Wolfram Pfreundschuh (13.01.2012)

Ergänzen statt Ausbeuten!
Auf dem Weg in eine internationale Kommunalwirtschaft

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Teil III: Vorstellungen, Proteste und Bewegungen gegen den Kapitalismus

Der tschechische Philosoph Slavoj Žižek hat die Occupy-Wall-Street-Bewegung zur Vorsicht gemahnt: "Lasst Euch nicht umarmen!" schrieb er in der Süddeutschen Zeitung vom 27.10.2011. Er ist der Erste, der eine richtige Frage dazu stellt. Er schreibt:

"Ein langer Weg liegt vor uns. Bald werden wir uns den wirklich schwierigen Fragen widmen müssen - Fragen, die sich darum drehen, was wir wollen, und nicht mehr, was wir nicht wollen. Welche Gesellschaftsform ist imstande, den bestehenden Kapitalismus zu ersetzen? Von welchem Schlage müssen die neuen Anführer sein? Und welche Organe, einschließlich jener der Kontrolle und Gewaltausübung, brauchen wir? Die Alternativen, die uns das 20. Jahrhundert aufgezeigt hat, waren bekanntlich keine guten. Auch wenn es spannend sein mag, sich über die "horizontal organisierte" Protestkultur mit ihrer egalitären Solidarität und ihren zeitlich unbegrenzten, freien Debatten zu freuen, müssen wir auch konkrete Antworten auf die alte Frage Lenins finden: "Was tun?"" (SZ, 27.10.11)

Ja, die Frage steht und die Antwort wird immer komplizierter, vielleicht auch, weil sie immer wirklicher sich stellt. Offensichtlich ist die Absurdität, die sich im Kapitalismus entwickelt und die auf den Finanzmärkten der Welt aufplatzt: Wo Reichtum entsteht, können die Menschen im allgemeinen nur arm werden. Occupy Wallstreet klagt den Reichtum von 1 % der Bevölkerung und die Enteignung der 99% an. Das klingt nach Kraft, Widerstand, Macht (1). Aber die Antworten auf die Fragen der Zeit werden noch symbolisch gestellt, eher aktionistisch und entsprechend beliebig behandelt, als dass darin Ziele erkennbar wären. Das Finanzkapital kommt immer noch einfach nur als ein Gegner vor, der den Hals nicht voll genug kriegen kann. Die geschichtliche Dimension und Gewalt der Entwicklung des kapitalistischen Kreditsystems, des Systems konvergierender Banken, und vor allem das, worauf es gründet, ist kaum begriffen (2). Vielleicht will man ja auch nur der Hoffnung Ausdruck verleihen, dass der Spuk der Krisen irgendwann von selbst ein Ende haben wird, sich die Herrschaft der Kapitalmärkte irgendwie beherrschen lässt, wenn z.B. Spekulation einfach nur verboten würde, oder dass sie sich von selbst ergeben wird, wenn man ihnen nur entgegenhält, dass Mann und Frau einfach nicht mehr mitmachen wollen. Occupy Wallstreet ist eine Demonstration wie viele andere auch und das kann eben auch nur ein Anfang sein. Aber es ist zugleich ein Zeichen großer Hilflosigkeit. Man dreht sich noch im Kreis zwischen Lebensalltag und Skandal. Es fehlt an Wissen über den Sachverhalt und an Richtungsweisung für eine selbstbewusste Entgegnung und zu einem Verhalten, das den Kreislauf der bloßen Proteste durchbrechen, aus der nur symbolischen Verweigerung heraustreten könnte. Aber das ist eben vor allem eine Frage des Bewusstseins, ein Wissen um das, was die Substanz dieser Geschichte gegenwärtig ausmacht.

Von selbst wird es nicht zu einem jähen Ende des Kapitalismus kommen. Kapital und Staat werden sich einkriegen, die Verschuldung sich weiter zu einer neuen politischen Macht ausbauen und vor allem diese weiter strukturieren und chronifizieren, wie das ja schon mit dem sich derzeit entwickelnden Feudalkapitalismus angelegt ist: In unseren Breitengraden wird er sich zu einer Agentur der Macht ausbauen, die als mehr oder weniger virtuelles Medium der Arterhaltung die Menschen zu Diensten lockt oder zu Diensten zwingt, durch welche ihr Alltag immer weiter bestimmt sein wird, durch welche sie ihre Lebenspositionen abgeben, um irgendeine abgehobene Gesellschaftlichkeit jenseits ihrer wirklichen Existenz zu erwerben, um sich aus ihrer Einzelheit noch als guter Konsument zu erhalten, der sich immerhin origenell fühlen kann, wenn er seinen Spaß haben kann, wenn ihm irgendeine Arbeit, eine Wohnung und eine Ausbildung zuteil wird. Aber man wird dafür immer mehr bezahlen müssen; nicht unbedingt mit Geld; sicher aber mit Lebenskraft und Lebensstandard. Die Banken beziehen ja längst schon ihre Grundsicherung aus dem Gemeinwesen der Nationalstaaten, den einzig verbliebenen Rettungsschirmen einer grassierenden Kernschmelze des Geldwerts. Während Sparpläne ihre Wirtschaften ruinieren und die Kapitalschulden privatisieren, deren Bedienung sie an den Steuerzahler weiterleiten, wird das Rettungssystem immer mehr verstaatlicht und immer tiefere Löcher in die Subsistenzwirtschaft der Kommunen reißen. Vielleicht feiern so manche verwegene Politkonsumenten dies sogar als Linksrutsch. Doch es ist eine Entwicklung in einen Absolutismus der Ausbeutung (2a).

Im reichern Norden der Halbkugel leben wir schon ziemlich unberührt vom Erzeuger unserer Subsistenz, dem Produzenten unserere Lebensmittel (3), Kleider, Spielzeuge, Fahrräder, Autos, Möbel, Computer und Unterhaltungsgeräte usw. Es ist hauptsächlich das Proletariat von China, Kamboscha, Taiwan, Korea, Indien, Bangladesh, Afrika, Lateinamerika usw. Dorther beziehen wir den Großteil unsere Grundbedarfs, fast 80% der Mittel unserer Selbsterhaltung. Und den kaufen wir dafür sogar meist relativ billig ein. Aber das müssen wir auch, weil nur von dort kommen kann, was uns erschwinglich ist. Wir tragen die Jeans und Hemden, wir essen das Fleisch, die Fische, die Südfrüchte, die Paprikas und Tomaten und nutzen die Computer, die in Asien oder Indien oder Afrika oder Lateinamerika unter Bedingungen erzeugt werden, die Elend und Tod für viele Menschen mit sich bringen, weil sie mit ihrem Lohn sich nicht mal wirklich am Leben erhalten können (3a). Unser Problem ist dagegen eher, dass wir zuviel von Dingen haben und konsumieren, die uns süchtig machen, weil wir damit ein Leben ausfüllen können, das sich selbst nicht mehr weiterbringen kann, nur noch Erlebnis ist. Im Tittytainment der reichen Gesellschaften erscheint alles vergnüglich, weil nichts wirklich zählt. Wir leben in der Gummizelle einer Entziehungsanstalt, in der fleißig mit den Mitteln der Sucht gedealt wird. Gestritten wird nur noch um die Art der Therapie. Wir wollen sie nicht ganz so hart haben, irgendwie geschmeidiger und gefälliger.

Hier herrscht das Verhältnis von Geldbesitzern. Und dennoch sind auch hier die meisten Menschen nicht gerade reich. Nur 25% der Deutschen arbeiten im normalen Lohnverhältnis und tragen die entsprechenden Sozialkosten. Billigarbeit hat rasant zugenommen. Über 66% verdienen nur das Nötigste zum Leben (4); Miete, Lizenz- und Energiekosten fressen weit über die Hälfte ihres Einkommens. Jedes 4. Kind wächst auch hier in Armut auf, einer Armut allerdings, die nicht zu vergleichen ist mit der Armut der fremden Proleten in Fernost oder sonstwo auf der Welt. So stellt sich natürlich auch hier die Frage zwischen dem "Einkommen der oberen 10.000" und dem Rest der Republik. Die Kluft ist brutal und folgenschwer - und muss es auch sein, damit das Wertwachstum weiterhin floriert.

Diese Logik ist altbekannt und wurde schon im Kommunistischen Manifest von 1848 von Marx und Engels überdeutlich formuliert :

Die bürgerlichen Produktions- und Verkehrsverhältnisse, die bürgerlichen Eigentumsverhältnisse, die moderne bürgerliche Gesellschaft, die so gewaltige Produktions- und Verkehrsmittel hervorgezaubert hat, gleicht dem Hexenmeister, der die unterirdischen Gewalten nicht mehr zu beherrschen vermag, die er heraufbeschwor. ... Es genügt, die Handelskrisen zu nennen, welche in ihrer periodischen Wiederkehr immer drohender die Existenz der ganzen bürgerlichen Gesellschaft in Frage stellen. In den Handelskrisen wird ein großer Teil nicht nur der erzeugten Produkte, sondern der bereits geschaffenen Produktivkräfte regelmäßig vernichtet.“ (aus dem Kommunistischen Manifest von Karl Marx und Friedrich Engels in MEW 4, S. 467f) (5)

Die Handelskrisen werden immer mehr durch Staatsverschuldung kompensiert, der Staat zum Schuldenmittler, zum Feudalverwalter. Das zum Feudalsystem sich entwickelnde Kapital ist total und verheddert sich inzwischen in einer unendlichen Verschuldungsspirale, der niemand mehr entgehen kann. Es wirft daher auch neue Fragen nach Selbstbestimmung, Wirtschaft und Gemeinwesen auf. Wir stehen am Scheideweg zwischen einer ökonomischen Selbstbestimmung oder einem absoluten Staatswesen des Feudalkapitalismus, wie es sich bereits aufbaut. Schon längst hat die Finanzwirtschaft und ihre Risiken eine weit höhere Allgemeinheit, als je ein Nationalstaat erbringen kann und schon längst vermitteln dieser dessen Machtbedarf an die Menschen. Die Kapitalmacht hat sich längst internationalisiert. Aber die Diktatur des Verwertungsprinzips kann sich nur noch durchsetzen, wenn die Menschen sich den nationalisierten Interessen des Kapitals unterwerfen, wenn sie nationalistisch denken. Weil der Nationalstaat als Wirtschaftssubjekt des Kapitalismus unter der Bedingung der bis heute entwickelten Produktivkräfte alle Verhältnisse entwickelt hat, die internationales Kapital vermehren, seinen Mehrwert auf internationalen Ebenen formatiert, erscheint er alternativlos und bietet sich zugleich selbst als Medium der Regulation und Kapitalordnung an. Da gibt er sich dann auch gerne wieder so, als sei die Globalisierung des Kapitals nur ein Versehen und als könne er den Wildwuchs der Börsen und Kreditsysteme beherrschen, als habe der Staat jetzt doch endlich wieder die politische Vernunft erworben, die das regeln könne, mit alten Regeln, die jetzt wie eine politische Steuerung der Finanzströme dargestellt werden (5a). Und das glauben ihm auch viele Menschen und engagieren sich für seine schwachen Versuche um Linderung und Sparsamkeit, seine harten Eingriffe in ihr Leben und ihren Geldbeutel. Doch Kredite kann man nicht verbieten, und Börsengewinne auch nicht. Und so bleibt alles, wie es ist. Die Sozialsystem werden immer brüchiger, die Lebensarbeitszeit immer länger, die Löhne und Renten immer geringer, also Geld für die Menschen immer knapper, weil davon immer mehr auf den Weltmärkten der Finanzwirtschaft verpufft.

Das Finanzkapital ist die Blüte des Kreditsystems eines Kapitalismus, der in seinen eigenen Verwindungen aufgegangen ist, das inzwischen die natürliche und gesellschaftliche Basis seiner Produktion selbst verbraucht (5b). Es ist schlicht und einfach zu groß geworden, weil die Produktivität der Arbeit, ihre Technologie zu groß für den Erhalt des Kapitalismus geworden ist. Deshalb brökelt das ganze Kreditsystem und ist immer weniger den realen Geldwerten zugetan, weil es zunehmend von einem fiktiven Kapital zehrt und in seinen Fiktionen fast nur noch psychologisch erklärliche Resultate zeitigt. Es herrscht die Utopie des Kapitals, seinen Wert aus sich selbst heraus zu schaffen; und diese Utopie ist die Leugnung seiner Gewalt und Herkunft. Soweit sie die Wirklichkeit beherrscht, beherrscht sie die Produktivkräfte der Welt und potenziert mit ihrem Verwertungsprozess den Unwert des menschlichen Lebens, dessen Nichtigkeit immer stringender durchgesetzt wird. Stehen wir deshalb vor den Pforten der Hölle? "Lasst alle Hoffnung fahren", müssten wir sagen, wenn wir nicht unsere Wirklichkeit als eine Verwirklichung der menschlichen Lebensverhältnisse, als eine Utopie unseres gesellschaftlichen Lebens, als Kraft der Befreiung unserer Kultur und Arbeit aus den Wertbestimmungen des Kapitals hiergegen erkennen und vertreten können: Die menschliche Emanzipation aus jedweder Klassenformation..

