Wolfram Pfreundschuh (11.11.2011)

Ergänzen statt Ausbeuten!
Auf dem Weg in eine internationale Kommunalwirtschaft

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Teil II: Am Ende der Klassenkämpfe

Griechenland ist nicht nur die ursprünglichste Stätte der abendländischen Kultur und Politik. Inzwischen könnte es auch zu einem Markstein für den Niedergang der europäischen Finanzwirtschaft werden. Man hatte diesbezüglich die sogenannte "Wiege der Demokratie" in ihrer Bedeutung unterschätzt, weil das Land eine so geringe Kapitalmasse darstellt. Und man hatte mit dieser Schwäche von vornherein kalkuliert, weil Griechenland vor allem als Kreditempfänger und Zinsenzahler nützlich sein sollte, ebenso wie Lettland, Irland, Island und Portugal. Für alle verschuldete Staaten war der Euro ein Segen, weil er frisches Geld und dessen Sicherheit beibrachte. Doch um Schulden zu bezahlen, muss es eine hinreichend umfangreiche eigene Kapitalwirtschaft geben und vor allem eine Politik, die in der Lage ist, zumindest Neuverschuldung zu verunmöglichen und Zinsen zu bezahlen (1). Aber weil diese selbst durch die Finanzspekulation zwangsläufig immer mehr bedrängt wird, endete das europäische Finanzsystem in einem Fiasko, wie es offensichtlich niemand erwartet hatte.

Jetzt geht so langsam die Ahnung um, dass die griechische Schuldenkrise für das ganze kapitalistische System Folgen haben kann. Nicht bedacht hatte man, dass die Wertmasse auch eine Glaubenssache ist, dass jetzt auch andere Länder, denen die Schuld zur existenziellen Bedrängnis geworden ist, ähnlich denken und handeln könnten, wie die Griechen, denn der Euro war als Schmiermittel des Wertwachstums überall in gleicher Weise präsent. Der Glaube an den Kapitalismus brökelt derweil insgesamt und die Schuldner weichen den Gläubigern zunehmend aus. Wie seit über 200 Jahre zeigt sich das Kreditsystem schlagartig wieder mal durch sein eigens Finanzwesen sehr beschränkt. Wenn ihm seine Substanz fehlt, wenn die Produktion nicht den kapitalnotwendigen Umfang erreicht oder wenn das Wertwachstum stockt, weil sie keinen Absatz findet, wenn die Ausbeutung der Arbeit also keine Erfolge mehr zeitigen kann oder selbst schon an ihre physische Grenze gelangt ist, dann geht nichts mehr. Kapital ist immer nur Vorschuss, immer Kredit; und wo der ins Leere geht, kann er auch nicht mehr bedient werden, egal wie mächtig es auch sein oder scheinen mag.

Und wenn die Finanzwirtschaft am Ende ist, dann versagt zwangsläufig auch die politische Klasse, die ja immer versprechen musss, dass es wirtschaftlich mit dem Kapital aufwärts geht, weil sie nichts anderes ist als das Schattenkabinet des Kapitals, aber natürlich öffentlich immer auf der Seite der Bevölkerung zu stehen hat, für deren Wohl sie sich unenendlich besorgt gibt. (2). Nur ein gezügelter Kapitalismus, so heißt es heute fast überall, wird es auf Dauer bringen. Es? Das gute Geld natürlich! Nicht nur die Kanzlerin und ihre Entourage beklatschen das. Das sagen auch schon viele Banker selbst, die um die Grundlagen ihres Geldsystems bangen. Man habe Fehler gemacht, ist klar! Der Staat sei es gewesen, der einfach zuviel Geld auf den Markt geworfen, zuviel davon gedruckt hätte, und die Banken, die zu viel gezockt und riskiert hätten (3).

Doch wenn der Finanzmarkt, also das Kreditssystem, gezügelt werden soll, wo kann man da Zügel ansetzen ohne zu wissen, wofür Vorschuss gut und wofür er schlecht ist? Und wenn zuviel Geld auf der einen Seite und zuwenig auf der anderen Seite ist, warum kann man dann das viele unnötige Geld nicht einfach an alle verteilen, die doch ganz offensichtlich zum größten Teil immer ärmer werden, anstatt es zu verwetten? Warum soll man es nicht einfach in seiner realen Wertlosigkeit platzen lassen? Wenn schon zuviel Geld da ist, warum gibt es dann überhaupt die großen Verschuldungskrisen, durch die viele Existenzen direkt in den Ruin gestürzt werden? Warum dann das Gezeter um die Schulden von Griechenland und anderswo? Warum also kann man das überschüssige Geld nicht einfach an die Stelle des Geldmangels transferieren und es so sein lassen?

In den öffentlichen Medien beantwortet der Finanzmarktexperte Dirk Müller all diese Frage ganz einfach: Das liege daran, dass Geld eben nur aus Krediten entstünde, also immer als Vorschuss eingesetzt werden müsse, um Geld zu erzeugen - ein Vorschuss, der erst durch die Gelddruckmaschinen des Staates, dann durch die Kreditvergabe der Banken möglich sei. Und wenn dann zuviel Geld entsteht, dann läge das nun mal in der Natur der Sache, dass nur die immmer reicher werden können, die Geld haben und immer wieder mal die Löhne derer nicht zum Werterhalt des Geldes hinreichen, durch deren Lebensmittelbedarf es zirkulieren müsste. Geldwerte kann man nicht einfach platzen lassen ohne die vorhandenen Wirtschaftskreisläufe gänzlich zu zerstören (4).

Immerhin hat Herr Müller mit seiner zirkelschlüssigen "Erklärung" beschrieben, wie der Fall der Profitrate sich dem Augenhintergrund darstellt, bevor das Gehirn seine Tätigkeit einschaltet. Der Wertschwund des Geldes ist durch die zirkulierende Wertmasse zwangsläufig, weil die Diskrepanz zwischen der Kapitalwirtschaft und der Warenwirtschaft im Maß der Verselbständigung des Mehrwerts gegen die Realwirtschaft immer größer wird. Weil sich dann Investitionen nicht mehr lohnen, kommt die Wirtschaft ins stocken und es entsteht Rezession und Arbeitslosigkeit. Das wissen natürlich die Politker und die Volkswirtschafter seit langem. Nur wissen sie nie, wann das eintritt; denn das hängt immer von der Risikoverwertung des Kapitalmarkts ab, also von der Gläubigkeit der Kapitalverwerter, von ihrer Risikobereitschaft, die mit dem Niedergang der Geldwerte natürlich systematisch entschwindet. Wer noch produzieren kann, dem geht es dann gut, wer vom Glauben abhängt, dem geht es dann schlecht. Die Gotteshäuser des Kapitals, die Banken, werden dann auch von ihren Gläubigern nicht mehr aufgesucht und es verbleibt nur der Staat, also die Gemeinschaft der Bürger, die für den Geldwert bürgen müssen. Ohne den guten Glauben muss der Zins dann nämlich heruntergesetzt werden, damit überhaupt noch Geld aufgenommen wird. Das tut auch den Geldbesitzern weh. Aber der Schmerz peinigt vor allem die, welche Geld nur für ihr Leben haben, die für den Geldwert gerade stehen und es durch ihre Arbeit verdienen müssen oder verrentet oder arbeitslos sind. Ihr Monatsgeld inflationiert und zu einem immer größeren Betrag wird es durch Steuern belastet. Zudem werden immer mehr soziale Sicherheiten dem Werterhalt des Geldes geopfert, der dann durch Sparpakete erzwungen werden muss (5).

Es gibt nach wie vor dieses jahrhundertealte Grundwissen der Volkswirtschaft, dass Geld als gesellschaftliche Wertsubstanz in seinem Wert erhalten werden muss, um Wert zu erbringen. Es muss zumindest die Zinsen einbringen, die zu seinem Werterhalt nötig sind (6). Und das geht nicht durch das unbeschwerte Weggeben von Geld, nicht durch Umverteilung an Bedürftige für deren bloße Subsistenz, sondern nur durch die Investition in die Vernutzung wertbildender Arbeit, um jene Arbeit also, die über die bloße Reproduktion von Mensch und Produktivkraft hinausgeht, die Mehrwert schafft. Die beruht gerade darauf, dass möglichst wenig Wert in die Löhne, also die Selbsterhaltung der Menschen geht, und möglichst viel in das Kapital, das sich immer weiter ausdehnen muss, schon nur um seinen Wert zu erhalten. Und wenn das nicht gelingt, dann ginge es uns allen schlecht. Das sagen sie dann alle, denn Geld entstünde nur durch Kapitalvorschuss, durch Kredite, durch welche die Arbeit überhaupt erst in Gang komme, und damit die Banken weiter Geld vorschießen können, müssen sie eben auch staatlich abgesichert und hie und da mal gerettet werden. Eigentich wird im Kapitalismus sonst niemand vor dem Ruin gerettet, denn der ist konstitutiv für das System, dem sogenannten Wettbewerb der Betriebswirtschaften. Aber die Kreditsicherheit der Banken ist die völlig absurde Versicherung gegen das Risiko der Kreditvergabe, also gegen das Kalkül der Banken, welches eigentlich den Mehrwert verdienen sollte. Wo es misslingt, geht es dann für den Staat um die Versicherung der Stabilität des Geldwerts. Kapitalismus wird so zum Perpetuum Mobile des Wertverhältnisses überhaupt, das die Kraft und Energie der Staatsbürger nicht nur durch ihre Arbeit, sondern auch über den Staatshaushalt verbraucht. Ihnen muss dann beigebracht werden, dass sie sich für den Fortbestand des Kapitalismus einzusetzen und den Geldwert auf "Teufel komm raus" zu stützen haben, denn sonst sind ihre Renten und Versicherungen futsch. Einfach klasse!.

Das Ganze hat eben einen mächtigen Haken. Und der hängt an der Form des Lebensverhältnisses, in welcher der Kapitalismus die Menschen dazu bestimmt, ihr ganzes Dasein der Wertproduktion zu überantworten, also selbst zur Lebensform des Kapitals zu werden. Es lohnt sich daher, dem Geldverhältnis als gesellschaftliches Lebensverhältnis einmal genauer auf den Grund zu gehen, wenn wir die Frage beantworten wollen, wie und wodurch es so verändert werden kann, dass die Menschen aus diesen lebensverneinenden Verhältnissen herauskommen und konkrete gesellschaftliche Beziehungen verwirklichen können. Es geht darum, wie dies aus den gegenwärtigen Verhältnissen zu entwickeln ist, also was von diesen schon - wenn auch in einer inadäquaten Form - existiert und nach Verwirklichung drängt, was also im Keim schon der Inhalt einer anderen, einer neuen Gesellschaftsform sein kann.

Die Wertform der Gesellschaft

Inadäquat ist eine Form, die selbst widersprüchlich ist und sich damit dem Inhalt entzieht, wofür sie stehen soll, ihm also widerspricht, weil sie keine wirkliche Form sein und also nur als Formbestimmung wirken kann. Geld ist von daher eine sehr eigenartige Sache, und zwar nicht erst, wenn es zuviel Kapital auf der einen Seite und zuviel Schulden auf der anderen geworden ist. Es verfolgt schon mit seiner Geburt auf dem Markt als allgemeine Wertform den Trieb, sich als Geld zu verwerten und zu vermehren, denn es ist nicht irgedein Zahlungsmittel, wie es z.B. Gold, Schmuck oder Muscheln oder ähnliches waren, als es noch um Symbole, Zeichen für eine gesellschaftliche Bewertung von bestimmter Arbeit und bestimmten Bedürfnissen ging, in der man sich politisch einig war (7). Geld ist kein Mittel des Ausgleichs und der Ergänzung, nicht das Mittel des Bedürfnisses des einen, das zu einer Beziehung zum anderen Menschen drängt, der hierfür etwas produziert hat. Es ist auch nicht einfach nur das Mittel des Produzenten, der es zur Entfaltung seiner Bedürfnisse nötig hätte, für die andere Menschen produziert haben. Geld ist ein reines Quantum jenseits aller menschlichen Beziehungen, ein Wertmaß in einer absoluten Bestimmung zwischen Kauf und Verkauf der Waren auf dem Markt. Es ist Zweck und Mittel in einem, Wertträger des Mangels und des Überflusses, das Verkehrsmittel zwischen Macht und Ohnmacht der Menschen auf dem Markt. Von daher bezieht es zwar die erbrachte Produktion und Bedürfnisse der Menschen in irgendeiner Art und Weise rein sachlich aufeinander, entzieht sich selbst aber auch immer wieder dieser Vermittlung, weil es für sich die Macht eines gesellschaftlichen Faustpfandes hat, ein Quantum darstellt, das sich nicht aus einer menschlichen Bestimmung der Sachen ergibt, sondern aus dem Sachquantum eines Werts, für den sie stehen - als Wertmaß.

In Wahrheit ist Geld kein Zahlungsmittel in dem Sinn, wie das verstanden wird. Als dieses wäre es ein Maß der Arbeit, also des Aufwands, den Menschen zur Entwicklung und Verwirklichung ihrer Bedürfnisse erbringen müssen. Es wäre eine konkrete Identität von Bedürfnis und Arbeit. Es ist aber ein hiergegen gleichgültiges Maß, ein Wertmaß schlechthin, das Maß aller Werte, das sich aus den menschlichen Verhältnissen herausgesetzt hat und dem alles zugeneigt ist wie einem gesellschaftlichen Heiligtum und dem gehuldigt wird wie einem heiligen Stier oder besser: Bullen. Festgehalten als Geld für sich ist es die gesellschaftliche Vermittlungsmacht schlechthin, die weder den konkreten Bedürfnissen der Menschen entspricht, noch der Gesellschaftsform ihrer konkreten Arbeit, aber beidem zukommt, wo sie ihre Beziehung bemessen, ein quantitative Maß finden müssen, um in einer Gesellschaft existieren zu können, worin Arbeit und Bedürfnis, Aufwand und Entwicklung ohne wirkliche Beziehung, ohne gesellschaftliche Gewissheit für eine materielle, also auch sinnliche Identität sind. Auch wenn alle Politik sich diesem Wertmaß beugt, kann Geld keine wahre Gesellschaftsform sein, weil es immer deren wirklichen Zusammenhang nur rein quantitaiv und isoliert von ihren Inhalten darstellt und also auch keine andere Geschichte zur Folge hat, als die politische Geschichte des Geldes und der Form seiner allgemeinen Zielbestmmung, der Kapitalform.

