entsprechen. Nation w�re ein Begriff f�r einen Kulturraum, der Bestandteil einer Weltgesellschaft w�re. Ein weltweites f�derales Verh�ltnis von Nationen kann daher nur gelingen, wenn kein Ausbeutungsverh�ltnis zwischen ihnen besteht und die Gerechtigkeit dieser Beziehungen durch ein internationales Weltgericht gesichert wird. Von dieser Seite des Begriffs wird der Staat zur notwendige Form eines Lebensraumes von Kulturen, welche nur wirklich und vital sein k�nnen, wenn sie f�reinander aufgeschlossen sind. Internationale Kulturbeziehungen l�sen die Selbstverstricktheiten der Kulturen auf - etwa, wie zwischenmenschliche Verh�ltnisse auch famili�re Beziehungen bereichern und aus ihrer Strukturmacht l�sen. Vom Standpunkt des Weltkapitals aber hat der Nationalstaat sein oberster Subunternehmer zu sein und zugleich seine Selbstbestimmung (Grenzen, Handel usw) in ihrer impliziten Marktbeschr�nkung zu �berwinden, bzw. in die Rolle eines Unternehmers zu verwandeln. Die Nation wird in den reichen L�ndern zunehmend zum betriebswirtschaftlichen Ph�nomen eines allgemeinen Familienunternehmens. Das birgt die gro�e Gefahr einer politischen R�ckbeziehung der Rechten. Dort wird aus dem Nationalstaat ein Kulturstaat und aus einem kulturellen Allgemeininteresse ein Nationalinteresse. Gerade auch deshalb ist von Bedeutung, dass die Linke sich einen eindeutigen Begriff hiervon macht. Es wird nicht gen�gen, ihn einfach abzulehnen, weil man ihn mal eben mit Kleinstaaterei alias Kleinkr�merei gleichsetzt.

Das Kapital selbst hat l�ngst gezeigt, dass Nation zugleich auch Transnationalismus enth�lt: Es hat die nationalen Strukturen und Infrastrukturen ausgenutzt, um eine transnationale Konkurrenz durch diese kostenfreie, aber kulturnotwendige Beigabe zu bestimmen. Gerade daher muss dieser Art der Ausbeutung von nationalen Steuergeldern ein internationales Wissen von nationaler Wesententlichkeit und Eigenst�ndigkleit entgegengebracht werden. Auch eine transnationale Entwicklung der Menschen reflektiert die Eigenarten ihrer Kulturen und somit ihr Eigentum, die Bewahrheitung ihrer Lebens�u�erung. Ein Transnationalismus ohne Eigent�mlichkeiten bedeutet Eigenschaftslosigkeit, Selbsteentleerung, Selbstverleugnung und Selbstentfremdung und ist also die subjektive Basis des Besitzstandes, welcher sich dadurch bereichert, dass er �ber die Zusammenh�nge des organischen Lebens und des Stoffwechsels verf�gt. Als Wirtschaftsraum ist die Nation das Ausbreitungsgebiet eines durch politische Grenzen umschriebenen Stoffwechsels, der idealiter auch die Ausdehnung der einfachen Reproduktion der Bev�lkerung ist, so er am wirklichen Wechsel der Stoffe gebunden bleibt. In dieser Funktion bildet die Nation den Nationalstaat, der die Sicherheit und Stabilit�t der Reproduktion und die Bedingung zur Erweiterung und Entwicklung des gesellschaftlichen Reichtums gew�hrleisten muss. Wird diese eigene Lebensbasis der V�lker durchbrochen, so kann dies nur den Durchbruch von Geld und Kapital bedeuten. Andererseits wird der Nationalstaat zum Kulturstaat, wenn er sich nicht in den internationalen Kulturzusammenhang einfindet und an der Weltkultur mitgestaltet. Das Gelingen einer Weltgesellschaft h�ngt davon ab, wie weitgehend die Kulturen sich darin zusammenfinden, ihre Bornierung zu wechselseitiger Bereicherung revolutionieren und ihre Staaten lediglich als wirtschaftliche Haushaltungen ihres Stoffwechsels ansehen.

Der Internationalismus ist Kennzeichen eines progressiven Lebensverst�ndnisses, also eines Bewusstseins von geschichtlichem Leben. Dem gegen�ber besteht die Rechte auf Selbsterhalt des vergangenen Lebens durch Macht, durch verwesende Ordnungsgewalt. In der Gleichsetzung von Nation und Kultur n�hrt sich der Faschismus an Kulturinteressen und entwickelt seine Kraft durch diese. Andererseits ist die Nation als Kulturgemeinschaft ein geschichtliches Resultat und innerlich relativ stabil, besonders durch ihre wesentlichen Eigenarten wie Sprache, Schrift, Kunst usw., um sich in die Weltgesellschaft sinnvoll einbringen zu k�nnen. Internationalismus ist die Haltung, die dem Transnationalismus des globalen Kapitals entgegengehalten werden muss.