Wirklichkeit und Utopie

Was tun? Ja das ist die Frage, eine lebensnotwendige Frage, inzwischen vielleicht eine überlebensnotwendige Frage, die Frage des Selbsterhalts von ganzen Gesellschaften, Staaten und Kulturen. Sie wurde schon vielfach beantwortet. Doch die bisherigen Antworten führten oft in noch schlimmere Krisen, in die gesellschaftliche Krise der Politik, in Faschismus, Stalinismus und Resignation. Es geht daher hier erst mal um die Aufarbeitung solcher Antworten, die um den Traum kreisen, den die Menschen von ihrer Gesellschaft noch träumen. Doch was ist dieser Traum und was ist aus ihm geworden, dem Traum, der Hoffnung stiften sollte, die konkrete Utopie, wie sie Erich Fromm bezeichnet hatte. Das Problem ist nicht der Traum; es ist die Wirklichkeit, die sich gegen die Menschen entwickelt, ihre eigene Wirklichkeit, die sich gegen sie verselbständigt hat und inzwischen von einem Staat durchgesetzt wird, der seine Bürger damit bekämpft. Der Kampf verläuft auf allen Ebenen und der Traum scheint ausgeträumt. Die Vernunft einer Realität der Gegebenheiten hat ihn schlaflos gemacht. Aber gerade darum geht es, dass der Macht des Faktischen ein Ende durch die Menschen gesetzt wird, die darin untergehen. Wir hatten es doch längst gewusst: "Wer keinen Mut zum Träumen hat, hat keine Kraft zum Kämpfen!" Und schon Marx hatte diese reale Utopie des Erträumten gekennzeichnet als Produkt einer Wirklichkeit, die nicht sein kann, was sie ist, und die Frage im Grunde schon beantwortet als er schrieb:

"Es wird sich ... zeigen, daß die Welt längst den Traum von einer Sache besitzt, von der sie nur das Bewußtsein besitzen muß, um sie wirklich zu besitzen. Es wird sich zeigen, daß es sich nicht um einen großen Gedankenstrich zwischen Vergangenheit und Zukunft handelt, sondern um die Vollziehung der Gedanken der Vergangenheit. Es wird sich endlich zeigen, daß die Menschheit keine neue Arbeit beginnt, sondern mit Bewußtsein ihre alte Arbeit zustande bringt." (MEW 1, S. 346)

Die marxistische Utopie ist die Utopie des Bewusstseins, des Wissens der Menschen um ihr Sein. Nicht einfach nur Verstand und nicht einfache Vernunft sind dessen Grundlagen, sondern die wirklichen Lebensverhältnisse der Menschen, deren Unwirklichkeit zunächst theoretisch begriffen werden muss, bevor sie zur politischen Praxis, zum praktischen Begriff der Erneuerung der gesellschaftlichen Verhältnissen kommen können, wenn sie endlich wissen, was sie in Wirklichkeit tun und welche Mächte ihnen hierbei entgegenstehen. Der Traum ist nicht nur ein Bild, nicht nur ein Gedanke. Er hat wirkliches Sein, insofern er selbst Wirklichkeit enthält. Er ist von daher zum einen aufgehobene Wirklichkeit, die ihre unwirkliche Grundlage offenbart, zum anderen auch ein Gedanke, der zur Wirklichkeit drängt. Aber:

"Es genügt nicht, daß der Gedanke zur Verwirklichung drängt, die Wirklichkeit muß sich selbst zum Gedanken drängen." (MEW 1, S. 386)

Utopie wäre neben den Fiktionen des Kapitals nur eine weitere Fiktion, hätte sie ihren Grund nicht in der Wirklichkeit selbst. Träume verarbeiten die Wirklichkeit auf ihre eigene Weise: Sie verdichten deren Wahrnehmung auf das Nötige, um ihren Kern vorzustellen, die Absichten und Wünsche, die Zerwürfnisse und Bedrohungen, die Hoffnungen und Zweifel, die sie enthält. Die Verdichtung ist Dichtung im wahrsten Sinne des Wortes: Dieses wird im Traum zum Logos, zum logischen Wesen dessen, was auf ihn gewirkt hat. Doch er bleibt Wahrnehmung, ersetzt keine Wirklichkeit, sondern bleibt Vorstellung, die Vorstellung von dem, was sie enthält und was ihre Wirkung auf die Menschen ist. Utopisch ist aber der Sinn, den Träume enthalten: Die Ahnung einer Auflösung, des Fortgangs dessen, was ihm die Ereignisse bedeuten. Und diese Ahnung ist die nächtliche Vereinfachung dessen, was auch für den Tag wesentlich ist. Die Frage bleibt, was hiervon wirklich wahr ist und was wahr werden kann, was also aus dem, was ist, wirklich werden kann. Subjektivität und Objektivität gehen hierbei ineinander. Und das unterscheidet den Traum von der Analyse, die sich mit dem Gegenständlichen selbst befasst.

Darin wird die Illusion vom wahren Kern des Traums geschieden. Die Analyse zeigt, welche Substanzen am Wirken sind und was ihre Form ausmacht, was sie gegen das entwickelt, was sie substanziell ist: Arbeit und die Abstraktion der Arbeit, abstrakt menschliche Arbeit in Wertform, die Arbeitsprodukte hervorbringt, die nur Warenform haben können, weil sie nicht wirklich auf die Menschen bezogen sind, sondern ihre Beziehungen zerteilen, eine Gesellschaft bilden, deren Reichtum als ungeheuere Warensammlung erscheint, die für sich besteht und als Wertform zu einer Macht gegen die Menschen sich entfaltet, ihre Arbeit entfremdet und ihre Bedürfnisse entstellt.

Die Illusionen ergeben sich aus der Entstellung selbst, aus dem, wie das in Wirklichkeit erscheint, wenn man davon absieht, was es wirklich ist. Soweit Wirklichkeit subjektiv nur ganz äußerlich, also als bloße Wirkung auf den Menschen erfahren wird, erscheint alles im Zusammenhang, was in Wahrheit von einander getrennt ist, was zwar knallhart und wirkliches Fakt zu sein scheint, aber im Grunde nur unwirklich ist, nur abstrakten Grund hat, in welchem vereint erscheint, was in sich verkehrt ist, als Geld Wert hat, was das Leben entwertet, Wert bildet, indem es über Leben herrscht. Es ist ein Fetisch, der die Welt zusammenhält, weil ihr Wert alles bewegt und alles in seinem Sinn vertauscht, wo es als Ware getauscht wird. Alles ist dann auch wirklich verkehrt, was dieser Verkehrung folgt: Einzelnes erscheint allgemein in seinem Gegenteil; in einer Allgemeinform, worin das Verhältnis der Menschen nur noch als Verhältnis von Sachen existiert. Marx nannte das den Warenfetisch:

"Das Geheimnisvolle der Warenform besteht ... einfach darin, daß sie den Menschen die gesellschaftlichen Charaktere ihrer eigenen Arbeit als gegenständliche Charaktere der Arbeitsprodukte selbst, als gesellschaftliche Natureigenschaften dieser Dinge zurückspiegelt, daher auch das gesellschaftliche Verhältnis der Produzenten zur Gesamtarbeit als ein außer ihnen existierendes gesellschaftliches Verhältnis von Gegenständen." (MEW 23, S. 86)

Und dieses herrscht als reiner Sachzwang. Es ist das Verhältnis der Geldform, woraus sich die Schwierigkeit erklärt, die man hat, wenn man sich unmittelbar zu den Problemen unserer Zeit zu verhalten sucht. Sie erscheinen allgemein ja auch nur als Probleme des Geldes, vor allem als Geldmangel, obwohl sie in Wahrheit die grundlegenden Widersprüche der kapitalistischen Gesellschaft offenbahren. Es ist vieles einfach nur absurd, was die Logik des Kapitals hervorbringt: Da kommt neue Technologie in die Produktion, die weniger Arbeit erfordert und kürzere Arbeitszeiten pro Produkt benötigt. Doch für die Menschen wird die Arbeit nicht weniger, die Löhne nicht besser, die Freizeit nicht größer. Im Gegenteil: Die Folge sind Arbeitslosigkeit und Billiglohn und Spekulationsgewinne. Und dann gibt es Krisen, in denen die Reichen erst so richtig reich, und die Armen so richtig arm werden, obwohl es doch meist nur die Krisen des Geldwerts sind. Wer dreht denn da am Rad der Wertgröße?

Was in den gewohnten Verhältnissen als gerecht empfunden wird, erweist sich als das Gegenteil. Was als Verhältnis von Lohnarbeit und Kapital gerade noch als adäquater Preis erschien, erscheint schlagartig als Betrug an dem, was richtig, und also gerecht sein sollte. Der Kampf um einen "gerechten Lohn" ist unendlich und zur Verlustgeschichte der Menschheit geworden. Wertlogisch folgerichtig aber Unrecht für die Menschen ist, wenn die Reallöhne sinken, während die Mieten und Energiekosten steigen und sich die Konzerne schier grenzenlos bereichern, wenn gewählte Politiker nicht wirklich des "Volkes Meinung" umsetzen, sondern stattdessen ihnen Gefolgschaft abverlangen für Schulden, die sie nicht verursacht haben und wenn Banker mit ihren Krediten Vorschuss für neue Produktionen leisten sollten und stattdessen immer mehr Geld einziehen, um sich selbst zu erhalten und am Niedergang der Wirtschaft zu bereichern. Je schlechter es der Realwirtschaft geht, desto besser geht es dem Finanzkapital. Sein Wert nimmt zu, je mehr Betriebe kaputt gehen, je intensiver die Konkurrenz und die Betriebe und die Kommunen veröden. Es ist alles nur noch widersinnig, unrichtig und erscheint daher auch ungerecht. Es gibt ganz offensichtlich keine "ausgleichende Gerechtigkeit". Armut macht arm und Reichtum macht reich. So einfach geht Kapitalismus. Aber im Feudalkapital löst auch er sich auf. Was in der Realwirtschaft noch darauf bezogen, relative Geldwirtschaft war, wird nun total und Totalitarismus wird die Folge sein.

Da erscheint es immer nötiger, das Rad dieser Geschichte aufzuhalten. Doch das kann man nicht, weil es diesen Kraftakt nicht geben kann und weil die Denkanstöße hierzu meist rückwärts gehen, in die Richtung des schon Bekannten, das nie so ganz geholfen hat, aber immer noch das Schlimmste verhüten konnte. Bekannt ist die Entwicklung des sogenannten Wohlfahrtstaats, der Mitbestimmung und der Bürgerdemokratie. Natürlich kommt man zuerst auf die Idee, das zu bekämpfen, was so mächtig erscheint, doch der Gegner ist übermächtig geworden. Wie kann man ihn überhaupt noch aufhalten oder gar überwinden? Durch Aufstand, Widerstand und Revolte? Und mit welchen Zielen und Forderungen?

Der Glaube an den politischen Willen, mit dem der Gegner zu überwinden sei, hat sich schließlich bald in sein Gegenteil verkehrt, in eine unheimliche Kumpanei mit seiner politischen Form. War man sich in Stuttgart noch einig darüber, dass mit dem Bahnhofsprojekt eine ganze Stadt aufbereitet werden sollte, um dem Finanzkapital bessere Anlagemöglichkeiten zu bieten, so ergab sich in der politischen Teilhabe an der Repräsentation im Landtag eine groteske Umkehr in die Wohlmeinung, die bloße Meinung zu einer Befragung, deren Grundlagen immer gleichgültiger wurden. Der Widerstand wird immer schnell versiegen, wenn er seinem Gegner nicht kennt, wenn er die ungeheuerliche Macht eines bodenlosen Kreditsystems, einer auf Finanzspekulation und Finanzsicherung begründeten Militärindustrie, der Lobby der Konzerne in den Gremien der repräsentativen Demokratie, und vor allem auch nichts von deren Angst begriffen hat: Der Angst des Kapitals vor seinem eigenen Produkt, der Geldentwertung, des freien Falls der Geldwerte und der Rezession, der Stagnation der ganzen Kapitalwirtschaft. Aber die Angst wird nur wahrgenommen als Angst vor Vernichtung und Untergang, Angst vor dem Ende des bestehenden Systems, dem Verlust der Geborgenheit in einem doch noch vergleichsweise ansehnlichen Reichtum, im Spiel der geltenden Regeln, im Geld. Aber darin werden sich die Klassengegensätze nicht etwa vereinen sondern im Gegenteil: Ihr Widerspruch treibt sich in der Vernichtungsangst gerade erst richtig auf die Spitze, in die Reaktion. Was anderes kann Angst eben nicht. Sie treibt inzwischen alle an und bringt ungeheuerliche Blüten zutage, wenn sie nicht auf ihren Grund zurückgeführt, nicht begriffen, nicht auf ihren Begriff gebracht wird. Solange der Wert des Geldes, das Geld überhaupt, als wesentlicher Träger des gesellschaftlichen Zusammenhangs existiert, wird die Wertproduktion, also die Verwertung des Geldwerts und damit auch der Geldmarkt jedwede Form einnehmen können, in welcher Ausbeutung immer undurchsichtiger und hintergründiger wird.

Das Finanzkapital ist zwar mächtig, aber es ist kein wirklicher Gegner, kein einfaches Subjekt. Dahinter steckt das Problem eines ganzen historisch entwickelten Lebensverhältnisses, das wir nach und nach aufdröseln müssen. Vor allem die Utopie der Geldmärkte steht der Utopie einer menschlichen Gesellschaft entgegen. Folgen wir aber dieser Utopie, so werden wir erkennen, dass unsere Lebenswirklichkeit selbst diese Utopie längst enthält und auf groteske Weise umsetzt. Wir müssen diese Wirklichkeit allerdings noch entschlüsseln und müssen dabei die Illusionen auflösen, welche Utopien eben auch mit sich bringen. Es wird sich zeigen, dass diese Illusionen nur eine verkehrte Form ihrer Utopie sind. Es waren die Illusionen der bisherigen Bewegungen gegen den Kapitalismus, die darin verbliebenen Fragen, die jetzt vor ihrer Auflösung stehen.

