Trauer

Aus kulturkritik

Trauer ist die Verarbeitung eines Verlustes, einer endgültigen Abwesenheit einer Beziehung, welche nicht zu Ende gegangen ist, in ihrer Geschichte also abgebrochen ist und nur im Gedanken fortbesteht (siehe Denken). Trauer setzt also eine Beziehung zur eigenen Geschichte vorraus und ist der Schmerz ihres Untergangs. Wo dieser Gewohnheit ist, kann Trauer nicht entstehen. Alexander Mitscherlich hält es für eine Eigenschaft des modernen Menschen, zur Trauer unfähig zu sein. Doch dies ist nicht menschliche Eigenschaft, sondern die Bestimmung von Verhältnissen der bürgerlichen Kultur, in denen Beziehungen unentwegt entrissen werden, so dass sich die Menschen daran gewöhnen müssen, sofern sie den Notwendigkeiten dieser Verhältnisse Folge leisten. Die Enthebung vonTrauer über Geschichtsverlust ist grundlegend für die Verarbeitung von Trennung und Teilung, für die Erkenntnis von Isolation, welche abstrakte Lebensbedingungen bewirken (siehe Realabstraktion), Grund einer subjektiven Empfindungslosigkeit gegen objektive Bedingung und von da her eine der Ursachen für reaktionäres Bewusstsein.

Allerdings glänzen flexible Menschen in der Fähigkeit, sich ihrer Gefühle zu entgegenwärtigen. Ihnen ist die Unfähigkeit zu trauern existenznotwendig, da sie sich dem Erfolg verschrieben haben.