Amok

Aus kulturkritik

Amok ist ein sozialer Terror gegen Menschen, ein aus isoliertem Hass entwickelter Vernichtungsakt gegen mehr oder weniger beliebige Menschen, die sich in einem mehr oder weniger bestimmten Umfeld antreffen. Es ist die finale Tat einer narzisstischen Kränkung, eine absolute Selbstverwirklichung, die sich über das Leben anderer Menschen durch deren Todstellt, die Selbsttötung durch die Prominenz einer mörderischen Tat selbst zu überhöhen sucht und darin in einer allgemein Öffentlichkeit zum Maßstab des monströsen Schreckens einer Selbstveredelung wird, der die Nichtung der eigenen Selbstachtung in einen Selbstwert des Tötens pervertiert.

Dem Amok geht eine Entwicklung voraus, in welcher die Zerstörung des eigenen Lebensvermögens substanziell durch totalisierte Einwirkungen erfahren wurde. Dessen Vernichtung wird zu einem Antrieb, zu einer Bestrebung, die sich aus dem Jenseits des Daseins begründet und auf dieses auch abzielt. Deshalb entsteht in der substanziellen Auflösung (z.B. einer Geschichte, einer Gesellschaft oder eines Lebensverhältnisses) nicht einfach nur Untergang, sondern die Totalität eines Vernichtungsstrebens, das in der Vernichtunng nicht zur Ruhe kommen kann, sondern sich darin zu bestärken sucht, indem es aus seiner Nichtung heraus Vernichtung betreibt

Beim Amok kehrt sich eine Ohnmacht um, die zu einer bestimmten Abwehr nicht in der Lage war und sie verunmöglicht hatte und die durch eine Selbsttötung zu Ende gebracht werden soll. Außer gegen sich selbst zielt Amok daher meist nicht auf bestimmte Personen, sondern auf unbestimmte Menschen, die sich lediglich im Umkreis oder der Kultur eines Gegners befinden, dem die erfahrene alles vernichtende Wirkung zugesprochen wird. Amok ist eine abstrakt gewendete Nichtung als rasender Vernichtungslauf, ein Selbstmordattentat gegen jedermann. Es ist eine Vergeltung an Menschen, die als Stellvertreter dieser Wirkungsmacht hergenommen werden, damit mit dem eigenen Tod eine Vergeltung über das eigene Leben hinaus betrieben werden kann.

Vergolten wird meist eine absolute Ohnmachterfahrung durch die [[Zerst�rung]] von Menschenleben, meist im Bereich öffentlicher Institutionen, die mit dieser Erfahrung in Zusammenhang stehen (z.B. Ämter oder Schulen). Amokläufer befinden sich meist in einer psychischen Ausweglosigkeit, z.B. einer unbewältigbaren Depression, in welcher sie ihr vernichtetes Selbstgefühl gegen ihre Umwelt wenden und von daher - meist über längere Zeit hinweg - ein Vernichtungsszenario (z.B. mit Computerspielen) gegen die Menschen vorbereiten, die in dieser Umwelt leben können. Hierbei treibt sich mit wachsender Isolation ein Prozess der Selbstzerstörung an, der die vielleicht erst mal nur latente Vernichtungsabsicht zu einem wirklichen Täterwillen entwickelt.

Von daher ist der Amok von einem völlig abstrakten Vernichtungswillen betrieben, der sich als tödliche Gewalt gegen ein unbeschädigtes Leben wendet, durch welche sich das totalisierte Vernichtungsgefühl selbst erklären und sich durch eine finale Tat vergegenwärtigen soll. Es ist eine Methode des psychischen Überlebens über den eigenen Tod hinaus, der Wahnsinn einer seelisch überdimensionierten Absicht, einer Tötungsabsicht, die durch ihre Konsequenzen über das körperliche Leben hinausragen soll. Meist ist es eine Form von Selbsttötung, die andere Menschen mitreißen soll, ein Mord an Funktionalem und Funktionären und Schönem und Guten, das in irgendeinem Zusammenhang mit diesem Gefühl steht, bevor der Selbstmord dann vollzogen wird.

Von daher wird auch angenommen, dass es beim Amok um das Bedürfnis eines Heldenkults handelt, dass also jemand Amok läuft, um in der Welt und den Medien nach seinem Tod ganz groß herauszukommen. Tatsächlich gibt es inzwischen Menschen, die solche Taten bewundern, sie als Großtaten verherrlichen, als Kult feiern.

Aber es spricht doch vieles dagegen, dass der Heldenepos bedeutender sein kann als der völlig verselbständigte Vernichtungswille. Als toter Held ist nichts zu gewinnen außer einer seelisch unendlichen Stringenz, die eine solche Tat nach sich zieht.

Andererseits ist in der Kriegsverherrlichung bei Soldaten durchaus ein Veredelungsinteresse ihrer Taten zu bemerken. Auch ihre Situation bliebe lediglich ausweglos, wenn sie ihrem Schießbefehl nicht höhere Werte zuordnen könnten. So bleibt der Heldentod immer eine Möglichkeit quasi religiöser Bewältigung des eigenen Untergangs auch schon im Vorhinein der Tat.

Die Kriegsbegeisterung der Deutschen Ende der 20ger Jahren hatte schon Sigmund Freud veranlasst, an einen Todestrieb im Menschen zu glauben, da er sich diese Begeisterung nur noch jenseits des Lustprinzips erklären konnte. Will man einer Erklärung näher kommen, muss man vielleicht die Vernichtungsgier mit Heldenmut als eine Form von Todesverachtung begreifen, in welcher ein übermenschliches Finale durch Mordgier eine seelische Vernichtung ausgleichen soll. Von daher wäre auch Amok eine Form unbegrenzter Selbstveredelung.