Transformation
Transformation ist ein Begriff aus der Evolutionstheorie, der besagen will, dass sich Lebensverhältnisse aus Übergängen von einer Form in eine andere bilden, und sich hieraus die Veränderungen ihrer Natur (siehe Darwinismus) aufklären ließen - ganz gleich was ihre Inhalte ausmacht (dialektischer Materialismus). Von daher ergebe sich schon aus der Anreicherung einer Substanz auch schon aus ihrer Form ("content follows form") eine neue Qualität, die als geschichtlicher Fortschritt angesehen werden könne (siehe hierzu auch Systemtheorie). Hiergegen stellt sich der Historischer Materialismus, der aus dem inhaltlichen Wachstum im Lebensprozess selbst durch die Negation einer negativen Entwicklung einen geschichtlicher Fortgang zu entwickeln sucht, der sich nicht durch bessere Anpassungsverhältnisse an die Umstände des Lebens, sondern aus der Veränderung ihrer Gründe als der erfolgreichere quasi objektiv durchsetzt, und den subjektiven Aufwand nur im Sinne dieser Anpassung an die natürlichen Determinanten der Geschichte (siehe Geschichtsobjektivismus) zu begreifen sucht.
der dialektischer Materialismus steht daher ganz im Gegensatz zu den Auffassungen des Historischen Materialismus nach Marx, wonach die bisherigen Geschichtsepochen sich aus den Entwicklungen der Naturmächtigkeit des Menschen, aus der Produktivität seiner gesellschaftlichen Arbeit in deren gesellschaftlichen Verhältnissen der Verfügung über sie, also in der Geschichte auf der Basis von Herrschaft und Knechschaft im Bezug auf die Produktion und Aneignung von gesellschaftlichem Reichtum gebildet haben. Der bisherige Geschichtsprozess war hiernach immer in Klassenkämpfen bestimmt und von daher waren die Revolutionen, welche die Umkehrung der Machtverhältnisse betrieben haben als die "Lokomotiven der Geschichte" (Marx, MEW 7, S. 85).
Transformation wird heute daher gerne als ein neuerer Begriff für eine Systemveränderung verwendet, der im Unterschied zu Revolution die Formveränderung eines Systems durch "Keime" betont, die es per se schon transzendieren, durch Substanzen und Inhalte welche die herrschende Gesellschaftsform nicht aufheben sondern "hinter sich lassen". Was Revolution als Erneuerung begreift, als das auf sich Zurückkommen des Wesentlichen in der Aufhebung seiner anachronistischen Form, gilt in der Transformation als Findung einer den bestehenden Potenzen adäquaten Form. Revolution begreift die bestehenden Bedingungen als die Voraussetzung zur Bildung einer neuen Gesellschaftsform, in welcher erst das auf sich zurückkommt, was in der alten Form unterdrückt war. Transformation sieht das Neue in der bestehenden Gesellschaft durch eine Substanz vorhanden, die quasi evolutionär über ihre unangemessene Form hinauswächst. Der Gegensatz dieser Änderungsvorstellungen ist alt und reicht von den Frühsozialisten bis zur Alternativbewegung und in die Diskussion der "Keimformen" hinein (siehe auch Wertkritik).
Es kann sein, dass der Unterschied von Revolution und Transformation zunächst nur rein theoretisch oder eher psychologisch ist. Ob sich das Unterdrückte befreit oder als das schon Neue angesehen wird, das eine bessere Form finden muss, kann dann gleichgültig sein, wenn man von der Gewaltfrage absieht. Diese wird sich nur praktisch stellen, wenn und wo sich Änderungsprozesse in der Wirklichkeit herausstellen.
Aber das Hauptproblem bei der Transformations-Diskussion ist die symptomatische Ausklammerung des Problems "Gemeinwesen". Der Glaube, dass es sich aus den Aktionsformen selbst heraus entwickle, ist schlicht naiv. Die Resultate der Alternativbewegungen und Netzwerke der 70ger und 80ger Jahre hatten gezeigt, dass der Knackpunkt bei der Projektaufgabe und die "Rückkehr ins System" immer das Problem des Eigennutzes (Gerechtigkeit und Regelung der Entwicklungschancen), der Arbeitsorganisation (Ausbildung, Eingliederung und Arbeitsverteilung) und dem Versagen der Gemeinwirtschaftlichkeit (Arbeitsrentabilität, Rückhalt und Sicherheit) waren. Jedes einzelne dieser Probleme ist ein Hinweis darauf, dass gemeinwirtschaftliches Arbeiten ziemlich früh Strukturen benötigt, die bisher vom bürgerlichen Staat zur Verfügung gestellt wurden und die in einer ähnlichen Form eben auch - z.B. als Antistaat - gesichert sein müssen; - z.B. Schutz des Einzelnen wie des Kollektivs, Nothilfe bei Krankheit und Arbeitsunfähigkeit/-Unmöglichkeit, Gemeinwesenarbeit, Aufbau und Entwicklung einer Infrakstruktur und auch eine Art von Kreditwesen zur Förderung neuer Entwicklungen.
Das Thema Staat kann nicht einfach verdrängt werden. Es muss eine Gemeinwesendiskussion entstehen, die auch einen "alternativen Staat" mit einbezieht. An diesem Punkt wird sich überhaupt erst der Erfolg von Transformation entscheiden.