Rohstoffhandel

Aus kulturkritik

"Bei sonst gleichen Umständen fällt und steigt die Profitrate ... in umgekehrter Richtung wie der Preis des Rohstoffs. Es ergibt sich hieraus u.a., wie wichtig für industrielle Länder der niedrige Preis des Rohstoffs ist, selbst wenn die Schwankungen im Preis des Rohstoffs durchaus nicht begleitet wären von Änderungen in der Verkaufssphäre des Produkts, also ganz abgesehn von dem Verhältnis von Nachfrage und Zufuhr. Es ergibt sich ferner, daß der auswärtige Handel die Profitrate beeinflußt, auch abgesehn von aller Einwirkung desselben auf den Arbeitslohn durch Verwohlfeilerung der notwendigen Lebensmittel. Er affiziert nämlich die Preise der in die Industrie oder Agrikultur eingehenden Roh- oder Hilfsstoffe. Der bisher noch durchaus mangelhaften Einsicht in die Natur der Profitrate und in ihre spezifische Verschiedenheit von der Rate des Mehrwerts ist es geschuldet, wenn einerseits Ökonomen, die den durch praktische Erfahrung festgestellten, bedeutenden Einfluß der Preise des Rohstoffs auf die Profitrate hervorheben, dies theoretisch ganz falsch erklären (Torrens), während andrerseits an den allgemeinen Prinzipien festhaltende Ökonomen, wie Ricardo, den Einfluß z.B. des Welthandels auf die Profitrate verkennen." (MEW 25, S. 116f)

Der Rohstoffhandel hat gegenüber anderen Handelsbeziehungen eine primäre Funktion, insofern sich darin die Verwertung einer Basisindustrie durchsetzt, der Handel mit Lebensmittel und Naturstoffen (Ressourcen), wie sie nicht erst nach ihrer Verarbeitung auf dem Warenmarkt, sondern direkt an ihrer Quelle zum Handelsobjekt werden. Nicht die Arbeit, die darin eingegangen ist, sondern der Preis der Arbeit, die in den Produktwert eingehen soll, wird damit bestimmend für die Preisbildung. Weil das Verhältnis von Angebot und Nachfrage schon von Natur aus beschränkt ist, kann der Preis der Anbau- und Abbauprodukte auch nicht frei auf dem Markt entstehen. Er ist so abhängig von der Profitrate wie diese auch von ihm. Im Rohstoffhandel dreht sich die Achse der Preisbildung überhaupt {siehe auch Petrodollar}. Und er verhält sich statisch zum Preis der Produkte, während die Profitrate mit der Gesamtwertsumme des Handels, mit dem Geldwert variiert, also unmittelbar von ihrem Produktabsatz abhängig bleibt und von daher die Mehrwertrate als Verhältnis der Gesamtverwertung bedrängt.

"Der Wert der Roh- und Hilfsstoffe geht ganz und auf einmal in den Wert des Produkts ein, wozu sie verbraucht werden, während der Wert der Elemente des fixen Kapitals nur nach Maßgabe seines Verschleißes, also nur allmählich in das Produkt eingeht. Es folgt daraus, daß der Preis des Produkts in einem viel höhern Grad affiziert wird vom Preis des Rohmaterials als von dem des fixen Kapitals, obwohl die Profitrate bestimmt wird durch die Gesamtwertsumme des angewandten Kapitals, einerlei, wieviel davon konsumiert ist oder nicht. Es ist aber klar..., daß Ausdehnung oder Einschränkung des Markts vom Preis der einzelnen Ware abhängt und in umgekehrtem Verhältnis zum Steigen oder Fallen dieses Preises steht. In der Wirklichkeit findet sich daher auch, daß mit steigendem Preis des Rohstoffs der Preis des Fabrikats nicht in demselben Verhältnis steigt wie jener und bei fallendem Preis des Rohstoffs nicht in demselben Verhältnis sinkt. Daher fällt in dem einen Fall die Profitrate tiefer und steigt in dem andern höher, als bei Verkauf der Waren zu ihrem Wert der Fall wäre."(MEW 25, S. 118)

Die Wertpapiere des Handels mit Rohstoffen gelten auf dem Aktienmarkt als sichere Anlage, da das Angebot begrenzt ist und die Nachfrage angesichts einer wachsenden Weltbevölkerung zunimmt - so jedenfalls wird auf diesem Markt um Finanzinvestition geworben. So fällt vor allem auch die Vermarktung des Mehrprodukts aus, weil der Abverkauf der gelagerten Ware selbst unmittelbar zur Preisbestimmung geplant und hergenommen wird, sodass der Mehrwert selbst schon preisförmig ist. Was kann ein Kapitalanleger besseres wollen?

