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Der konkrete Inhalt der sinnlichen Gewissheit läßt sie unmittelbar als die reichste Erkenntnis, ja als eine Erkenntnis von unendlichem Reichtum erscheinen, für welchen ebensowohl, wenn wir im Raume und in der Zeit, als worin er sich ausbreitet, hinaus-, als wenn wir uns ein St�ck aus dieser Fälle nehmen und durch Teilung in dasselbe hineingehen, keine Grenze zu finden ist. Sie erscheint außerdem als die wahrhafteste; denn sie hat von dem Gegenstande noch nichts weggelassen, sondern ihn in seiner ganzen Vollständigkeit vor sich. Diese Gewissheit aber gibt in der Tat sich selbst für die abstrakteste und ärmste Wahrheit aus. Sie sagt von dem, was sie weiß, nur dies aus: es ist. ((Hegel, Ph�nomenologie des Geistes)
Gewissheit ist die zweifelsfreie Erkenntnis, also eindeutiges Erkennen (siehe hiergegen Deutung), wenn sie nicht nur die Anwesenheit des Gegenstands, sondern auch seinen bestimmten Gehalt vor sich wei�. Doch dies Anwesende ist nicht selbst unbedingt inhaltlich; es ist auch die Wahrheit gegenst�ndlicher Vermittlung im Nachhinein der Erkenntnis, die sich z.B. auch aus einem Traum begreifen lässt, ohne dass sie Wirklichkeit werden muss (dies also g�nzlich umgekehrt als bei Hegel), weil sie Geschichte hat. Allerdings kann sie auch darauf gr�nden, dass ihr Gegenstand eindeutig und unmittelbar sinnlich ist (z.B. ein hei�er Ofen, an dem man sich gewiss verbrennt), oder dass ein Gedanke zu einer Gewissheit sinnlicher Zusammenhänge gelangt, worin er sich bewahrheitet (s.a. Beweis). In beidem ist die Gewissheit eine Tatsache, also Wissen einer Tat, die unmittelbare sinnliche [[Gegenw�rtigkeit]] von Stoff ist (siehe auch Sein). Gewissheit ist durch die Empfindung eines Gegenstands, die sich als [[Gef�hl]] für ihn best�tigt, und ihn als Wissen zweifelsfrei im Ged�chtnis bewahren kann, weil und sofern kein Zwiespalt zwischen Empfindung und [[Gef�hl]] besteht.
Gewissheit ist die sinnliche Beziehung des Lebens als Selbsterkenntnis (siehe auch Erkenntnis), auf sich als Wissen über sich. Sie bildet sich in der Empfindung, wenn diese sich in den Gefühlen der Menschen bewahrheitet. In dieser Einheit bewährt sich der Inhalt der Wahrnehmung, identifiziert sich ihr Sinn mit seiner Wirklichkeit, wird zu einer Einheit von Erkenntnis und Tätigkeit, unmittelbare Wahrheit. Sie ist die Identität lebendigen Seins in dem zum Bewusstsein gewordenen Wissen. In der Gewissheit sind alle Zweifel aufgelöst und es hebt sich darin die Wahrnehmung in ihrer Wahrheit auf, wird ein Gedächtnis, welches sein Gewissen bestimmt.
Wo Ungewissheit herrscht, wird sich die Wahrnehmung auf das zurückziehen, was sie beeindruckt, was also dadurch gewiss wird, dass es Druck auf die Wahrnehmung aus�bt. Solche Gewissheit ist abstrakt, weil sie keinen Sinn vermittelt. Sie ist zwar als Eindruck wahr, nicht aber als Wahrnehmung, welche empfindet und [[f�hlt]], was wahr für einen Menschen ist.
Dies allerdings kann h�chst kompliziert sein, gerade weil in der Wahrnehmung der ganze Mensch einbegriffen ist, nicht irgendeine Kognition oder Logik oder Position für sich. Die Wahrnehmung selbst ist das urspr�nglichste Moment der Wahrheit, das ein Mensch für sich haben kann. Und das ist nicht nur selbst sinnlich, sondern kann auch die Sinne antreiben, wenn die Wahrnehmung nicht zur Erkenntnis dessen gelangt, worin sie einbegriffen ist.
