Stirner
Max Stirner (1806 - 1856) hat sich in der fr�hen Hegelkritik und der Kritik an Feuerbach entwickelt und eine bemerkenswert radikale Position hieraus gezogen, die heute von den verschiedensten Interpretationen entweder als anarchistisch, egoistisch, fr�hsozialistisch oder auch protofaschistisch bezeichnet wird. Tats�chlich flie�t in seinem Selbstverst�ndnis ein radikaler Subjektivismus zusammen, der in der Folgezeit in den verschiedensten Denkrichtungen vorkam (besonders bei Friedich Nietzsche und auch in einem anderen, einem psychoanalytischen Bezug bei Wilhelm Reich). Sein wichtigstes und auch fast einziges Werk war die Schrift "Der Einzige und sein Eigentum". Marx hat sich kritisch mit seinem Eigentumsbegriff befasst, den er in den Gegensatz zur gesellschaftlichen Form von Eigentum als Privateigentum oder Besitz brachte und darin Stirner als Protagonist der gesellschaftlichen Anarchie der Warenproduktion herausstellte. Dennoch war auch Marx von dem brillanten Subjektivismus Stirners beeindruckt, der praktisch alle Fragen des Subjekts in ein unmittelbar politisches Verh�ltnis gegen alle Gesellschaftsform stellte.
Dieser unmittelbaren Plausibilit�t wäre in Wirklichkeit nichts entgegenzuhalten, wenn das darin Ausgeschlossene, die wirklichemenschliche Gesellschaft nicht als Notwendigkeit einer gesellschaftlichen Vermittlung der Menschen begriffen wird. Das radikale Selbstdieser plausiblen Selbsbeziehung vermittelt immer auch das Vorurteil einer gesellschaftlichen Gewalt, der es durch sich schon entzogen sein kann. Im Ausschluss jeder Notwendigkeit schlie�t Stirner diese Vermittlung und schlie�lich jede Einsicht in eine gesellschaftlich notwendige Veränderung, der Wendung zu einem Anderssein der Menschen per se aus. Solche Abwendung von Dialektik und Diskurs hat ihn einerseits immer an den Rand der Diskussion gestellt, aber zugleich auch immer praktische philosophische Faszination ausgel�st. So blieb er ein ewiger Dissident, der sich als produktiver Nihilist vor allem in eine unendliche Selbsterkl�rung brachte. Und die erscheint gerade dann selbstredend, wo ihr die Einsicht in die Notwendigkeiten der gesellschaftlichen [[Verh�ltnisse]] mangelt, vor allem, wenn diese selbst nur noch unheimlich wirken. So bleibt sie als "politisches Herz" dem isolierten Individuums �brig, dem damit aber auch suggeriert wird, dass es sich als Masse gegen seine Gesellschaftsform unmittelbar alternativ begreifen kann, ohne auf Lebensbedingungen eingehen zu m�ssen (siehe auch Massenmensch).
Das macht solches Denken auch empf�nglich f�r Massenbewegungen, die sich nicht mehr aus bestimmten Gegens�tzen ergeben, sondern rein ideologisch begr�ndet sind. Dass damit sich das Individuum letztlich als Naturmensch herausgstell en muss, hat in seiner Logik genau das zur Folge, was Stirners Position bek�mpfen will: Die Behauptung einer subjektiven Masse, die als menschliche Natur gegeben erscheint. Und das ist die Grundlage einer [[Ph�nomenologie]], die zwangsl�ufig [[reaktion�r]] ist.
Von daher behandelt Marx Stirner als einen, der gerne Gemeindevorstand der Gesellschaft wäre, als Erzbischof, den er in der "Heiligen Familie" nur noch "Sankt Sancho" nennt und der die Proletariar als seine Schäfchen versammelt, welchen er die Fähigkeit zum "wahren Genuß" zuschreibt, um sich mit ihnen zu identifizieren. Weil er Gesellschaft demzufolge als seine Gemeinde ansieht, als die geschlossene Gesellschaft einer Gemeinschaft, sieht er das Proletariat auch als Mittel seiner Emanzipation, als Medium der Weltveränderung für sich, als deren geistiges Oberhaupt. Indem das darin vorgestellte Individuum sich selbst als Gesellschaft durch seine Gemeinschaft mit anderen zu sein dünkt, verkehrt sich seine Emanzipation in die Selbstermächtigung des aufgeklärten Bürgers (siehe auch Aufklärung).
"Sankt Sancho unterstellt hier wieder die Proletarier als eine "geschlossene Gesellschaft", die nur den Beschluß des "Zugreifens" zu fassen habe, um am nächsten Tage der ganzen bisherigen Weltordnung summarisch ein Ende zu machen. Die Proletarier kommen aber in der Wirklichkeit erst durch eine lange Entwicklung zu dieser Einheit, eine Entwicklung, in der der Appell an ihr Recht auch eine Rolle spielt. Dieser Appell an ihr Recht ist übrigens nur ein Mittel, sie zu "Sie", zu einer revolutionären, verbündeten Masse zu machen. - Was den Satz im Übrigen angeht, so bildet er von Anfang bis zu Ende ein brillantes Exempel der Tautologie, wie sogleich klar wird, wenn man, was unbeschadet des Inhalts geschehen kann, sowohl Macht wie Recht herausläßt. Zweitens macht Sankt Sancho selbst den Unterschied zwischen persönlichem und sachlichem Vermögen, womit er also zwischen Genießen und Macht zu genießen unterscheidet. Ich kann große persönliche Macht (Fähigkeit) zum Genießen haben, ohne daß ich darum auch die sachliche Macht (Geld pp.) zu haben brauche. Mein wirkliches "Genießen" ist also noch immer hypothetisch." Karl Marx in MEW 3, S. 305