Die Illusion von einer Herrschaft der Unterdrückten, der "Diktatur des Proletariats"

Der Klassengegensatz der kapitalistischen Gesellschaft hat sich der Wahrnehmung entzogen. Dem Klassenkampf sind seine organischen Grundlagen entschwunden, weil er sich in seiner ganzen Schärfe nur noch im Geld auf den Devisenmärkten zwischen reichen Ländern und armen Ländern, zwischen Geldbesitz und absoluter Verelendung, zwischen Wettcasino und Hunger abspielt. Und auch das stimmt nicht ganz, denn das gewettete Geld lässt hierbei den einen nicht mehr das gewinnen, was der andere verspielt, sondern die Wetten selbst sind eine Kumpanei der Ausbeutung und Vernichtung, die den Hunger produziert. Es ist daher zynisch, von einem Casino-Kapitalismus zu sprechen. Die Unterdrückung der Menschen hat sich von der industriellen Ausbeutung der Menschen an ihren Arbeitsplätzen zur Unterjochung des arbeitenden Menschen unter ein Weltsystem internationaler Finanzströme entwickelt, welche die Staaten der Welt benutzt, um den Wert ihrer Produktion abzuschöpfen und die Substanzen ihrer Infrastrukturen zu verschleißen. Was die Menschen in ihren Kulturen in Jahrhunderten geschaffen haben, wird hierfür ausgeplündert und die Menschen selbst oft unter den Rand ihrer Selbsterhaltung gedrängt. Ihre Staaten müssen dafür sorgen, dass ihre Währungen hierfür funktional bleiben und müssen deren Ausbeutung an die Menschen weitergeben, die auch unter ärmsten Bedingungen arbeiten müssen, um zu überleben. Der Mensch erscheint als Opfer seiner eigenen Gesellschaft, als geplünderter, randständiger Mensch als "ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen.“ (Karl Marx in MEW 1, S. 385)

Für diesen Menschen steht der Begriff vom Proletariat. Es ist ein alter lateinischer Begriff für arme Menschen, die im Römischen Reich aufgrund ihrer Besitzlosigkeit nicht mehr zu den Steuerforderungen des Staates herangezogen werden konnten. Zugleich soll dies den arbeitenden Menschen bezeichnen, der in der bürgerlichen Gesellschaft ihre Produktivität bewirkt. Doch das ist zweierlei. Ein freigelassener Sklave ist besitzlos, aber als gesellschaftlicher Mensch weitergekommen; ein besitzloser Arbeiter ist durch das Produkt seiner Arbeit und Lebenstätigkeit herabgesetzt unter das Niveau seiner gesellschaftlichen Kraft und Fähigkeit. Die Erniedrigung des Produzenten durch den Wert seiner Produkte macht den Nachweis aus, den Marx in der Darstellung der Logik des Kapitals erbracht hatte, und der zu dem Schluss kommt, dass in ihm das wahre gesellschaftliche Subjekt der Produktion zu begreifen sei. Und damit war eine Klasse der Menschen bezeichnet, welche allein in der Lage ist, sich gegen die Verwertung von Menschenleben und gegen das Verwertungsverhältnis selbst aufzulehnen und es zu stürzen. Das Proletariat sei der Totengräber der bürgerlichen Gesellschaft, das diese selbst erzeugt hat (5c). So steht es im Kommunistischen Manifest von Marx und Engels: "Die Proletarier haben nichts in ihr zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen." (Marx-Engels: Manifest der Kommunistischen Partei, MEW 4, S. 482)

Doch mit der doppelten Bedeutung des Begriffs vom Proletariat als unterworfene und an und für sich freie Menschen war ein Zwiespalt in der Diskussion um das Subjekt der Befreiung, also um die Subjektivität einer neuen Gesellschaft entstanden, eben um das, was denn dieses Subjekt ausmache: Seine Armut oder sein Reichtum, seine Schwäche oder seine Arbeit, sein Mangel oder seine Kreativität? Darüber ging der Streit zwischen Bakunin und Marx (6). Und das stellt zugleich die Frage, was aus seiner Befreiung hervorgehen solle: Eine Gesellschaft, in welcher es keine Schwäche geben soll und durch die der Schwache nur bestärkt wird, worin das Unrecht gerecht behandelt wird, worin alle Löhne und Erträge einfach nur gleich verteilt sein sollten (7), oder eine Gesellschaft, in welcher sich der längst vorhandene Reichtum der Menschen, das Produkt ihrer Gestaltungskraft und Arbeit, auch menschlich entfaltet werden kann, worin die Arbeit der Menschen zugleich zur Emanzipation der Menschen aus ihrem Dasein in einer widersprüchlichen Welt, aus einer Welt des Klassenkampfs hin zu einer klassenlosen Gesellschaft wird.

Das alles erschien in der Arbeiterbewegung des 19. Jahrhunderts noch identisch. Wo Reichtum herrscht, kann Armut nicht sein. Doch eine Herrschaft des Reichtums kann auch nicht wirklich reich sein, wenn er lediglich eine Übernahme der herrschenden Gewalt beinhaltet. Und Armut ist totale Abhängigkeit. Und die befördert eher den Neid auf das Bestehene, als dass sie die Möglichkeit einer Selbstbestimmung überhaupt erkennen kann. Der Hunger macht das Nahrungsbedürfnis abstrakt und die Notwendigkeit der Nahrungsbeschaffung total. Solange und soweit Armut herrscht, ensteht eher Gier und Totalitarismus, als dass Aufklärung und Besonnenheit unmittelbar weiterführen könnte. Aus Armut lässt sich keine Veränderung der Gesellschaft begründen, wenn sie nicht als Ausgrenzung gesellschaftlicher Macht erkennbar gemacht werden kann, schon garnicht, wenn die Zerstörung der Gesellschaft selbst das Produkt einer herrschenden Privatmacht ist. Aus dem Leiden an deren Lebenswirklichkeit lässt sich der Inhalt ihres Vermögens nicht erkennen. Im Gegenteil: Es war schon längst Sache der Religion; nicht die Kraft und Macht des irdischen Reichtums darzustellen, sondern eine Hinführung der leidenden Menschen ins Reich der Herrlichkeit vorzustellen, einer Gesellschaft, die es nicht gibt, die aber alle Ziele bestimmen will, die als Freiheit von diesem Leiden vorgestellt ist, die der Armut so vorgehalten wird, wie das Kruzifix einer endgültigen Erlösung. Und die Heilsbotschaft einer solchen Vorstellung sollte dann auch noch Kommunismus heißen.

Es waren deutsche Bildungsbürger wie z.B. Ferdinand Lassalle, die mit diesem Begriff, der ursprünglich aus der Bewegung des Kommunalismus entstanden war, die Glorie der Arbeit verbanden und das leidende Proletariat zum Herz der menschlichen Emanzipation erkoren. Der Prolet war für die Gründer der SPD der gute Mensch, der durch seine Arbeit den eigentlichen gesellschaftlichen Nutzen schafft, also gesellschaftlich besonders nützlich sein sollte, was er eben im Kapitalismus auch ist. Nicht das Zusammenwirken der Menschen, das gesellschaftliche Ensemble der Individuen, der materiellen, körperlichen und geistigen Kräfte einer Gesellschaft, sondern der zum Arbeiter vergesellschaftete Mensch sollte als geschichtliche Macht in die Geschichte eingehen, - als ob sie sich dann verändern würde. Die Arbeitsleute sollten an ihrer eigenen Vernutzung interessiert werden, indem sie ihren Nutzen verinnerlichen, sich darin subjektivieren sollten, und mit dem Nutzen dieses Subjekts der Arbeit war ihnen ihre einzig mögliche Utopie auch genommen. Die Vernutzung von Menschen für die Arbeit war hinter der Fassade des Klassenkampfs als Erfolg ideologisch aufgelöst und Arbeit als Gesellschaftsmacht fortbestimmt. Lediglich deren Rechtfertigung war umgekehrt worden, dass Gesellschaft nämlich aus Arbeit bestünde und diese selbst den Menschen den höchsten Nutzen zu bieten hätte, bevor sie überhaupt auf die Idee kommen konnten, selbst diese Gesellschaft zu sein. So war im Schoß des Kapitalismus die Einbildung von einem besseren Menschen, dem "Subjekt" einer neuen Gesellschaft entstanden, einer guten Gesellschaft, die es zu einer Gesellschaft der "ehrlichen Arbeit" bringen könne, eine gerechte Welt schaffen könne, worin es nicht mehr möglich sein solle, dass sie von einer Klasse von Müßiggängern beherrscht und ausgebeutet werde, der Gier und Willkür des Geldreichtums nicht mehr ausgeliefert sei. "Die Müßiggänger schafft beiseite. Diese Welt soll unser sein!"

Die Ketten des Proletariats waren nur noch geldwertig verstanden, als Mangel an Geld und Reichtum, um den es betrogen sei, weil der Lohn zu knapp und das Geld falsch verteilt wäre, eben weil die Menschen vom Kapitalismus nicht gerecht bedient würden. Und so wurde die Armut der Arbeiter selbst zu einer revolutionären Position und der Kampf um besseren Lohn war nicht länger Ausdruck eines chronisch sich fortschleppenden und erneuernden Mangels an Geldwerten, wgen dem die Arbeitsleute immer wieder um ihr Existenzminimum feilschen müssen, sondern bekam den Flair einer Freiheitsbewegung. Lohnerhöhungen, wie sie zur Aufrechterhaltung des Konsums, also zur Geldwertstabilisierung im Kapitalismus immer nötig sind, wurden zum Siegeszug gegen die Armut, zu einem Gewinn an Lebensstandard durch Abschöpfung einer Geldmenge rund um die Inflationsrate, Sieg im Klassenkampf.

Es sollte um die "Befreiung der Arbeiterklasse" von den Schmarotzern einer Arbeitsgesellschaft gehen, um die Umkehrung der Herrschaft des Kapitals in die Herrschaft der Unterdrückten, die mit genügend Lohn ausgestattet sich hiervon befreien sollten. Dieser Widerspruch war dann eben doch durch Geld auflösbar und sollte den Kapitalismus schließlich sozialistisch werden lassen. Mit Gründung der ersten politischen Partei des Sozialismus war der Streit hierüber offen ausgebrochen. In seiner Kritik ihres Gründungsprogramms, in der Kritik des Gothaer Programms zur Gründung der SPD, warf Karl Marx Ferdinand Lasalle vor, aus der Arbeit eine neue Entfremdungsmacht errichten zu wollen, welche die Arbeit als ausschließliche Quelle ihres Reichtums benennt, die Bewältigung des Aufwands für menschliche Bedürfnisse selbst zum Bedürfnis und den Arbeiter als Subjekt und Objekt des gesellschaftliche Fortschritts ideologisierte. Und so war es dann auch. Die Partei der Arbeit wurde zu einem Desaster, das bis in die Geschichte des Nationalsozialismus und der repräsentativen Demokratie des Finanzkapitals hineinreicht. Sie erfand neue Begründungen für einen starken Staat, für Mitbestimmung und Hartz IV. Sie erfand den Popularismus von Wohlstand durch Arbeit, weil Arbeit die "Quelle allen Reichtums" sei. Und das endete auch noch nicht mit dem Nazispruch "Arbeit macht frei", sondern entwickelte einen Staatsbegriff der Arbeit, den Arbeiter- und Bauernstaat, der die Staaten der Welt zu einander bekämpfenden Subjekte in kapitalistischen und sozialistischen Blöcke aufteilte. Die Weltgesellschaft klassenloser Gesellschaftsverhältnisse war in weite Ferne gerückt. Die Staatsgewalt wurde selbst in Machtblöcken von Staatsideologien aufgeteilt, deren militärisches Potenzial die Gesellschaftsfrage der Menschheit beantworten sollte - ein Unding a n sich. Der marxistischen Emanzipationsbegriff damit auf den Kopf gestellt. Inzwischen hat sich z.B. in China unter dem Begriff Kommunismus der Kapitalismus zu einer beispiellosen Totalität entwickelt, welche die Ausbeutung der Arbeit am stringentesten ideologisch stützen und durchsetzen konnte. Kommunismus war längst nicht mehr der Name einer wirklichen Bewegung, wie ihn Marx verstanden hatte, sondern die Fahne eines Ideals, die als Staatsgewalt einer ungeheueren Willkür der des Feudalkapitalismus in nichts nachstand. Aus dem Anliegen von Marx war das absolute Gegenteil geworden (7a).

Aber das Problem war auch von Marx nicht vollständig beantwortet. Es bestand im widersprüchlichen Staatsbegriff, der auch schon im Kommunistischen Manifest zweideutig war, in welchem von einer Übergangsgesellschaft der Arbeitermacht, von der Diktatur des Proletariats die Rede war (8). Konsequenter wäre die Ablehnung eines Staatswesens überhaupt gewesen. Doch um welchen Preis, das war die Frage jener Zeit. Die Staatsgewalt war noch absolut, weil sie noch nicht vollständig vom Weltkapital durchdrungen und behherscht war. Die Arbeiterklasse konnte sich zwar der Produktion verweigern. Gegen den Staat war sie noch ohnmächtig. Der Übergang zum Kommunismus erschien von daher nur über ein sozialistisches Staatswesen möglich (8a)? Zu jener Zeit war der Streit zwischen Bakunin und Marx noch nicht auflösbar,

Mit dem Streit zwischen Bakunin und Marx war schon im 19. Jahrhundert eine wesentliche Zwist Im Widerstand gegen das Kapital entstanden, die sich zwischen den Bewegungen jener Zeit und auch innerhalb der Arbeiterbewegung als der ideologische Konflikt zwischen Kommunismus und Anarchismus auftat. Gegen eine Gesellschaft der Arbeitermacht war von Bakunin eine Volksbewegung "von unten nach oben" vorgestellt, die auf den "Spontaneismus der Massen" setzte, der sich im Kampf gegen die Bürokratie der Obrigkeit als Grundlegung einer anarchistische Gesellschaft ohne Staat und Gewaltformation durchsetzen wollte. Doch beide Flügel der Arbeiterbewegung hatten ihr Ziel, den Traum von einer klassenlosen Gesellschaft, nicht verwirklichen können. Der Konflikt wurde zum Anfang des 20. Jahrhunderts verschärft, als die Oktoberrevolution in Russland die erste sozialistische Nation als Sowjetrepublik hervorbrachte. Lenin hatte sich durchaus auf die Formulierungen des Kommunistischen Manifestes von Marx und Engels zu einer Übergangsgesellschaft bezogen, als er den Staat hierzu benutzen, die Staatsmaschine für eine Diktatur des Proletariats in Gang halten wollte (9). Er hatte allerdings die diesbezügliche Selbstkritik von Marx und Engels übersehen, die solche Übernahme eindeutig ablehnten (9a). Aber die "Macht der Unterdrückten" stellte sich am Ende der Arbeiterbewegung nirgendwo als eine bessere Gesellschaftsform der Menschen heraus, weil sie selbst eine widersprüchliche Position ist und schon an ihrem eigenen Widerspruch scheitern muss. Die Ohmacht der Anarchisten im spanischen Bürgerkrieg und die Macht der Militaristen der Staatsdiktatur waren das Resultat einer großen Bewegung, der es nicht gelingen konnte, eine wirkliche Einheit von gesellschaftlichem Fortschritt und politischer Kraft, von Wirtschaft und Politik zu vollziehen.

Die Illusion von einer Verteilungsgerechtigkeit

Sozialismus blieb als Vorstellung von einer sozialen Gesellschaft erhalten, galt aber weiterhin als die Gesellschaft der Arbeit, in welcher ihr Lohn "gerecht" sein sollte, sich im Verhältnis zum Ertrag der Arbeit gleichwertig verhalten solle. Die Ausbeutung der Arbeitskraft wird hier nur geldwertig begriffen, nicht als Herrschaft des Kapitals über die Not der Selbsterhaltung, nicht als Macht der toten Arbeit über die lebendige. Ausbeutung wird hier als Unrecht einer minderen Geldmenge begriffen, als ein Lohn, der nicht dem anteiligen Geldwert der Arbeit am Wert des Produkts entspricht. Man stellt sich das so vor, als bestünde der Wert eines Produkts nur aus seinem Preis, als sei der Preis unabhängig von den Märkten der Arbeit und der Produkte in jeder einzelnen Betriebsstätte zu ermitteln. Von daher wird unterstellt, ein "gerechter Lohn" ließe sich buchhalterisch aufschlüsseln im Verhältnis der Anteile der Produktivkräfte am Endpreis des Produkts. Der Kampf um den gerechten Lohn ist damit die Grundlage eines solchen Sozialismus. Eine ordentliche Gewerkschaftsarbeit galt seit langem als ihr Garant. War diese Arbeit vielleicht nicht ordentlich genug, wenn sich doch nur der Reichtum durchsetzt und vergrößert, während die Armut bleibt, was sie schon immer war?

