Kitsch

Aus kulturkritik

War’s auch nicht viel, es hat gereicht. Um zu versteh’n, was wär vielleicht? (Holger Langer)

Kitsch ist die Kunst der Ästhetisierung, des Erscheinens von dem, was als schön und gutgilt, als heile Weltdes schönen Scheins, Schönheit als Reiz des Häßlichen, Täuschung einer Vertauschung durch Vertauschung der Anregung mit ihrer Erregung, Schein für sich als Farce einer Versöhnung der Gegensätze durch Veredelung ihres Anscheins: ästhetische Lüge, eines ästhetischen Willens schlechthin.

Es handelt sich um eine Verstärkung der Reize oder Eigenschaftem, die nicht notwendig ist, aber durch die Hinzufügung höherwertiger Materialien eine Funktion oder ein Design angenehmer machen. So muss man die Veredelung als eine die Oberfläche betreffende Eigenschaft zur Wahrung und Wahrnehmung einer edleren Gestaltung, also als eine im Wesentlichen ästhetische Aufbesserung verstehen, die verbergen soll, was wirklich Sache ist.

Ihre Absicht ist das Heil einer Geborgenheit, in der sich Gebrochenes in seiner Isolation ganz erscheinen kann (siehe heile Welt), damit aber notwendig veräußert, sich äußerlich gemacht ist, indem es mit einer fremden Substanz vertauscht wurde. Diese wird aus einer fremden Anwesenheit bezogen, in der das Eigene ausgeschlossen und das Fremde zu Eigen gemacht wird.

Im Gebrauch der Gebräuchlichkeiten tut sich Kitsch als besonders scheinende Form des Gewöhnlichen hervor und gewöhnt daran, dass es unabänderlich gilt, als pure Gewohnheit unendlich bleibt und immer gilt als Kameradschaft des ewigen Verbleibens, aber als eine schön scheinende. Kitsch ist die besondere Erscheinung des Immergleichen, der Durchbruch der Sehnsucht nach besonderen Gegebenheiten gegen die Empfindung des Sonderbaren, die Bewahrung des Selbstgefühls vor Zweifel. Darin verliert die Empfindung, was das Gefühl gewinnt: Selbsterleben als Gefühl für sich, als Widerschein der Beziehung auf sich selbst im Glanz der Gefälligkeit.

Kitsch kann dadurch wahr sein, dass dieser Glanz auch sein wirklich betörendes Leben treibt und sich wie ein Lebensmittel ausbreitet, als Scheinwelt eben doch auch wirklich scheinbar ist. Aber in dieser doppelte Reflexion breitet sich eine heimliche Wahrheit doch unheimlich aus, wo sie sich mächtig macht: Sie entwickelt den Trost gegen die Wirklichkeit zu einem Glauben an sie, wo sie sich darin nützlich machen kann.