Zwiespalt
Zwiespalt ist die Wahrheit einer Täuschung, welche der Sehnsucht verfallen war, das Gewohnte durch Verdichtung zu überhöhen (s.a. Kitsch). Von daher ist er das Resultat einer Enttäuschung. Im Unterschied zur Sehnsucht ist ein Zwiespalt eine zweifache Beziehung auf das Selbstverständliche, die ihren Zweifel noch nicht gefunden hat, ihn nicht empfinden kann. Ein Zwiespalt ist ein Dasein zweier gegensinniger Wahrnehmungen, die eine Entscheidung des Wissens abverlangen, um Gewissheit zu finden, eine Erkenntnis der Enttäuschung. Im Zwiespalt verbliebt die Gegensinnigkeit noch als Selbsttäuschung über die eigene Notwendigkeit, als Selbstwahrnehmung einer Empfindung, dass alles wahr sein könnte, wie es für das eigene Gefühl nicht sein kann. Er verharrt in dem Zirkelschluss einer Empfindung, die sich darin beständig aufhebt, nicht wahr sein zu können, weil sie eine Wahrheit hat, die sie nicht wahrnimmt, sondern ausschließlich wahrhat. Darin bleibt sie sich selbst einziger Gegenstand und an und für sich ungegenständlich.
So gerät der Zwiespalt zu einer Selbstbewegung, zu einem Kreisen um die eigene Wahrnehmung, welche sich gerade dort abstrakt wird, wo sie konkret ist, wo sie wahrhat, was sie wahrnimmt. Es entsteht von daher eine sich von sich selbst ausschließende Wahrnehmung, die alles außer sich bezichtigt, die ausschließliche Macht der eigenen Wahrnehmung zu sein. In der Abstraktion wird ihre Wahrheit daher zu einem drängenden Verhalten gegen sich selbst, zu einem Zwang, sich verhalten zu müssen, ohne das Verhältnis, das gegenseitige Verhalten, unterscheiden zu können, das Fremde als das Eigene und das Eigene als fremd zu erfahren. In diesem Zirkel ununterscheidbarer Verhältnisse, in dieser objektiven Subjektivität können sich entscheidend nur die Gewissheiten des Gedächtnisses einbringen, also als vergangene Gewissheit, die im Zwiespalt auf sich zurückgebracht wird, indem sie ihn nur erklären kann, wenn sie sich verklärt. Das Gedächtnis erhäl� damit ein Wesen, das über seiner Geschichte steht, ein übergeschichtliches Wesen.
Ein Zwiespalt, der in sich verharrt, ist die Unmöglichkeit eines Zweifels. Er bestätigt und bewahrt eine äußere Identität, die er nicht zu bezweifeln vermag. Der Zwiespalt hebt sich daher erst in einer wirkllichen Scheidung und Unterscheidung von Gegensinnigem im Zweifel auf: Hierdurch wird Zwiespalt gegenständlich, zum Beispiel in der Frage: Was ist das eine, was das andere, das ich für sich nicht annehmen kann, das ich also bezweifen muss? Was im Zweifel Erkenntnis und demzufolge auch Kritik nötig hat, bleibt im Zwiespalt doppelsinnige Wahrnehmung. Diese ist grundlegend für die Entwicklung der Selbstbeziehung, welche die Psyche dann nötig hat und worin der Zwiespalt zwischen Empfindung und Gefühl. schließlich zu einer ausschließlichen, also auch ausschließenden und abschließenden Wahrnehmung wird (siehe hierzu auch reaktionäres Bewusstsein).