Natürlich kann in einer Gesellschaft, die nach wie vor auf dem Privatrecht des Besitzes, auf Privateigentum gründet, Gerechtigkeit auch nur quantitativ herrschen, als Forderung nach Gerechtigkeit in der Verteilung einer Geldmenge, die als richtig hierfür empfinden wird. Aber was kann auf Geld bezogen gerecht sein? Doch nur der Vergleich unterschiedlicher Geldquanten, die für verschiedene Arbeitsleistungen, erzielt werden. Und die Gerechtigkeit dieses Vergleichs ist in der Marktwirtschaft der gerechte Preis. Der bezieht sich auf die Arbeitsleistung aber nur im Verhältnis von Angebot und Nachfrage, also der Arbeit, wie sie im Produkt begehrt wird. Ein gerechter Preis ist der Preis, durch den man auf dem Markt bestehen, die Konkurrenz übertrumpfen, das Marktrisiko mindern und das eigene Wohlergehen abzusichern kann. Die Konkurrenz der "Arbeitgeber" im Verhältnis zur Konkurrenz der "Arbeitnehmer" drückt daher diesen Preis auf das Niveau, auf welchem die Arbeiter einerseits überleben können, und die Arbeitgeber andererseits ihre Macht über die Arbeit bewahren können. Und weil das Überleben der Arbeitsleute ebenso als Privatsache erscheint wie das Überleben der einzelnen Betriebswirtschaften, setzt sich gesellschaftlich das durch, was hierbei im Gesamtverhältnis der Märkte hinterrücks entsteht: Die Vermehrung der gesellschaftlichen Macht des Geldbesitzes, die sich aus dem Besitz eines Mehrprodukts herauskommt und sich auch als vermehrtes Geld darstellt und in Umlauf setzt. Dieses ist nicht der Profit, der dem Einzelkapital entspringt, sondern ein nur gesellschaftlich existenter Mehrwert, der die politische Macht des Kapitals verstärkt un die Ohnmacht der Besitzlosen fortbestimmt. Wem der Widerspruch zwischen gesellschaftlicher Produktion und privater Aneignung nicht als Unrecht bewusst ist, der müsste also unter diesen Bedingungen bei einem gerechten Verhältnis von Unternehmenslohn und Arbeitslohn die Mehrwertproduktion als gerecht empfinden. Es bleibt dann aber die Eigentumsfrage in dieser Form unauflösbar.

Stattdessen wird illusioniert: Hätten alle gleichviel Geld, so ginge es allen gleich gut. "Es ist genug für alle da!" frohlockt auch heute noch Attac und meint damit die ungeheuere Geldmenge, wie sie auf den Finanzmärkten zumindest als Buchgeld bekannt geworden ist. Ist ja auch wahr: Während hier das Kapital sich selbst zunehmend zumindest als fiktives Kapital auftürmt, herrscht anderswo der absolute Mangel an dieser Fiktion, der man unterstellt, sie wäre auch dazu da, die Menschen zu ernähren. Doch dazu ist nach wie vor nur das Geld in der Lage, das auch realwirtschaftlich in der Warenproduktion umgesetzt wird; und dessen Produkte werden ja auch an die verkauft, die hierfür arbeiten, die also unter der Bedingung der Marktwirtschaft soviel verdienen, dass sie sich am Leben halten können. Und das ist auch mal mehr und manchmal auch etwas weniger, aber immer noch ein relativ bequemes Maß für das Überleben, wenn man nur ordentlich darum streitet. Von adher geht es doch "gerecht" zu, wenn alle das davon haben, was sie hierfür brauchen. Was sie hierfür geben und verlieren steht auf einem anderen Blatt, denn das betrifft nur ihr Leben, die Welt ihrer Privatheit.

So ist es in der Forderung nach einer Verteilungsgerechtigkeit längst gleichgültig geworden, wie Geld entsteht und worin es aufgeht. Zumindest hierzulande ist es vielleicht auch wirklich gleichgültig. Die Geldwertstabilität wird ja durch die Währungspolitik abgesichert und was wir hier mehr verbrauchen, wird nur anderen Erdteilen im Verbrauch entzogen. Wir leben vorwiegend von den Exporten unserer Kernindustrie, der Maschinenindustrie und haben von daher selbst einen relativ hohen Anteil an der globalen Geldmenge, leben im Wohlstand einer Dienstleistungsgesellschaft, die zugleich hochwertige Maschinen exportieren und billige Lebensmittel importieren kann, und der damit auch die Aussonderung der Armut so weit gelungen ist, dass die qualitativen Unterschiede im Leben der Menschen unter den Arbeitsbedingungen des Kapitals nicht mehr im Vordergrund stehen müssen. Wir leben ja als Teil desselben. Und es gibt im Kapital tatsächlich immer genug Geld, auch wenn Geldbesitz nach wie vor nur als Geldform des Mehrwerts dauerhaft existiert. Und nur dieser Besitz stellt den Wert dar, der den Menschen entzogen bleibt und auch notwendig entzogen ist, weil sein Wert auf ihrer Abhängigkeit und Armut gründet und diese erhalten muss, um sich selbst in Wert zu halten.

Der Schein einer Geldmenge, die allen gleichermaßen zur Verfügung stehen könnte, ohne sich in den Wolken der Wertlosigkeit zu verdampfen, entspricht also tatsächlich den Illusionen unserer Breitengrade und belebt die Vorstellung von einem Geldreichtum, der einem wirklichen Sozialprodukt gleichkommt und nur gerecht zu verteilen wäre. Eine solche Verteilungsgerechtigkeit enthält damit die Vorstellung von einem Sozialprodukt, das lediglich von einem gerechten Verteiler abhängt, der in der Lage ist, dem Gemeinwohl dieses Produkts zur Gerechtigkeit zu verhelfen. Und um die Macht dieses Verteilers, nicht um deren Wirtschaftlichkeit ginge es dann, wenn eine andere Verteilung gefordert wird. Der bürgerliche Staat besteht ja sowieso als Administration und Bürokratie. Man müsste sie also auch für einen Sozialismus nutzen können und benötigt also auch nur die politische Macht, dies durchzusetzen, eine Macht der herrschenden Meinung, Populismus, welcher den Sozialismus nur als die schickere Variante des Geldreichtums vorstellt. Der Anschein von Gerechtigkeit durch Meinungsbefragung war ja schon längst das Geschäft der repräsentativen Demokratie. Und durch Bestätigung der von der politischen Klasse vorgegebenen Meinungen, die als Mengenverhältnis von Wählermeinungen zwar nicht den gesellschaftlichen Fortschritt, wohl aber die Auswahl der Vertreter aus der politischen Klasse bestimmen kann, ist zumindest die Repräsentation als Schein einer gesellschaftlichen Mitbestimmung gegeben. Für einen solchen Sozialismus lässt sich alles fordern, weil letztlich alles im Nachhinein von der Wirtschaft bestimmt wird, als das, was dann wirklich durchgeht. Es wird bleiben, wie es sich auch bei Stuttgart 21 schon erwiesen hat: Sozial ist Politik im Vorhinein in einer Welt großartiger Vorstellungen, Realität entsteht erst im Nachhinein der ganzen Geschichte.

Das gesellschaftliche Produkt oder Sozialprodukt ist die Vorstellung eines durch eine Gesellschaft hergestellten Gesamtprodukts. In Wirklichkeit existiert dieses allerdings nicht als ein identifizierbares Werk, das die Menschen erzeugt und zur Befriedigung ihrer Bedürfnisse haben, als Reichtum ihrer Arbeitserzeugnisse und Bedürfnisse, - auch nicht als real vorhandenes Geldquantum, das den Wert einer produzierten Warenmenge darstellt und auch nicht als Wert von Kulturgütern oder Gemeingütern, die den Menschen in Stadt und Land zur Verfügung stünden, sondern als ein Geldvermögen, das sich allein aus dem Geldumsatz der Nationen ergibt, gleich, welche Gebrauchswerte und Aufwände aus Arbeit sich darin wirklich verkörpern oder auch nur fiktionalisieren. (10)

Die Aufteilung des Geldeinkommens ist das Verhältnis der Geldwerte zwischen Reproduktion und Produktion und Spekulation, zwischen den Existenzformen des veriablen Kapitals, des konstantem Kapitals und des Mehrwerts. Gerecht im Sinne der Gerechtigkeit, des "gerechten Lohns", ist es demnach, wenn sich alles in seinem Wert erhalten kann: Die Arbeitsleute im Wert ihrer Lebensmittel und Existenzgrundlagen, das Kapital in der Nutzung seiner Einrichtungen, seiner Infrastrukturen und Technologie, und die Spekulanten im Gewinn über den Zinssatz der Leitwährungen hinaus, im Wertwachstum, ohne das sie keinen Vorschuss leisten würden (10a). Eine Egalisierung der Geldverteilung wäre lediglich erkauft durch Geldentwertung - wenn nicht hier, so doch irgendwo auf der Welt. Und das zählt als Krisenfaktor und das wissen die Volkswirte und das sagen sie auch den Politikerinnen und Politikern. Früher oder später kapieren das dann auch die wirklich Gutmeinenden der Linksparteien und wechseln merh oder weniger bruchlos von ihren politischen Idealen des demokratischen Zentralismus wieder zur Vernunft des Kapitalismus. Die vorhandene Geldmenge, die von den Reichen auf die Armen zu übertragen wäre, stellt lediglich eine Fiktion dar. Und die ist tatsächlich ungeheuerlich und wächst auch in den Köpfen der Armen, weil sie davon träumen, dass sie durch gleichen Geldbesitz gesellschaftlich auch glechgestellt wären, ohne dass es hierbei nötig wäre, andere arm zu machen. Aber der Anteil der Armen hängt immer vom ganzen Produktionsverhältnis im Kapitatlismus ab und zwingend darin ist, dass die Arbeitskräfte darin nicht allgemein reich werden können (11). Unter der Bedingng des Kapitalismus erhalten sie weiterhin nur das, was ihre Reproduktion kostet, manchmal auch noch weniger. Geld zerrinnt wertmäßig unter der Hand, wenn es nicht die Reproduktion der gegebenen Verhältnisse sichert, also den Wert der Arbeitskraft, den Wert der Industrieanlagen und den Wert der Grundrente, der Grundsicherung der Spekulation, des Bankenwesens und der Kreditwirtschaft, wenn es also nicht dabei bleibt, dass Geld nur das ist, was es an gesellschaftlicher Macht inne hat.

Die Illusion von einer Selbstverwaltung

In den 70ger Jahren des 20. Jahrhunderts ergab sich im Widerstand gegen die agressive Wohlstandsaristokratie des Postfaschismus eine Bewegung, die innerhalb des Kapitalismus den Keim einer alternativen Gesellschaft legen wollte. Diese Alternativbewegung war aus der antiautoritären Bewegung hervorgegangen, welche den Totalitarismus jener Zeit, die Volksgenossenschaftlichkeit des deutschen Faschismus und deren Folgen, mit Selbstbestimmung, mit psychischer und physischer Autonomie beantworten wollte. Die Antworten fielen jedoch sehr verschieden aus, wohl auch deshalb, weil diese Bewegung vor allem von Studenten ausging, die sich zum Teil nur auf ihre eigene Situation, zum Teil auf die Arbeiterbewegung und zum Teil auf die Randgruppen und Subkulturen bezog. So kümmerte sich ein sogenannter proletarischer Flügel dieser Bewegung weiterhin um den orthodoxen Parteiaufbau eines organisierten Marxismus-Leninismus, ein anderer um die Kulturkritik der kritischen Theorie, aber praktisch tätig wurde vor allem die Randgruppenbewegung und Alternativbewegung, welche die Lebensmodelle der Selbstverwaltung und des Anarcho-Syndikalismus als politische Perspektive hernahmen und zu einem kleinen Teil sich wiederum in die Perspektiven der Stadtguerilla entwickelten (12).

Vor allem aus den subkulturellen Impulsen dieser Bewegung heraus war es vielen nicht mehr möglich, sich in die Subordination autoritärer Betriebsstrukturen oder der familiären Betulichkeit großer oder kleiner Betriebe einzufinden. Von daher war die Arbeit ohne Chef in selbstverwalteten Betriebsstrukturen zu allererst ihr existenzieller Rettungsanker für ein egalitäres Selbstverständnis und einem Lebenszusammenhang in Liebe, Freundschaft und Solidarität. Doch dieser sollte auch politisch verstanden sein als Strategie einer Systemüberwindung, die über Betriebsbesetzung, Häuserkampf und politischer Aktion dem politischen Zugriff sich entgegenstellen wollte. Selbstverwaltung war von daher auch die Methode des Untergrunds, sich am Leben zu erhalten und zugleich eine politische Kultur zu schaffen, in der sich Menschen im politischen Widerstand organisieren, vernetzen und verwalten konnten. Mit dem Begriff der Selbstverwaltung sollte vor allem ein Konzept autonomer Selbsterhaltung auf der Grundlage der Selbstbestimmung der beteiligten Menschen besch rieben werden, der den Konkurrenzverhältnissen und den Grundwerten der Kapitalwirtschaft entzogen sein wollte. Als Modell einer gesellschaftlichen Veränderung, als Keimform einer neuen Gesellschaft, welche die alte hinter sich lassen sollte, weil es sich als die bessere Alternative beweisen und Kapitalismus überflüssig machen würde und zugleich den Schutz eigener Kultur bot, sollten die selbstverwaltete Betriebe zu einer Art "sozialistische Genossenschaften" werden.

Tatsächlich gelang es auf diese Weise im kleinen Kreis alternativer Betriebe und Konferenzen Menschen zusammenführen und für ein gemeinsamen Projekt begeistern, Konflikte sichtbarer und austragbar zu machen, und Gemeinschaftseigentum in Form von Betriebsanteilen zu bilden. Wo es um Naturalien ging, also vor allem in der Landwirtschaft und Gärtnerei, kam man einer alternativen Lebensform am nächsten, weil hier Zeit und Kraft unmittelbar mit dem Produkt und seinem Konsum respektive Zerfall nahe bei einander liegen, wo eine Trennung von Arbeit und Konsum nicht unmittelbar existenznotwendig ist und ein großer Markt an Bioprodukten langsam aber sicher am entstehen war. Heute kann man auch lokale Energieproduzenten (z.B. Blockheizkraftwerke) oder ähnliche Betriebe von unmittelbarem gesellschaftlichen Interesse, welche aus der Bevölkerung heraus entstehen und sich genossenschaftlich verwalten, dazuzählen, alles, was sich heute auch unter dem Begriff "solidarische Ökonomie" zusammenbringe lässt (12a).