In der Wirklichkeit des Kapitalismus war Geld immer nur das Maß der herrschenden Verhältnisse, das Maß der gesellschaftlichen Verwertungsmacht. Diese gewann es als festgehaltene Wertform vergangener Arbeit, die nicht den Bedürfnissen der Menschen entsprach, sondern dem Potenzial zukünftiger Arbeit, Durch die wurde es erst selbst verwertbar. Es war und ist eine Zukunftsmacht von Arbeit, die sich nicht im Leben der Menschen verwirklicht, sondern als tote Arbeit die Verwertung der Arbeit bestimmt und damit die Maßgabe der Herrschenden über die lebende Arbeit der Menschen ist (8). Als dieses ist es das Wertmaß, an dem sich Bedürfnisse und Produzenten messen in allem, was sie tun und lassen, das allgemeine Maß für das, was sie einerseits nötig haben und andererseits auch wollen, das Wertmaß einer Beziehung, die nicht wirklich existiert, weil die Existenzen getrennt von einander sind und durch solches Wertmaß auch als private Existenzen getrennt bleiben, deren einziger gesellschaftlicher Sinn und Zweck Geld ist (9). Ohne Geld ist jeder Mensch in dieser Gesellschaft in seiner ganzen Existenz hinfällig, sein Leben bedroht, denn Geld hat alle Existenzweisen abgelöst, die in früheren Gesellschaften, z.B. im naturhaften Stammeswesen durch Agrarwirtschaft und Jagd für viele Menschen noch möglich waren (10). Man muss nicht mehr Bauer oder Jäger oder Sammler sein, um existieren zu können; aber man muss Geld erwerben, um leben zu können, wo es nichts anderes zu erjagen und zu sammeln gibt als Geld.

Aber in der kapitalistischen Wirklichkeit hat sich hinter seiner Macht dennoch die Geschichte ereignet, durch die Geld auch erst seinen gesellschaftlichen Inhalt - wenn auch gegen ihn gleichgültig, also abstrakt - bezog. Es hat gerade durch seine allseitige Beziehungsform, durch seine Universalität auch die Arbeit fortgebildet zu einer Wirtschaftsform der Arbeitsersparnis, der Produktivität durch die Entwicklung optimaler Produktionsmittel. Aber als Machtmittel der Verwertung konnte es Geld nicht fertigbringen, den Menschen diese Arbeitsersparnis auch wirklich zu gewähren, sondern statt dessen Mehrwert für ein Mehrprodukt zu schaffen, das sie garnicht wirklich gebrauchen können, soweit es nur als Geld realisiert werden konnte. Geld betreibt eine doppelte Entwicklung. Es bietet die einzige Gewähr, am gesellschaftlichen Reichtum teil zu haben, der mit dem Fortschritt der Produktivität immer größer wird. Aber es vermehrt zugleich seine Abstraktionsmacht zu einer totalen gesellschaftlichen Gewalt des Existenzrisikos, das jenseits der Gesellschaft als bloße Privatsache des isolierten Daseins zur Ohnmacht der meisten Menschen auf der Erde geführt hat Denn nur mit Geld können sie sich gegen dessen allgewaltige gesellschaftliche Formbestimmung bewahren und schützen. Aber eben auch nur solange, wie sie Geld haben (11). Und ohne dieses sind sie ins Jenseits jeder gesellschaftlichen Wirklichkeit und Macht versetzt. Im Glauben an die Macht des Geldes herrscht der Kult des Kapitals, die Religion der Anpassung der Menschen an die Zwänge der Wertverwertung (12), der Glaube an die Alternativlosigkeit ihrer Verwertbarkeit.

Im Geld versammeln sich alle gesellschaftlichen Beziehungen als rein inhaltslose Beziehungen und vermitteln ihre Gleichgültigkeit gegen ihre Wirklichkeit, in der das Leben der Menschen ensteht, sich bildet und gesellschaftlichen Reichtum schafft. Geld ist in seinen Beziehungen beliebig, eben abstrakt und allgemein zugleich. Es ist gleichgültig gegen seine Herkunft, gegen die Ungewissheiten, Bedrohungen und existenzielle Risiken, die es nur gibt, weil und sofern es keine wirklich gesellschaftliche Vermittlung geben kann, solange diese durch Geld ersetzbar ist (13). Doch nicht durch Geld ersetzbar ist eine wirkliche Gesellschaft. Menschen sind gesellschaftliche Wesen. Und dieses hat menschliche Geschichte seit jeher ausgemacht. Es gehört zur Natur des Menschseins, auch wennn es sich nur als Indivuum erfährt. Die Natur selbst hat den Menschen als ein gesellschaftliches Wesen geschaffen. Die Menschwerdung der Natur hat die Natur seiner Gesellschaft, seiner Arbeit und seiner Bedürfnisse gebildet. Und deshalb ist jede Gesellschaftsform eine Form der menschlichen Natur, wie immer sich diese darin auch verwirklicht hat (14), Als diese müssen wir alle ihre Inhalte begreifen, auch wenn sie noch unwirklich erscheinen, ihre menschliche Form noch nicht gefunden haben, weil ihre Form selbst als Widerspruch besteht und als Formbestimmung gegen alle ihre Inhalte wirkt.

Gesellschaft als menschliches Lebensverhältnis

Die Basis aller menschlichen Entwicklung liegt im Menschen selbst, ist subjektiv, sein Bedürfnis, aus dem sich seine Tätigkeit ergibt, menschliche Gesellschaft überhaupt, wie sie auch als praktisches, als gegenständliches Verhältnis geworden ist und wird (15). Die Geschichte der Menschheit ist daher objektiv wie subjektiv, ist die Geschichte ihrer Sinnbildung, ihrer Kultur (16). Ihre gegenständliche Welt ist organisch wie ihr innere, ist selbst so sinnlich wie ihr Organismus und von daher auch Organ ihrer Bildung. Ohne dies wäre jede Gesellschaftsform absurd und von der reinen Vorstellung, die sich die Menschen hierzu und außer dem machen, ununterscheidbar. Nur ihr Bedürfnis hat den Sinn für ihren Gegenstand und dieser ist zu allererst wirklicher Inhalt ihrer Tätigkeit, gleich, welche gesellschaftliche Form sie bisher eingenommen hatte (17). Nicht alleine die Identität ihrer Arbeit mit ihren Bedürfnissen war und ist der Kern ihrer Geschichte, sondern deren gesellschaftliche Beziehung in der tätigen Vermittlung von beidem, von Konsumtion und Produktion, wie sie sich gegenständlich vollzieht, also wirklich objektiv, Wirklichkeit ist (18). In Wahrheit ist alle gesellschaftliche Geschichte durch die Vermittlung der Produktivkraft der Arbeit auf die Bedürfnisse der Menschen bestimmt (19).

Was das Menschentier zum Menschen gemacht hat, ist im Wesentlichen die gesellschaftliche Tat, die Vereinigung seiner gesellschaftlichen Naturkraft mit der Entwicklung seiner Bedürfnisse, die seine Geschichte ausmacht und die seine Kultur gebildet, seine materielle wie geistige Entfaltung geschaffen hat und auch weiterhin schaffen wird. Bedürfnis und Arbeit stehen nicht isoliert für sich. Sie sind dem Inhalt nach identisch und entwickeln sich auch durcheinander in unterschiedener Form. Arbeit erzeugt Bedürfnisse und Bedürfnisse erzeugen ein notwendiges Verlangen nach Arbeit (20). Das Bedürfnis ist die Notwendigkeit der Arbeit und ihre Freiheit zugleich (21). Als dieses verwirklicht es sich in einer wirtschaftlichen Kultur. Doch diese gab es bisher nur im Gegensatz von Arbeit und Bedürfnis, in der Entgegenstellung derer, welche im Besitz der Mittel waren, welche die Menschen nötig haben, um Mensch zu sein, und denen die nichts besitzen, und sich dem unterwerfen mussten, um an einer Gesellschaft der Menschen teilhaben zu können. Sie wurden schon immer genutzt, um die Gesellschaft voranzubringen und waren von daher die eigentlichen Träger der Geschichte. Sie wurden dafür unterdrückt, dass sie als solche den Herrschenden dienen mussten, dass sie nicht verfügen konnten über das, was sie erbrachten. Gesellschaft entwickelte sich bisher inhaltich über die Produktivität derer, die durch ihre Rechtsform beherrscht waren. Und diese Form wurde daher mit der Entwicklung der Produktivität, mit den Schüben der Produktentwicklung immer wieder gegen sie anachronistisch, zeitwirdrig. Sklavenhaltung wurde mit dem Feudalverhältnis zeitwidrig, das die Peitsche durch die Beitragspflicht aus der Agrarwirtschaft der leibeigenen Bauern ersetzte und dieses wiederum wurde zeitwidrig, als sie zu Handwerkern und Manufakteuren werden konnten. Aber die bisherige Geschichte der Menschheit hat immer erst durch deren Revolte eine zeitgemäße gesellschaftliche Form entwickelt. Es war eine Geschichte der Klassenkämpfe und die Revolutionen waren ihre Lokomotiven (22).

Heute stehen wir am Ende der bürgerlichen Gesellschaft, deren Produktivität den Reichtum des Geldes in sein Gegenteil verkehrt. Es ist eine Gesellschaftsform, welche Reichtum nur noch durch Armut, durch Verarmung und Vereinseitigung des menschlichen Lebens hervorbringen und provozieren kann. Allgemein gibt es genug Reichtum, der aber noch nicht wirklich für die Menschen existiert, weil und solange sie hiervon beherrscht werden. Er bietet aber trotz seiner formellen Gewalt die Möglichkeit, das Material und die Mittel, durch die sich die Menschen von dem Diktat des Geldes befreien können, wenn sie hieraus ihre Arbeit auf ihre Bedürfnissen beziehen, wenn sie in der Lage sind, ihre Aufwände mit ihrem Verlangen zu betreiben und dem eine adäquate Form, ein wirklich gesellschaftliches Mittel und Maß für ihre Beziehungen zu verleihen (23).

Am Ende der bürgerlichen Gesellschaft

Die Basis der menschlichen Geschichte ist nicht ein politischer Wille oder ein Streben nach höheren Kulturformen des Lebens, sondern die gesellschaftliche Bewältigung der Notwendigkeiten, welche von Natur aus gegeben sind (24). Und diese Bewältigung, die gesellschaftliche Arbeit, hat den Menschen befähigt, selbst die Naturstoffe für sich in ein produktives Verhältnis zu bringen, selbst zu einer Naturmacht zu werden (25) und sich innerhalb dieser Notwendigkeiten frei zu seinem Ursprung zu verhalten. Die bisherigen Gesellschaftsformen der Menschen haben die Produktivkraft ihrer Arbeit dahin gebracht, mit immer geringerem Aufwand für die Menschen eine immer größere Vielfalt ihrer Bedürfnisse zu entwickeln. Ihre Kultur hat sich hierdurch differenziert und macht den Inhalt ihres Verlangens und Tuns aus.

Aber sie war noch nie wirklich menschliche Kultur, weil Arbeit und Bedürfnisse voneinander getrennt blieben, weil die Bedürfnisse sich mehr auf der einen Seite und die Arbeit mehr auf der anderen Seite der Gesellschaft entwickelt haben. Die gesellschaftliche Naturmacht war immer nur die Macht der Herrschenden über die Menschen, die durch ihre Arbeit sie vollzogen. Es waren immer Klasssengesellschaften und die menschliche Geschichte bestand in der Form von Klassenkämpfen. Noch heute wird die Trennung von Arbeit und Bedürfnis durch die Entgegensetzung der Eigentümer von Produktionsmittel und -anlagen einerseits und von bloßer Arbeitskraft andererseits betrieben. Doch von Klassenkampf zu sprechen, erscheint heute fast schon zeitwidrig, weil von einem Kampf nicht mehr die Rede sein kann. Der Kampf der Klassen hat sich unserem Bewusstsein insofern entzogen, als er kaum mehr anders wahrnehmbar ist, als im immer krasser gewordenen Gegensatz von Armut und Reichtum, einem Gegensatz, der nicht mehr nur lokal wahrzunehmen ist, sondern als Verhältnis der Staaten zueinander und letztlich als Aufteilung der Welt zwischen Hunger und Überfluss existiert. (26). Weder sind die Armutsarbeiter in der Lage, zu kämpfen, weil sie keine Perspektiven darin sehen können, noch sind die besser gestellten Arbeiter willens, ihre Lage aufs Spiel zu setzen, die sie in den reicheren Nationen immerhin am Leben hält und sie vor allem immer mehr nur noch fürchten lässt, selbst einer von den armen - arbeitslos, gesellschaftslos - zu werden. Das Kapital bewegt inszwischen eine so gigantische Wertmasse, dass es die Klassen weltweit trennen, voneinenander isolieren und hierarchisieren konnte. Und es beutet nicht mehr nur Menschen, sondern ganze Länder aus, indem es sie durch Kredite und Sparzwänge und zum Teil auch durch glatte Korruption dazu zwingt, alles zum bloßen Selbsterhalt aufzubringen, was dereinst noch die Grundlage eigenständiger Wirtschaft, Infrastruktur und Arbeit war (27).

Hiergegen stehen jedoch nach wie vor die Fähigkeiten der Menschen, das Vermögen, Reichtum zu schaffen und sich anzueigenen. Auch dieses hat sich internationalisiert. Es steht nicht mehr in der Macht einzelner Funktionsträger des Kapitals, dies aufzuhalten. Sie können zwar die Menschen nach wie vor im Arbeitsverhältnis bestimmen, aber sie benötigen immer totalere Anpassung und immer bessere Bildung und immer weitgehendere Mobilität, also eine zunehmende Bereitstellung privater Ressourcen. Und weil sich mit der Produktivität der Arbeit, der Verkehrsverhältnisse, der Kommunikationsmöglichkeiten auch das gemeinschaftliche Vermögen der Menschen weiter entwickelt hat, hat sich auch die Notwendigkeit von Gemeinden entwickelt, sich selbst zu bestimmen, die eigene Subsistenz als eigene Sache zu ergreifen, die eigene Intelligenz als Ressource der Selbsterhaltung zu nutzen und die Mittel und Automaten hierfür zu entwickeln und bereit zu stellen. Der Möglichkeit nach sind die Menschen tatsächlich kommunaler geworden, während ihre Ausbeutung sich internationalisiert hat. Notwendig aber werden kommunale Lebenszusammenhänge durch den Zugriff des Kapitals auf ihre Infrastrukturen, auf ihren Boden, ihr Wasser, ihre Energie, ihre Besteuerung usw. Weltweit werden die Arbeitsstätten von den Finanzmärkten bestimmt und geplündert; lokal aber erweist sich deren Gewalt immer sichtbarer gegen den Selbsterhalt der Menschen im Niedergang des kommunalen Lebens und Vermögens.

