Symbiose

Aus kulturkritik
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"Der Tag ist in die Nacht verliebt, Der Frühling in den Winter, Das Leben verliebt in den Tod - Und du, du liebest mich!

Du liebst mich – schon erfassen dich Die grauenhaften Schatten, All deine Blüte welkt, Und deine Seele verblutet.

Laß ab von mir, und liebe nur Die heiteren Schmetterlinge, Die da gaukeln im Sonnenlicht - Laß ab von mir und dem Unglück."

("Laß ab!" von Heinrich Heine in "Geschichten und Gedichte")

In einer Symbiose ist Selbstgewissheit aufgehoben, da darin Stimmungen vorherrschen, die ein anderes Sein mit sich und durch sich vereinen und Gegensätze in Widersprüche verschmelzen, gemeinsinnig machen. Der Grund hierfür ist das Bedürfnis nach einer vergemeinschafteten Wahrnehmungsidentität, wo allgemeine Umstände und Erkenntnisinteressen (siehe z.B. Narzissmus) sie bedrohen oder nichten.

In ihren Gefühlen schafft die Liebe vielerlei Symbiosen, die für die Ewigkeit gemacht sein sollten, aber mit den Umständen ihrer Augenblicke auch oft schnell wieder vergehen. Dauerhaft werden solche Symbiosen wenn sie einen ihnen äußerlichen Zweck verfolgen. Die Symbiotische Selbstbehauptung verfolgt vor allem den Zweck ängstlicher Menschen (siehe auch Lebensangst), sich in ihrer Selbstbeauptung zu ergänzen und zu bestärken. Dies führt meist zu einer Lebenkonstruktion geborgener Gefühle in den verschiedensten Formation von Lebensburgen.

Symbiose bezeichnet die Verschmelzung verschiedener Organismen in einer hierfür notwendigen Verflechtung ihrer Organe, z.B. für den Stoffwechsel, die Mobilität oder Sicherheit. Hierfür werden die Organe (z.B. Sinnesorgane, Verdauungsorgane, Nerven) aufeinander in einem entsprechenden Zweck versorgt und so abgestimmt, dass Organe bzw. Sinne eines Organismus die eines anderen nicht nur ergänzen oder ersetzen, sondern zu einer eigenen Lebensform entwickeln. Wesentlich ist dabei die Verschmelzung ihrer individuellen Funktionen, die organische Unselbständiglkeit der beteiligten Organismen, also nicht eine Beziehung, die zwei unterschiedene Subjekte unterstellt, die sich zu einander verhalten, sondern die Objektivität ihrer Abhängigkeit. Durch diese entsteht eine "Entsubjektivierung" zweier Lebewesen durch die Verwachsung oder Ergänzung ihrer jeweiligen Organe zu einem Lebenssystem von einer eigenen Ganzheit.

Auch zwischenmenschliche Beziehungen können symbiotisch sein. Wo sie körperlich existieren - wie z.B. als Mutter-Kind-Symbiose oder in der geschlechtlichen Beziehung zwischen Menschen. Darin ist zwar die Individualität der Subjektivität kritisiert, weil die Ausschließlichkeit einer körperlichen Individualität in ihrer Verwirklichung als Individualkörper misslingen muss. Jedoch sind die Menschen in solcher Verbundenheit nicht zwangsläufig entsubjektiviert, soweit diese gesellschaftlich existent ist und auch in dieser Form als natürliche Notwendigkeit erkannt und als gesellschaftliche Natur anerkannt ist. Doch dies kann zugleich auch in eine psychischen Abhängigkeit, in eine Hörigkeit übergehen, die durchaus entsubjektivierend ist (siehe symbiotische Selbstbehauptung).<