Immerhin ist es in den Städten oder in Landkommunen oft gelungen, Konflikte im Zusammenleben und Zusammenarbeiten von Menschen sichtbar und zum Teil auch austragbar zu machen, vielen eine Perspektive in Gemeinschaft mit anderen zu bieten und damit aus ihre Isolation aufzulösen. Dies erleichterte zwar das Leben in Armut, war aber noch keine Alternative zum Kapitalismus. Es blieb Armutsverwaltung und Selbstausbeutung, sobald Geld und Löhne, Miete, Gesundheits- und Altervorsorge und Existenzsicherheit ins Spiel kamen. Selbst das Machtgefälle unter den sich selbstverwaltenden Menschen kehrte schnell in alte Verhältnisse zurück, wenn Erfahrung und Durchsetzungsvermögen, Ausbildung und Kraft verlangt war. Oft modifizerte sich das in rein psychische Konflikte, die wiederum durch egalitäre Prinzipien verschleiert und entpolitisiert wurden.

Die Märkte waren in keiner Weise infrage gestellt und wurden geradezu begierig in den Betriebsablauf integriert, wie überall eben, wo für den Markt produziert werden muss. Und das war auch so geblieben. Der Markt herrschte unsichtbar im Innern der "Selbstbestimmung" und stellte sich nurmehr als Erschöpfung oder als Störung des Betriebsfriedens oder in darauf gründenden persönlichen Auseinandersetzungen oder Zukunftsängsten ein. Um wirkliche Arbeitserleichterungen zu bekommen, musste früher oder später auch ein Kredit bei der Bank angefordert werden. Die selbstverwalteten Betriebe überlebten am besten, wenn sie in eine GmbH oder Genossenschaft übergingen. Und das waren Konzepte, die schon über hundert Jahre alt sind. Die Selbstverwaltung wurde damit auf den Gedanken beschränkt, dass ein Betrieb durch die Aufteilung des monetären "Gewinns" - also des Profits - unter die Belegschaft, Kapitalbesitz überwinden würde, weil schon das vergemeinschaftete Besitzverhältnis als selbstbestmmte Ertragsaufteilung einer firmierenden Gruppe sozialistisch sei. Damit war natürlich auch nur die Aufteilung von Geld gemeint, denn was z.B. an Grundbesitz an Land oder Imoblienbesitz Bestand hatte, wollte sich niemand von Menschen bestimmen lassen, die mehr oder weniger flüchtig dabei waren. Es blieb bei der bloßen Geldaufteilung, die aber auch nie wirklich gerecht sein konnte, wenn nicht die Lebensgeschichten und Lebensumstände der einzelnen hinzugenommen wurden. Außerdem blieb der Lohn oder der aufgeteilte Unternehmensgewinn in der Konkurrenz der anbietenden Betriebe weiterhin meist spärlich, weil kleine Betriebe auch nur Subsistenzwirtschaft betreiben können. Es blieb wohl eher der moralische Vorteil für das Selbstverständnis tragend , dass man nicht für Geldbesitzer arbeitete und dennoch Geld zum Leben haben kann, wenn die Arbeitenden es immerhin in die eigene Tasche stecken können. Ähnlich ist auch die Theorie von der Volksaktie, die z.B. über eine Rentenversicherung jeden Bürger am Profit der Produktion teilhaben ließe. Sie aber stürzt den Aktionär in den unauflöslichen Widerspruch, dass er als Anteilsinhaber immer zugleich gegen sich als Arbeitender Mensch handeln mus, will er den Marktplatz des Betriebs förderlich sein. und sich damit bescheiden.

Wuchsen die Betriebe dennoch über das Maß der bloßen Selbsterhaltung und Armutsverwaltung hinaus, so erwiesen sie sich relativ zügig als systemkonform. Schon Mondragón, das Paradebeispiel für diesen Gedanken hat gezeigt, dass dieser Profit sich im Bereich der Zinsen abzüglich Inflationsrate bewegt, dass der Lohn dann für einige zwar stabiler erscheint, das Betriebsklima etwas besser ist, weil die Willkür der Kapitaleigner ausgeschlossen ist, dass aber die Löhne weiterhin auf der Ebene des Selbsterhalts liegen und auch Kündigungen, also die Abstoßung betriebswirtschaftlich überflüssig gewordener Arbeitskräfte mit Abfindung ebenso unausweichlich sind, wie in den gewöhnlichen Konzernen des Kapitalismus, weil die Marktlage weiterhin bestimmend ist. Mondragón ist als die weltweit größte Genossenschaft zum Weltkonzern geworden, der mit ähnlichen Leistungen wie dereinst z.B. Siemens, zwar eine höhere Akzeptanz der Arbeitsleute bewirkt, aber keinen Deut anders funktioniert und dem Wertwachstum ebenso verpflichtet und ihm mit eigener Bank genauso dienlich ist, wie jeder andere Betrieb ähnlicher Größenordnung. Das liegt daran, dass der Mehrwert als betriebswirtschaftlicher Profit nur minimal dargestellt ist, aber als Wert der Währung und deren Spekulation sich auf dem Kapitalmarkt hochgradig dem Gesamtkapital zuordnet. Die Arbeitsleute von Mondragon erhalten in Spanien durchschnittlich 1000 Euro pro Monat. Jeder deutsche Arbeitsmensch bekommt mehr Lohn, weil letztlich der deutsche Export den Wert der Währung und damit den Wert des Kapitals und der Effizienz einer Finanzierung der Produktionskosten bestimmt. An der Betriebs- oder Volksaktie wird deutlich, dass die Arbeitsleute lediglich über ihre Ausbeutung, über die Mehrwertsrate hinweggetäuscht werden, wenn sogar ihr darauf gründender Verzicht auf Lohnforderungen dennoch die Arbeitslosigkeit anwachsen lässt. Betriebswirtschaftlich gibt es keinen monetären Mehrwert, weil dieser sich auf das Gesamtkapital bezieht, wie es sich in der Mehrwertrate darstellt. Und da ist es gleich, wie man Einnahmen und Ausgaben für die Produktion ansieht, und gleich ist auch, wie man den Betrag versteht, ob als Arbeitslohn, Unternehmerlohn oder Profit. Wenn zuviel Geld für Selbsterhalt oder Luxus verbraucht wird, wenn also der Betrieb nicht marktgerecht wirtschaftet, dann geht eben der Betrieb pleite. Und das will dann erst recht niemand, wenn daran die eigene Existenz hängt (13).

Die Illusion vom einer Selbstverwirklichung des politischen Willens

Der deutsche Nationalsozialismus hat das Grauen einer gesellschaftlichen Vernichtung und der Massenmorde durch eine Herrschaft von Rassisten und Antisemiten aufgetan, der auch unter den faschistischen Nationen alles übertraf, was bisher denkbar war, das "Undenkbare", wie es Theodor W. Adorno nannte. Die deutsche Linke musste zugleich erkennen, dass sie nicht die Möglichkeiten und Mittel besessen hatte, dies aufzuhalten. Dass sich eine vernichtete Gesellschaft tatsächlich auch vernichtend entwickelt, war weder theoretisch erwägt, noch praktisch bewusst geworden. Es waren sogar Teile der faschistischen Ideologie, vor allem der Begriff vom Volksgenossen, durchaus kompatibel mit dem revolutionären Pathos des linken Antikapitalismus. Ein politischer Wille zum Nationalismus war inzwischen auch zum Bestandteil des leninistischen Antiimperialismus und des Stalinismus geworden. Gegen den Imperialismus des Kapitals erschienen die Nationalstaaten wie die Freiheitsstatuen der Völker. Und nichts stand dem näher, als der Drang des Willens, ein als Volk gedachtes Subjekt gegen die Mächte der Welt zu allem entschlossen durchzusetzen.

Ist schon die Politik des Willens eine Tragödie der Macht, so ist die bloße Ideologiekritik hieran noch deren Verdopplung, befördert sie doch auch nur einen Gegenwillen, einen Gegenstandpunkt, der vor allem kräftiger sein muss, als der Wille der Macht, ohne einen Deut wirklicher zu sein. Jener mag zwar Ideen enthalten, aber er selbst ist nicht ideell, sondern stellt wirkliche Macht dar und weiß sie auch politisch zu handhaben und ist von daher angreifbar. Ein politischer Wille jedoch, der sich als solcher hiergegen verwirklichen will, hat seinen Grund nur in der Person und veranstaltet sowohl die Ohnmacht der Betroffenheit, als auch die Kritik des Betroffenen in einem, befördert kritische Ohnmacht und also auch die Ohnmacht der Kritik. Im Grunde vermittelt er, dass jeder selbst schuld ist, wenn er nicht so ist wie der kritische Wille. Ideologiekritik, die nicht zur Sache kommt und sich in deren Analyse und entsprechendem Handeln auch bewahrheitet, wird zur Chimäre eines kritischen Subjekts, das sich durch seine Kritik selbst schon befreit versteht, sie also garnicht nötig hat und selbst nur das Maß der Emanzipation für andere Menschen sein will. Um sich zu bestätigen, lauert es auf die Sprache, die es dann durch bloße "Hinterfragung" auch wacker zu zersetzen versteht.

Ein Wille mag Moment eines Vorhabens sein, dem eine planvolle Tätigkeit folgt. Doch für sich genommen - der Wille als Subjekt gedacht - ist er notwendig machthungrig, setzt er doch das Gemachte schon vorraus. Ohne die Substanz eines konkreten Zwecks ist er daher auch total, ein verselbständigtes Ganzes, und zwangsläufig totalitär. Von daher hat er auch seine einzige Begründung in der Freiheit des Gewissens, einer Freiheit, die jede Gewissheit ausschließt, weil es diese durch Moral und vielleicht auch Sittlichkeit ersetzt. Und das sind hohe Werte des aufgeklärten Bürgertums. Moral hängt von ihrer Theorie ab, von der Fähigkeit eines selbständigen theoretischen Bewusstseins, sich aus der Entgegenhaltung von Gutem und Bösem einen eigenen Grund zu geben. Von daher verharrt der moralische Wille auch in seinen eigenen Voraussetzungen, seiner Abhebung von den wirklichen Gründen seiner Lebensverhältnisse. Nur darin kann er als politischer Wille auch auftreten, als Maß der Willkür seines moralischen Befunds und Befindens.

Doch so fremd wie das Resultat ist der Grund politischer Willkür auch dem Bürgertum des "freien Willens" und der Selbstverwirklichung nicht. Gerade in Deutschland war der Willensbegriff ein wesentliches Element der Philosophie seit Nietzsche, Schopenhauer und Heidegger. Doch die meisten Marxisten waren dieser Diskussion ferngeblieben, weil sie die Philosophie längst mit der Kritik der politischen Ökonomie für aufgehoben erklärt hatten. Nur Adorno erinnerte daran, dass es notwendig sei, Philosophie als Kritik der bürgerlichen Selbstwahrnehmung zu bewahren. In der "Verdinglichung" des Bewusstseins sah er die Grundlage für den Totalitarismus von Rassisten und Antisemiten und stellte hiergegen seinen Imperativ, "alles zu tun, damit Auschwitz nicht sich wiederhole". Doch seine Theorie wendete sich an die Kunst und Subkultur, die er als sensible Wahrnehmung aus der bürgerlichen Totalität heraussonderte. Damit war die Verbindung zur bürgerlichen Realität auf die Ebene des Konsumismus reduziert und diese zu einem Verblendungszusammenhang psychologisiert. In der bloßen Negation des herrschenden Lebens, in der negativen Dialektik des Widerstands, nicht in den Lebensverhältnissen der bürgerlichen Gesellschaft selbst sah er den Kern ihrer Aufhebung. Sein Pathos: "Es gibt kein richtiges Leben im falschen" ist an und für sich der Pathos einer Religion, dem Kern eines jeden politischen Idealismus. Und darin verharrte er auch (14).

Dieser Idealismus besteht daraus, Emanzipation nicht aus der Wirklichkeit heraus begründet zu sehen, nicht als eigene Notwendigkeit zur Befreiung aus fremder Macht und Gewalt anzugehen, sondern den freien Willen hiergegen zu halten. Freiheit und Notwendigkeit wird als unbezogener Gegensatz unterstellt. Von daher ist der Zusammenhang darin ausgeschlossen und Wirklichkeit lediglich moralisch abgehandelt als unnötige Notwendigkeit. Kapitalismus wäre demnach überwunden, wenn "Freiheit herrscht", ein Widersinn in sich, der nur meinen kann, dass alles Freizeit sein oder als solche bestimmt sein müsste. So mag man sich den kommunistischen Traum von einerm "Verein freier Menschen" vorstellen. So aber war er nur eine andere Form der herrschenden Wirklichkeit. Im Kapitalismus erscheinen Freiheit und Notwendigkeit als getrennte Seinsweisen, weil sie das Leben der Menschen selbst der Form nach bestimmen, es in Freizeit und Arbeitszeit zerteilen. Aber Freiheit ist aufgehobene Notwendigkeit, geht also inhaltlich aus ihr hervor, ständig und immer wieder. Dies ist wohl gemeint, wenn Marx von der „ewigen Notwendigkeit der Arbeit“ schreibt, von der „ewigen Naturbedingung des menschlichen Lebens und daher unabhängig von jeder Form dieses Lebens“ (MEW 23,198).

Die Herrschaft des Kapitals als Produkt der abstralten Arbeit, als Herrschaft der tote Arbeit über die lebendige Arbeit, ist deshalb nur im Begriff der Formbestimmung auflösbar, welche aus einem doppelten Inhalt des Produktions- und Zirkulationsverhältnisse ergeht, welches Naturalform und zugleich durch einen abstrakten Inhalt bestimmte Form ist und deshalb als Verwertungsverhältnis existiert.

