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Aus kulturkritik

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Der nachfolgende Text ist eine Beschreibung der Argumentation in dem gleichnamigen Buch. (==> Verlagsinformationen hierzu <==)

221. Die Lebenspflicht

Die zwischenmenschlichen Beziehungsformen haben sich zu Liebesformen entwickelt, die unumstößlich gelten weil und soweit die gesellschaftliche Liebe, die Menschliebe im Allgemeinen hiervon ausgeschlossen wurde. Was das Leben an Aufwand mit sich bringt, besonders die Sorge um seinen Erhalt, seine Fortpflanzung und seine Sinnbildung, erscheint nun nicht mehr als das Zutun von Menschen für Menschen um ihre allgemeinen Bedürfnisse und ihre Kultur, sondern als Aufgabe einer Generation, die für sich und ihre Nachkommen zu erbringen hat, was gesellschaftlich nicht möglich ist. Daher erscheint es jetzt natürlich und sinnfällig, dass sie zu einem aus ihrem Wohnen, aus ihrer Gewöhnung bestimmten Verhältnis dazu beitragen müssen, dass sich die Persönlichkeiten ihrer Verhältnisse ohne Schaden fortbilden können. Es ist eine Selbstverständlichkeit ihrer Liebesbeziehungen, dass sie sich füreinander einsetzen und einander auch hegen und pflegen, wo es nötig ist. Und Not tut alles, was im Allgemeinen wie im Einzelnen in der Form der burgherrlichen Existenz lebensnotwendig ist. Und in gewisser Weise existieren in diesem Verhältnis ja auch wirklich die Eigenschaften ihrer Natur und also auch wie eine Natur dieses Verhältnisses.

Eine Pflicht entsteht in einem Vertrag, worin ein zu erbringender Aufwand mit der Gewährung oder Nutzung eines Vorteils verbunden wurde. Von daher ist es absurd, von einer Lebenspflicht zu sprechen. Doch die wirkt überall, wo Schuldgefühle herrschen, wo man also durch das Gefühl selbst sich schon schuldig wahrnimmt, in der Empfindung sich schon in einer Pflicht wahrhat, die über das Leben und die Lebendigkeit selbst vermittelt ist. Wie aber kann man dem Leben gegenüber pflichtschuldig werden? Was kann da unter Vertrag stehen?

In den zwischenmenschliche Verhältnissen, worin Leben in seiner Form verbindlich geworden ist, indem es darin geborgen sein soll, also in den Räumlichkeiten einer Lebensburg, verlangt die Geborgenheit selbst eine Sicherheit, die nicht nur existenziell bzw. der Existenz entsprechend verlangt ist, sondern einer inhaltlichen Genugtuung, die den Eigenschaften einer Anwesenheit in diesen Verhältnissen entspricht. Verpflichtend ist darin daher nicht die Form des Existierens, wie es in den gewöhnlichen Verhältnissen der bürgerlichen Kultur nötig ist, sondern der inhaltliche Mangel, den diese Lebensform aufwirft.

Es ist der Mangel, der aus der Isolation dieser Verhältnisse ergeht und der sich durch die Verdichtung ihrer Inhalte als deren Ungenügsamkeit gegen ihre Lebensform herausstellt. In der Verdichtung verlangt diese Form weit mehr, als in ihrer Realisation unter diesen Bedingungen möglich ist. Was sich darin nur vermitteln kann ist eine Formbestimmung, die formelle Aufhebung von Isolation, die formelle Anerkennung ihrer substanziellen Einzigartigleit, die Unvollständigkeit der Fähigkeiten, die nötigen Beziehungen auch wirklich zu bergen, die Lebensbergung überhaupt sicher zu stellen. Im Grunde wird das Leben in dieser Form dahin getrieben, sich selbst zu verbergen. Die darin formulierte Lebenspflicht beruht auf der unentwegten Bearbeitung der in ihrer Trennung sich aufhebenden Lebensbezüge, aus der die Notwendigkeit zur Herstellung einer Symbiose ergeht, in der sich vereint, was sich als Leben behaupten lässt und behaupten muss.