Je machtloser der Staatsbürger als Staatsbürge wird, desto dringender wird seine politische Mitsprache, die er auf den sogenannten unteren Ebenen durchaus haben kann. Seine Arbeit mag auf den Finanzmärkten des Kapitals verschwinden, seine Kommune bleibt sein Lebensraum. Aus diesem heraus konstituieren sich neue Verhältnisse gegen die Finanzwirtschaft. Das Kapital hat sich in seiner Schrankenlosigkeit, die es durch seine Globalisierung vervollkommnet hat, zur Bedrängnis der konkreten Lebensräume der Menschen entwickelt und trifft dort auf Lebenszusammenhänge, die sich nicht mehr so einfach beugen lassen. Mit der Überwindung der materiellen Beschränktheit des globalen Kapitals hat sich daher auch der Glaube an seine Sache relativiert. Die Menschen haben nichts mehr davon und immer mehr haben begriffen oder begreifen, dass sie von einem ganzen Räderwerk der Geldverwertung zerrieben werden. Und es ist nicht nur dies. Durch die Vielseitigkeit ihrer Lebenszusammenhänge sind sie nicht nur technisch, sondern insgesamt intelligenter geworden. Als Staatsbürger erkennen sie immer präziser ihre Funktion als Bürge des Bankensystems. Und es ist auch unmittelbar spürbar geworden, dass der Staat sich in den Gegensatz zu den Kommunen gestellt hat, soweit er den Finanzmärkten Folge zu leisten hat. Die Trennung des Staates von den Kommunen wird zur zentralen Wahrnehmung der Bürger, die nicht nur ihre private Reproduktion betrifft, sondern auch ihre soziale. Wo die Kommunen veröden, weil sie ihre Industrieanlagen, ihre Häuser, ihre Böden, ihre Energie und sonstige infrastrukturelle Besitztümer veräußern müssen, um den Notwendigkeiten der Staatesverschuldung dienstbar zu bleiben, wächst die Verdrossenheit der Staatsbürger gegen die Politik der abstrakten Ebenen. Ihre Erfordernisse werden dort systematisch ignoriert, weil sich der Staat zunehmend gegen die konkreteren ökonomischen und politischen Notwendigkeiten der untern Ebenen wenden muss. Der Klassenkampf hat sich zu einem Kampf zwischen Kommune und Nation gewandelt. Die Forderungen nach einer entsprechenden Staatsbeteiligung an den Aufwendungen der Regionen werden nurmehr mit Restriktionen der Schuldendienste in der Form von sogenannten Sparplänen beantwortet, die zu einem immer größeren Teil nurmehr Zinszahlungen zum Erhalt der Keditsysteme ergaunern. Immer mehr Geldanteile aus den regionalen Wirtschaftsräumen verschwinden in der Spirale der Wertverwertung auf den Geldmärkten und werden dort zu einer bloßen Wertmasse einer Kapitalfiktion, die jede menschliche Beziehung auflöst, weil sie ihrer Natur und ihrem Leben, ihrem Bedürfnis und ihrer Arbeit widerspricht.

Der Klassenkampf findet nun räumlich statt und hat sich zu einem Schuldverhältnis zwischen Bürger und Staat, zu einem Feudalverhältnis entwickelt. Aber er besteht dennoch nach wie vor aus dem Verhältnis der Macht des Geldbesitzes gegenüber den Notwendigkeiten des Lebens. Auch auf den Finanzmärkten herrscht die Macht eines allgemeinen und zugleich abstrakten Mittels, welches immer noch die jeweilige Einzelheit der auf dem Markt isoliert auftretenden Bedürfnisse und Vermögen der Menschen, der Regionen und Kulturen auszubeuten sucht. Geld wird nach wie vor als gesellschaftlichen Macht der abstrakten Arbeit über die Privatheit der Reproduktion geschaffen. Nach wie vor gibt sie sich als Übermacht über die konkreten Notwendigkeiten und behält diese solange, wie die Menschen ihre Arbeit nicht auf ihre Bedürfnisse beziehen, solange sie die Teilung der Arbeit blindlings betreiben und bestärken, weil sie nur die Ohnmacht ihrer Vereinzelung wahrnehmen. Solange müsen sie ihre Bedürfnisse unterdrücken, ihre Mieten bezahlen, ihre Häuser räumen, ihre Energielieferanten bedienen und die Repräsentanten der Geldwirtschaft wählen.

Doch all dies ist schon dann aufgehoben, wenn sie ihre tatsächlich schon kommunal und regional vorhandene Macht und Kraft auch zur Aufhebung ihrer Abgetrenntheit umsetzen, wenn sie ihre Arbeit zunächst kommunal auf auf ihre Bedürfnisse beziehen, ihren Selbsterhalt an Ort und Stelle durch die vorhandenen Betriebsmittel besorgen und darin ihre Existenzangst verlieren, die nichts anderes als die Angst der Isolation ist. Überall, wo sich die Produkte der Menschen ihrer Natur entsprechend, also organisch auf ihre Bedürfnisse beziehen, überall wo Bedürfnis und Arbeit nicht verschiedene Seinsweisen haben, nicht voneinander getrennt sind, werden dem Kapital die Menschen entzogen. Nur durch deren Getrenntheit ist es möglich, Entwicklung und Not gegeneinander zu stellen und gesellschaftlichen Mehrwert aus der Not des Lebens der Einzelnen zu erpressen. Das Grundübel der kapitalistischen Produktionsweise ist die Vereinseitigung der Lebenswelten und der Vergesellschaftung ihrer Form. Es ist eine weitgehende Monokultivation, aus welcher das Abgetrennte mächig wird und sein Preis sich erpressen lässt. Die Quantifizierungen des Wertverhältnisses ergehen aus dem Widerspruch zwischen der Vereinzelung der Bedürfnisse und der Reproduktionsmöglichkeiten und der Privatisierung ihres quantitativen Ertrags. Mehrproduktion basiert immer auf Reproduktion, aber sie kann sie nur beherrschen, indem sie deren Existenz durch das bedient, was ihr abgeht. Und damit kann sie auch sich entziehen, drohen und bestechen. Es ist die Macht eines Diebstahls.

Diese geht ihrem Ende entgegen. Sobald die Reproduktion aller Individuen einer Gesellschaft auch gesellschaflich sichergestellt ist, sind die grundlegenden Widersprüche der bürgerlichen Gesellschaft aufgehoben, welche die warenproduzierende Gesellschaft mit ihrer Marktwirtschaft hat und betreibt (28). Und um darauf auch eine gesellschaftliche Mehrproduktion zur Vorsorge und Entwicklung zu errichten, ist lediglich eine regionale Bewirtschaftung von Vorschüssen nötig, die auch regional verwaltet und überregional ergänzt werden. Wirtschaft erweist sich dann auch politisch als eine Beziehung von Ergänzungen, die Ausbeutung nicht nötig haben.

Doch dies alles verlangt faire und durchsichtige Verhältnisse, die es in der Marktwirtschaft nicht geben kann, weil darin alle Beziehungen durch Geld geregelt werden. Wirtschaft muss in einen gänzlich anderen Kulturzusammenhang gestellt werden, der allerdings nichts anderes ist als der Zusammenhang einer natürlichen Kultur der Menschen, von dem sich die Menschen durch die Geldverhältnisse der bürgerlichen Gesellschaft entfremdet haben. Diese also müssen erstmal vollständig begriffen sein. Es wird sich zeigen, dass ihre Wirtschaft durchaus auch ihrer Kultur entsprechen, dass sie sogar mit ihr identisch sein kann.

Kultur und Wirtschaft

Menschliche Bedürfnisse erweisen sich gesellschaftlich in der Kultur der Menschen, wirtschaftlich in der Nützlichkeit ihrer Gegenstände. Doch beides ist nicht identisch. Ein "Ding ist ein Ganzes vieler Eigenschaften und kann daher nach verschiedenen Seiten nützlich sein" (MEW 23, S. 49). Als solches nützliche Ding hat jedes Produkt einen Gebrauchswert auch ohne dass es menschliche Kultur darzustellen hätte. Aber als Gebrauchswert ist es kein gesellschaftliches Ding, sondern existiert in Beziehung auf einen Gebrauch, auf einen bestimmten Nutzen, den es für bestimmte Menschen hat. Durch seine Nützlichkeit ist es in jedweder Gesellschaftsform ein wirtschaftliches Ding, das sowohl den Bedürfnissen der Menschen zukommt, wie es auch der Produktion z.B. als Produktionsmittel taugen kann, ohne auch nur einen Funken Sinn zu haben (29). Es muss nur wirtschaftlich zweckvoll sein, ob nun für die Menschen oder auch nur für die Vermehrung ihres Geldes. Als dieses besondere Ding, das als Gebrauchswert nur nützlich ist, ist es auch frei und beliebig austauschbar gegen andere nützliche Dinge und ist als dieses in der bürgerlichen Gesellschaft zur Ware geworden (30). Im Nutzen stellt sich nicht die Gesellschaftlichkeit der darin veräußerten Beziehungen dar, sondern der isolierte Gebrauch, der seine Gesellschaft nur in seiner Austauschbarkeit, in einem Tauschwert finden kann. Von daher stellen die Waren keine Beziehung menschlicher Bedürfnisse auf die Arbeit überhaupt dar, wie sie in ihrer Kultur gesellschaftlich sinnvoll sind. Sie sind ein Verhältnis des Werts, den sie im Tausch erwerben und der einerseits den Bedürfnissen als Nachfrage zukommt und andererseits eine erbrachte Arbeit voraussetzt, die diesen Wert durch das Quantum einer gesellscftlich notwendigen Arbeitzeit begründet. Von der Arbeitswelt erscheint jede Ware abgetrennt, ist lediglich das wirtschaftliche Moment hiervon, das bestimmte Eigenschaften für sich nimmt und einem einzelnen bestimmten Zweck in der Allgemeinheit der Tauschverhältnisse dient. Wirtschaftlich sind zwar alle Dinge entstanden, wenn sie gesellschaftlich in eine Tauschbeziehung treten, aber sie haben hierdurch keine wirkliche gesellschaftliche Beziehung. Ihr kultureller Zusammenhang hat in solcher Wirtschaftsform keine Wirklichkeit, weil Kultur nicht unbedingt nützlich ist (31). Umgekehrt aber ist Kultur wirtschaftlich, wenn ihre Entwicklung in dem Sinn gesellschaftlich entsteht, den die Menschen ihr verleihen. Die Nützlichkeit ist eine sehr beschränkte gesellschaftliche Beziehung, weil ihr nur die rein äußerliche Vermittlung der Dinge, wie sie fix und fertig im Einzelnen dienlich sind, entsprechen kann. Und so geht es mit allen Dingen einer Gesellschaft jenseits ihrer bornierten Nützlichkeit und auch den Menschen, die nur im Nutzen ihrer Leistungsfähigkeit wahrgenommen werden. In diesem Nutzen bezieht sich die von ihrem gesellschaftlichen Sinn isolierte Eigenschaft allgemein und verwirklicht im Warentausch eine abstrakt allgemeine Beziehung der Arbeitsteilung (32).

Nützliches dient einem Subjekt, das über dieses verfügt. "Herrschaft und Benutzung ist ein Begriff" (Marx-Engels-Werke Bd.1, S. 339). Ein solches Subjekt ist nichts anderes als eine bloße Existenzmacht, denn Nutzen ist der Zweck einer Existenz, die für sich ohnmächtig bleibt. Der einzelne Konsument mag sich als dieses Subjekt vorkommen, soweit seine Vergügungsmacht über die Gegenstände seiner Existenz reicht. Er ist jedoch selbst Gegenstand der Konsumtion, wenn er seine Arbeitskraft verkaufen muss. In der produktiven Konsumtion der Arbeit mag das Kapital den Anschein einer allgemeinen Nützlichkeit bekommen haben, aber was es nutzt alles nur, um daraus seinen Wert zu beziehen, der das schieder Gegenteil eines jedweden Nutzens ist. Vor allem als Arbeitskraft werden die Menschen genutzt, um Wert zu bilden und als Konsumenten werden sie genutzt, um ihn zu realisieren, um seine Abstraktionsmacht zu bestätigen und damit zu verewigen. Der Kapitalismus herrscht durch die Zweckrationalität des Nutzens sowohl sachlich wie ideell. Daraus allein besteht seine Vernunft. Diese Vernunft ist nicht durch die Nützlichkeit der Dinge entstanden; die müssen nicht vernünftig sein, denn sie ergeben und bestätigen sich in den sinnichen Beziehungen der Menschen selbst. Sie ist das Kalkül ihrer Ausschließlichkeit, welche durch die Verfügung über ihren separaten Nutzen als Gebrauchswert besteht, seine Abtrennung und Selbständigkeit mächtig macht. Damit wird alles verwechselt, was zum Leben gehört, mit dem was irgendwie dem Lebenserhalt nützt. So ist z.B. Arbeit nicht Lebenstätigkeit der menschlichen Bedürfnisse, sondern ein abstraktes Sollen: Man muss arbeiten, um leben zu können. Und Bedürfnisse sind nicht lebendiges Verlangen, Sinn, der Geschichte macht. Ihr Zweck wird durch die Nutzung einer Sache zur bloßen Befriedigung, die Befriedung einer Mangelerscheinung, die nichts von ihrem Grund muss. Und schließlich dienen hiernach die Produktionsmittel nicht der Geschichte des Lebens, der Übertragung seiner Geisteskraft und Intelligenz in eine wirtschaftliche Produktion, sondern der Rationalität der Geldverwertung, welche Wirtschaft letztendlich dazu anstiftet, unwirtschaftlich zu werden.

Alles Wirtschaftliche muss nützlich sein. Aber als Zweck für sich vollzieht sich darin nur die Logik der Ausnutzung. In einer derart absurden Rationalität, entwertet der Nutzen alles, was den Menschen gesellschaftlich ausmacht. Die Zweckrationalität des Nutzens entspricht einem Stand der Menschheitsgeschichte, in welcher zwar einerseits eine ungeheuere Produktivkraft entwickelt wurde, andererseits aber die Menschen gesellschaftlich entmachtet werden. Weil und solange sie solcher Logik unterstellt bleiben, weil und solange sie ihre Verhältnissse nur in ihrem Nutzen anerkennen, können sie sich auch nur selbst nützlich machen. Von daher besteht das Herrschaftsverhältnis des Nutzens über die lebendige Arbeit solange fort, wie sie nicht in die menschliche Kultur einbezogen, nicht selbst als Aufwand eines gesellschaftlichen Bedürfnisses begriffen wird. In der Trennung hiervon bezieht sie sich dann zwangsläufig weiterhin auf ein Subjekt, das allen Nutzen inne hat: Auf Geld. Der Nutzen der Produktionsmittel steht ganz und aussschließlich für den Nutzen des Geldes und der Nutzen des Geldes steht ganz und ausschließlich für die Reproduktion der Lebensverhältnisse, der Reproduktion der Arbeitsmittel und der Arbeitskraft. Wer über die Arbeitsmittel verfügt, verfügt damit auch über die Arbeit selbst, indem er die Arbeitskraft als Gebrauchswert für sich ebenso nutzen kann wie seine Produktionsmittel.

Die gesellschaftliche Grundlage des Privateigentums ist das Nutzungsrecht, der Besitz, also die rechtliche Besetzung von Nutzbarkeiten. Der Klassengegensatz beruht auf dem Gegensatz von Nutzung im Einzelnen und dessen Allgemeinheit im Geld. Geld nützt nur dem Austausch und Arbeit nützt nur dem Geld. Der Unterschied der Menschen als Besitzer von Geld und als Besitzer von Arbeitskraft trennt sie voneinander und macht den Geldbesitzer mächtig, weil er über das Mittel des Austauschs selbst verfügt. Ihm nützt alles, was daraus entsteht. Das Mehrprodukt, das über seine Reproduktion hinaus wie zufällig aus dem Arbeitsprozess heraus entsteht, macht seine Reproduktion produktiv. Die Reproduktion des Geldbesitzers ist damit zugleich Produktion der Wertform des Mehrprodukts, Mehrwert, während die Reproduktion der Arbeitskraft ihrem bloßen Existenzerhalt dient. Weil der Nutzen der Gebrauchswerte nur in privater Form zur Reproduktion der Besitzverhältnisse existiert, existert dessen gesellschaftliche Verwirklichung als Wertwachstum des Kapitals. Diese gegensinnige Wirklichkeit macht den Klassengegensatz von Kapital und Arbeit aus und ermöglicht es dem Kapital durch seine Verfügung über den Nutzen der Lohnarbeit, sich unbezahlte Arbeit als Mehrarbeit anzueignen und sich hierdurch zu bestärken. Der Grundeigentümer bezieht schließlich dann aus dem Nutzen seines Grund und Bodens den immaterialisierbaren Mehrwert und wird auch ohne eigenes Zutun, also wie von selbst zur dritten Klasse der ganzen Wertegemeinschaft (33).