Bis heute ist politischer Idealismus meist der Kern der daraus entspringenden Forderungen. Eine Vorstellung von einem richtigen und guten Leben ist darin idealisiert und wird in dieser Form als politische Notwendigkeit zur Begründung eines politischen Willens auch vorgestellt. Es sind meist schöne Einfälle zu einer besseren Welt; doch was die Welt so einfältig und notdürftig gemacht hat, bleibt darin unbenommen und also auch unüberwunden. Gegen die Notdurft eines Gemeinwesens wird so einfach wie einfältig ein Gemeinwohl gestellt, gegen das Unwohlsein mit der Staatsgewalt der Wohlfahrtsstaat, gegen die Privatheit des Eigentums das Gemeingut einer alternativen Lebenswelt, gegen die Ausbeutung der Arbeit die Mitbestimmung und anderes mehr. Es sind ja unendlich viele Vorstellungen möglich. Nichts wird dabei wirklich angegangen, weil der Weg in die Wirklichkeit sich nicht in der bloßen Entgegensetzung eröffnet. Der Ansatz einer gesellschaftliche Veränderung muss in dem entdeckt werden, was verkehrt ist. Es muss das Verkehrte auch wirklich erkannt sein, um als Verkehrung angegangen werden zu können.

Und das war das Resultat der politischen Diskussionen seit dem 19. Jahrhundert. Sie sind noch in keiner Weise umgesetzt. Aber es liegen ihre Zusammenhänge vor, besonders der Zusammenhang von Arbeit, Kultur und Ökonomie. In aller Einfachheit war er bereits Antrieb für kommunalistische Bewegungen, die im einfachsten Lebenszusammenhang der Menschen die Grundlagen einer menschlichen Gesellschaft sahen. Rekurrieren wir daher zunächst hierauf. Man muss mit dem Einfachen beginnen, denn darin steckt die Wahrheit des Ausgangs: Die Aufhebung einer verkehrten Gesellschaftsform, um ihren lebendigen Inhalt als Lebensverhältnis der Menschen zu verwirklichen.

Der Kommunismus des Ostens, der sogenannte Realsozialismus, die bisher realisierten Aufhebungsversuche des Kapitalismus, waren bloß formale Negationen seiner Antriebe. Gesellschaft war noch nicht als menschliche Kulturform, nicht als wirkliches Lebensverhältnis der Menschen wahrgenommen und verblieb im Notwendigen, in der Geselschaftsform der Arbeit. Weil sie von da her nur eine andere Staatsform der Industriegesellschaft sein konnte, weitgehend sogar ohne die Industrie hinreichend schon entwickelt zu haben, konnte darin auch nur ein Arbeitsideal, der politische Wille der Arbeit zum Subjekt der Gesellschaft werden, der Staat als Arbeiter- und Bauernstaat, der keine menschliche Kultur darstellen konnte, weil darin nur das Sein-Sollen der gesellschaftlichen Produktion, nicht die Einheit von Arbeit und Bedürfnis realisierbar war. Ausbeutung ist nicht dadurch aufgehoben, dass der Staat anstelle des Kapitals den Selbsterhalt vermittelt, solange er die Menschen zum Mittel einer gesellschaftlich notwendigen Arbeit macht, eines Zwecks, der durch ihn bestimmt ist. Die große Illusion von der Umkehrung des Klassenantagonismus hatte im sogenannten Realsozialismus zum gnadenlosen Gebrauch der Staatsgewalt geführt, der willkürlicher und brutaler als die Gewalten der bürgerlichen Gesellschaft war.

Aber mit der totalen Wirtschaftskrise dieser Gesellschaftsform hatte sich zur selben Zeit hattte sich die bürgerliche Demokratie zum Faschismus entwickelt, zu einer Staatsgewalt, welche das Morden der Sowjets noch weit übertraf. Populär verstanden waren beides antikapitalistische Positionen und tatsächlich haben sie beide den Staat zum Vollstrecker einer absoluten Gewalt gemacht, zum Totengräber von Demokratie und politischer Emanzipation, die im Anspruch und der Ideologie des Bürgertums noch gleichermaßen hochgehalten war wie im Sozialismus der Sowjets.

Dort allerdings lag die Theorie einer Übergangsgesellschaft zugrunde, die nicht aus der bürgerlichen Gesellschaft heraus entstehen konnte, weil dort das Verhältnis von Lohnarbeit und Kapital noch nicht als überflüssiges Verhältnis entwickelt war. Diesbezüglich war die realsozialistische Staatsgewalt auch Ausdruck eines weltweiten Konflikts der Systemkonkurrenzen. Dies ist heute durch die Globalisierung des Kapitals entschieden und schon dadurch erreicht, dass sich das Verhältnis von Finanzkapital und produktivem Kapital allgemein umgekehrt hat und das Finanzkapital die Realwirtschaft nicht nur bestimmt, sondern sie selbst zur permanenten Verschuldung treibt und damit Kapital allgemein feudalisiert. Dies findet überall statt, wo Finanzkapital die Ohnmacht von Menschen in ihrem ganzen Lebensverhältnis erzeugt und bestimmt. Von daher hat sich der Ort des Widerstands deutlicher entwickelt. Nicht nur die Menschen, sondern die Lebensverhältnisse ihrer Kulturen selbst werden vom Kapital ausgeplündert und ihre Kommunen und Regionen als geografische und politische gesellschaftliche Einheit, als Einheit von Boden und Arbeit, von Ressourcen der Natur und der Menschen beherrscht. Der Klassenantagonismus des Kapitalismus vollzieht sich sich in den reicheren Nationen zunehmend auch zwischen Kommunen (15) und Finanzkapital und das Medium hierfür sind die Nationalstaaten, welche inzwischen nurmehr die Form des politischen Willens des Geldes darstellen.

Die Kommune als politische Wirtschaftsform

Kapital ist die Herrschaft der gesellschaftlichen Produktion über die Menschen, die Macht der toten Arbeit über die lebendige, einer abstrakten Gesellschaft isolierter Individuen über die Gesellschaftlichkeit, des Privateigentums über die gesellschaftliche Eigentümlichkeit der Menschen; - kurzum: eine verkehrte gesellschaftliche Macht. Ihr entspricht als Staatsform einer verallgemeinerten Meinung, eine repräsentative Demokratie, weil diese als abstrakte Allgemeinheit der Wählermeinung, also von Auswahlen des Meinens und Dafürhaltens, politisch eigenständig erscheint und dennoch dem Sachzwang eines ökonomischen Sollens der politischen Ökonomie Folge leisten kann. Die Politik des Privateigentums bestimmt von daher als allgemeine Repäsentanz des Meinen, des Besitzstands, die Vorstellung eines allgemeinen Sollens und damit die Unterwerfung des einzelnen Willens der Menschen unter die Ökonomie der Selbstentfremdung. Willensverhältnisse können nur konkret im Bezug auf das sein, was zur Verwirklichung ansteht; und das verlangt auch eine konkrete Beziehung zu den wirtschaftlichen Notwendigkeiten, also ein wirtschaftliches Bestimmungsverhältnis.

Individuelle Existenznot und Lebensangst von Menschen haben nichts mit Natur zu tun; sie sind Ausdruck einer gesellschaftlichen Deformation. Bedürfnisse mögen Arbeit begründen und auch durch Produkte entstehen. Alles was Armut ausmacht, vor allem Hunger und Isolation, sind keine gesellschaftliche Notwendigkeit sondern Resultat einer verkehrten Gesellschaft, denn Gesellschaft beruht doch gerade darauf, die natürliche Not des menschlichen Lebens schon überwunden zu haben, Reichtum für die Menschen als menschliche Kultur zu leben, in welcher sie aus der bloßen Naturnotwendigkeit herausgehoben sind. Marktwirtschaft ist daher ein verkehrtes gesellschaftliches Verhältnis.

In der Marktwirtschaft vollzieht sich die Abtrennung der wirtschaftlichen Notwendigkeiten der Menschen von ihrer Rechtsform als Verkehrung von Politik und Wirtschaft, weil sie Gesellschaft durch ein bloßes Tauschverhältnis selbst schon allgemein privat bestimmt, worin das Allgemeine durch Geld ersetzt ist. Hierdurch werden die Menschen über ihr gesellschaftliches Verhältnis hinwegtäuscht, das sie abhängig von einem allgemein abstrakten Existenzmittel macht, anstatt ihre Existenz wirklich zu vermitteln und ein politisches Verhalten überhaupt wirklich realisieren zu können. Ihre Selbsttäuschung hierüber ist die Grundlage aller Illusionen, die sich die Menschen über ihren gesellschaftlichen Zusammenhang machen.

Ihre Basis ist die Existenznot der Individuen, die ihre Gesellschaft als Notwendigkeit gegen sich, gegen ihre Bedürfnisse und gegen ihre Arbeit erfahren und das Verhältnis der Güter auf dem Markt als einziges Mittel zum Überleben kennen, das Verhältnis von Sachen als Versachlichung ihrer politischen Beziehungen, als politischen Sachzwang erleiden, als allgemeine Vorbestimmung ihres Meinens und Dafürhaltens. Dies ist das Grunddilemma des Marktes, der die Wohlhabenden als Geldbesitzer fördert und die Armen in ihrer Besitzlosigkeit bedrängt. Eine solche Wirtschaftsform ist schon politisch, bevor Politik überhaupt bewusst bestimmt werden kann. Sie muss in eine Gemeinwirtschaft, in eine wirtschaftiche Politik gewandelt werden, um Gesellschaft und Individuum, das Einzelne mit dem Allgemeinen überhaupt in eine wirkliche Beziehung zu versetzen, beidem eine wirkliche Existenzform, ein wirkliches gesellschaftliches Verhältnis zu verleihen.

Eine Umkehrung des Verkehrten ist vor allem die Einheit von Bedürfnis und Arbeit, Mensch und Natur, also eine Arbeit, die von den Bedürfnissen der Menschen bestimmt ist und einer Politik, welche die Verhältnisse im wirtschaftlichen Lebensraum und sein Verhältnis zu anderen Lebensräumen von Menschen in der Vermittlung von einzelnen und allgemeinen Interessen entwickelt. Und diese Vermittlung kennt kein Unten oder Oben, sondern ist wechselseitig (15a). Ihr Zweck ist ihre Kultur und also auch die Wirtschaftlichkeit ihres gesellschaftlichen Aufwands hierfür. Ihre Politik muss daher auch wirtschaftlich sein. Eine Einheit von Politik und Ökonomie kann nur als ökonomische Politik gelingen, in welcher das allgemeine Zusammentreffen der Menschen selbst unmittelbare Vermittlung, Auseinandersetzung über ihr Verhalten und Werden, menschliche Geschichte als gesellschaftliche Wirklichkeit ist.

In den praktischen Lebensverhältnissen der Menschen ist das im Grunde schon Lebensalltag, soweit sie die Lebensgestaltung und -Planung betreffen. In den Kommunen und Regionen muss sich auch unter kapitalistischen Bedingungen gesellschaftliche Wirklichkeit bewähren, weil sie die gesellschaftliche Elementarform des Gattungslebens der Menschen in allen Dimensionen von Zeit und Raum sind. Das war auch schon die Grundlage der Vorstellungen des Kommunalismus (16) und hatte auch Marx und Engels zur Antwort auf die Fehler des Kommunistischen Manifestes gebracht, worin noch von einer Übergangsgesellschaft und der Diktatur des Proletariats die Rede war. Die 2 Monate der Pariser Kommune hatten neue Ziele aufgetan (17).

Die Pariser Kommune war nicht als ein vereinzeltes Ereignis zu verstehen, sondern als Entwicklungsmodell eines ganzen gesellschaftlichen Verhältnissen:

"Die Pariser Kommune sollte selbstverständlich allen großen gewerblichen Mittelpunkten Frankreichs zum Muster dienen. Sobald die kommunale Ordnung der Dinge einmal in Paris und den Mittelpunkten zweiten Ranges eingeführt war, hätte die alte zentralisierte Regierung auch in den Provinzen der Selbstregierung der Produzenten weichen müssen. In einer kurzen Skizze der nationalen Organisation, die die Kommune nicht die Zeit hatte, weiter auszuarbeiten, heißt es ausdrücklich, daß die Kommune die politische Form selbst des kleinsten Dorfs sein, und daß das stehende Heer auf dem Lande durch eine Volksmiliz mit äußerst kurzer Dienstzeit ersetzt werden sollte. Die Landgemeinden eines jeden Bezirks sollten ihre gemeinsamen Angelegenheiten durch eine Versammlung von Abgeordneten in der Bezirkshauptstadt verwalten, und diese Bezirksversammlungen dann wieder Abgeordnete zur Nationaldelegation in Paris schicken; die Abgeordneten sollten jederzeit absetzbar und an die bestimmten Instruktionen ihrer Wähler gebunden sein." (Karl Marx in Der Bürgerkrieg in Frankreich von 1871 in Marx-Engels-Werke Bd.17, S. 339 f)

Die Auflösung der Zwangsform einer Kreditwirtschaft, die nur das herstellt, was das Kapital nötig hat und alle Politik hiernach bestimmt, wäre auf die ganze Welt bezogen eine internationale Kommunalwirtschaft, in der die Basis einer kommunalen Subsistenzwirtschaft zugleich die politische Beziehung einer synergetische Vertragswirtschaft die Basis aller gesellschaftlichen Entwicklung ist: Einheit von Politik und Ökonomie. Doch um das genauer auszubreiten sollten zunächst die grundlegenden Beziehungen von Wirtschaft und Politik auseinandergesetzt werden. Darüber demnächst mehr.


(1) Eine Meinung zum Thema "Empört Euch!":

„Man wagt uns zu sagen, der Staat könne die Kosten dieser sozialen Errungenschaften nicht mehr tragen. Aber wie kann heute das Geld fehlen, da doch der Wohlstand so viel größer ist als zur Befreiung, als Europa in Trümmern lag? Doch nur deshalb, weil die Macht des Geldes – die so sehr von der Résistance bekämpft wurde – niemals so groß, so anmaßend, so egoistisch war wie heute, mit Lobbyisten bis in die höchsten Ränge des Staates.“

(2) Zur Erneuerung der Marktwirtschaft rufen fast alle politisch engagierten Gruppierungen auf, seitdem die Globalisierung des Kapitals die gesellschaftliche Aufspaltung der Selbsterhaltung und Entwicklung, die Verselbständigung der Bereicherung der Reichen und die Verarmung der Armen weltweit evident gemacht hat. Die Kritik hieran reicht von der CDU bis hin zu Attac. Die Korrektur sei in der Steuerung und Besteuerung der Finanzströme und einer gerechteren Aufteilung des monetären Volkseinkommens z.B. durch gesetzliche Stützung von Mindestlöhnen und Tarifen und Grundsicherung oder durch eine sogenannte "Gemeinwohlökonomie" zu machen. In den Krisenzeiten des Kapitalismus war diese Haltung immer wieder bestärkt worden und hatte entweder Erleichterungen oder Verschärfungen der Geldverflüssigung erbracht, je nachdem, wieweit sich daraus eine Verbesserung des Verwertungszyklus durch gehobene Nachfrag nach den Produkten oder dessen Stockung, also Rezession ergeben hatte. Solange man Ökonomie nur als Marktwirtschaft und also als Geldwirtschaft begreift, wird sich an deren wesentlicher Form. der Wertform, nichts ändern, wenngleich sich auch die Krisenphasen zeitlich und räumlich verschieben lassen mögen, z.B. auch in die Geschäfte der Kriegsführung und dergleichen. Die Verwertungsproblematik spielt sich immer im ökonomischen Drama des tendenziellen Falles der Profitrate ab und entwertet immer wieder und mit zunehmender Produktivität in immer mächtigerem Umfang das Geld, das mühsam von den Menschen erwirtschaftet werden muss.