Lebenspflicht entsteht daher in den gewöhnlichen Verhältnissen der Einverleibung in symbiotischen Selbstbehauptungen (siehe auch Wohnen), wo Menschen für einander da sein müssen, weil sie nur durch einander ihr Leben bestimmen und also in einer Selbstlosigkeit mit anderen nur ihr Leben verantworten können. Sie sind hierdurch verpfichtet, dem Leben des anderen Menschen, seiner bloßen Existenz als Mensch darin dienstbar zu sein, dass für ihn die notwendigen Lebenseigenschaften auch gebildet werden, auch wenn sie hierfür keinen wirklichen Stoff außer dem finden, der durch die Menschen selbst geboten ist. Zwischenmenschliche Verhältnisse werden auf diese Weise zu absoluten Lebensverhältnissen, in denen die existenzielle Not der dem Inhalt nach voneinander isolierten Menschen zum Maß ihrer Beziehung, zum Maßstab des zwischenmenschlichen Lebens wird und für das Leben selbst maßgeblich geworden war.

Lebenspflicht entsteht daher in den gewöhnlichen Verhältnissen der Einverleibung in symbiotischen Selbstbehauptungen (siehe auch Wohnen), wo Menschen für einander da sein müssen, weil sie nur durch einander ihr Leben bestimmen und also in einer Selbstlosigkeit mit anderen nur ihr Leben verantworten können. Sie sind hierdurch verpfichtet, dem Leben des anderen Menschen, seiner bloßen Existenz als Mensch darin dienstbar zu sein, dass für ihn die notwendigen Lebenseigenschaften auch gebildet werden, auch wenn sie hierfür keinen wirklichen Stoff außer dem finden, der durch die Menschen selbst geboten ist. Zwischenmenschliche Verhältnisse werden auf diese Weise zu absoluten Lebensverhältnissen, in denen die existenzielle Not der dem Inhalt nach voneinander isolierten Menschen zum Maß ihrer Beziehung, zum Maßstab des zwischenmenschlichen Lebens wird und für das Leben selbst maßgeblich geworden war.

Die natürlichen Abhängigkeiten, die mit dem Leben schon gegeben sind (z.B. die von Eltern und Kinder) werden zu formellen Abhängigkeiten, wo Lebenisoliert von seiner Gesellschaft existieren muss. So werden alle Lebenskräfte der damit erzwungenen Not gewidmet, in der die gesellschaftliche Natur dieser Not selbst als Lebensnotwendigkeit einer Isolation, einer Lebensbeherrschung in Lebensverhältnissen erscheint, die sie aus sich herausgesetzt haben (siehe z.B. die bürgerliche Familie).

Eine Lebenspflicht ergibt sich aus einer Macht, die das Leben entwickelt, wo es sich selbst fremd geworden, in seinem Sinn entfremdet und also vom Tod beherrscht ist (siehe hierzu auch Medizin). Das Leben ist sich selbst etwas schuldig, von dem es in seiner Lebenswirklichkeit abgesehen, es von sich ausgeschlossen hatte (siehe Abstraktion), und das es sich also schuldig geblieben ist. Es handelt sich also bei der Lebenspflicht um eine Verschuldung, welche das Leben selbst betrifft, welche also aus einem objektiv bestimmten Lebensmangel entstanden war. Dies setzt voraus, dass dem Leben selbst etwas genommen, abwesend gemacht ist, das lebendige Menschen kraft seiner abstrakt Allgemeinen Substanz in die Pflicht versetzt, es wieder herzustellen, vornehmlich in Lebensräumen, worin das Leben geborgen erscheinen soll, also Lebensbergung selbst Existenzbedingung ist.

