Verein freier Menschen
"Stellen wir uns ... einen Verein freier Menschen vor, die mit gemeinschaftlichen Produktionsmitteln arbeiten und ihre vielen individuellen Arbeitskräfte selbstbewusst als eine gesellschaftliche Arbeitskraft verausgaben. ... Das Gesamtprodukt des Vereins ist ein gesellschaftliches Produkt. Ein Teil dieses Produkts dient wieder als Produktionsmittel. Es bleibt gesellschaftlich. Aber ein anderer Teil wird als Lebensmittel von den Vereinsgliedern verzehrt. Er muss daher unter sie verteilt werden. Die Art dieser Verteilung wird wechseln mit der besonderen Art des gesellschaftlichen Produktionsorganismus selbst und der entsprechen-den geschichtlichen Entwicklungshöhe der Produzenten. Nur zur Parallele mit der Warenproduktion setzen wir voraus, der Anteil jedes Produzenten an den Lebensmitteln sei bestimmt durch seine Arbeitszeit. Die Arbeitszeit würde also eine doppelte Rolle spielen. Ihre gesellschaftlich planmäßige Verteilung regelt die richtige Proportion der verschiedenen Arbeitsfunktionen zu den verschiedenen Bedürfnissen. Andererseits dient die Arbeitszeit zugleich als Maß des individuellen Anteils des Produzenten an der Gemeinarbeit und daher auch an dem individuell verzehrbaren Teil des Gemeinprodukts. Die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen zu ihren Arbeiten und ihren Arbeitsprodukten bleiben hier durchsichtig einfach in der Produktion sowohl als in der Distribution." (Karl Marx, MEW 23, S. 92f).
Ntürlich ist eine Gesellschaft kein Verein, weil ein Verein durch einen Vereinszweck bestimmt ist, die Gesellschaft vom unmittelbaren wie auch durch ihren Produktionsprozess vermittelten Lebensprozess der Menschen selbst. Nur in der Konfrontation der "Robinsonaden", in denen die Vertreter der politischen Ökonomie seinerzeit mit den Vorstellungen des einzelnen Produzenten und seinen einzelnen Bedürfnissen wucherten, wollte Marx die Potenziale einer gesellschaftlichen Produktion aufzeigen - allerdings an diesem unglücklichen Beispiel, das in der Vorstellungswelt vieler Leser die Vorstellung von einer Gesellschaft, die wie eine Vereinsgesossenschaft funktioniert, beflügelte. Auch Marx hatte sich in dieser Form in einigen Schriften eine sozialistische Gesellschaft als Übergang zu Kommunismus vorgestellt, sich doch zugleich auch sehr kritisch zum Genossenschaftsgedanken verhalten, ihn nicht absolut genommen und sich gegen die sozialistischen Vereinsideologien des Max Stirner, dem Autor von "Der Einzige und sein Eigentum") gestellt (siehe hierzu auch Verein).
Aber Marx sprach von einem "Verein freier Menschen", die nur dadurch frei sind, dass sie über das verfügen können, was sie erzeugt haben, was also ihre Eigenschaften und Fähigkeiten als Produkte darstellt und als Gegenstand menschlicher Bedürfnisse auf sie zurückkommt. Dies ist letztlich das "Zusichkommen" des Menschen durch den Genuss seiner Arbeit in den Gegenständen seines Lebens, welches dem Menschen subjektiv wie objektiv eigentümlich ist als individuelles wie gesellschaftliches Eigentum.
