Utopie

Aus kulturkritik

"Sollten Sie dies f�r utopisch halten, so bitte ich Sie dar�ber nachzudenken, warum es utopisch ist." (Bertold Brecht, Radiotheorie)

Utopien können schnell mal flotte Fantasien sein, Science Fiction zur Belebung des Alltags oder als Befriedung durch den Trost der Vorstellung von einer völlig anderen Welt, einem anderen Leben. Aber eine konkrete Utopie besteht nicht aus irgendwelchen himmlichen Vorstellungen und Hirngespinsten, sondern aus den Resultaten einer Analyse und daraus erfolgten Erklärung der gegenwärtigen Verhältnisse, worin entdeckt wurde, was ihre Widersprüche und Nichtungen ausmacht.

Utopien im allerweitesten Sinne sind alle rationell verfaßten Konzepte einer anderen (schöneren oder schlechteren) Welt (Pfetsch, S. 4). Utopien beziehen sich auf die Tendenzen und Latenzen in der geschichtlichen Bewegung selbst. "Prozeßhaft-konkrete Utopie ist in den beiden Grundelementen der marxistisch erkannten Wirklichkeit: in ihrer Tendenz, als der Spannung des verhindert Fälligen, in ihrer Latenz, als dem Korrelat der noch nicht verwirklichten objektiv-realen Möglichkeiten in der Welt." (Bloch, S. 727).

Der Begriff "konkrete Utopie" ist von Ernst Bloch im Hinblick auf eine marxistische Kritik der Utopie gebildet worden. Utopie im Sinne dieser Kritik war die Vorstellung eines vollkommenen Gesellschaftszustands, die keine realistische Perspektive der Überwindung des gegenwärtigen bietet, weil sie seinen Idealen blind verhaftet bleibt und nicht an "die wirkliche Bewegung" anknüpft, "welche den jetzigen Zustand aufhebt." (Marx/Engels, Die deutsche Ideologie, MEW 3, S. 35). Bloch will der Verallgemeinerung einer solchen Krititk auf jegliche Utopie entgegentreten, die Vielfalt und Ubiquität des Utopischen aufweisen und insbesondere die Unerlässlichkeit sozialutopischer Antizipationen im Kontext marxistischer Praxis geltend machen.