Gewissheit kann nur praktisch sein, denn eine Seinsgewissheit als solche, also in Absehung (siehe Abstraktion) von dem, was wirklich ist, kann keinen Sinn haben. In der Abstraktion kann nur eines wahr sein: Dass etwas lebendig ist, das nicht wirklich lebt, etwas, das tot erscheint, nicht wirklich lebend ist, aber in Wirklichkeit als etwas anderes lebt (siehe Schein). Es muss ein ungewisser Inhalt in einer gegebenen Form sein, eine Formbestimmung, in welcher sich die Macht der Gegebenheiten gegen ihren wirklichen Sinn durchsetzt. Sie muss in der Lage sein, sich Eindruck zu verschaffen, wo sie nur anwesend ist. Von daher ist die beeindruckte Wahrnehmung nurmehr reizend und ungewiss. Aber das Ungewisse wird hierdurch zugleich unwahrnehmbar.
So gewiss ein Reiz, eine Empfindung oder ein Eindruck erscheinen kann, so fraglich auch ist dessen Wahrheit, ob sein Sinn vielleicht nicht eine [[T�uschung]] sei - dies umso mehr, als Eindr�cke auch Reize oder Stimmungen sind, die unmittelbar wesenlos sind, im Sein schon verwesen, weil sie schon im Augenblick vergehen, worin sie wirken. Selbst die einfache Gewissheit, ob sie von au�en oder innen kommen, macht ein ganz elementares Erkenntnisproblem aus (z.B. im Wahnsinn), das seine Ungewissheit nur im Wissen seiner Geschichte auflösen kann, indem es diese begreift (siehe Begriff).
Wer zum Beispiel Stimmen hört, die kein sprechendes Subjekt erkennen lassen, zweifelt an seinem Wahrheitsverm�gen. Indes ist die Wahrheit der Stimmen in der Tat eine andere, als die existente Gewissheit der Umwelt, wenn auch die Gewissheit des H�rens unbestreitbar ist. Wer Stimmen w�hnt, weil er keinen Sprechenden sieht oder fühlt, der wird zun�chst überprüfen, ob das Objekt seiner Empfindung vielleicht wirklich sich verborgen verhält oder er muss erkennen, dass er etwas empfindet, das nicht unmittelbar [[gegenst�ndlich]] ist. Die Wahrheit des Wahns hat eben nicht dieselbe Welt, die allem zukommt; es ist tats�chlich eine hiervon abgetrennte Welt, welche zun�chst in sich geschlossen erscheint, solange ihre Wirkung nicht erschlossen ist. In dieser Ausschlie�lichkeit ist sie eine grundlos scheindende Wahrnehmung, ein unendlich scheinendes Leiden, das gegensinnige Gewissheiten bewirkt. Die F�higkeit, an der Gewissheit der Welten zu zweifeln, ermöglicht immerhin, wenn auch �u�erst schmerzhaft, eine �beraus sinnvolle Bewegung der entzweiten [[Identit�t]], die eine vielleicht ebenso bedeutende Leistung ist, wie die Begr�ndung einer ganzen Philosophie. Von daher ist die Ungewissheit eine Bedingung, sich als wahrnehmender Mensch der Wahrheit zu n�hern, besonders, wenn diese in zwischenmenschlichen Beziehungen weitgehend aufgebraucht wird. Darin entsteht Gewissheit oft erst in der Erkenntnis der Gr�nde eines Ungewissen, eines unheimlichen Grundes, einer abstrakten Lebensbedingung. Auf der Basis realer Abstraktionen ist die Erkenntnis g�nzlich umgekehrt als auf der Basis unmittelbarer Wahrnehmung: Es verlangt Denken, welche die Erfahrung hintergeht, wenn und weil das Erfahrene hintersinnig ist.
Die Bestimmungen m�ssen hierbei nicht erkannt sein; sie werden sich dem Denken erschließen, wenn es nottut. Im Wissen ist alleine die Gewissheit vollzogen, dass etwas Empfundenes wirklich da ist und sich als solches auch in seiner Wirkung bew�hrt hat. Erst durch die Not, welche eine Gewissheit gegen andere bringen kann, wird Denken notwendig sein. Sofern es sich einem Unding zuwendet, wird es logisch sein m�ssen, um es zu begreifen (siehe Begriff).