Lebenspflicht ergeht aus den gewöhnlichen Verhältnissen der Einverleibung in symbiotischen Selbstbehauptungen (siehe auch Wohnen), wo Menschen für einander da sein müssen, weil sie nur durch einander ihr Leben bestimmen und also in einer Selbstlosigkeit mit anderen nur ihr Leben verantworten können. Sie sind hierdurch verpfichtet, dem Leben des anderen Menschen, seiner bloßen Existenz als Mensch darin dienstbar zu sein, dass für ihn die notwendigen Lebenseigenschaften auch gebildet werden, auch wenn sie hierfür keinen wirklichen Stoff außer dem finden, der durch die Menschen selbst geboten ist. Zwischenmenschliche Verhältnisse werden auf diese Weise zu absoluten Lebensverhältnissen, in denen die existenzielle Not der dem Inhalt nach voneinander isolierten Menschen zum Maß ihrer Beziehung, zum Maßstab des zwischenmenschlichen Lebens wird und für das Leben selbst maßgeblich geworden war.

Die Lebensburg ist die Verwirklichung der Abgrenzung, der Selbstunterscheidung und der Selbstbehauptung, die zum einen Geborgenheit im Verborgenen gegen die Öffentlichkeit gab, zugleich aber auch eine allgemeine Pflicht setzt, sich darin selbst zu erfüllen, eigene Welt nicht nur zu erleben, sondern sie auch zu erzeugen und zu erhalten. Die sachlichen Notwendigkeiten der bürgerlichen Selbsterhaltung sind als Waren- und Geldbesitz dem vorausgesetzt. Nun aber erscheinen sie vollständig ersetzt durch die zur persönlichen Natur gewordenen Lebensnotwendigkeiten der Psyche. Ihre Herkunft aus ihren stofflichen Lebensbedingungen und den sinnlichen Abstraktionen der Wahrnehmung hat sich in der Lebensburg vollständig in Liebe aufgehoben und verkehrt sich daher nun in eine Liebesmacht der Fürsorge, zu einer Macht der Aufgehobenheit in einer Welt symbiotischer Eigenmächtigkeiten, die als Naturprinzip sich angesichts der Lebensnotwendigkeiten abstrakter Weltwahrnehmungen nun auch als Sachbestimmung des Lebensraums durchgesetzt haben. In der seelischen Sebsterhaltung hat die Egozentrik der bürgerlichen Persönlichkeit ihre Innerlichkeit erworben, ihre innere Natur, die für sich beseelt erscheint. Darin erscheinen sich die Menschen nun selbst als eine Natur höherer Ordnung, der sie sich unterwerfen, um ihrer Gewohnheit zu folgen. Diese macht ja ihre objektive Lebensgrundlage aus und durch sie erscheinen sie sich selbst so objektiv wie Sachen, wohl aber zugleich als einander liebende Menschen, die ihre Beziehung durch objektiv gewordene Selbstbeschränkungen unter Beweis stellen müssen, um sich auch in diesem objektiv gewordenen Gefühlsverhältnis verwirklichen zu können.

Das objektive Selbstgefühl, das ihre Lebensgrundlage in diesem Verhältnis ist, begründet daher nun ein Regelwerk für das, was sein soll und was nicht sein darf, eine unmittelbare Sittlichkeit des Zwischenmenschlichen. Diese regelt nicht nur das Verhalten in ihren Verhältnissen, sondern vor allem das, was sie bezwecken und was aus ihnen werden soll. Nicht die Kontrolle als solche, nicht die Befolgung einer schlichten Regel macht es aus, sondern der Zweck einer Lebensgemeinschaft, in der die Menschen sich subsumieren, während sie diese zu verwirklichen suchen, während sie also einen Zweck befolgen, der nur realisierbar ist, wenn sie sich hierfür kontrollieren. Von daher sind sich die Menschen ihr Leben schuldig geworden und stehen in einem Verhältnis, das nicht frei sein kann, weil es nur dadurch möglich ist, dass etwas werden soll, was nicht ist. Sie müssen sich nicht einfach beschränken oder zurechtweisen, sondern sich produktiv beschränken, sich also in einem höheren Zweck aufeinander beschränkend beziehen. Um die Schranken dieses Verhältnisses durchzusetzen, müssen sie sich also kontrollieren, damit das wird, wofür sie ihr Verhalten bezwecken- nicht weil sie in der Verwirklichung dieses Zwecks kontrolliert handeln müssen, sondern weil der Zeck selbst abstrakt, bloße Vorstellung bleibt. Das Verhältnis entwickelt sich zu einer sozialen Kontrolle, in welchem jeder für den anderen zur Schranke seiner Selbstentfaltung wird. Die Menschen verpflichten einander zum Sein füreinander und erfahren sich unter dieser Pflicht. Sie müssen sich nun zur Erfüllung ihrer Lebenspflichten in ein Verhältnis der Liebespflicht aufeinander beziehen.

