Kapitalentwertung
"1. Von allen zufälligen Störungen abgesehn, wird im Lauf des Reproduktionsprozesses beständig ein großer Teil des vorhandnen Kapitals mehr oder weniger entwertet, weil der Wert der Waren bestimmt ist nicht durch die Arbeitszeit, die ihre Produktion ursprünglich kostet, sondern durch die Arbeitszeit, die ihre Reproduktion kostet, und diese infolge der Entwicklung der gesellschaftlichen Produktivkraft der Arbeit fortwährend abnimmt. Auf einer höhern Entwicklungsstufe der gesellschaftlichen Produktivität erscheint daher alles vorhandne Kapital, statt als das Resultat eines langen Prozesses der Kapitalaufsparung, als das Resultat einer verhältnismäßig sehr kurzen Reproduktionszeit.
2. Wie ... bewiesen, nimmt die Profitrate ab im Verhältnis zur steigenden Akkumulation des Kapitals und der ihr entsprechenden steigenden Produktivkraft der gesellschaftlichen Arbeit, die sich gerade in der wachsenden relativen Abnahme des variablen Kapitalteils, gegenüber dem konstanten, ausdrückt. Um dieselbe Profitrate hervorzubringen, wenn das von einem Arbeiter in Bewegung gesetzte konstante Kapital sich verzehnfacht, müßte die Mehrarbeitszeit sich verzehnfachen, und bald würde die ganze Arbeitszeit, ja die 24 Stunden des Tages dazu nicht hinreichen, selbst wenn ganz vom Kapital angeeignet. Die Vorstellung, daß die Profitrate sich nicht verringert, liegt aber der Priceschen Progression zugrunde und überhaupt dem "all-engrossing capital, with compound interest" <"Kapital mit Zinseszins, das alles an sich reißt">" (MEW 25, S. 411)
Schon im Geld erscheint der Wert der Waren in einer dopelten Beziehung als Zahlungsmittel einerseits und Kaufmittel andererseits. Damit ist natürlich nicht der Wert der Waren verdoppelt, wohl aber seine Preisdarstellung einmal als die der Waren, die in den Warentausch aus der Produktion heraus eintreten, und die Waren, die zur Konsumtion aus ihr verschwinden. Wenn in der Preissumme der auf dem Markt befindlichen Waren, sich beides ausgleichen könnte, so wäre der Wert des Geldes eindeutig darstellbar.
Doch das ist unmöglich, bzw. nur zufällig möglich, weil der Preis im Allgemeinen den Tauschwert erst nach seiner Realisation im Warenausch bezieht, also aus dem Abverkauf der Waren je nachAngebot und Nachfrage darstellen kann, im Vorhinein aber schon als Wertträger, also als Träger verdurchschnittlichter Arbeitszeit von seinem Wert bestimmt, "notwendige Ausdrucksweise oder Erscheinungsform des Werts" (MEW 23, S. 53) ist.
Im Warentausch verliert sich der Wert der Waren aus der Hand des Verkäufers, indem er in die Hand des Käufers vserschwindet und dort verzehrt wird, also letztlich untergeht, selbst wenn er noch mehrere Händewechsel durchläuft. Hierdurch ist eine erneute Produktion schon zum Werterhalt des Geldes nötig, schon alleine um das Geld in seiner doppelten Funktion als Zahlungsmittel und Kaufmittel zu erhalten. Es wird dadurch zum Subjekt des Marktes, dass alle Käufe von seinem Wert abhängig sind und alle Verkäufe hierzu relativ nur in die Funktion des Geldes als Zahlungsmittel eingehen. Als Subjekt des Marktes kann Geld einen Wert festhalten, an dem sich die Zahlungsmittel ausrichten müssen und daher auch einen Gebrauchswert der Arbeit zur Arbeitskraft bestimmen, die in seinem Nutzen steht und neben ihrem Wert als Lohn zugleich Mehrwert als unbezahlte Arbeit liefern muss.
In der Geldform entsteht Kapital durch diesen Gebrauch der produktiven Arbeit und verwirklicht seine eigenständige Bestimmung des Geldes dadurch, dass es sich nicht nur als Wertmaß, sondern zugleich alsMaßstab der Preise verwirklicht und letztres seine allgemeinste Bestimmung wird: Der Geldwert als Form des gesellschaflichen Reichtums verliert sich aus der Hand des Verkäufers von Gebrauchswerten als Wertmaß, um in der Hand des Käufers als Maßstab der Preise, als Wert des Tauschwerts zu herrschen: als Kapital. Durch den Verkauf entsteht Besitzlosigkeit, durch den Kauf Besitz. Der Gebrauchswert existiert im allgemeinen Medium der Tauschwerte alleine durch diese Form und wird im Tauschmittel Geld zu Kapital und damit als Inhalt des gesellschaftichen Reichtums ohnmächtig gegen seine Warenform, gerade weil dieser Inhalt nur durch Geld, also durch seine Formbestimmung gesellschaftlich bewährt, den Reichtum nur in der Geldform verwirklichen kann.
Diese Ohnmacht entwickelt eine Geldmacht aus der Marktwirtschaft heraus mit der Anhäufung von Geld, die schon nötig ist, um seiner Selbsterhaltung als Geldwert zu genügen:
"Es stellt mehr oder weniger des allgemeinen Reichtums dar, je nachdem es nun als bestimmtes Quantum desselben in größrer oder geringrer Anzahl besessen wird. Wenn es der allgemeine Reichtum ist, so ist einer um so reicher, je mehr er davon besitzt, und der einzige wichtige Prozeß ist das Anhäufen desselben, sowohl für das einzelne Individuum als für Nationen. Seiner Bestimmung nach trat es hier als aus der Zirkulation heraustretend auf. Jetzt erscheint dies Herausziehn desselben aus der Zirkulation und Aufspeichern desselben als der wesentliche Gegenstand des Bereicherungstriebs und als der wesentliche Prozeß des Bereicherns. Im Gold und Silber besitze ich den allgemeinen Reichtum in seiner gediegnen Form, und je mehr ich davon anhäufe, um so mehr eigne ich mir von dem allgemeinen Reichtum an. Wenn Gold und Silber den allgemeinen Reichtum repräsentieren, so, als bestimmte Quantitäten, repräsentieren sie ihn nur im bestimmten Grade, der der Erweiterung ins Unbestimmte fähig ist. Diese Akkumulation des Goldes und Silbers, die sich als wiederholtes Entziehn desselben aus der Zirkulation darstellt, ist zugleich das In-Sicherheit-Bringen des allgemeinen Reichtums gegen die Zirkulation, worin er stets verlorengeht im Austausch zu einem besondren, schließlich in der Konsumtion verschwindenden Reichtum." (Karl Marx, Grundrisse, MEW 42, S. 156f)
Kapital ist eine Wertform des Geldes, worin Geld sich aus dem Einnehmen und Ausgeben, aus Kauf und Verkauf gleichgültiger Dinge zu sich selbst verhält und hierdurch seinen Wert festhält: akkumuliert. Für sich genommen ist Kapital die Aufhäufung eines Reichtums, dessen Wert es einerseits darstellt und den es sogleich verliert, wenn es nicht in den Produktionsprozess zurückkommt. Nur dadurch, dass es sich dort wieder durch Arbeit reproduziert, kann sein Wert auch in der Geldzirkulation Bestand haben. Es kann also sich in der Geldform nur erhalten indem es seinen Wert reproduziert, den Wert, den die Waren verlieren, wenn sie in der Konsumtion untergehen.