Die große Deregulierung um die Jahrtausendwende hat den Rohstoff-Handel für institutionelle Anleger wie Index-Investoren besonders attraktiv gemacht. Sie haben kein Interesse an Preisstabilität für den physischen Rohstoffhandel, sondern nur an langfristiger Rendite. Gleichzeitig wurden dadurch die Rohstoffbörsen an die Entwicklung der Finanzmärkte gekoppelt: Faktoren wie Zinshöhe, Risikobereitschaft oder fallende Aktienkurse treiben die Preise für Rohstoffe in die Höhe - unabhängig von Angebot und Nachfrage der physischen Ware.

Der Warenpreis wird schon im vorhinein der Produktion kalkuliert und allein durch den Umfang der Lagerhaltung und der erwarteten Absätze bestimmt. Das macht den besonderen Anreiz für das anlagesuchende Kapital, das fiktive Kapital, aus, sich darin durch Kapitalvorschuss zu vegegenwärtigen, um an der Preisbestimmung beteiligt zu sein, z.B. auch dadurch, dass im Vorhinein des Anbaus durch Warentermingeschäfte (Futures) eine künstlich hohe Nachfrage nach Waren generiert wird, welche die prospektierten Verkaufspreise und damit die Spekulation auf den Preis der Waren hochtreibt, die dann auch mit überhöhten Verkaufspreisen angeboten werden müssen, damit die Vorschüsse hierfür bezahlt werden können. Ihr Mehrwert wird so direkt aus ihrem Verkaufspreis gezogen, also aus den Arbeitslöhnen ihrer Käufer. Je tiefer andere Anlageformen in eine Krise geraten, desto "interessanter" wird die Geldanlage im Rohstoffhandel.

Preissteigerungen auf den Rohstoffmärkten entsprechen zunehmend dem Maß der Geldanlage in Agrarfonds. Alleine in 6 Jahren ist aus diesem Grund der Preis von Mais in Kenia um 114%, der Preis von Weizen in Bolivien um 119 % und der von Reis um 107 % gestigen. 200 Millionen Tonnen Weizen wurde im vergangenen Jahr in den USA und der EU produziert, aber durch künstliche Nachfrage auf 4.700 Millionen Tonnen zur Wertsteigerung der Aktien befördert, die dann den Verkaufspreis bestimmen, 4,5 Milliarden Gewinn hatte im Jahr 2011 alleine die Deutsche Bank hierdurch gemacht.

Der Verein foodwatch e.V. hat den Finanzexperten Harald Schumann beauftragt, über Spekulationen mit dem Rohstofhandel zu recherchieren und schreibt hierzu:

"Der Anteil der zu rein spekulativen Zwecken gehaltenen Weizen-Kontrakte an der Chicagoer Börse (CBOT) lag bis 1999 noch bei 20 bis 30 Prozent – heute beträgt er bis zu 80 Prozent. Institutionelle Anleger haben bislang 600 Milliarden Dollar an den Rohstoffbörsen investiert – das entspricht etwa einem Zehntel des Wertes aller weltweit gehandelten Aktien. Dabei ist die Zahl der gehandelten Futures völlig unabhängig von den verfügbaren Mengen der physischen Ware und überschreitet diese um ein Vielfaches. So betrug zum Beispiel das Volumen der gezeichneten Futures („open interest“) auf Weizen der Sorte „Soft Red Winter“ in Chicago im März 2011 rund 76 Millionen Tonnen – das entspricht dem 8,5-fachen der Jahresernte von rund 9 Millionen Tonnen.

Der Preis von morgen bestimmt den Preis von heute. Es gibt erdrückende Belege dafür, dass der Future-Preis, also der Kurs der nächstfälligen Kontrakte für eine nur virtuelle Rohstofflieferung, die Preise auf den Spotmärkten beeinflusst, wo diese Rohstoffe tatsächlich gehandelt werden. Getreidebauern verkaufen ihre Ware in der Gegenwart zum Future-Preis – einen niedrigeren Preis zu verlangen, wäre ökonomisch unsinnig, für einen höheren Preis würden sie dagegen keine Käufer finden. Wissenschaftliche Auswertungen der in den USA erhobenen Börsendaten zeigen, dass die anwachsende Kapitalanlage auf den Rohstoffmärkten Getreide, Speiseöl und Benzin über lange Phasen von bis zu einem Jahr um bis zu 25 Prozent verteuert.

Die Preise sind im Rohstoff-Fieber. Durch spekulative Anleger hat auch die Volatilität zugenommen, also Ausmaß und Frequenz der Preisschwankungen. So schwankten die Preise für Weizen-Futures in Chicago bis 2004 in der Regel nur um bis zu 30 Prozent übers Jahr – seit dem Einstieg der Indexfonds sind Ausschläge von bis zu 70 Prozent gang und gäbe." (siehe hierzu auch [[1]])

Aus dem Auftrag von foodwatch an Harald Schumann ist eine Broschüre, der Report „Die Hungermacher“, entstanden (siehe in den Quellen: Die Hungermacher).