Es geht bei diesem Begriff also um einen organischen Lebenszusammenhang, der zugleich Lebensbedingung einer besonderen Art der Abhängigkeit im Austausch von Lebenssubstanzen ist, die ganz oder partiell keinen eigenen Sinn bilden können, weil sie einander nötig haben, durch einander sich produzieren und an einander einverleibt sind. In der Biologie wird dieser Zusammenhang sowohl als ergänzende Beziehung (z.B. Blüten und Blütenstaub transprotierender Bienen), als Mutualismus (ökologische Wechselbeziehung von Lebewesen unterschiedlicher Art) oder als parasitäre Beziehung (Wirtsverhältnisse) verstanden. Im Verhältnis der Generationen beruht sie auf einer organischen Notwendigkeit im Eltern-Kind-Verhältnis, in welcher die nachwachsende Generationen von natürlichen und sozialen Eigenschaften der erzeugenden Geschlechter abhängig und diese zugleich in einem allgemeineren Sinn diese erfüllend sind. Erst mit dem "Auswachsen" aus dieser symbiotischen Beziehung heraus wird die neue Generation "erwachsen" - so sie sich nicht darin verliert, nicht zu einer eigenen Welt findet. In zwischenmenschlichen Beziehungen herrscht ene Symbiose, wenn sich darin die Eigenschaftengegensinniger Beziehungen vermengen. Das unterstellt zwei Subjekte in einer objektiven Einheit, die für sich widersinnig ist, weil ihre Subjektivitätnur zwischen allem sein kann (siehe hierzu Dazwischensein) und sich daher unentwegt entwirklicht.. <

Die Auflösung einer Symbiose stellt sich dann als Selbstverlust dar, weil die Selbstbezehung damit aufgehoben ist und der Schmerz der Auflösung sich hiergegen als verlorenes Selbstgefühl einstellt, dieses in eine leere Erregung treibt und damit das Gefühl der Verlorenheit einer fremd gewordenen Zwischenmenschlichkeit verdoppelt, - sich auch endlos verdoppeln kann, wenn sie sich in ihrer Erregung selbst in eine schlechte Unendlichkeit treibt, sich in ihrer Äußerlichkeit verallgemeinert, so sie sich nicht durch andere zwischenmenschliche Beziehungen aufheben lässt.<

Im übertragenen Sinn kann man mit Symbiose die Verbindung verschiedener Lebewesen zu einem organischen Ganzen verstehen, die für sich einzeln nicht sein können, in der Beziehung und den Verhältnissen von Individuen nicht lebensfähig wären, weil sie durch ein fremdes Organ bestimmt sind und sie für sich selbst ein Unheil empfinden, was ihrSelbstgefühl wesentlich ausmacht. Abhängigkeiten gibt es immer, wo durch gesellschaftliches Zusammenwirken Zusammenhänge entstehen; aber symbiotisch sind diese nur, wo die Natur der Selbstwahrnehmung durch die organische Abwesenheit eines Sinns in einem Menschen bestimmt ist, z.B. wenn dieser verdängt oder hörig werden muss, um eine Selbstbehauptung nicht zu gefährden. Dies gilt besonders für Verhältnisse einer symbiotischen Selbstbehauptung, also einer Selbstbehauptung, die nur durch Symbiose möglich ist (z.B. Familiensinn).

Die Symbiose ermöglicht es, die Mängel im Verhalten eines Organismus zu seinen Lebensbedingungen durch Einverleibung eines anderen Organismus und Teilhaberschaft an dessen Lebenseigenschaften (wie z.B. Stoffwechsel) auszugleichen. Der Kraftersparnis im Bezug auf die entsprechenden Funktionen (z.B. Nahrungssuche) steht die Schächung für den jeweiligen Organismus - z.B. eine Immunschwäche, die Schwächung der Gefahrenabwehr - gegenüber. Die Sensorik eines symbiotischen Organismus leidet am Mangel seiner Individualität, an der Diffusität der darin noch unkoordinierten Wahrnehmungsorgane, die auch gegensinnige Interessen verfolgen können. Mit gesteigerter Organverschmelzung wird die Anpassungsfähigkeit der Individuen an die Umwelt erheblich reduziert.