Um ihr Leben unter dieser Zweckbestimmung zu bergen, um Geborgenheit in einer abstrakten Lebensbestimmung zu erfahren, muss ihre Liebe dem dienen, was ihren Lebensraum ausfüllt, ohne daran zu zerbrechen. Und das ist für die Erkenntnis verhängnisvoll. Es erscheint nun lebensnotwendig, die Selbstbergung zu sichern und daher im Prinzip zu totalisieren. Die Welt der persönlichen Liebe ist klein geworden und ist doch ein Ganzes, weil abgeschlossen gegen andere Welt. Es ist eine kleine Gesellschaft von höchster Naturbestimmtheit, die hier ihr Leben nun im Ausschluss von anederem Leben führt, sich aber darin zugleich überfordert, weil dies nicht sein kann, lebensunmöglich ist. Von daher ist dieser Lebensraum höchst unvollständig, der doch so gänzliches Lebensglück begründen soll. Er enthält etwas Unheiles, hat für sich ein Heil nötig und bildet sich nur in solch heiler Welt fort und muss sich darin auch zusammenhalten und zusammenfassen. Der in dieser Burg eingeschlossene Sinn verlangt seinen Tribut, indem er das ausgeschlossene Leben nun privatwüchsig ersetzen, die Lebensburg also zum Leben schlechthin vervollständigen muss.

Wo Menschen für einander da sein müssen, weil sie durch einander nur ihr Leben verantworten können, sind sie verpfichtet, dem Leben des anderen Menschen, seiner bloßen Existenz dienstbar zu sein. Zwischenmenschliche Verhältnisse werden dabei zu absoluten Lebensverhältnissen, in denen die existenzielle Not maßgeblich ist. Die natürliche Abhängigkeiten, die mit dem Leben schon gegeben sind (z.B. die von Eltern und Kinder) werden zu formellen Abhängigkeiten, wo Lebenisoliert von seiner Gesellschaft existieren muss (siehe Lebensburg). So werden alle Lebenskräfte der damit erzwungenen Not gewidmet, in der die gesellschaftliche Natur dieser Not selbst als Lebensnotwendigkeit einer Isolation, einer Lebensbeherrschung in Lebensverhältnissen erscheint, die sie aus sich herausgesetzt haben (siehe z.B. die bürgerliche Familie).

Eine Lebenspflicht ergibt sich aus einer Macht, die das Leben entwickelt, wo es sich selbst fremd geworden, in seinem Sinn entfremdet und also vom Tod beherrscht ist (siehe hierzu auch Medizin). Das Leben ist sich selbst etwas schuldig, von dem es in seiner Lebenswirklichkeit abgesehen, es von sich ausgeschlossen hatte (siehe Abstraktion), und das es sich also schuldig geblieben ist. Es handelt sich also bei der Lebenspflicht um eine Verschuldung, welche das Leben selbst betrifft, welche also aus einem objektiv bestimmten Lebensmangel entstanden war. Dies setzt voraus, dass dem Leben selbst etwas genommen, abwesend gemacht ist, das lebendige Menschen kraft seiner abstrakt Allgemeinen Substanz in die Pflicht versetzt, es wieder herzustellen, vornehmlich in Lebensräumen, worin das Leben geborgen erscheinen soll, also Lebensbergung selbst Existenzbedingung ist.