Das Ende der Klassenkämpfe

Die Klassen bestehen solange fort, solange sie sich im Kreislauf der Produktion ihrer Nützlichkeiten auch reproduzieren und also das bleiben, wofür sie nützlich sind: Der Arbeiter für den Lohnerwerb, der Kapitalist für den Gelderwerb und der Grundeigentümer für den Erwerb von Mehrwert. Solange dies so ist, wird die Geschichte solcher Gesellschaft krisenhaft sein und es werden sich ihre Krisen wiederholen, wie sie es schon lange tut. Sie wird sich nicht von selbst ändern, selbst wenn sie gänzlich zusammenbricht. Es werden ihre Krisen immer enger und gewaltiger und die Staaten werden immer brutaler konkurrieren und ihre Bevölkerung immer härter disziplinieren. Solange jeder Mensch nur bleibt, was er ist, solange nur der Mangel und sein Befriedungsmittel herrscht, solange die Menschen keine Gesellschaft bilden, worin sie sich alle bereichern und ihre Kultur in ihrer Vielseitigkeit aufgeht, werden sie in einem ewigen Kreislauf einer sich immer mehr vernutzenden Gesellschaft verharren und der Verwertung ihrer Arbeit unterworfen bleiben. Geld beibt dann das wahre Gemeinwesen und besteht als dieses fort, wie leer und tot und barbarisch es dann auch werden mag. Es vermittelt sich als Existenzform toter Arbeit bis zur Selbstaufhebung aller Inhalte, aller Bedürfnisse, und macht den Bürger zum Spieß seiner Selbstaufgabe, zum Spießer inmitten einer brutalen Wirklichkeit.

Es ist alles eine Frage der Eigentumsverhältnisse solange sie die Besitzformen der Vernutzung bleiben und sich zwangsläufig um das bloße Geld drehen, weil und solange sich alle über Geld reproduzieren, es immer nur wieder erwerben, um es immer wieder nur auszugeben. Solange es kein anderes Gemeinwesen, keine andere Kultur, keine andere Form menschlicher Verhältnisse gibt, solange mit Geld die Reproduktion der Verhältnisse bezahlt wird, solange dem Arbeiter nur der Erhalt seiner Arbeitskraft, dem Kapitalisten der Wert seines Mehrprodukts und dem Grundeigentümer der Wert seines Bodens aus dem Mehrwert entgolten wird, solange wird auch lediglich die Vollstreckung eines abstrakten gesellschaftlichen Subjekts entgolten, in der alle reproduziert, also auch nur als bloße Reproduktionen existieren können. Die menschliche Kultur wird im Kapitalismus immer mehr zur Kultur der Retorte. Kapitalismuskritik ist von daher wesentlich Kulturkritik und Kulturkritik ist wesentlich die Kritik des Geldes und seiner Wirtschaftsform (34).

Im Kapitalismus wird anarchisch produziert, so dass im Nachhinein der Produktion erst die Konsumenten auf dem Markt geortet werden müssen, welche die Produkte kaufen. Ihr hieraus bezogener Wert allein bestimmt, inwieweit dies gelingt, und es gelingt immer weniger, je größer die produzierte Wertmasse ist, weil für deren Erhalt und Fortbewegung und Zirkulation die Arbeitslöhne nicht hinreichen. Die Wertmasse der Produktionsmittel, der Anlagen und Infrastrukturen der Produktivkraft, wird zu mächtig, um noch durch die Löhne der Menschen erhalten zu werden. Die Profitrate sinkt und das Kapital entwertet nicht nur sich, sondern auch die Geldwerte überhaupt, die als Fiktionen der Finansmärkte zerplatzen. Die Politik kann sich immer nur im Nachhinein darum kümmern, wie sich unter solchen Umständen die Strukturen und Formen der Kapitalwirtschaft erhalten lassen, wie also die Bedingungen für eine solche Produktionsweise immer wieder hergestellt und gesichert werden können. Es handelt sich hierbei eben nicht um eine wirtschaftliche Gesellschaft, die effektiv und planvoll ihre Entwicklung und Geschichte nach Kraft und Vermögen der sie bildenden Menschen vorantreibt.

Es handelt sich um einen Tanz um ein gesellschaftliches Produktionsrisiko, einem wirtschaftlichen Unding, das sich immer wieder selbst aufzehrt, um immer wieder mit seinem produktiven Unsinn neu zu beginnen. Dies muss sowohl politisch wie auch wirtschaftlich umgedreht werden. Es geht dabei sowohl um die wirtschaftlichen Eigenschaften, als auch um die politische Form dieser Gesellschaft, die in den herrschenden Eigentumsverhältnissen auf dem Kopf stehen: Nicht die effektive Zubereitung von Gegenständen und deren politische Bestimmung macht die Grundlage der bürgerlichen Gesellschaft aus, sondern das Volumen des Marktes, für den zuviel produziert werden muss, um nur einen Teil auch tatsächlich nutzen zu können, Es muss hierfür zweierlei in einem verändert werden: Einmal die gesellschaftliche Form, die politische Beziehung von Privatem und Gesellschaftlichem, von Einzelnem und Allgemeinem in einem gesellschaftlichen Ganzen. Und zugleich auch ihre Wirtschaft, die Art und Weise, wie darin die Aufwände erbracht werden, wie Bedürfnisse und Arbeit vereint werden. Es geht dabei nicht um eine gesellschaftliche Herrschaftsform, sondern um unentwegte Gesellschaftsbildung, nicht um Planwirtschaft oder eine erneuerte Form der Marktwirtschaft, sondern um die Verträglichkeit des Wirtschaftens überhaupt und es geht nicht um eine Kulturmacht, sondern um die Kultur einer notwendigen Freiheit, in welcher Bedürfnisse und Produkte aufeinander bezogen werden. Es geht um eine Arbeitsform, die aus den Bedürfnissen der Menschen erwächst und sich als Synergie menschlicher Produktion bewahrheiten und bewähren kann, in welcher sich das Bedürfnis in der Arbeit erkennen kann, weil es denselben Inhalt wie das Produkt hat, und aus dem sich wiederum neue Bedürfnisse ergeben, welche schließlich die Geschichte menschlicher Kultur bilden.

Die Mittel für eine menschliche Geschichte sind da. Nur die Zwecke sind ihr fremd. Und das hat keinerlei Notwendigkeit mehr. Der gesellschaftliche Reichtum erübrigt jede private Verfügungsmacht über gesellschaftliche Zusammenhänge. Das Material für die Selbsterhaltung und Produktion, für den Umgang der Menschen miteinander, für Verwaltung, Verkehr und Politik ist hochentwickelt. Es gibt hierfür eine weitgehende Automation, Kommunikation und hochentwickelte Infrastrukturen der kommunalen Lebenszusammenhänge. Die Gemeinden, Landkreise, Bezirke, Regionen und Länder wären in der Lage, deren Reproduktion sicher zu stellen, wenn sie nicht den privaten Rechtsformationen des Verschuldungskapitals unterworfen wären. Wären die gesellschaftlichen Aufgaben in jedem Gemeinwesen politisch so versammelt, wie deren Material sachlich schon da ist und wie es den Bedürfnissen der Menschen entspricht und von ihnen auch erhalten und entwickelt werden kann, so wäre auch kein absurdes Finanzsystem mehr nötig, das dies alles nur vernutzt und aufbraucht, um daraus Geld zu machen. Es muss dies endlich als überflüssig begriffen werden und auch die Fähigkeit des Kapitals überflüssig gemacht werden, Geld als Vorschuss für kleine und große Projekte zu liefern. Das schließt eine Reihe von Entwicklungen ein, die ohne weiteres aus den bestehenden Existenzbedingungen heraus zu gestalten wären. Die Produktion müsste kommunalwirtschaftlich organisiert und unmittelbar so besorgt werden, wie es für die Menschen möglich ist, wie sie selbst das Material hierfür gesellschaftlich besorgen, verwalten und aufschatzen können. Die Basis hierfür ist als erstes eine Subsistenzindustrie auf der Ebene, wo die Menschen ihre ursprünglichsten Lebenszusammenhänge haben: In der Kommune. Alles andere muss sich da heraus in einem subsidiaren Föderalismus zu einer wirtschaftlichen Politik entwickeln.


(1) Durch die Kredite der EU-Banken sollte solche Kapitalwirtschaft in diesen Ländern aber erst mal entstehen. Wie in einem frisch gegründeten Betrieb wurde das zu einem Seittanz zwischen Investition und Schuldbelastung. Aber die Zeit zu einer aufgebesserten Kapitalisierung reichte nicht hin und die Schulden vermehrten sich durch die Zinsen ins uferlose, auch in den reicheren Ländern, weil Kapitalwirtschaft immer noch von den Infrastrukturen der Länder abhängig ist, vom Vermögen ihrer Arbeit, ihres Handels und ihres Verkehrs- und Kommmunikationswesens. Niemand konnte die Versprechungen der Verschuldungsobergrenze und des Wertwachstums einhalten, zu allererst auch nicht Deutschland und Frankreich. Politisch war man nicht in der Lage, solche Wirtschaft zu beherrschen, weil Wirtschaft immer noch die Politik beherrscht. Auch außerhalb von Europa und sowieso in den armen Ländern auch. Die wurden immer ärmer, weil sie wirtschaftlich von den reichen stranguliert wurden. Ihre Währungen waren im Belieben der Finanzmärkte so bewertet, dass sie in die Abwärtsspirale der Substanzvernichtung gerieten, ihre Menschen an Hungerlöhne auslieferten und ihre Böden den Spekulationen auf Rohstoffen und Biosprit überlassen mussten.

(2)Ihre Kunst ist lediglich die Vermittlung, die Handhabe von Problemen mit dem Wertwachstum durch den politischen Opportunismus der Meinungsmache, der Psychologie des Populismus. Ihr Versagen ist inzwischen so offensichtlich, dass sie fast alle in den Zeitungen, den Nachrichtensendungen, den Feulletons und den Talkshows nur noch von einer grundsätzlichen Sanierung des Finanzsystems reden, von den Ungerechtigkeiten der Geldverteilung und dem Versagen der Banken und der Politik Sie alle wollen es jetzt schon lange gewusst haben, dass die Finanzspekulation das Kapitalinvestment bedroht, dass die Investmentbanken die Guten - wei die echten Banken - und dass die Kapitalspekulanten die Bösen - weil nur Schattenbanken - sind. Das haben sie doch alle auch schon mal irgendwo gesagt: der Geisler von der CDU, der Waigel von der CSU, der Lindner von der FDP, der Gabriel von der SPD und der Tritin von den Grünen. Ja, sie alle wollen schon längst mal die Trennung von Gut und Böse, von Investitionskrediten und Kapitalspekulationen gefordert haben - halt mehr oder weniger wenigstens. Auch das mit der Kapitaltransfersteuer sei ein alter Hut. Darüber ist man sich längst mit den Positionen von Attac und der neuen Protestbewegungen einig. Gut, dass dafür auch auf der Straße demonstriert wird.

(3) Es wär ja auch zu schön, wenn es da ein paar Schuldige gäbe, die man nur disziplieren müsste, und damit ein Fehlverhalten der Banken oder ein Fehler der Finanzpolitik schon bereinigt wäre, wenn es also nur um eine Bereinigung des Kapitalismus ginge. Wenn die Schulden überhand nehmen, dann müsse man das einfach beschränken - mit Maßhalten und einer "Schjuldenbremse" zum Beispiel. Doch das Problem ist ganz das Gegenteil: Nicht die Schulden sondern die Kredite sind das Problem. Der Kapitalismus erzeugt einfach immer wieder zuviel Geld, weil er zuviele Waren produzieren muss, um den Geldwert zu sichern, Geld, das nicht ausgegeben werden kann, weil diejenigen, die es erarbeiten, nur das hiervon bekommen, was sie zum Selbsterhalt brauchen. Das reicht dann auch nicht für hohe Steuern mehr hin. Und die Reichen will man ja ja sowieso nicht mit Steuern vergraulen, weil die sonst ganz verschwinden würden und dann auch noch die Geldinvestoren weg seien. Weil alles sich nurmehr um das Geld als solches dreht, werden die Aufgaben des Staats und der Kommmunen immer schwerer und letztlich nur durch Pump finanzierbar, der immer mehr Zinsen kostet und vor allem wiederum die Geldwirtschaft bedient, deren Produkt diese illusionäre Wirtschaft überhaupt ist.

Um den Mehrwert zu produzieren, der vor allem nur noch das bereits erzeuget Geldvermögen in seinem Wert zu erhalten hat, um also das bloße Finanzsystem am Laufen zu halten, entsteht immer mehr Geld, das zur bloßen Fiktion gerinnt. Seit es den Finanzmarkt gibt, gibt es solche Probleme und seitdem wurden sie auch so beschrieben. Und den Finanzmarkt gibt es, seit die Mehrwertproduktion über die Produktion des gesellschaftlichen Mehrprodukts hinausgewachsen war. Kreditierung ist nichts anderes als die Geldform einer Überschussverwaltung. Und das Dilemma der Finanzmärkte ist nichts anderes als das Dilemma des Geldes, wo es frei von seinem Dasein als Zahlungsmittel festgehalten, wo es also aufgeschatzt wird. Und dies findet bereits auf den Warenmärkten statt, auch wenn ihre Masse nur etwa 5% der Wertmasse der Finanzmärkte ausmacht. Nichtdestotrotz sind und bleiben sie die Basis aller bürgerlichen Wirtschaftsverhältnisse, auch dann, wenn diese sich feudalisiert, sich also zu Schuldverhältnissen entwickelt haben.

Aber diese Überschuldung ist selbst nicht aus dem Mangel an produktivem Geldvermögen entstanden, sondern an der überschäumenden Kreditierungssucht des fiktiven Kapitals, das einfach zuviel Geld ist. Und wird es nicht durch Kreditrückzahlungen aufgefrischt, so entwertet es sich und entwickelt dann erst eine Schuldenkrise. Die Krisen stürzen ineinander. Die Krise des Falls der Profitrate entwickelt sich damit zur weltweiten Rezession. Das Problem sei die Überschuldung der ganzen Weltwirtschaft, meint Dirk Müller. Tatsächlich gibt es zu viel vergebenes oder spekuliertes Geld und zuwenig realen Geldwert. Geld ist das Problem überhaupt. Aber wie kann es überhaupt "zuviel Geld" geben? Und wie kann man das verhindern?