(2a) Spekulation kann man nicht verbieten; sie ist die Grundlage jedweder Kapitalinvestition und damit des Kapitalismus überhaupt. Der Staat selbst als Objekt des weltweit spekulierenden Finanzkapitals wird zu einem Feudalsubjekt werden, das sich derzeit schon als Wirtschaftssubjekt des Geldwerts herausbildet, denn er ist über die Verschuldung ebenso bestimmt, wie gezwungen, dies an seine Bürger weiterzugeben durch Verschärfungen der Sozialkosten, Drosselung der Sozialleistungen und der allgemeinen Verlängerung der Lebensarbeitszeiten usw. Die Verstaatlichung des Geldsystems ist längst vollzogen. Die Forderung nach Verstaatlichung der Banken greift da ins Leere und der Glaube, dass dies der Demokratie förderlich sei, ist sowieso schon seit über 100 Jahren die Religion der Sozialdemokratie, die sich wunderbar mit dem Glauben des Liberalismus verträgt, dass die Märkte letztlich immer wieder vernünftig werden und den Aufschwung regeln. Ein Staat, der über alle Bedingungen verfügen darf, kann nicht demokratisch sein.

(3) Das trifft auch auf die einfachsten Lebensmittel zu. Seit 1974 kommt nicht einmal mehr die Hälfte der Nahrung, die eine Person in Deutschland isst, aus dem Inland.

(3a) Die Inflationsrate hält sich bei daher auch noch in Grenzen und die Ausbeutungsrate, die Mehrwertrate hat sich für die Exportmacht der Maschinenbauindustrie Deutschlands damit dennoch ungeheuerlich potenziert, auf 600 bis 1000 Prozent. Das war auch nötig, um unsere bisherigen Kapitalkrisen zu beherrschen und es wäre innerhalb des eigenen Landes nicht möglich gewesen. Bisher waren wir die Gewinner der Globalisierung. Irgendwie haben wir großenteils doch immer noch genug zum Überleben.

(4) Im Wochenbericht des DIW Berlin Nr. 4/2009, S. 59 schrieben Joachim R. Frick und Markus M. Grabka: Gestiegene Vermögensungleichheit in Deutschland:

„Mehr als zwei Drittel der Gesamtbevölkerung besaßen ,,, kein oder nur ein sehr geringes individuelles Nettovermögen. Die untersten 70 Prozent der nach dem Vermögen sortierten Bevölkerung haben einen Anteil am Gesamtvermögen von unter neun Prozent.“ (aus Wikipedia)

Über die Armut in Deutschland schreibt die Bundeszentrale für politische Bildung:

"Im Jahr 2008 waren in Deutschland 15,5 Prozent der Bevölkerung armutsgefährdet. Wird die Umverteilungswirkung von Sozialleistungen nicht berücksichtigt, erhöht sich die Armutsgefährdungsquote auf 24 Prozent."

Eine durchaus Systemkonforme Institution, die "Deutsche Insitut für Armutsbekämpfung" schreibt auf seiner Website:

"Nach einer Studie vom Februar 2010 des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) wies Deutschland im Jahr 2008 "eine deutlich höhere relative Einkommensarmut als noch vor zehn Jahren" auf. Rund 11,5 Millionen Menschen lagen mit ihrem verfügbaren Einkommen unter der Armutsgrenze. Dies entspricht rund 14% der deutschen Bevölkerung. Das sind 4% mehr als noch vor 10 Jahren. Besonders gefährdet sind dabei Haushalte mit Kindern – vor allem Alleinerziehende – und junge Erwachsene. Die EU definiert die Armutsrisikogrenze als ein Einkommen von unter 60% des mittleren nationalen Einkommens."

Demnach ist 14 % der Bevölkerung arm. Durchschnittlicher Monatslohn im Jahr 2011: 2.522.33 EURO brutto. Davon gehen noch Steuern und Sozialabgaben (etwa 30% des Bruttolohns, also ca. 840 Euro) ab. Die GEW spricht von einem Durchschnittsnettolohn von 1.470 EUR/Monat.

SPIEGEL ONLINE - 03.11.2011:

"12,6 Millionen Menschen in Deutschland von Armut bedroht
Jeder sechste Einwohner Deutschlands ist armutsgefährdet. Dabei sind Arbeitslose und Alleinerziehende laut Statistischem Bundesamt besonders betroffen. Als bedroht gilt, wer monatlich weniger als 940 Euro zur Verfügung"

(5) Weiter heißt es da:

"In den Krisen bricht eine gesellschaftliche Epidemie aus, welche allen früheren Epochen als ein Widersinn erschienen wäre - die Epidemie der Überproduktion. Die Gesellschaft findet sich plötzlich in einen Zustand momentaner Barbarei zurückversetzt; eine Hungersnot, ein allgemeiner Vernichtungskrieg scheinen ihr alle Lebensmittel abgeschnitten zu haben; die Industrie, der Handel scheinen vernichtet, und warum? Weil sie zuviel Zivilisation, zuviel Lebensmittel, zuviel Industrie, zuviel Handel besitzt. Die Produktivkräfte, die ihr zur Verfügung stehen, dienen nicht mehr zur Beförderung der bürgerlichen Eigentumsverhältnisse; im Gegenteil, sie sind zu gewaltig für diese Verhältnisse geworden, sie werden von ihnen gehemmt; und sobald sie dies Hemmnis überwinden, bringen sie die ganze bürgerliche Gesellschaft in Unordnung, gefährden sie die Existenz des bürgerlichen Eigentums. Die bürgerlichen Verhältnisse sind zu eng geworden, um den von ihnen erzeugten Reichtum zu fassen. - Wodurch überwindet die Bourgeoisie die Krisen? Einerseits durch die erzwungene Vernichtung einer Masse von Produktivkräften; anderseits durch die Eroberung neuer Märkte und die gründlichere Ausbeutung alter Märkte. Wodurch also? Dadurch, daß sie allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet und die Mittel, den Krisen vorzubeugen, vermindert." (aus dem Kommunistischen Manifest von Karl Marx und Friedrich Engels in MEW 4, S. 467f)

(5a) Als empörter Staatsbürger fordert man daher von ihm höhere Steuern für die Reichen, Transaktionssteuer, Verstaatlichung der Banken und anderes mehr, was zumindest das aufgebrachte Bewustsein befrieden könnte. Und manches davon wird kommen, auch wenn es nicht gefordert wäre, denn es liegt immer noch auch in der Logik der Marktwirtschaft, dass wieder Geld unter die Menschen gebracht werden muss, damit Wertwachstum wieder laufen und in Gang gehalten werden kann. Und es ist dies zugleich die Logik der Staatsverschuldung, denn der Staat zehrt immer weniger von Investitionen seiner realen Wirtschaft. Er muss für seine Infrastrukturen bezahlen, was für den Weltmarkt nötig ist und was ihm die Produkte selbst nicht mehr einbringen können, es sei denn, das Produkt heißt Mehrwert. Die Kreditwirtschaft kann nur ein Mehr an Geld als Produkt ansehen, und dafür müssen alle Lebenssubstanzen hergenommen werden. Die Staatsverschuldung ist ihr Programm. Von daher sind die Agenturen zunehmend die Wertträger des Wirtschaftswachstums und die wahren Profiteure des feudalkapitalistischen Systems.

(5b) Das Wertwachstum gibt sich zwar immer noch als Wirtschaftswachstum aus, ist aber an der Wirtschaftlichkeit der Arbeit nicht mehr interessiert. Es ist das herrschende Weltprinzip der unmittelbaren Ausbeutung von Mensch und Natur und führt gerade deshalb immer tiefer in die Krisen, die sich nur noch in endlosen Spiralen zwischen Wertwachstum und Wertvernichtung fortspinnen, und zwar von dem Wert, den Menschen durch ihre Arbeit beständig erzeugen müssen und der zu einem großen Teil immer wieder von Spekulationen verspielt wird. Ein Großteil ihrer Lebenszeit wird damit aufgebraucht und die Macht, die dies von ihnen abverlangt, ist zugleich die Macht über ihre Selbsterhaltung als Mensch.

(5c) "Eine unterdrückte Klasse ist die Lebensbedingung jeder auf Klassengegensatz begründeten Gesellschaft. Die Befreiung der unterdrückten Klasse schließt also notwendigerweise die Schaffung einer neuen Gesellschaft ein. ... Heißt dies, dass es nach dem Sturz der alten Gesellschaft eine neue Klassenherrschaft geben wird, die in einer neuen politischen Gewalt gipfelt? Nein. Die Bedingung der Befreiung der arbeitenden Klasse ist die Abschaffung jeder Klasse." (K. Marx, Elend der Philosophie, MEW 4, 181f.)

(6) Bakunin selbst hatte ihn formuliert:

"Ja, vielleicht ist die soziale Revolution nirgends so nahe wie in Italien ... In Italien überwiegt jenes bettelarme Proletariat, über das sich die Herren Marx und Engels und nach ihnen die ganze Schule der Sozialdemokraten Deutschlands mit tiefster Geringschätzung äußern, und ganz zu Unrecht, denn in ihm und nur in ihm, und keineswegs in der obengenannten bürgerlichen Schicht der Arbeitermasse, ist der ganze Verstand und die ganze Kraft der künftigen sozialen Revolution enthalten." (Bakunin in "Staatlichkeit und Anarchie", S. 8, zitiert nach MEW 18, S, 599).

(7) Bakunin formulierte dementsprechend die Umstande von seinem Konzept einer sozialen Revolution:

"Auch das entsetzliche Elend, selbst wenn es viele Millionen Proletarier ergreift, ist noch keine ausreichende Gewähr für eine Revolution. ... Wenn man sie erst zur Verzweiflung gebracht hat, dann wird es schon eher möglich, daß sie sich empören ... (das) setzt (aber) ein mehr oder weniger klares Bewußtsein von der Möglichkeit einer besseren Lage voraus ... Aber auch Armut und Verzweiflung sind zu wenig, um die Soziale Revolution hervorzurufen. Sie können private oder höchstens lokale Revolten auslösen, aber sie reichen nicht aus zur Erhebung ganzer Volksmassen. Dazu bedarf es außerdem noch eines Volksideals ... notwendig ist ferner eine allgemeine Vorstellung vom eigenen Recht und ein tiefer, leidenschaftlicher... Glaube an dieses Recht. Wenn sich ein solches Ideal und ein solcher Glaube im Volk findet, dazu noch Armut, die es zur Verzweiflung treibt, dann ist die Soziale Revolution unabwendbar und nahe, und keine Macht der Welt kann sie verhindern." (S.447/8) (aus Bakunin in "Staatlichkeit und Anarchie" (1873)

(7a) Marx hatte noch proklamiert:

„Der Kommunismus ist für uns nicht ein Zustand, der hergestellt werden soll, ein Ideal, wonach die Wirklichkeit sich zu richten habe. Wir nennen Kommunismus die wirkliche Bewegung, welche den jetzigen Zustand aufhebt.“ (K. Marx, Dt. Ideologie, MEW 3, 35)

(8) Im "Kommunistischen Manifest" von Marx und Engels wird gefolgert:

"Sind im Laufe der Entwicklung die Klassenunterschiede verschwunden und ist alle Produktion in den Händen der assoziierten Individuen konzentriert, so verliert die öffentliche Gewalt den politischen Charakter. Die politische Gewalt im eigentlichen Sinne ist die organisierte Gewalt einer Klasse zur Unterdrückung einer andern. Wenn das Proletariat im Kampfe gegen die Bourgeoisie sich notwendig zur Klasse vereint, durch eine Revolution sich zur herrschenden Klasse macht und als herrschende Klasse gewaltsam die alten Produktionsverhältnisse aufhebt, so hebt es mit diesen Produktionsverhältnissen die Existenzbedingungen des Klassengegensatzes, die Klassen überhaupt, und damit seine eigene Herrschaft als Klasse auf. An die Stelle der alten bürgerlichen Gesellschaft mit ihren Klassen und Klassengegensätzen tritt eine Assoziation, worin die freie Entwicklung eines jeden die freie Entwicklung aller ist." (Karl Marx und Friedrich Engels in Manifest der Kommunistischen Partei - MEW Bd.4, S. 482)

(8a) Die Notwendigkeit einer "Übergangsgesellschaft" ergibt sich laut Marx in seiner Zeit aus einer Lernphase, die das Proletariat zur Selbstfindung für eine klassenlose Gesellschaft nötig hätte und daher sich gegen die Diktatur des Kapitals als Diktatur des Proletariats abgrenzen müsse:

"Zwischen der kapitalistischen und der kommunistischen Gesellschaft liegt die Periode der revolutionären Umwandlung der einen in die andere. Der entspricht auch eine politische Übergangsperiode, deren Staat nichts anderes sein kann als die revolutionäre Diktatur des Proletariats." (Karl Marx in Kritik des Gothaer Programms 1875 in MEW 19, S. 28)

(9) Hier geht es um die Übernahme der politischen Macht durch die Menschen, welche der Wirtschaft dienlich sind, nützlich für das Ganze der Gesellschaft und in diesem Zweck auch selbstbewusste Politik machen. Ihre grundlegenden Formulierungen finden sich im Gothaer Programm der SPD von 1875, die von Lenin schließlich konsequent in die Theorie der Machtübernahme des Staates zum Zweck der proletarischen Revolution fortentwickelt wurden. Die Unentschlossenheit des kommunistischen Manifestes von Marx und Engels über den Ort der Überwindung des Kapitalismus, der nur vage als allgemeine kommunale Revolution im Sinne der Pariser Kommune gefasst worden war, wurde durch solche Staatstheorie zum politischen Desaster des Realsozialismus, wie er von Stalin schließlich auf den Punkt gebracht wurde, auf den Arbeiter- und Bauernstaat, der durch die politische Partei des Staatsganzen diktatorisch durchgesetzt werden sollte. Auch wenn Lenin darin die Übergangsphase eines Sozialismus zum Kommunismus begriffen fand, war die sozialistische Staatsdiktatur kein Missverständnis, sondern konseqente Folge einer irren Konstruktion von der Diktatur des Proletariats, gegen die sich Karl Marx nur noch in seiner Kritik des Gothaer Programms zur Wehr gesetzt hatte. Er selbst hatte sich ja schließlich auch dieser Geschichtsauffassung ganz im Widerspruch zu seinen theoretischen Grundlegungen und Analysen genähert, aber schließlich völlig richtig darauf hingewiesen, dass die Arbeit und also auch das Proletariat selbst niemals das Subjekt einer Gesellschaft, die Quelle des gesellschaftlichen Reichtums sein kann. Gesellschaft begründet sich ebenso auch aus ihrer Natur und damit aus der Kultur des gesellschaftlichen Lebenszusammenhangs.