In der Bildung und Entwicklung von Individuen hat das symbiotische Verhältnis einen umfassenden Sinn der Gattung selbst zugleich als objektives Verhältnis des Lebens der Individuen. Dies erfüllen z.B. auch die Lebensstrukturen von Familien und sozialen Verbänden, die in ihrer natürlichen Abhängigkeit soziale Notwendigkeiten erfüllen, ja nach der Gesellschaftsform, in der sie leben. In der bürgerlichen Gesellschaft sind diese zugleich Formationen der Arbeitsteilung, welche auch die Individuen zu einer bestimmten Verhältnisform im Privaten zwingt, die sich auch seelisch auswirkt, indem sie psychische Absichten bestimmen kann.

Psychisch ist hier eine Symbiose die Verschmelzung von Selbstgefühlen in den Lebensumständen der zwischenmenschlichen Wahrnehmung zu einem objektiven Selbstgefühl. Im Zusammenleben unter dieser Bedingung, die sich im Zusammenfallen von Gefühlen und Empfindungen fortbestimmt, versammeln ich in der Wahrnehmung gegensinnige Eindrücke, die nicht in diesem Sinn verarbeitet werden, weil sich der Lebensorganismus zu sich selbst zwiespältig verhält. Dies trifft besonders auf isolierte Verhältnisse zu, in denen die Beziehungen der Menschen sich zu sich selbst objektivieren und ihre objektiven Selbstgefühle gegenseitig bestärken, eine Notgemeinschaft eines ausgeschlossenen und ausschließlichen Lebens begründen. Diese bilden die Grundlagen für Verrückungen der Selbstbeziehung.

In der bürgerlichen Psychologie wird von dem symbiotischen Charakter der Kleinfamilie ausgehend die Mutter-Kind-Symbiose als notwendige Grundlage und als "natürlich" hingestellt, weil der Bildungsprozess des Kindes zum Erwachsenen überhaupt als Naturtatsache der körperlichen Entwicklung verstanden und darauf reduziert wird. Doch diese als "wissenschaftliche Erkenntnis" angebotene Beschreibung einer trivialisierten Wahrnehmung ist vor allem eine Naturalisierung der in der Kleinfamilie gewohnten Ausschließlichkeit körperlicher Abhängigkeiten, deren Nutzbarmachung für allgemeine Schlusssfolgerungen über die idealisierte Naturhaftigkeit des Wesen der Beziehung von Mutter und Kind und die damit geläufige Kulturalisierung der darin nötigen erzieherischen Beziehung.

Symbiose meint aber immer die Verschmelzung sinnlicher Gegensätze zu einem gemeinen Wesen, das von mehreren Lebewesen geteilt werden kann, wenn sie dieses über ihre Eigenheiten und Eigenschaften stellen und sich hierdurch zu einer Gemeinschaft vervollkommnen, ohne die sie nicht leben können. Darin vollzieht sich daher auch die Einverleibung ihrer Eigenschaften und reduktive Verdichtung. Von daher ist jede symbiotische Beziehung als Reduktion eigener Identität inbegriffen. Ein ganzes Sein ist dem als abgeschlossene Bedingung, als Lebensraum vorausgesetzt, der alles birgt und verbiergt, was darin "aufgeht". Nicht nur die Entwicklung eines Kindes zum Erwachsenen ist darin in ihrer ganzen Körperlichkeit vorausgesetzt und inne. Auch dem Erwachsenen wird unter diesen Bedingungen eine körperliche Identität nötig, die ihn vor der abstrakten Macht der räumlichen Bedingtheit "vermenschlicht" (vergl. z.B. die innige Beziehung, die zwischen Geiseln und Entführer entstehen kann). In gleicher Weise kann "Menschliches schlechthin" vorausbedingt werden, um als Begründung von Beziehungen ideologisch bezweckt zu werden, um also ideologisch bedingte Abhängigkeiten zu erzeugen (vergl. z.B. die Gehirnwäsche) oder die Heranzucht von Folterknechten, die in symbiotischen Situationen erfahren müssen, was sie unempfindlich gegen die Wahrnehmung von Folteropfern macht.

Auch gibt es symbiotische Beziehungen auf der Grundlage objektiver Selbstgefühle, welche die Verrückungen und Verücktheiten der Wahrnehmung sowohl begründen wie auch aus ihnen resultieren (siehe z.B. Zwangsverhalten).