Die schnelle Schuldzuweisung an Gierköpfe und schwachsinnige Politiker genügt nicht mehr, nicht mal für den medialen Populismus. Vielmehr ist auch schon in einer breiteren Masse der Bevölkerung die bange Ahnung entstanden, dass da etwas ganz Grundsätzliches nicht stimmen kann. Auch das kennt man schon lange. Hatte nicht schon Henry Ford gesagt: "Wenn die Leute begreifen würden, was Geld wirklich ist, dann hätten wir morgen schon eine Revolution". Doch auch der Fordismus hat den Überschuss des Geldes nicht überwunden. Zwar haben es viele zu einem eigenen Auto gebracht und dieser Industrie zum Glanz verholfen, doch den meisten geht es immer noch vor allem um die ihnee verfügbare Geldmenge, um die Höhe ihres Einkommens und um ihr Erspartes, ihrem vermeintlichen Rettungsanker im Tornado der Existenzvernichtungen. Aber über ein ganz grundsätzliches Unbehagen kann man sich auch nicht mehr so ganz hinwegtäuschen. Das liegt daran, dass offenschtlich geworden ist, dass Geld etwas sehr Vergängliches ist - nicht nur, weil die falschen Leute zuviel davon haben, sondern weil sie alle nicht mehr soviel damit machen können, wenn die ganze Wirtschaft ins Stocken kommt. Auch an den Stammtischen weiß man schon, dass es nicht richtig sein kann, wenn nur höchstens 10% des derzeit zirkulierenden Geldes als Zahlungsmittel für die Warenangebote auf den Märkten und den Investitionen in die Produktionen existieren, der Rest reine Spekulationsmasse ist. Von den 600 Billionen Dollars auf den Geldmärkten ist höchstens ein Zehntel überhaupt für den Zahlungsverkehr nötig. Das kann auf Dauer nicht gut gehen, denn Geld muss zu allererst verdient werden, also aus den Produkten der Arbeit zum Wertmaß werden. Wenn es wertlos wird, so nur dadurch, dass es nicht mehr entstehen kann, dass seine Bildungsstätte selbst den immer größeren Verwertungstrieb nicht mehr einlösen kann, dass es also fiktiv wird und die Fiktionen allüberall zu einer gesellschaftlichen Krankheit geworden sind. Die überschäumende Kreditierungssucht des fiktiven Kapitals, das einfach zuviel Geld ist, lässt sich nicht mehr in einem hinreichenden Umfang von wirklich erarbeitetem Geld auffrischen.

Der große Teil des Mehrwerts muss daher in Glaubensangelegenheiten, in Krediten und Aktien angelegt werden und auf den Finanzmärkten als Spielgeld kursieren, das für Wetten und Erpressungen der anderen Art taugt. Aber nicht die Geldgier einzelner Individuen schaukelt das System dermaßen ins Leere, sondern das Selbsterhaltungsprinzip des Kapitals, das immer mehr Arbeit benötigt, um immer sinnlosere Werte zu vermehren, jene Werte eben, die nur den Wert des Geldes als solches betreffen.

(4) Das auf den Markt als Vorschuss "geworfene" Geld ist eben nicht immer eine Himmelsgabe, auch wenn es aus der Notenbank kommend so erscheinen mag. Es wird sehr regelmäßig auch zur Hölle, wenn es wieder mal "geerdet" werden muss, weil die erwirtschaftete Geldmasse "zu groß" geworden ist.

(5) Nicht seine Macht über die Arbeit allein bestimmt die Lebensverhältnisse, die sein Besitzer zu verwerten sucht; zunehmend ist es die Arbeitslosigkeit, die Armut, der Hunger und der Durst, was die Menschheit bedroht, wo das Verwertungsinteresse herrscht. Das liegt nicht daran, dass es zuviele Menschen gibt, sondern dass sie nicht alle an der lebensnotwendigen Arbeit und ihren Produkten teilhaben können, dass die einen hungern müssen, damit die anderen mit wenig Lohn zufrieden sind, dass die einen keine Arbeit finden, damit die anderen durch Mehrarbeit besser vernutzt werden, dass die einen in ihren Lebensverhältnissen, ihrer Natur und Subsistenz ausgelaugt werden, damit die anderen im Überfluss leben. Es liegt daran, dass die Ausbeutung von Mensch und Natur weltweit funktionieren muss, um den Wert des Geldes für die zu erhalten und zu vermehren, die es besitzen.

Durch die Verbürgerlichung des Geldverhältnisses wird das Leben der Bürgen zwar nach wie vor von der Existenzmacht des Kapitals beherrscht, ihre Konfrontation mit ihr aber immer undurchsichtiger. Vor allem in Gesellschaften, die schon sachlich als Dienstleitungsgesellschaft dem Kapital nahe stehen, weil sie dessen Subsistenz als Teil des konstanten Kapitals zu besorgen haben. Ihre Reallöhne sinken und ihre Chancen auf eine sorgenlose Existenz gehen gegen Null und ihre Kinder können für ihre Zukunft nur noch unendlich beschwert durch Aussichtslosigkeit und Schulden wahrnehmen. Doch sie leiden zu einem relativ großen Teil nicht mehr so offensichtlich an der unmittelbaren Gewalt des produktiven Kapitals über ihr Leben. Es ist eher das Versagen überhaupt, der Niedergang ihrer gesellschaftlichen Existenz als Ganzes, ihrer Betriebe, Mietverhältnisse, Geldwerte, Infrastrukturen, Sozialverhältnisse und zwischenmenschlichen Beziehungen usw.. Den allgemeinen Niedergang müssen sie so sehr fürchten, dass sie für fast alle Zugeständnisse zur Erhaltung des Ganzen bereit sind. Gerade wo es sich als zerbrochen, als aufgeteilt in den fremden Machträumen globaler Kapitalverhältnisse, zerborsten in unendlich viele Splitter des menschlichen Lebens erweist, entzieht sich ihnen der Boden ihrer Kritikfähigkeit und ihres Widerstands. In ihrer Sorge um das Ganze verbrüdern sie sich mit der Sorge um das Kapital und das "liebe Geld" und werden beifallsüchtig, wenn ihnen geschickte Populisten aus Politik und Wissenschaft nette Vorstellungen liefern. Doch diese bestärken auch nur ihre Ahnung, dass sie selbst nicht mehr gefragt sind und nichts tun können, wenn die Krisen immer allgemeiner und in immer kürzeren Abständen alles verschlingen, was ihr Lebensmittel betrifft. Und das ist hierzulande fast identisch mit dem Geld, das sie zu Händen haben, und der Wert, den es darstellt. Davon ist ihr Bewusstsein bedrängt und neigt zur Reaktion, zur Kumpanei mit der Macht des Bestehnden, des Ganzen, mit der Staatsgewalt als solche.

(6) Die Zinswirtschaft des Staates in trautem Bündnis mit den Banken ist seit eh und je der Augapfel des Systemerhalts, weil sich darin die Fiktion des Kapitalvorschusses, wie sie schon im Geld angelegt ist, in seiner abstraktesten Form fokusiert:

"In dem zinstragenden Kapital ist ... die Vorstellung vom Kapitalfetisch vollendet, die Vorstellung, die dem aufgehäuften Arbeitsprodukt, und noch dazu fixiert als Geld, die Kraft zuschreibt, durch eine eingeborne geheime Qualität, als reiner Automat, in geometrischer Progression Mehrwert zu erzeugen, so daß dies aufgehäufte Arbeitsprodukt, wie der "Economist" meint, allen Reichtum der Welt für alle Zeiten als ihm von Rechts wegen gehörig und zufallend schon längst diskontiert hat. Das Produkt vergangner Arbeit, die vergangne Arbeit selbst, ist hier an und für sich geschwängert mit einem Stück gegenwärtiger oder zukünftiger lebendiger Mehrarbeit. Man weiß dagegen, daß in der Tat die Erhaltung, und insoweit auch die Reproduktion des Werts der Produkte vergangner Arbeit nur das Resultat ihres Kontakts mit der lebendigen Arbeit ist; und zweitens: daß das Kommando der Produkte vergangner Arbeit über lebendige Mehrarbeit grade nur so lange dauert, wie das Kapitalverhältnis dauert, das bestimmte soziale Verhältnis, worin die vergangne Arbeit selbständig und übermächtig der lebendigen gegenübertritt." (Karl Marx in Das Kapital Buch 3: Der Gesamtprozeß der kapitalistischen Produktion Marx-Engels-Werke Bd.25, S. 412)

(7) Der Mehrwert ist die Wertform des Mehrprodukts und von daher im Interesse eines Austauschs von dem, was über die zur Befriedigung der Bedürfnisse der Menschen notwendige Arbeit hinausgeht:

"Wenn ich mehr produziere, als ich unmittelbar selbst vor dem produzierten Gegenstand brauchen kann, so ist meine Mehrproduktion auf dein Bedürfnis berechnet, raffiniert. Ich produziere nur dem Schein nach ein Mehr von diesem Gegenstand, Ich produziere der Wahrheit nach einen andern Gegenstand, den Gegenstand deiner Produktion, den ich gegen dies Mehr auszutauschen gedenke, ein Austausch, den ich in Gedanken schon vollzogen habe. Die gesellschaftliche Beziehung, in der ich zu dir stehe, meine Arbeit für dein Bedürfnis ist daher auch ein bloßer Schein, und unsere wechselseitige Ergänzung ist ebenfalls ein bloßer Schein, dem die wechselseitige Plünderung zur Grundlage dient. Die Absicht der Plünderung, des Betrugs liegt notwendig im Hinterhalt, denn da unser Austausch ein eigennütziger ist, von deiner wie meiner Seite, da jeder Eigennutz den fremden zu überbieten sucht, so suchen wir uns notwendig zu betrügen. Das Maß der Macht, welche ich meinem Gegenstand über deinen einräume, bedarf allerdings, um zu einer wirklichen Macht zu werden, deiner Anerkennung. Unsere wechselseitige Anerkennung über die wechselseitige Macht unserer Gegenstände ist aber ein Kampf, und im Kampf siegt, wer Energie, Kraft, Einsicht und Gewandtheit besitzt. Reicht die physische Kraft hin, so plündere ich dich direkt. Ist das Reich der physischen Kraft gebrochen, so suchen wir uns wechselseitig einen Schein vorzumachen und der Gewandtetste übervorteilt den andern. Wer den andern übervorteilt, ist für das Ganze des Verhältnisses ein Zufall. Die ideelle, gemeinte Übervorteilung findet auf beiden Seiten statt, das heißt jeder der beiden hat in seinem eigenen Urteil den andern übervorteilt." (Karl Marx in Auszüge aus Mills Élemens d°économie politique, Marx-Engels-Werke Bd.40, S. 460)

(8) Die Geschichte der Menschen ist die Bildungsgeschichte menschlicher Sinne, wie sie einander in ihren Bedürfnissen erwecken.Von daher sind die Bedürfnisse der Menschen auch ihre Triebfeder und ihre Befriedigung ihre Bewahrheitung, Bewährung im Allgemeinen. "Die Konsumtion schafft den Trieb der Produktion; sie schafft auch den Gegenstand, der als zweckbestimmend in der Produktion tätig ist." (Karl Marx in Einleitung zur Kritik der Politischen Ökonomie 1857, Marx-Engels-Werke Bd.13, S. 623)

"Die Produktion liefert dem Bedürfnis nicht nur ein Material, sondern sie liefert dem Material auch ein Bedürfnis. Wenn die Konsumtion aus ihrer ersten Naturrohheit und Unmittelbarkeit heraustritt - und das Verweilen in derselben wäre selbst noch das Resultat einer in der Naturrohheit steckenden Produktion -, so ist sie selbst als Trieb vermittelt durch den Gegenstand. Das Bedürfnis, das sie nach ihm fühlt, ist durch die Wahrnehmung desselben geschaffen. Der Kunstgegenstand - ebenso jedes andere Produkt - schafft ein kunstsinniges und schönheitsgenußfähiges Publikum. Die Produktion produziert daher nicht nur einen Gegenstand für das Subjekt, sondern auch ein Subjekt für den Gegenstand." (Karl Marx in Einleitung zur Kritik der Politischen Ökonomie 1857, Marx-Engels-Werke Bd.13, S. 625)

(9) Geld vermittelt die ganze Existenz von Menschen über einen Wert, den ihre Produkte gemessen an ihrer allgemeingültigen Gesellschaftlichkeit haben und der zugleich auch den Mehrwert ihrer Produkte darstellt, den ihre Überproduktion, ihr Mehrprodukt ausmacht. Es ist die allgemeine Privatform der bürgerlichen Lebensverhältnisse, dessen Interesse die allgemeine Selbstsucht bestätigt und erstrebt.

"Die Ökonomen drücken das so aus: Jeder verfolgt sein Privatinteresse und nur sein Privatinteresse und dient dadurch, ohne es zu wollen und zu wissen, den Privatinteressen aller, den allgemeinen Interessen. Der Witz besteht nicht darin, daß, indem jeder sein Privatinteresse verfolgt, die Gesamtheit der Privatinteressen, also das allgemeine Interesse erreicht wird. Vielmehr könnte aus dieser abstrakten Phrase gefolgert werden, daß jeder wechselseitig die Geltendmachung des Interesses der andern hemmt und statt einer allgemeinen Affirmation vielmehr eine allgemeine Negation aus diesem bellum omnium contra omnes resultiert. Die Pointe liegt vielmehr darin, daß das Privatinteresse selbst schon ein gesellschaftlich bestimmtes Interesse ist und nur innerhalb der von der Gesellschaft gesetzten Bedingungen und mit den von ihr gegebnen Mitteln erreicht werden kann, also an die Reproduktion dieser Bedingungen und Mittel gebunden ist. Es ist das Interesse der Privaten; aber dessen Inhalt, wie Form und Mittel der Verwirklichung, durch von allen unabhängige gesellschaftliche Bedingungen gegeben.
Die wechselseitige und allseitige Abhängigkeit der gegeneinander gleichgültigen Individuen bildet ihren gesellschaftlichen Zusammenhang. Dieser gesellschaftliche Zusammenhang ist ausgedrückt im Tauschwert, worin für jedes Individuum seine eigne Tätigkeit oder sein Produkt erst eine Tätigkeit und ein Produkt für es wird; es muß ein allgemeines Produkt produzieren – den Tauschwert oder, diesen für sich isoliert, individualisiert, Geld. Andrerseits die Macht, die jedes Individuum über die Tätigkeit der andren oder über die gesellschaftlichen Reichtümer ausübt, besteht in ihm als dem Eigner von Tauschwerten, von Geld. Es trägt seine gesellschaftliche Macht, wie seinen Zusammenhang mit der Gesellschaft in der Tasche mit sich. Die Tätigkeit, welches immer ihre individuelle Erscheinungsform, und das Produkt der Tätigkeit, welches immer seine besondre Beschaffenheit, ist der Tauschwert, d.h. ein Allgemeines, worin alle Individualität, Eigenheit negiert und ausgelöscht ist." (Karl Marx in Grundrisse der Kritik der politischen Ökonomie, Marx-Engels-Werke Bd.42, S. 90 bis 91)

(10) Im Mittelalter mussten die Menschen gerade mal 5 Stunden Arbeit pro Tag aufwenden, um sich erhähren zu können.