(9a) Im Vorwort zur 4. Auflage des Kommunistischen Manifests schrieben Marx und Engels 1872:

"Gegenüber der immensen Fortentwicklung der großen Industrie seit 1848 und der sie begleitenden verbesserten und gewachsenen Organisation der Arbeiterklasse, gegenüber den praktischen Erfahrungen, zuerst der Februarrevolution und noch weit mehr der Pariser Kommune, wo das Proletariat zum ersten Mal zwei Monate lang die politische Gewalt innehatte, ist heute dies Programm stellenweise veraltet. Namentlich hat die Kommune den Beweis geliefert, dass die Arbeiterklasse nicht die fertige Staatsmaschine einfach in Besitz nehmen und sie für ihre eigenen Zwecke in Bewegung setzen kann." (Marx und Engles im Vorwort zur deutschen Ausgabe des Kommunistischen Manifestes von 1872, MEW 21, S. 358)

(10) In seiner Kritik des Gothaer Programms des SPD-Gründers Lasalle schreibt Marx:

"Der Vulgärsozialismus (und von ihm wieder ein Teil der Demokratie) hat es von den bürgerlichen Ökonomen übernommen, die Distribution als von der Produktionsweise unabhängig zu betrachten und zu behandeln, daher den Sozialismus hauptsächlich als um die Distribution sich drehend darzustellen. Nachdem das wirkliche Verhältnis längst klargelegt, warum wieder rückwärtsgehn?" (Marx, Kritik des Gothaer Programms MEW 19, S. 22)

(10a) Es ist lediglich das Quantum, um das man streiten kann. Und das hat für die Lebensqualität der Menschen keine oder nur minimale Konsequenzen. Gerechtigkeit beruht qualitativ auf den Bedingungen, die ihr gestellt sind, das Recht der Gegebenheiten. Die Richtigkeit des Gegebenen ist daher zwangsläufig das Recht der kapitalistischen Gesellschaft, das Recht auf Privateigentum und damit auf Ausbeutung und Wertwachstum. Das kann man nicht verteilen.

(11) Kapitalismus wird durch "Gerechtigkeit" in der Geldverteilung nicht angegriffen. Er selbst verteilt zwangsläufig Geld so, wie es zu seinem Erhalt nötig ist. Es ist das Geschäft der Volkswirtschaft, dies zu garantieren. Der Kapitalismus im ursprünglichen Sinne ist längst gescheitert, weil er ein Lebensverhältnis der Menschen ist, die auf Dauer nicht so viel konsumieren können, wie der Kapitalismus zur Verwertung seines Geldeinsatzes bei wachsender Produktivität nötig hätte.

"Der letzte Grund aller wirklichen Krisen bleibt immer die Armut und Konsumtionsbeschränkung der Massen gegenüber dem Trieb der kapitalistischen Produktion, die Produktivkräfte so zu entwickeln, als ob nur die absolute Konsumtionsfähigkeit der Gesellschaft ihre Grenze bilde." (Karl Marx, MEW, Bd. 25, S. 501).

Doch die Verteilungsungerechtigkeit ist bis heute noch das politische Grundanliegen der Gewerkschaften. Und tatsächlich wächst in den Krisen des Kapitals auch die Armut der Bevölkerung mit der Entwertung des Geldes, aber eben auch der Entwertung des Kapitals. Nur die Spekulation bleibt sich im Wesentlichen gleichwertig, weil das Auf und Ab der Börsen nur das Risiko der Märkte und die Risikobereitschaft der Geldbesitzer darstellt.

(12) Aus dieser Bewegung gibt es z.B. in München heute noch die Rote Hilfe, das Netzwerk Selbshilfe und das Gedankengut einer "solidarischen Ökonomie", aber auch noch solche Esoterik-Gourmets wie z.B. Rainer Langhans, der damit kokettiert, dass er im Fernsehen den Faschismus für eine gute Sache hält, weil er die Sache der allgemeinen Güte vertreten täte.

(12a) In Wikipedia wird der Begriff so umschrieben: „Solidarische Ökonomie ist ein Sammelbegriff für Formen des Wirtschaftens, die sich an sozialen, demokratischen oder ökologischen Zielsetzungen orientieren. Vor allem in Europa und Lateinamerika existieren Modelle und Konzepte der Beschäftigung, in denen Arbeit auf der Grundlage von solidarischer Ökonomie organisiert werden soll. Auch in Deutschland existieren Projekte, die solidarische Ökonomie praktizieren. ... Zu den Projekten solidarischer Ökonomie zählen beispielsweise selbstverwaltete Betriebe, alternative Tausch-, Umsonst- und Handelsnetzwerke, alternativer Wohnungsunternehmen und zunehmend soziale Unternehmen.
Es sind verschiedene neue soziale Bewegungen entstanden. Dort engagieren sich Menschen gegen die Folgen des globalisierten Kapitalismus, gegen Ausgrenzung, Marginalisierung, Prekarisierung, Arbeitslosigkeit und Armut. Sie schließen sich kooperativ zusammen und versuchen den Aufbau ‚einer anderen Ökonomie’.“ Vergleiche hierzu auch: Von der Volksherrschaft des Kapitals zur demokratischen Erwirtschaftung des gesellschaftlichen Reichtums - Teil 4: Wie solidarisch kann solidarische Ökonomie sein?

(13) Und auch Volkswirtschaftlich haben betriebliche Missverhältnisse Folgen, solange die Wirtschaft allgemein auf Geldverwertung gründet. Ist der Geldwert nicht ersetzt, sondern einfach nur zerstört, so ist auch die kapitalistische Gesellschaft nicht ersetzt, sondern Gesellschaft überhaupt zerstört. Es trifft die Menschen, die gesellschaftlich abhängig sind, also die, welche darin bisher kein Eigentum erworben haben. In den Krisen des Kapitalismus, worin Geldentwertung eine zentrale Rolle spielt, leiden daher auch vor allem die eigentumslosen Menschen, die Menschen, die sich kein Eigentum bilden konnten, weil ihnen ihre Kraft enteignet wurde, am meisten unter der Last der Kapitalvernichtung. Die Armut besteht qualitativ eben durch Besitzlosigkeit und kann mit jeder Form der Gönnerei gelockt, mit Populismus getäuscht werden, weil sie von all dem abhängt, was ihr entzogen ist. Der theoretische Besitzanteil ändert daran nichts, so lange er als Geldwert bemessen ist und nicht am gesellschaftlichen Eigentum der Menschen, das nur politisch bestimmt werden kann.

(14) Horkheimer, der Koautor des Gemeinschaftswerks "Dialektik der Aufklärung", bekannte sich schließlich zu seiner Religiosität.

(15) ""Kommune" nannten sich die in Frankreich entstehenden Städte, sogar bevor sie ihren feudalen Herrn und Meistern lokale Selbstverwaltung und politische Rechte als "Dritter Stand" abzuringen vermochten. Allgemein gesprochen haben wir hier als typisches Land für die ökonomische Entwicklung der Bourgeoisie England, für ihre politische Entwicklung Frankreich angeführt. [Anmerkung von Engels zur englischen Ausgabe von 1888.]

So nannten die Städtebürger Italiens und Frankreichs ihr städtisches Gemeinwesen, nachdem sie die ersten Selbstverwaltungsrechte ihren Feudalherren abgekauft oder abgezwungen hatten. [Anmerkung von Engels zur deutschen Ausgabe von 1890.]" (Fußnote 3 des Kommunistischen Manifests von Engels auf MEW 4, S. 493)

(15a) Eine Basisdemokratie, die von Unten nach Oben vermitteln will, ist immer gesellschaftlich unvermittelt, weil sie das Individuelle nur verallgemeinern kann. Politik setzt auch keine Dafürhaltungen ins Verhältnis, sondern beruht auf einem Bildungsprozess, worin die Individuen ihr Gesellschaft so bestimmen, wie sie auch durch diese bestimmt sind, was also immer auch ihre individuelle und gesellschaftliche Identität ausmacht, Identität der unterschiedlichen Existenzweisen von Individuum und Gesellschaft ist.

(16) An der Uni Münster referierte Reemda Tieben über "Das Forschungskonzept des „Kommunalismus“ (Peter Blickle)":

„Kommunalismus“ heißt für Blickle, dass „die Organisation gemeinschaftlicher alltäglicher Belange (ausgedrückt in Satzungshoheit, Administration und Rechtspflege), die Friedewahrung nach innen und außen und die aus beiden resultierenden Rechtsnormen als autochthone Rechte einer Gemeinde von allen Mitgliedern in gleicher Berechtigung und Verpflichtung wahrgenommen werden“ ( Blickle, Kommunalismus, Parlamentarismus, 535). Dementsprechend bezieht sich der Begriff nicht auf jede Gemeindeform, sondern erfasst „politisch verfasste Gemeinden, die über eine Grundausstattung an Satzungs-, Gerichts- und Strafkompetenz verfügen“ ( Blickle, Begriffsbildung, 10). Diese Kompetenzen müssen ihren Niederschlag in Institutionen der ländlichen Gemeinde finden, damit Blickle die politische Organisation und die Handlungen der Bauern als kommunal geprägt anerkennt. Er nennt als Institutionen die Gemeindeversammlung, eine kollegial organisierte Verwaltungsbehörde und das Gericht. Zu den Normen, die in einer kommunal organisierten Gemeinde gegeben sind, zählt Blickle die Friedewahrung, den „gemeinen Nutzen“ und die Hausnotdurft. Wenn diese Normen und Werte massiv bedroht wurden, wehrte sich die kommunal verfasste Gesellschaft, indem sie gegen die Herrschaft, die diese Werte bedrohte, ein „Naturrecht auf Defension“ geltend machte. Die gesellschaftliche Basis des Kommunalismus bildete nach Blickle der „gemeine Mann“: eine zeitgenössische Terminologie für soziale Gruppen, die durch ihre Nichtzugehörigkeit zur Herrschaft von Adel und Geistlichkeit gekennzeichnet waren. Die Kommunalismusforschung betont die Gleichheit und Gleichberechtigung der Mitglieder der Gemeinde, die als Bauern und Bürger selbstverantwortete Arbeit leisteten und ihre inneren Angelegenheiten durch Konsens zu regeln versuchten." (http://www.uni-muenster.de/FNZ-Online/sozialeOrdnung/laendliche_gesellschaft/unterpunkte/kommunalismus.htm)

Dazu weiter auch von dort:

"Der Rat der Kommune verfügte Maßnahmen, die nur der Bevölkerung dienten. In seiner ersten Sitzung wurde das stehende Heer abgeschafft. An dessen Stelle trat die bewaffnete Macht des werktätigen Volkes. Wenig später folgte ein Dekret über die Trennung von Kirche und Staat. Eine Verordnung über die Arbeiterkontrolle in Verwaltung und Produktion wurde erlassen. Am 16. April verabschiedete der Rat der Kommune ein Dekret über die Inbetriebnahme der von den Kapitalisten stillgelegten und verlassenen Betriebe. Ein Untersuchungsausschuß wurde beauftragt, einen Bericht vorzulegen, »der die praktischen Bedingungen für die sofortige Inbetriebsetzung dieser Fabriken darlegt, und zwar nicht mehr durch die Deserteure, die sie verlassen haben, sondern durch die kooperative Assoziation der Arbeiter, die in ihnen beschäftigt waren.« Die Kommission wurde beauftragt, »einen Plan für die Bildung dieser kooperativen Arbeitergesellschaften auszuarbeiten.«" (Kulturkritik: Am Ende der bürgerlichen Gesellschaft: - Zwischen Feudalkapitalismus und internationalem Kommunalismus)

(17) „Am 18. März 1871 hatte das Zentralkomitee der Nationalgarde in Paris die Macht übernommen und sogleich Maßnahmen zur Linderung der Not eingeleitet. Mietrückstände wurden erlassen, Mieten herabgesetzt, die Versteigerung der nicht eingelösten Pfänder wurde sofort eingestellt. Am 26. März fanden in Paris Wahlen statt, am 28. März erfolgte die Wahl der Kommune. Dabei trat zum ersten Mal in der Geschichte eine auf demokratischem Wege gewählte Regierung der Arbeiterklasse an das Licht der Öffentlichkeit. ..." (http://www.uni-muenster.de/FNZ-Online/sozialeOrdnung/laendliche_gesellschaft/unterpunkte/kommunalismus.htm):

Marx schrieb hierzu:

„Die Kommune bildete sich aus den durch allgemeines Stimmrecht in den verschiedenen Bezirken von Paris gewählten Stadträten. Sie waren verantwortlich und jederzeit absetzbar. Ihre Mehrzahl bestand selbstredend aus Arbeitern oder anerkannten Vertretern der Arbeiterklasse. Die Kommune sollte nicht eine parlamentarische, sondern eine arbeitende Körperschaft sein, vollziehend und gesetzgebend zu gleicher Zeit. Die Polizei, bisher das Werkzeug der Staatsregierung, wurde sofort aller ihrer politischen Eigenschaften entkleidet und in das verantwortliche und jederzeit absetzbare Werkzeug der Kommune verwandelt. Ebenso die Beamten aller andern Verwaltungszweige. Von den Mitgliedern der Kommune an abwärts, mußte der öffentliche Dienst für Arbeiterlohn besorgt werden. Die erworbnen Anrechte und die Repräsentationsgelder der hohen Staatswürdenträger verschwanden mit diesen Würdenträgern selbst. Die öffentlichen Ämter hörten auf, das Privateigentum der Handlanger der Zentralregierung zu sein. Nicht nur die städtische Verwaltung, sondern auch die ganze, bisher durch den Staat ausgeübte Initiative wurde in die Hände der Kommune gelegt.“ (MEW 17, S. 339 f ).