Die Rede von einem "Verein freier Menschen" ist immer nur in einer Vorstellung gemeint, die keine fixe Bedeutung haben kann. Es ist die Vorstellung von einem gesellschaftlichen Wesen, welches sich nicht im Widerspruch zum einzelnen Menschen verhält, nicht als Geld, nicht als Staat und nicht als Kapital. In der Verwendung bei Marx ging es weder um einen Staat, noch um eine Gemeinschaft als solche, noch um einen Verein an sich, auch wenn das mit dem Begriff Verein manchem naheliegend erscheinen kann, der solchem Verein den Zweck einer Freiheit unterstellt - ein Widersinn in sich. Es ging in dieser Formulierung nicht um einen Verein, der auf einem bestimmten Zweck der Vereinigung bezogen wäre, sondern um die bloße Vorstellung von einem Leben in einer Gesellschaft, eine Form des freien Zusammenkommens von Menschen, einer Vereinigung, die hierbei auf Freiheit, nicht in einer gesellschaftlichen Dimension ihrer substanziellen Notwendigkeiten reflektiert ist. Der Staat als selbständige Form einer Gemeinschaft war für ihn zwangsläufig ein Produkt der bürgerlichen Gesellschaft, die selbständige politische Form des Kapitals, der mit ihrem Zerfall "unnötig" wird. Darin hatte ihn Lenin allerdings in seiner Schrift "Staat und Revolution" völlig missverstanden, als er davon ausging,man könne die staatliche "Maschinerie" einer gesellschaftlichen Verwaltung übereignen, die dann für sozialistische Zwecke genutzt werden könne.
Die Regelung der Eigentumsverhältnisse bleibt demnach eine Vertragsregelung des "Vereins freier Menschen", worin vor allem das Verhältnis von Notwendigkeit der Arbeit und Freiheit der Entfaltung der Bedürfnisse in Beziehung gesetzt werden muss. Eine freie Verragswirtschaft der Kommunen wäre demnach die adäquate Gesellschaftform, welche auch das Verhältnis der Kommunen zueinander und durch einander zu regeln hätte. Das war die Grundlage des Begriffs Kommunismus. In Abwendung des leninistischen Wortgebrauchs ist es daher nötig, dies genauer zu formulieren und besser zu reden von einem Kommunalismus.
Am deutlichsten hat Marx die Vorstellung eines "Vereins freier Menschen" im Kapital formuliert - hier allerdings in der Entgegensetzung zu den seinerzeit bekannten "Robinsonaden":
"Stellen wir uns endlich, zur Abwechslung, einen Verein freier Menschen vor, die mit gemeinschaftlichen Produktionsmitteln arbeiten und ihre Arbeitskraft verausgaben. Alle Bestimmungen von Robinsons Arbeit wiederholen sich hier, nur gesellschaftlich statt individuell. Alle Produkte Robinsons waren sein ausschließlich persönliches Produkt und daher unmittelbar Gebrauchsgegenstände für ihn. Das Gesamtprodukt des Vereins ist ein gesellschaftliches Produkt. Ein Teil dieses Produkts dient wieder als Produktionsmittel. Er bleibt gesellschaftlich. Aber ein anderer Teil wird als Lebensmittel von den Vereinsgliedern verzehrt. Er muß daher unter sie verteilt werden. Die Art dieser Verteilung wird wechseln mit der besondren Art des gesellschaftlichen Produktionsorganismus selbst und der entsprechenden geschichtlichen Entwicklungshöhe der Produzenten. Nur zur Parallele mit der Warenproduktion setzten wir voraus, der Anteil jedes Produzenten an den Lebensmitteln sei bestimmt durch seine Arbeitszeit. Die Arbeitszeit würde also eine doppelte Rolle spielen. Ihre gesellschaftlich planmäßige Verteilung regelt die richtige Proportion der verschiednen Arbeitsfunktionen zu den verschiednen Bedürfnissen. Andrerseits dient die Arbeitszeit zugleich als Maß des individuellen Anteils des Produzenten an der Gemeinarbeit und daher auch an dem individuell verzehrbaren Teil des Gemeinprodukts. Die gesellschaftlichen Beziehungen der Menschen zu ihren Arbeiten und ihren Arbeitsprodukten bleiben hier durchsichtig einfach in der Produktion sowohl als in der Distribution." (MEW 23, S.92)