Verstädterung, Trennung von Stadt und Land

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(11) Geld entsteht Tag für Tag im Verhältnis der Waren zueinander als ihr allgemeines Wertmaß aus der Notwendigkeit, sich durch den Warentausch zwischen Angebot und Nachfrage gesellschaftlich in Beziehung zu bringen, weil und solange es keine andere Form einer allgemeinen gesellschaftlichen Beziehung gibt, weil und solange eben die Menschen sich in ihrer einzigen wirklichen gesellschaftlichen Beziehung gleichgültig sind. Und weil es keine bestimmte, also inhaltliche Beziehung zwischen Käufer und Verkäufer auf dem Markt gibt, weil sie sich also nur über den Preis verhalten, können sie auch allgemein nur im Wert des Geldes ihr Gemeinwesen bilden und verfestigen. Ihre inhaltliche Beziehung trägt sich hinter dem Rücken der Warenbesitzer zu, weil der eine als Erzeuger, der andere als Bedürftiger auf dem Markt ist. Indem sie sich rein quantitativ über den Wert ihrer Waren beziehen, setzt sich daher der Inhalt als hintergründige Macht in solchen Verhältnissen durch. Der Verkäufer sucht in seinen Preisen konkurrierende Anbieter auszustechen und richtet sich von daher nach dem Maßstab der Preise; der Käufer sucht das beste Produkt mt seinem Geld zu ergattern, weil er mit diesem das gesellschaftliche Faustpfand des Handels, das Wertmaß besitzt. In der gleichgültigen Beziehung treffen absolute Gegensätze aufeinander, die nur in einem Frieden sich einig werden können: In einem Preis, in welchem das Wertmaß der Arbeitsprodukte sich als Maßstab der Preise für die Bedürftigen realisieren lässt. In diesem Wertverhältnis setzt sich die Wertgröße daher auch zwangsläufig als der Wesenskern dieser Verhältnisse durch und gewinnt auf diese Weise die gesellschaftliche Macht, die Allgemeingültigkeit eines Wertquantums, welches aus der Arbeit entsteht, gegen die einzelnen Besonderheiten der Bedürfnisse der Menschen. Arbeit und Bedürfnisse stehen von daher zwangsläufig in einem Machtgefälle - aber nicht, weil die Arbeit mächtiger als das Bedürfnis wäre, sondern gerade umgekehrt: Weil der Besitzer des Arbeitsprodukts über die Arbeit verfügt, an welcher die Menschen ohne Macht gebunden sind, soweit sie den Notwendigkeiten ihrer Bedürfnisse folgen müssen. Wer seine Bedürfnisse nur durch den Besitz seiner Arbeitskraft befriedigen kann, muss deren Nutzung verkaufen an den, der das Geld besitzt, mit welchem er die Arbeit finanzieren kann. Aus der Notwendigkeit der Reproduktion auf der einene Seite ergibt sich die Verfügungsmacht über die Produktion - und damit über die gesellschaftliche Entwickung überhaupt - auf der anderen. Gesellschaft muss sich dann zwangsläufig im Sinne der Geldverwertung fortentwickeln und diese stellt die gesellachsftliche Macht in den Händen derer dar, die über dieses Geld verfügen können, das mit der Arbeit zugleich entsteht, soweit und weil diese mehr erzeugt, als zur Reproduktion von Arbeitskraft und Produktionsmaterial nötig ist.

(12) "Die Kritik der Religion endet mit der Lehre, daß der Mensch das höchste Wesen für den Menschen sei, also mit dem kategorischen Imperativ, alle Verhältnisse umzuwerfen, in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist." (Marx-Engels-Werke Bd.1, S. 385)

(13) Dies erzeugt Agenturen, in der sich die Notwendigkeiten der gesellschaftlichen Beziehungen wiederum vermarkten, z.B. durch Wohnungsmakler, Werbeagenturen, Zeitarbeitsfirmen, Verischerungsunternehmen, Banken, Kommunikationsprovider usw. Wer genug Geld hat, kann damit jedenfalls existieren; verliert er die Möglichkeit, an Geld zu gelangen, so stürzt er in einen Strudel der Mittellosigkeit, in der er nicht nur Hab und Gut, sondern seine gesellschaftliche Bezogenheit überhaupt verliert. Der Kampf ums Überleben macht es nicht nur nötig, an Geld zu kommen. Er ist zugleich der Kampf um die Mittel der besseren Existenz, die Konkurrenz um die höhere Existenzsicherheit. Und darin unterscheidet sich Geldbesitz und Gelderwerb schon von vorn herein in den unterschiedlichen Existenzweisen der Lebens- und Produktionsmittel, der Gebrauchswerte, die den einen zum Subordinierten des anderen machen.

"Nachdem der Geldbesitzer das Arbeitsvermögen gekauft hat - sich gegen Arbeitsvermögen ausgetauscht hat (der Kauf ist fertig mit der wechselseitigen Übereinkunft, wenn die Zahlung auch erst später eintritt), verwendet er es nun als Gebrauchswert, konsumiert es. Die Verwirklichung des Arbeitsvermögens, sein wirklicher Gebrauch, ist aber die lebendige Arbeit selbst. Der Konsumtionsprozeß dieser spezifischen Ware, die der Arbeiter verkauft, fällt also zusammen mit dem oder ist vielmehr der Arbeitsprozeß selbst. Da die Arbeit die Tätigkeit des Arbeiters selbst, die Verwirklichung seines eignen Arbeitsvermögens ist, so tritt er also als arbeitende Person, als Arbeiter in diesen Prozeß, und für den Käufer hat er in diesem Prozeß kein andres Dasein als das des sich betätigenden Arbeitsvermögens. Es ist daher nicht eine Person," (Zur Kritik der politischen Ökonomie MEW 43, S.50*)

Wer genug Geld hat, um andere für sich arbeiten zu lassen, der hat vor allem gesellschaftliche Macht zu Händen - sei es in Form von Produktionsmitteln, Grundstücke oder Wertpapiere. Hinter dem Rücken der Geldverhältnisse wirkt diese Macht auf das Leben der Menschen ganz allgemein und ganz organisch zugleich. Dass der Reichtum der einen zur Armut der anderen werden muss, liegt schon von daher auf der Hand. Immer noch herrscht der Kampf der Klassen um ihr Überleben, obwohl er für die Menschen insgesamt völlig absurd, anachronistisch geworden ist. Schon immanent ist es ein Widersinn: Das Wertwachstum des Geldes bewirkt zugleich immer wieder und immer öfter und immer schneller seinen Wertschwund, weil es nicht mehr dem Wirtschaftswachstum entsprechen kann, weil es den Kapitalismus selbst unwirtschaftlich gemacht hat, weil der Fall der Profitrate es zur Entwertung aller Werte zwingt.

(14) "Je tiefer wir in der Geschichte zurückgehen, je mehr erscheint das Individuum, daher auch das produzierende Individuum, als unselbständig, einem größren Ganzen angehörig: erst noch in ganz natürlicher Weise in der Familie und der zum Stamm erweiterten Familie; später in dem aus dem Gegensatz und Verschmelzung der Stämme hervorgehenden Gemeinwesen in seinen verschiednen Formen.

Erst in dem 18. Jahrhundert, in der "bürgerlichen Gesellschaft", treten die verschiednen Formen des gesellschaftlichen Zusammenhangs dem einzelnen als bloßes Mittel für seine Privatzwecke entgegen, als äußerliche Notwendigkeit. Aber die Epoche, die diesen Standpunkt erzeugt, den des vereinzelten einzelnen, ist grade die der bisher entwickeltsten gesellschaftlichen (allgemeinen von diesem Standpunkt aus) Verhältnisse. Der Mensch ist ... nicht nur ein geselliges Tier, sondern ein Tier, das nur in der Gesellschaft sich vereinzeln kann. Die Produktion des vereinzelten Einzelnen außerhalb der Gesellschaft ... ist ein ebensolches Unding als Sprachentwicklung ohne zusammen lebende und zusammen sprechende Individuen." (Grundrisse, MEW 42, S. 20).

(15) Gesellschaft ist das lebende Zusammenwirken der Menschen, notwendige Wirklichkeit des Menschseins, menschliche Synergie. Sie beruht auf dem besonderen Verhältnis der Menschen zu ihrer Natur, die ihnen gegenständlich und also Gegenstand ihres Stoffwechsels und ihrer Arbeit ist. Ihre Gesellschaft selbst ist die Naturmächtigkeit ihres Lebenszusammenhangs, durch welche ihr Erhalt und Fortbestand gesichert und die Entwicklung ihrer Lebensvielfalt, die Vielfältigkeit ihres sinnlichen Lebens, ihr geistiger und materieller Reichtum geschaffen und gebildet wird.

"Das praktische Erzeugen einer gegenständlichen Welt, die Bearbeitung der unorganischen Natur ist die Bewährung des Menschen als eines bewußten Gattungswesens, d.h. eines Wesens, das sich zu der Gattung als seinem eigenen Wesen oder zu sich als Gattungswesen verhält. Zwar produziert auch das Tier. Es baut sich ein Nest, Wohnungen, wie die Biene, Biber, Ameise usw. Allein es produziert nur, was es unmittelbar für sich oder sein Junges bedarf; es produziert einseitig, während der Mensch universell produziert; es produziert nur unter der Herrschaft des unmittelbaren physischen Bedürfnisses, während der Mensch selbst frei vom physischen Bedürfnis produziert und erst wahrhaft produziert in der Freiheit von demselben; es produziert nur sich selbst, während der Mensch die ganze Natur reproduziert; sein Produkt gehört unmittelbar zu seinem physischen Leib, während der Mensch frei seinem Produkt gegenübertritt. Das Tier formiert nur nach dem Maß und dem Bedürfnis der Spezies, der es angehört, während der Mensch nach dem Maß jeder Spezies zu produzieren weiß und überall das inhärente Maß dem Gegenstand anzulegen weiß; der Mensch formiert daher auch nach den Gesetzen der Schönheit." (Karl Marx und Friedrich Engels in Die deutsche Ideologie, Marx-Engels-Werke Bd.3, S. 516)

(16) "Subjektiv gefaßt: Wie erst die Musik den musikalischen Sinn des Menschen erweckt, wie für das unmusikalische Ohr die schönste Musik keinen Sinn hat, [kein] Gegenstand ist, weil mein Gegenstand nur die Bestätigung einer meiner Wesenskräfte sein kann, also nur so für mich sein kann, wie meine Wesenskraft als subjektive Fähigkeit für sich ist, weil der Sinn eines Gegenstandes für mich (nur Sinn für einen ihm entsprechenden Sinn hat) grade so weit geht, als mein Sinn geht, darum sind die Sinne des gesellschaftlichen Menschen andre Sinne wie die des ungesellschaftlichen; erst durch den gegenständlich entfalteten Reichtum des menschlichen Wesens wird der Reichtum der subjektiven menschlichen Sinnlichkeit, wird ein musikalisches Ohr, ein Auge für die Schönheit der Form, kurz, werden erst menschlicher Genüsse fähige Sinne, Sinne, welche als menschliche Wesenskräfte sich bestätigen, teils erst ausgebildet, teils erst erzeugt. Denn nicht nur die 5 Sinne, sondern auch die sogenannten geistigen Sinne, die praktischen Sinne (Wille, Liebe etc.), mit einem Wort der menschliche Sinn, die Menschlichkeit der Sinne wird erst durch das Dasein seines Gegenstandes, durch die vermenschlichte Natur. Die Bildung der 5 Sinne ist eine Arbeit der ganzen bisherigen Weltgeschichte. Der unter dem rohen praktischen Bedürfnis befangene Sinn hat auch nur einen bornierten Sinn.> Für den ausgehungerten Menschen existiert nicht die menschliche Form der Speise, sondern nur ihr abstraktes Dasein als Speise; ebensogut könnte sie in rohster Form vorliegen, und es ist nicht zu sagen, wodurch sich diese Nahrungstätigkeit von der tierischen Nahrungstätigkeit unterscheide. Der sorgenvolle, bedürftige Mensch hat keinen Sinn für das schönste Schauspiel; der Mineralienkrämer sieht nur den merkantilischen Wert, aber nicht die Schönheit und eigentümliche Natur des Minerals; er hat keinen mineralogischen Sinn; also die Vergegenständlichung des menschlichen Wesens, sowohl in theoretischer als praktischer Hinsicht, gehört dazu, sowohl um die Sinne des Menschen menschlich zu machen als um für den ganzen Reichtum des menschlichen und natürlichen Wesens entsprechenden menschlichen Sinn zu schaffen." (Karl Marx in Ökonomisch-philosophische Manuskripte, Marx-Engels-Werke Bd.40, S. 542)

(17) "In der gesellschaftlichen Produktion ihres Lebens gehen die Menschen bestimmte, notwendige, von ihrem Willen unabhängige Verhältnisse ein, Produktionsverhältnisse, die einer bestimmten Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivkräfte entsprechen. Die Gesamteinheit dieser Produktionsverhältnisse bildet die ökonomische Struktur der Gesellschaft, die reale Basis, worauf sich ein juristischer und politischer Überbau erhebt, und welcher bestimmte gesellschaftliche Bewusstseinsformen entsprechen. Die Produktionsweise des materiellen Lebens bedingt den sozialen, politischen und geistigen Lebensprozeß überhaupt. Es ist nicht das Bewusstsein der Menschen, das ihr Sein, sondern umgekehrt ihr gesellschaftliches Sein, das ihr Bewusstsein bestimmt. Auf einer bestimmten Stufe ihrer Entwicklung geraten die materiellen Produktivkräfte der Gesellschaft in Widerspruch mit den vorhandenen Produktionsverhältnissen oder, was nur ein juristischer Ausdruck dafür ist, mit den Eigentumsverhältnissen, innerhalb deren sie sich bisher bewegt hatten. Aus Entwicklungsformen der Produktivkräfte schlagen diese Verhältnisse in Fesseln derselben um. Es tritt dann eine Epoche sozialer Revolution ein. Mit der Veränderung der ökonomischen Grundlage wälzt sich der ganze ungeheure Überbau langsamer oder rascher um. In der Betrachtung solcher Umwälzungen muß man stets unterscheiden zwischen der materiellen, naturwissenschaftlich treu zu konstatierenden Umwälzung in den ökonomischen Produktionsbedingungen und den juristischen, politischen, religiösen, künstlerischen oder philosophischen, kurz, ideologischen Formen, worin sich die Menschen dieses Konflikts bewusst werden und ihn ausfechten. Sowenig man das, was ein Individuum ist, nach dem beurteilt, was es sich selbst dünkt, ebenso wenig kann man eine solche Umwälzungsepoche aus ihrem Bewusstsein beurteilen, sondern muß vielmehr dies Bewusstsein aus den Widersprüchen des materiellen Lebens, aus dem vorhandenen Konflikt zwischen gesellschaftlichen Produktivkräften und Produktionsverhältnissen erklären." (Karl Marx in Zur Kritik der Politischen Ökonomie Marx-Engels-Werke Bd.13, S. 7 f)

(18) "Die Produktion ist nicht nur unmittelbar Konsumtion, und die Konsumtion unmittelbar Produktion; noch ist die Produktion nur Mittel für die Konsumtion und die Konsumtion Zweck für die Produktion, d.h., daß jede der andren ihren Gegenstand liefert, die Produktion äußerlichen der Konsumtion, die Konsumtion vorgestellten der Produktion; sondern jede derselben ist nicht nur unmittelbar die andre, noch die andre nur vermittelnd, sondern jede der beiden schafft, indem sie sich vollzieht, die andre; sich als die andre. Die Konsumtion vollzieht erst den Akt der Produktion, indem sie das Produkt als Produkt vollendet, indem sie es auflöst, die selbständig sachliche Form an ihm verzehrt; indem sie die in dem ersten Akt der Produktion entwickelte Anlage durch das Bedürfnis der Wiederholung zur Fertigkeit steigert; sie ist also nicht nur der abschließende Akt, wodurch das Produkt Produkt, sondern auch, wodurch der Produzent Produzent wird. Andrerseits produziert die Produktion die Konsumtion, indem sie die bestimmte Weise der Konsumtion schafft, und dann, indem sie den Reiz der Konsumtion, die Konsumtionsfähigkeit selbst schafft als Bedürfnis. Diese letztre unter 3. bestimmte Identität in der Ökonomie vielfach erläutert in dem Verhältnis von Nachfrage und Zufuhr, von Gegenständen und Bedürfnissen, von durch die Sozietät geschaffnen und natürlichen Bedürfnissen.