Die Selbstbehauptung des privaten Glücks kann nicht selbst liebend sein. Sie erfährt dies als Notwendigkeit der Liebe als Lebenspflicht der Liebenden, die so selbstlos scheinen, wie sie darin ihre Liebe erneuern und gewinnen können. Diese ist nun wirklich bedingungslos - einfach weil sie nur noch unbedingt sein kann. Dies erzeugt beständige Liebesnot, denn was sachlich nötig, soll nun Liebe selbst unter Beweis stellen. Darin erscheint die Selbstlosigkeit der Existenzsicherung als Liebesgewinn und die Pflichterfüllung wird so zum sublimen Selbstgewinn durch andere, durch die letztendliche Erfüllung der Lebensbergung in der Lebensschuldigkeit. Dieses Prinzip verlangt nicht nur Liebe, sondern ist zugleich deren Selbstaufopferung. Es ist ein höchst kompliziertes Verhältnis, welches in der Abtrennung vom öffentlichen Leben entstanden ist: Liebe ist nötig, um ihre Selbstaufopferung in der Erfüllung der Lebenspflichten zu gewährleisten. Innerhalb der Gemäuer der Lebenburg wird Liebe selbst zu einem Moment der Pflichterfüllung des Lebens nötig: Notwendige Liebe, die sich opfert, um zu sein. Das stellt alles auf den Kopf, was bisher Liebe als Ausdruck eines in bestimmter Weise bezogenen Selbstgefühls und Gefühls gewesen war - und was sie als Lebensverhältnis sein könnte, wird nun zur Ohnmacht des Lebens gegen ihre Not gewendet.

Gerade dort, wo sie besonders innig wird, wird sie zu einer sehr formellen Lebensbestimmung, die zudem sehr naturwüchsig erscheint. Was zum Leben nötig ist, ist nicht mehr nur existenznotwendig, sondern vor allem zur Erhaltung der Liebenden und Geliebten vonnöten. Es geht also nicht um die Sachen der Existenz, sondern um die Bewahrung und Entwicklung des Seelenlebens, um die Fortbestimmung dessen, was geliebt wird. Da ist viel zu tun, wird doch gerade das beständig von der öffentlichen Welt angegriffen, herabgewürdigt oder abgewertet. Die heile Welt wird zum Hort einer allgemeinen Lebensverpflichtung, die sich durch die Lebensburg ergeben hatte.

So erzwingt darin die Lebenspflicht die Tätigkeit einer Liebe, die nicht wirklich sein kann, aber als Trägerin des Lebensraums liebend wirkt. Ihr wesentlicher Grund ist die Lebensbedrohung, in welcher sich der eingeschlossene Sinn fühlt und seine Bemühung in eine Lebensfürsorge wendet. Das verlangt allerdings Hingabe im weitesten Sinn des Wortes: Selbstlosigkeit für das Gemeine, welches als Liebesgemeinschaft erlebt wird. Selbstlosigkeit bewirkt keine Entfaltung, sondern Reduktion, Konzentration des abstrakten Sinnlichkicht durch Selbstkontrolle, Selbstbehauptung und Sebstverleugnung.

Die wesentliche Pflicht in solchem Verhältnis ist die wechselseitige Erziehung der Partner und der gemeinsamen Kinder, Nachfolger und Anvertrauten: Sie müssen in diese Pflicht hineingezogen werden, um darin aufzugehen. Darin scheint der isolierte Sinn aufgehoben und wird zu einem Gemeinsinn, zu einem Familiensinn.

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221.1 Die Lebensfürsorge (Die Selbstentwirklichung)

Was die Menschen in ihrer Entwicklung in der bürgerlichen Kultur bestimmt hatte, war das Prinzip der Selbstverwirklichung. Dies kehrt sich in der Ausschließlichkeit der Lebensgeborgenheit nun um. Die Liebesverhältnisse sind darin bemessen, was sie aus dem Leben bergen, das doch nun auch sehr beschränkt dadurch ist, dass das Geborgene nur unvollständiges Leben sein kann, Leben, dem beständig Substanz entzogen wird. Es muss daher aus der Kultur Leben beigeschafft werden, das Sinn macht, den man, wenn auch als äußeres Mittel, als Belebung erfährt. Aber belebt wird zugleich die Lebensnot der Liebe, also eine Notwendigkeit, sich permanent um sie zu kümmern, um das, was als Liebe wahrgenommen wird, was als äußerer Sinn wahrgehabt wird.

