Verantwortung

Aus kulturkritik

Verantwortung ist die vorweggenommene Antwort für ein Verhalten, das sich nicht fragend oder forschend auf seinen Gegenstand beziehen lässt. Das verlangt ein Wissen über Wirkungsweisen, die nicht gewiss sein können, jedoch nötig sind, um ungewisse Verhältnisse aufrecht zu erhalten. Verantwortung bezieht sich also auf eine Wirklichkeit, deren Infragestellung selbst eine Gefahr darstellt und andere gefärdet, die hiervon abhängig sind.

In aller Regel bedeutet Verantwortung, dass ein Mensch für das "gerade stehen" soll, was er getan hat, an seiner Tat eben auch schuldig werden kann. Er gilt in der Verantwortung für sein Tun unmittelbar pflichtschuldig. So sinnfällig dies ist, so grundsätzlich ist auch das Problem, das damit einhergeht: Die Tätigkeit eines Menschen wird nur als persönliche Tat wahrgenommen, also als vereinzelte Äußerung, wie sie in der Abtrennung von ihrem Zusammenhang vor sich geht mit einer einfachen und einzelnen Ursache wie auch Wirkung.

In der Tat entstehen aber solche Wirklichkeiten nicht aus einer unmitelbar persönlichen Leistung, haben an sich kein persönliches Wesen (z.B. als seelische Äußerung); sondern sind meist im Zusammenhang und Verhängnis mehrer Menschen in einer Gesellschaft, worin das Allgemeine selbst nur abstrakt vermittelt ist als rein quantitative Bedingung, z.B. Knappheit der Mittel, des Geldes, Klassenlage, Machtposition usw.. Weil jede Tat bedingt ist durch ihre Existentform, wird in der Verantwortlichkeit einer Person diese Beziehung nur beschrankt wahr, eben nur als Umstand, weil diese für sich nicht "justiziabel" ist. So sehr das bürgerliche Recht auf der persönlichen Verantwortung beharrt, weil es eben nur die Rechtsperson kennt, so schwierig ist es auch, die einzelne Schuld eines Menschen wirklich zu erkennen. Im Grunde ist das, worum es dabei geht, ein Hin und Her, dessen Beurteilung bei den Betroffenen bliebe. Verantwortung hat also nur allgemein mit Wirklichkeit zu tun.

Aber auch vom Begriff der Verantwortung her wird ein konkreter Zusammenhang von menschlicher Ursache und menschlicher Wirkung vorausgesetzt. Das war wohl auch der Grund, weshalb dem Verweis auf gesellschaftliche Ursachen mit diesem Verantwortungsbegriff entgegegnet wurde und wird. Dass jeder selbst verantwortlich ist, für das, was er tut, ist soweit eben auch wahr, wie er eigene Gründe oder Fahrlässigkeiten gegen diese Zusammenhang geltend macht. Das "Rausreden" mit den gesellschaftlichen Ursachen führte wohl die Kritik hieran zum Konstruktivismus, wonach wieder jeder als seines Glückes Schmied verstanden wird.

Doch nicht Glück oder Unglück kann Verantwortiung bestimmen. Aber was der einzelne Mensch im Zusammenhang der Vereinzelten tut oder unterlässt, hat er insoweit zu verantworten, wie er sich gegen diesen Zusammenhang geltend macht, wenn er also etwas tut, das der Zerstörung desselben zur Ausdehnung des eigenen Nutzens betreibt (z.B. Täuschung, Betrug, Fahrlässigkeit, Tötung, Gewissenlosigkeit, Gedankenlosigkeit usw.).

Allgemein verstanden ist Verantwortung das Gebot einer entäußerten Antwort: das Sein Sollen von Antwort gegenüber dem Einzelnen gemäß einer allgemeinen Notwendigkeit. Sie enthält zugleich die Behauptung, dass ein Mensch für einen anderen oder für etwas verantwortlich ist, das ihm nicht wirklich gegenüber steht, dass der Gegenstand der Verantwortung zu keiner Antwort in der Lage ist, sei es durch Abwesenheit, Unreife oder Unwissen. So genommen setzt Verantwortung Fragen voraus, die aufgrund unterschiedener Seinsweisen nicht von jedem beantwortet werden können.

Verantwortung wird als bürgerliches Prinzip der Aufklärung auch ohne Frage, also fraglos Menschen angetragen oder durch sie beansprucht, welche sich des Sinnes einer Handlung oder Geschichte bemächtigen. Als Legitimation hierfür will Verantwortung aus einer allgemeinen Vernunft bestimmt sein als notwendiges Maß für das einzelne Handeln (siehe kategorischer Imperativ). Verantwortlich handelt, wer sich im Sinne einer allgemeinen Idee oder Vorstellung von dem, was zu sein hat, verhält. Diese Vernünftigkeit ist das Prinzip der Aufklärung und bezieht ihr Recht alleine aus dem Allgemeinsein von Vorstellungen. Ein Mensch kann aber völlig unverantwortlich handeln, wenn er inneren Gründen folgt, die keine Vernuft erkennen lassen (z.B. Liebe), und gerade hierin Antwort geben, die weit über jeder Verantwortlichkeit steht. Wo die Verantwortung geboten wird, da steht die Antwort in der Lüge der Hinterlist einer Pflicht.

Oft wird Verantwortung mit Konsequenz gleichgesetzt: Jemand muss eine Verantwortung (aus)tragen als Konsequenz für sein Tun. Dies allerdings setzt eine Pflicht der Tätigkeit vorraus, also auch eine äußere Bestimmung des Sollens, das nicht alleine Konsequenz hat, sondern auch noch in dieser bestimmt sein muss (Konsequenz hat ja eigentlich jede Tat, weil sie immer Grund für etwas ist). Verantwortung ist die Antwort des Soseins als Sorge im Wissen einer Pflicht um das Anderssein, also im Wissen von dem, was zu sein hat. Sie unterstellt also ein doppeltes Wissen: Das Wissen seiner Selbst, wie es ist, und das Wissen des gänzlich anderen, wie es im Anderen sein muss. So greift Verantwortung immer in den Zusammenhang der Beziehungen, in die Wirklichkeit ihrer Verhältnisse und bewahrheitet sich in der Vernunft eines Wissens, das ungewiss ist, wiewohl es notwendig erscheint, solange es allgemeine Idee von Verhalten ist (siehe Ideologie).

Verantwortung wird aber auch als Begriff von Fürsorge verwendet, durch welchen die aufklärerischen Postionen mit einer sozialen Beziehung vermengt werden. Dies ist eine Begrifflichkeit des staatspolitisch orientierten Bürgertums, das seine Beziehungen jenseits von unmittelbar wirklicher Erkenntnis begründet wissen will. Von der Sprache her ist solche Begriffsverwendung unsinnig, da eine fürsorgliche Beziehung keine Antwort auf das Leben eines Menschen sein kann, wohl aber einen Sinn hierf�r haben muss, also gerade das Gegenteil von Vernunft ist, auch wenn sie vern�nftig sein kann.