Hiernach für einen Hegelianer nichts einfacher, als Produktion und Konsumtion identisch zu setzen. Und das ist geschehn nicht nur von sozialistischen Belletristen, sondern von prosaischen Ökonomen selbst, z.B. Say, in der Form, daß wenn man ein Volk betrachte, seine Produktion seine Konsumtion sei. Oder auch die Menschheit in abstracto. Storch hat dem Say das Falsche nachgewiesen, indem ein Volk z.B. nicht rein sein Produkt konsumiert, sondern auch Produktionsmittel schafft etc., fixes Kapital etc. Die Gesellschaft als ein einziges Subjekt betrachten, ist, sie überdem falsch betrachten - spekulativ. Bei einem Subjekt erscheinen Produktion und Konsumtion als Momente eines Akts. Das Wichtigste ist hier nur hervorgehoben, daß, betrachte man Produktion und Konsumtion als Tätigkeiten eines Subjekts oder einzelner Individuen, sie jedenfalls als Momente eines Prozesses erscheinen, worin die Produktion der wirkliche Ausgangspunkt und darum auch das übergreifende Moment ist. Die Konsumtion als Notdurft, als Bedürfnis ist selbst ein innres Moment der produktiven Tätigkeit. Aber die letztre ist der Ausgangspunkt der Realisierung und daher auch ihr übergreifendes Moment, der Akt, worin der ganze Prozeß sich wieder verläuft. Das Individuum produziert einen Gegenstand und kehrt durch dessen Konsumtion wieder in sich zurück, aber als produktives Individuum, und sich selbst reproduzierendes. Die Konsumtion erscheint so als Moment der Produktion." (Karl Marx in Marx-Engels-Werke Bd.13, S.635 f)

(19) "Man kann die Menschen durch das Bewußtsein, durch die Religion, durch was man sonst will, von den Tieren unterscheiden. Sie selbst fangen an, sich von den Tieren zu unterscheiden, sobald sie anfangen, ihre Lebensmittel zu produzieren, ein Schritt, der durch ihre körperliche Organisation bedingt ist. Indem die Menschen ihre Lebensmittel produzieren, produzieren sie indirekt ihr materielles Leben selbst. Die Weise, in der die Menschen ihre Lebensmittel produzieren, hängt zunächst von der Beschaffenheit der vorgefundenen und zu reproduzierenden Lebensmittel selbst ab. Diese Weise der Produktion ist nicht bloß nach der Seite hin zu betrachten, daß sie die Reproduktion der physischen Existenz der Individuen ist. Sie ist vielmehr schon eine bestimmte Art der Tätigkeit dieser Individuen, eine bestimmte Art, ihr Leben zu äußern, eine bestimmte Lebensweise derselben. Wie die Individuen ihr Leben äußern, so sind sie, Was sie sind, fällt also zusammen mit ihrer Produktion, sowohl damit, was sie produzieren, als auch damit, wie sie produzieren. Was die Individuen also sind, das hängt ab von den materiellen Bedingungen ihrer Produktion." (Karl Marx und Friedrich Engels in Die deutsche Ideologie, Marx-Engels-Werke Bd.3, S. 21)

(20) "Die Konsumtion ist unmittelbar auch Produktion, wie in der Natur die Konsumtion der Elemente und der chemischen Stoffe Produktion der Pflanze ist. Daß in der Nahrung z.B., einer Form der Konsumtion, der Mensch seinen eignen Leib produziert, ist klar. Es gilt dies aber von jeder andren Art der Konsumtion, die in einer oder der andren Art den Menschen nach einer Seite hin produziert. Konsumtive Produktion. Allein, sagt die Ökonomie, diese mit der Konsumtion identische Produktion ist eine zweite, aus der Vernichtung des ersten Produkts hervorgehende. In der ersten versachlichte sich der Produzent, in der zweiten personifiziert sich die von ihm geschaffne Sache. Also ist diese konsumtive Produktion - obgleich sie eine unmittelbare Einheit zwischen Produktion und Konsumtion ist - wesentlich verschieden von der eigentlichen Produktion. Die unmittelbare Einheit, worin die Produktion mit der Konsumtion und die Konsumtion mit der Produktion zusammenfällt, läßt ihre unmittelbare Zweiheit bestehn.
Die Produktion ist also unmittelbar Konsumtion, die Konsumtion ist unmittelbar Produktion. Jede ist unmittelbar ihr Gegenteil. Zugleich aber findet eine vermittelnde Bewegung zwischen beiden statt. Die Produktion vermittelt die Konsumtion, deren Material sie schafft, der ohne sie der Gegenstand fehlte. Aber die Konsumtion vermittelt auch die Produktion, indem sie den Produkten erst das Subjekt schafft, für das sie Produkte sind. Das Produkt erhält erst den letzten finish <die letzte Vollendung> in der Konsumtion. Eine Eisenbahn, auf der nicht gefahren wird, die also nicht abgenutzt, nicht konsumiert wird, ist nur ein Eisenbahn dunamei <der Möglichkeit nach>, nicht der Wirklichkeit nach. Ohne Produktion keine Konsumtion; aber auch ohne Konsumtion keine Produktion, da die Produktion so zwecklos wäre. Die Konsumtion produziert die Produktion doppelt," (Karl Marx in Marx-Engels-Werke Bd.13, S.634)

(21) "Wo ihn das Kleidungsbedürfnis zwang, hat der Mensch jahrtausendelang geschneidert, bevor aus einem Menschen ein Schneider wurde. Aber das Dasein von Rock, Leinwand, jedem nicht von Natur vorhandenen Element des stofflichen Reichtums, musste immer vermittelt sein durch eine spezielle, zweckmäßig produktive Tätigkeit, die besondere Naturstoffe besonderen menschlichen Bedürfnissen assimiliert. ...
Die Gebrauchswerte Rock, Leinwand usw., ... sind Verbindung von zwei Elementen, Naturstoff und Arbeit. Zieht man die Gesamtsumme aller verschiedenen nützlichen Arbeiten ab, die in Rock, Leinwand usw. stecken, so bleibt stets ein materielles Substrat zurück, das ohne Zutun des Menschen von Natur vorhanden ist. Der Mensch kann in seiner Produktion nur verfahren, wie die Natur selbst, d. h. nur die Formen der Stoffe ändern. Noch mehr. In dieser Arbeit der Formung selbst wird er beständig unterstützt von Naturkräften. Arbeit ist also nicht die einzige Quelle der von ihr produzierten Gebrauchswerte, des stofflichen Reichtums. Die Arbeit ist sein Vater, wie William Petty (engl. Ökonom) sagt, und die Erde seine Mutter." (Karl Marx in Das Kapital Buch 1: Der Produktionsprozess des Kapitals, Marx-Engels-Werke Bd.23, S. 57 bis 58)

(22) "Man begreift die Lage der französischen Bauern, als die Republik ihren alten Lasten noch neue hinzugefügt hatte. Man sieht, daß ihre Exploitation von der Exploitation des industriellen Proletariats sich nur durch die Form unterscheidet. Der Exploiteur ist derselbe: das Kapital. Die einzelnen Kapitalisten exploitieren die einzelnen Bauern durch die Hypotheke und den Wucher, die Kapitalistenklasse exploitiert die Bauernklasse durch die Staatssteuer. Der Eigentumstitel der Bauern ist der Talisman, womit das Kapital ihn bisher bannte, der Vorwand, unter dem es ihn gegen das industrielle Proletariat auf hetzte. Nur der Fall des Kapitals kann den Bauern steigen machen, nur eine antikapitalistische, eine proletarische Regierung kann sein ökonomisches Elend, seine gesellschaftliche Degradation brechen. Die konstitutionelle Republik, das ist die Diktatur seiner vereinigten Exploiteurs; die sozial-demokratische, die rote Republik, das ist die Diktatur seiner Verbündeten. Und die Waage steigt oder fällt je nach den Stimmen, welche der Bauer in die Wahlurne wirft. Er selbst hat über sein Schicksal zu entscheiden. - So sprachen die Sozialisten in Pamphlets, in Almanachs, in Kalendern, in Flugschriften aller Art. Verständlicher wurde ihm diese Sprache durch die Gegenschriften der Partei der Ordnung, die sich ihrerseits an ihn wandte und durch die grobe Übertreibung, durch die brutale Auffassung und Darstellung der Absichten und Ideen der Sozialisten den wahren Bauernton traf und seine Lüsternheit nach der verbotenen Frucht überreizte. Am verständlichsten aber sprachen die Erfahrungen selbst, welche die Bauernklasse von dem Gebrauch des Stimmrechts gemacht hatte, und die in revolutionärer Hast Schlag auf Schlag ihn überstürzenden Enttäuschungen. Die Revolutionen sind die Lokomotiven der Geschichte." (K. Marx, Klassenkämpfe in Frankreich MEW 7, 84)

(23) Die Kritik der Philsosophie endete für Marx in einem Verständnis der wirklichen Lebenspraxis der Menschen, wie sie nur geschichtlich zu begreifen ist, im historischen Materialismus. Und Geschichte war hiernach die Aufeinanderfolge des Vermächtnisses ihrer Produktivkräfte, was immer ihre gesellschaftiche Form auch gewesen war.

"Was ist die Gesellschaft, welches immer auch ihre Form sei? Das Produkt des wechselseitigen Handelns der Menschen. Steht es den Menschen frei, diese oder jene Gesellschaftsform zu wählen? Keineswegs. ...
Man braucht nicht hinzuzufügen, dass die Menschen ihre Produktivkräfte – die Basis ihrer ganzen Geschichte – nicht frei wählen; denn jede Produktivkraft ist eine erworbene Kraft, das Produkt früherer Tätigkeit. Die Produktivkräfte sind also das Resultat der angewandten Energie der Menschen, doch diese Energie selbst ist begrenzt durch die Umstände, in welche die Menschen sich versetzt finden, durch die bereits erworbenen Produktivkräfte, durch die Gesellschaftsform, die vor ihnen da ist, die sie nicht schaffen, die das Produkt der vorhergehenden Generation ist.
Dank der einfachen Tatsache, dass jede neue Generation die von der alten Generation erworbenen Produktivkräfte vorfindet, die ihr als Rohmaterial für neue Produktion dienen, entsteht ein Zusammenhang in der Geschichte der Menschen, entsteht die Geschichte der Menschheit, die umso mehr Geschichte der Menschheit ist, je mehr die Produktivkräfte der Menschen und infolgedessen ihre gesellschaftlichen Beziehungen wachsen. ...
Die notwendige Folge: ... Ihre materiellen Verhältnisse sind die Basis aller ihrer Verhältnisse. Diese materiellen Verhältnisse sind nichts anderes als die notwendigen Formen, in denen ihre materielle und individuelle Tätigkeit sich realisiert.“ (K. Marx, Brief an Annenkow (1846), MEW 4, 548)

Der Fortschritt der Menscheit bestand letztlich aus der Minderung ihrer Arbeitsaufwände, aus der Wirtschaftlichkeit ihrer Produktion, die ihnen die Angst vor den Naturgewalten nehmen konnte, soweit sie selbst naturmächtig war, ohne ihre Natur aufzuheben.

„Die Geschichte ist nichts als die Aufeinanderfolge der einzelnen Generationen, von denen jede die ihr von allen vorhergegangenen vermachten Materialien, Kapitalien, Produktionskräfte ausnutzt, daher also einerseits unter ganz veränderten Umständen die überkommene Tätigkeit fortsetzt und andererseits mit einer ganz veränderten Tätigkeit die alten Umstände modifiziert ...“ (K. Marx, Deutsche Ideologie, MEW 3, 45)

Dach als diese Geschichte verlief die bisherige menschliche Geschichte im Gegensatz von Produktivkraft und Arbeit, war also eine Geschichte im Gegensatz der Eigentumsverhältnisse, Geschichte von Klassenkämpfen. Die Menschen sind im Kapitalismus bis heute durch die Klassengegensätze in ihren Lebensbedingungen durch das, was sie zu ihrer Reproduktion brauchen, was sie zu ihrer Existenz nötig haben, in ein gesellschaftliches Verhältnis versetzt, das ihnen ihre eigene gesellschaftliche Macht und Natur entfremdet.

"Dem Kapitalisten erscheint sein Kapital, dem Grundeigentümer sein Boden und dem Arbeiter seine Arbeitskraft oder vielmehr seine Arbeit selbst (da er die Arbeitskraft nur als sich äußernde wirklich verkauft und ihm der Preis der Arbeitskraft, wie früher gezeigt, auf Basis der kapitalistischen Produktionsweise sich notwendig als Preis der Arbeit darstellt) so als drei verschiedne Quellen ihrer spezifischen Revenuen, des Profits, der Grundrente und des Arbeitslohns. Sie sind es in der Tat in dem Sinne, daß das Kapital für den Kapitalisten eine perennierende Pumpmaschine von Mehrarbeit, der Boden für den Grundeigentümer ein perennierender Magnet zur Anziehung eines Teils des vom Kapital ausgepumpten Mehrwerts und endlich die Arbeit die beständig sich erneuernde Bedingung und das stets sich erneuernde Mittel ist, um einen Teil des vom Arbeiter geschaffnen Werts und daher einen durch diesen Wertteil gemeßnen Teil des gesellschaftlichen Produkts, die notwendigen Lebensmittel, unter dem Titel des Arbeitslohns zu erwerben. Sie sind es ferner in dem Sinn, daß das Kapital einen Teil des Werts und daher des Produkts der jährlichen Arbeit in der Form des Profits, das Grundeigentum einen andern Teil in der Form der Rente und die Lohnarbeit einen dritten Teil in der Form des Arbeitslohns fixiert und grade durch diese Verwandlung umsetzt in die Revenuen des Kapitalisten, des Grundeigentümers und des Arbeiters, ohne aber die Substanz selbst zu schaffen, die sich in diese verschiednen Kategorien verwandelt." (Karl Marx in Das Kapital Buch 3: Der Gesamtprozeß der kapitalistischen Produktion, Marx-Engels-Werke Bd.25, S. 830)"

Die bisherigen Gesellschaftformen entsprachen in ihrer Entstehung immer schon den Produktivkräften, die in der vorherigen gesellschaftlichen Form entstanden waren.