Das kann sich nicht durch sich selbst erhalten, weil das, was darin an Leben entsteht, immer beschränkter wird und von daher Probleme aufwirft, die Fürsorge verlangen. Innerhalb dieses Verhältnisses wird die Lebensfürsorge zu einem tragenden Prinzip. Liebe selbst wird vor allem daran bemessen, was sie zur Bewältigung dieser Probleme taugt. Hieraus entstehen Rollen, die so naturwüchsig erscheinen, wie es das ganze Verhältnis durch die Natur der Lebensbergung geworden ist. Meist sind es daher auch natürliche Eigenschaften der Personen in einer solchen Burg, z.B. in einer Familie: Mann, Frau und Kind. Darin wird permanent die Not der privaten Beziehungswelt so bewältigt, als sei die ganze Welt darin eingeschlossen, Existenz, Geschlecht, Aufwachsen, Zeugen, Arbeiten, Befriedigen, Haushalten usw. - kurz: Gattungsleben als permanenter Begattungsakt privater Lebenskraft.

Ein dermaßen selbstloses Liebesverhältnis bestimmt sich aus der Zuneigung in der Abhängigkeit, der permanenten Möglichkeit von liebevoller Beziehung durch die Einordnung der Selbstwahrnehmung unter das Verhältnis. Nicht die Liebe selbst wird dadurch mächtig, sondern die Wirklichkeit dieser ausschließlichen Bezogenheit. Im Prinzip muss die Lebensburg die Welt ersetzen, scheitert aber gerade immer wieder daran, dass sie die Welt fernhalten muss. Es wird zu einem Liebesproblem: Aus Liebe wird diese Eigenwelt gegen sich selbst zum Maßstab der Selbstverwirklichung darin. Die Zuneigung in der Geborgenheit ist das Maß ihrer Ausschließlichkeit und was sie ausschließt, dem neigt sie sich in Wahrheit zu. Die Menschen entwirklichen das, was ihr Leben und sie selbst ausmacht, indem sie sich ausschließlich um sich kümmern und betreuen. Selbstverwirklichung war durch sinnliche Einverleibung möglich. Nun besteht das Verhältnis aus einer wechselseitigen Entleibung der Beziehung. Unerfüllbare Sehnsüchte unterliegen der gebotenen Zuneigung und werden durch diese zugleich erzeugt.

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221.2 Die Selbstverleugnung der Lebensfürsorge

Moderne Beziehungen lassen zwar auch Seitensprünge zu, doch beschädigen sie zugleich damit das Gedächtnis ihrer Lebenssubstanz. Es wird der private Lebensraum in der Gebrochenheit der Bedingung bewahrt und bricht daher auch mit der Lebenspflicht, die darin nötig ist. Sie wird zu einer permanenten Lebensfürsorge, die schon durch die strukturelle Eifersucht dieses Verhälnisses abverlangt wird. Die Menschen begegnen sich in dessen Mangel nun selbst als mangelhafte Personen. Sie bemühen sich wesentlich um die Aufhebung ihrer Mängel darin und beweisen ihre Liebe als diese Fürsorge.

Doch Fürsorglichkeit, die als Liebe gilt, kann nicht wirklich auch fürsorglich sein. Dies würde eine Begründung durch einen offenkundlichen Mangel verlangen. Doch der Mangel existiert ja auch nicht wirklich, er besteht aus dem Mangel an dem, was ausgeschlossen ist. Dieser muss nun von Menschen quasi im Vorgriff auf die Wirklichkeit dieses Verhältnisses getragen werden. Von daher besteht Fürsorge aus der besonderen Form der Zuneigung, des Tragens und Ertragens der nun persönlich scheinenden Mängel dieses Verhältnisses. Und dies schließt eben auch die Wirklichkeit dieser Mängel aus.