"Eine Gesellschaftsformation geht nie unter, bevor alle Produktivkräfte entwickelt sind, für die sie weit genug ist, und neue höhere Produktionsverhältnisse treten nie an die Stelle, bevor die materiellen Existenzbedingungen derselben im Schoß der alten Gesellschaft selbst ausgebrütet worden sind. Daher stellt sich die Menschheit immer nur Aufgaben, die sie lösen kann, denn genauer betrachtet, wird sich stets finden, dass die Aufgabe selbst nur entspringt, wo die materiellen Bedingungen ihrer Lösung schon vorhanden oder wenigstens im Prozess ihres Werdens begriffen sind." (Karl Marx in Zur Kritik der Politischen Ökonomie Marx-Engels-Werke Bd.13, S. 9)

(24) "Damit der "Mensch" zum Gegenstand des sinnlichen Bewußtseins und das Bedürfnis des "Menschen als Menschen" zum Bedürfnis werde, dazu ist die ganze Geschichte die Vorbereitungs- Entwicklungsgeschichte. Die Geschichte selbst ist ein wirklicher Teil der Naturgeschichte, des Werdens der Natur zum Menschen." (Karl Marx in Ökonomisch-philosophische Manuskripte, Marx-Engels-Werke Bd.40, S. 543)

(25) "Wir müssen bei den voraussetzungslosen Deutschen damit anfangen, daß wir die erste Voraussetzung aller menschlichen Existenz, also auch aller Geschichte konstatieren, nämlich die Voraussetzung, daß die Menschen imstande sein müssen zu leben, um »Geschichte machen« zu können. Zum Leben aber gehört vor Allem Essen und Trinken, Wohnung, Kleidung und noch einiges Andere. Die erste geschichtliche Tat ist also die Erzeugung der Mittel zur Befriedigung dieser Bedürfnisse, die Produktion des materiellen Lebens selbst, und zwar ist dies eine geschichtliche Tat, eine Grundbedingung aller Geschichte, die noch heute, wie vor Jahrtausenden, täglich und stündlich erfüllt werden muß, um die Menschen nur am Leben zu erhalten." (Karl Marx und Friedrich Engels in Die deutsche Ideologie, Marx-Engels-Werke Bd.3, S. 28)

(26) Der Kampf der Klassen hat sich durchgesetzt als vollendetes internationales Gewaltverhältnis des Kapitals gegen die Arbeit der Menschen, seinem ureigensten Entstehungsprozess. Klassenkampf hat sich in einem Feudalverhältnis aufgehoben, das sich über die ungeheuerliche Verschuldung der Staaten selbst vermittelt, einer Verschuldung zudem, die so weit in die Zukunft greift, dass sie keine wahre Gegenwärtigkeit mehr haben kann. Das Ende der bürgerlichen Gesellschaft ist damit erreicht. Allerdings gab es das auch schon alles zu Marxens Zeten, wenn er schreibt:

"In großen Umrissen können asiatische, antike, feudale und modern bürgerliche Produktionsweisen als progressive Epochen der ökonomischen Gesellschaftsformation bezeichnet werden. Die bürgerlichen Produktionsverhältnisse sind die letzte antagonistische Form des gesellschaftlichen Produktionsverhältnisses, antagonistisch nicht im Sinne von individuellem Antagonismus, sondern eines aus den gesellschaftlichen Lebensbedingungen der Individuen hervorwachsenden Antagonismus, aber die im Schoß der bürgerlichen Gesellschaft sich entwickelnden Produktivkräfte schaffen zugleich die materiellen Bedingungen zur Lösung dieses Antagonismus. Mit dieser Gesellschaftsformation schließt daher die Vorgeschichte der menschlichen Gesellschaft ab." (Karl Marx in Zur Kritik der Politischen Ökonomie Marx-Engels-Werke Bd.13, S. 9)

Inzwischen hat sich der Klassenkampf zu einem Feudalverhältnis zurückentwickelt, in welchem die Bürger zu den Leibeigenen der Staatsverschuldung, zu den Bürgen der Entwertung seines Geldvermögens geworden sind, das im Wesentlichen das Vermögen der Banken ist. Die Nationalstaaten selbst waren auf diese Weise zu deren Material geworden, zum Geldeintreiber, Arrangeur und Manager der Nationalwirtschaft in deren Dienst Und sie verhalten sich entsprechend wie Betriebswirte, die überhaupt nur noch um ihre Profite und Schuldentilgung besorgt sind. Weltweit sind die Klassen aufgeteilt in gegensätzliche Existenzgrundlagen der Staaten, in Konkurrenz um Erträge und Klassenkampf ist zur Schlacht um die Existenz von ganzen Nationen zerronnen. Doch er besteht nichtdestotrotz als diese fort, wenn auch als Kampf selbst immer aussichtsloser, soweit man sich weiter am Geld orientiert und bemisst.

(27) Wenn eine Textilarbeiterin in Bangladesch, welche die Jeans und Hemden für Lidl, H&M oder andere Händler herstellen und mit 28 Euro im Monat auskommen muss, so kann sie das nur, weil sie für Mittagessen 19 Cent oder für Miete 10 Euro bezahlt, weil also alle Warenbeziehungen ihres Landes selbst Objekt der Ausbeutung sind, der Reisbauer, der Lebensmittelhändler, der Handwerker und Bauarbeiter usw. Es ist vorwiegend die Ausbeutung ihrer Währung selbst, die Objekt der Ausbeutung ist. Und die wird auf den Finanzmärkten gehandelt und verwettet. Das ist so jämmerlich, wie das Elend, in dem diese Menschen leben müssen. Mal wird bekannt, dass es Massenselbstmorde bei Arbeiterinnen gibt, welche die schicken Apple-Computer zusammenschrauben, mal erfährt man davon aus Kambodscha oder auch Thailand, wo zu Hungerlöhnen Kleider gemacht und Tunfisch eingemacht wird. Während dort ein Aufstand wegen Hunger unmöglich ist, leben wir in einem Reichtum von weltweiter Tragweite immer noch so gut, dass sich ein Aufstand der etablierten Arbeiterschaft kaum lohnt und die Billigarbeit bei uns zwar zum Protest kommt, aber kein genereller ökonomischer Streik hierüber riskiert werden will.

(28) Es hat sich unter den Bedingungen des Feudalkapitalismus ein Reichtum an Waren gebildet, der wirklich paradox ist. Er ermöglicht den Menschen eine ungeheuerliche Vielfalt von Befriedigungsmöglichkeiten, entfernt sie zugleich aber vom gesellschaftlichen Sinn ihrer Bedürfnisse, häuft eine Masse von Produkten auf, die sich nicht verkaufen lassen, weil der Lohn der Menschen hierfür nicht ausreichen kann und weil das Geld, das sie erwirtschaften vor allem zur Aufblähung der Spekulation dient, um das galoppierende Risiko derer zu mindern, die davon leben - und es damit zugleich nur verstärken. Klassenkämpfe sind absurd geworden, weil sich die Klassen nicht mehr wirklich gesellschaftlich gegenüber stehen. Dennoch gibt es sie als bloße Gewalt über die Existenz der Menschen. Es gibt die Klassen durch den Fortbestand der Besitzverhältnisse des Geldes.

Heute sollte es darum geht, wie dieser Kampf beendet werden kann, der doch ein ungeheuerlicher Verschleiß an Aufwand von Lebenszeit und Naturressourcen mit sich bringt und der schon von daher und besonders auch in seinen Resultaten so sinnlos ist. Man muss das gesellschaftliche Lebensverhältnis, wie es sich zum Kapitalismus, also zu einer Gesellschaft der Geldverwertung gebracht hat, endlich auf den Boden stellen, von dem es es bisher nur zehrt ohne darauf auch wirklich zu leben. Und die Zeit ist überreif hierfür. Es geht um nichts anderes als um das Ende der Klassenkämpfe.

(29) Leider hatte der bisherige Marxismus den Unterschied von Sinn und Nutzen, also den Unterschied von Kultur und Ökonomie, wie er schon als Unterschied von Bedürfnis und Nützlichkeit angelegt ist, nicht hinreichend ausgearbeitet und sich dem oft sogar widersetzt. Das führte zu den schlimmen Fehlern der Arbeiterbewegung, welche die ökonomischen Verhältnisse selbst als die einzig wirklichen gesellschaftlichen Verhältnisse hingestellt hatte. Um den arbeitenden Menschen als Subjekt nicht seiner Bedürfnisse, sondern seiner bloßen Arbeit herauszustellen war es daher auch möglich, den Staat in Vertretung, bzw. als Ersatz dieser Bedürfnisse hinzustellen und ihm die Kraft menschlicher Lebensverhältnisse zuzuschreiben. Von daher war dieser Marxismus nicht in der Lage, die kulturellen Inhalte als unmittelbar gesellschaftliche Inhalte zu begreifen und auch nicht in der Lage, sich den Ursprungstheorien des Nationalsozialismus sinnvoll entgegen zu stellen. Nichtdestotrotz gab es hiergegen durchaus auch von kommunistischer Seite politischen Widerstand. Doch die Geschichte der Menschen entscheidet sich nicht zwischen linker und rechter Politik, sondern durch die Emanzipation der Politik aus ihren wirtschaftlichen Klauen, eben durch die Bewirtschaftung der Politik als gesellschaftliches Lebensmittel, als gesellschaftliche Geschichtsbildung der Menschen.

(30) "Die Ware ist zunächst ein äußerer Gegenstand, ein Ding, das durch seine Eigenschaften menschliche Bedürfnisse irgendeiner Art befriedigt. Die Natur dieser Bedürfnisse, ob sie z.B. dem Magen oder der Phantasie entspringen, ändert nichts an der Sache. Es handelt sich hier auch nicht darum, wie die Sache das menschliche Bedürfnis befriedigt, ob unmittelbar als Lebensmittel, d.h. als Gegenstand des Genusses, oder auf einem Umweg, als Produktionsmittel." (Karl Marx in Das Kapital Buch 1: Der Produktionsprozess des Kapitals, Marx-Engels-Werke Bd.23, S. 49)

(31) "Kunst kann nicht nützlich sein" hat Oskar Wilde geschrieben.

(32) Die Marktwirtschaft beruht nur hierauf und also auch jedes Geldverhältnis, das aus dem isolierten Nutzen hervorgeht, durch dessen Verwertung sich die gesellschaftliche Macht des Geldes entwickelt hat. Kapitalismus ist nichts anderes, als das Verwertungsverhältnis des Geldes, das kreditiert wird, um mehr Geld daraus zu machen. Allerdings kann zu seiner Wertbesicherung alles hergenommen werden, was gesellschaftlich und also auch kulturell wertvoll ist (vergl. z.B. wertvolle Kunstschätze in den Bunkern der Banken oder den Tresoren des Vatikan und seiner Bank). Durch den Nutzen isolierter Eigenschaften beziehen sich die Menschen auch subjektiv allgemein aufeinander und dienen in dieser Beziehung der allgemeinen Wertabstraktion. Sie müssen nützlich sein, um gesellschaftlich überhaupt wahrgenommen zu werden.

(33) Um sich als allgemeines Wertverhältnis zu erhalten muss sich das Finanzkapital in den Ressourcen für die ganzen Lebensverhältnisse als Wert von Grund und Boden darstellen lassen, aus welchem sich auch die Wertbestimmungen der Rohstoffe eines bestimmten Lebensraums ergeben. Die Grundrente ist somit die allgemeinste Existenzform des Werts, die höchste Kapitalform, die absolute Klasse einer Klassengesellschaft. Von daher hat sich die Reproduktion dieser Gesellschaft als Ganzes aus der Reproduktion der drei gegensätzlichen Klassen ergeben:

"Die Eigentümer von bloßer Arbeitskraft, die Eigentümer von Kapital und die Grundeigentümer, deren respektive Einkommensquellen Arbeitslohn, Profit und Grundrente sind, also Lohnarbeiter, Kapitalisten und Grundeigentümer, bilden die drei großen Klassen der modernen, auf der kapitalistischen Produktionsweise beruhenden Gesellschaft." (Karl Marx in Das Kapital Buch 3: Marx-Engels-Werke Bd.25, S. 892)

(34) Die Marktwirtschaft ist zwangsläufig ein verkehrtes wirtschaftliches und kulturelles Verhältnis - verkehrt, weil darin die wirklichen Beziehungen der Menschen auf den Kopf gestellt sind, weil sie aus dem Kopf des Geldes, des Kapitals, begründet sind. Aber in ihr gibt es längst schon vertragswirtschaftliche Beziehungen im Einzelnen zwischen "Arbeitnehmer" und "Arbeitgeber", zwischen Lieferant und Kunde, zwischen Idividuum und Gesellschaft und so weiter. Aber meist wird unter dem flüchtigen Eindruck dieser Beziehungen auch schon unterstellt, die Marktwirtschaft könnte schon vertragswirtschaftlich funktionieren. Doch Geldverhätnisse funktionieren immer nur privatwirtschaftlich, weil Geld das allgemeine Mittel des Privateigentums ist. Dies widerspricht der gesellschaftlichen Eigenheit der Arbeit, die es hervorbringt. Eigentum ensteht aus eigenem Aufwand, der immer auch gesellschaftlicher Aufwand ist, in welchem die Menschen sich vertragen, soweit sie vertraglich auch zu einander stehen. Die Privatform ist dem zu entziehen und Vertragswirtschaft als Grundform des gesellschaftlichen Lebens zu entwickeln, als gesellschaftliches Anliegen, das sowohl wirtschaftlich wie auch politisch zu gestalten wäre. Das kann sich nicht darin erschöpfen, Besitzstands- oder Produktionsformen zu ersetzen oder zu ergänzen. Es geht um ein ganzes gesellschaftliches Lebensverhältnis, in welchem alle gegenständliche Beziehungen der Menschen wirtschaftlich aufgehen und zu Eigenschaften ihrer politischen Beziehungen, Entscheidungen und Entwicklungen werden. Es wäre die Grundform einer gesellschaftlichen Vertragswirtschaft, in welcher die vielen Einzelheiten sich zu einem synergetischen Ganzen entwickeln könnten, weil sie sich vertragen müssen und nicht länger durch die Auftrennungen der Arbeitsteilung selbst immer wieder nur auf sich verworfen würden. Es wäre die Umkehrung der Subsistenzwirtschaft des Privateigentums, der Privatisierung der gesellschaftlichen Produktivkraft, also die Umkehrung der politischen Ökonomie zur Grundform einer wirtschaftlichen Demokratie, einer Wirtschaft, in welcher das Eigentum der Einzelnen mit dem der Gesellschaft in ständiger Wechselbeziehungen ist und sich durch seine gesellschaftliche Beziehung als politische Bestimmung einander ergänzen, zu einem Ganzen werden, worin das Einzelne in seiner Allgemeinheit aufgehen kann.