Die Menschen werden immer mehr besonders füreinander und ausschließlich in ihrer Eigensinnigkeit: Sie prägen einander in dem, was für ihre Beziehung nötig ist, um das fern zu halten, was sie stört. Darin verfestigt sich, was nicht mehr nötig ist, was also durch die Gewohnheit der Fürsorge unnötig und daher als solche auch geleugnet wird. In der Verleugnung der Fürsorglichkeit entsteht die Ignoranz der wirklichen Beziehung und dies macht ihre Selbstlosigkeit wirklich aus: Die wechselseitige Selbstverleugnung, die dazu dient, ein Leben füreinander und miteinander zugleich zu führen: Geführtes Leben zu gestalten.

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221.3 Die Selbstaufhebung

Das Prinzip der Selbstverleugnung hat sein Resultat in einem Verhältnis, worin die Beteiligten ihre Selbstgefühle teilen, also einander ergänzen, indem sie sich aneinander gewöhnen. Es wird das Verhältnis einer wirklich aufgehobenen Selbstbezogenheit, die sich nur in der Wechselseitgkeit der an und für sich symbiotischen Beziehung verwirklicht, die also als solche nicht mehr für sich erkennbar ist. Das Paradoxe: Der Bürger erscheint sich gerade hierdurch jetzt als vollständig entwickelter Mensch, weil er durch das Verhältnis zu anderen Menschen für sich intakt ist, weil er also sich selbst als Mensch verwirklicht sieht, wiewohl er darin als wirkliches Individuum in Wahrheit aufgehoben ist.

Der Widerspruch, der in der fürsorglichen Selbstverleugnmung bestimmend war, ist nun wirklich aufgehoben, wenn auch nur in der Veräußerlichung des individuellen Menschenseins, das dem allgemeinen geradezu grotesk und total widerspricht. Die Menschen im Allgemeinen dienen vor allem nur noch der Absonderung von ihrer Allgemeinheit, ohne hierbei wirkliches Individuum zu sein. Die Egozentrik der Privatpersönlichkeit ist darin zwar aufgehoben, weil die Selbstbeziehung aufgehoben erscheint; aber sie ist in Wahrheit nur ideell aufgehoben, weil sie reell sich durch eine Selbstvermittlung in die beteiligten Menschen hinein erhält und bewahrt. Die Selbstaufhebung gelingt also nur dadurch, dass sie in allen anderen Menschen ihre Wirkung und Wirklichkeit hat. Sofern sie sich hiergegen verhalten, wird ihnen daher die Selbstsucht unterstellt, die in sie exportiert werden soll.

Die Selbstwahrnehmung, die in der Selbstverwirklichung aufgegangen war, wird nun zu einer Wahrheit, die alles ausschließt, was selbstsüchtig erscheint. Solches Verhältnis zu sich kann also nur in der eingeschlossenen Zuneigung sich fortbestimmen, die keine andere Wahrheit erträgt, als die der aufgehobene Selbstbezogenheit. Die Selbstwahrnehmung gerät in eine gestörte Selbstbezogenheit, einer Selbstbezogenheit, die zwar alles innerhalb der Lebensbergung bestimmt, die aber nicht wirklich sein darf. Sie muss Selbstgefühl spendieren, während sie sich nur in anderen findet und empfindet. Es ist dies dann allerdings ein Selbstgefühl, das nur dazu bestimmt ist, die Menschen zu kontrollieren, das ihnen zur Gewohnheit werden soll, wodurch sie sich ganz gewöhnlich, also wie von selbst an ein Leben gewöhnen, das sie nur noch auszuführen haben. Darin wird ihre Beziehung zu einer Erziehung, zu einer erzieherischen Beziehung.

Weiter mit Buch II: 222. Die Erziehung oder die Gewohnheitern der Selbstkontrolle