Wolfram Pfreundschuh (10.08.2012)

Diskussionen rund ums Geld

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Teil VI: Wie "gemein" kann das Wohl der Ökonomie sein?

Es ist immer wieder dieselbe alte Leier, dass die Entwicklung der Marktwirtschaft darin stagniert, dass zuviel Geld auf dem Finanzmarkt und zuwenig in den Taschen der Menschen ist. Weder Investitionsprogramme, Staatsbürgschaften, Niedrigzinsen, Rettungspakete oder Sparpläne, noch Beschäftigungsprogramme, Mitspracherechte, Zurückhaltungen von Lohnforderungen, Billiglöhne oder Massenkündigungen können daran etwas ändern. Am Ende bleiben immer nur die Schulden, die nötig sind, um die Verwüstungen zu bezahlen, welche die Kapitalwirtschaft verursacht. Vom Standpunkt der Volkswirtschaft ist es eigentlich ziemlich einfach zu verstehen: Wenn die Konkurrenz auf den Märkten zu brutal wird, gehn die Löhne und Preise in den Keller, der Warenhandel wird zu billig, das Geld wandert auf die Finanzmärkte, zu geringe Steuereinnahmen belasten die öffentlichen Kassen und der Staat fürchtet Steuererhöhungen, weil das Kapital mit Abwanderung und Konkurs droht, also damit droht, dass alles nur noch schlimmer werden kann. Und das ist nicht mit der Behauptung abzutun, dass die Kapitaleigner sich die Hucke voll lügen würden. Viele gehen daran selbst kaputt, einige können sich am Untergang der anderen aber auch noch bereichern. Nur wann und warum die Konkurrenz fast schlagartig so brutal werden kann, wird selten erläutert. Es ist einfacher, darin nur Bosheit zu entdecken. Den meisten aber reichen auch schon die Phänomene, denn der Handlungsdruck ist enorm.

Die Verschuldungskrise dauert in dieser Schärfe nun schon über fünf Jahre an und niemand scheint einen Weg gefunden zu haben, der sie noch beenden könnte. Sie ist inzwischen total und vielen ist klar geworden, dass man da nicht mehr raus kommt ohne knallharte Konsequenzen. Staatsverschuldung und ausgedehnte Armut verstärken einander, und das macht die Systematik der Krise augenfällig. Sie ist für niemanden gut. Das haben inzwischen auch schon einige Millionäre bemerkt, die dafür eintreten, dass sie 10% Ihres Vermögens abtreten, um den Staatshaushalt zu stützen. Einer von ihnen hat in Hamburg bereits eine Stiftung gegründet. Es würde sich auf diese Weise immerhin eine Abgabe von 180 Milliarden Euro ergeben. Und sogar die Sozialdemokraten, die mit ihrer Agenta 2010 zusammen mit den Grünen noch eine eindeutige Lastenverschiebung zugunsten der Reichen betreiben hatten, beginnen sich auf alte Traditionen zu besinnen. Schließlich waren sie doch dereinst die Avantgardisten der Forderungen nach einer Verteilungsgerechtigkeit. Wäre es nicht opportun, darauf jetzt mal wieder zurückzugreifen? Plötzlich geschehen daher wieder enorme Wandlungen: SPD-Chef Gabriel fordert jetzt mehr "sozialen Patriotismus" von den Wohlhabenden in Deutschland. Und er verkündet, was die meisten Menschen schon lange wissen: Die Lastenverteilung sei unfair und zugleich wüchsen in dieser Unausgeglichenheit die Aufgaben des Staates und der Länder und die Schulden müssten doch endlich begrenzt werden. Um das miteinander vereinbaren zu können, müsste man das Steuersystem ändern durch Streichung von Subventionen im Steuerrecht, Wiedereinführung der Kapitalvermögenssteuer und Erbschaftsbesteuerung. Und auch ein höherer Spitzensteuersatz sei notwendig, sagt Gabriel.

Auch der Chef der Dienstleistungs-Gewerkschaft Verdi dachte öffentlich über die Ungerechtigkeiten in der Verfügung über das Geldvermögen nach. Die hat sich auf volkswirtschaftlicher Ebene ja schon seit den 70ger Jahren deutlich dahin entwickelt, dass immer mehr öffentliche Schulden gemacht wurden und zugleich immer mehr Privatvermögen anwuchs. Inzwischen verfügen die reichsten 10 % der Deutschen über 8 Billionen Euro an Privatvermögen, mittlerweile etwas über zwei Drittel aller Nettovermögen und fast das Vierfache der Staatsverschuldung. Es könne nicht sein, dass jetzt die Schwächsten die Zeche dafür übernehmen sollten, die sie schon immer bezahlt haben.

Der Hauptgeschäftsführer des paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider, meinte noch entschiedener, die Deutschen stünden vor der Grundsatzentscheidung, ob sie umsteuern oder den Sozialstaat vor die Wand fahren wollten. Allein der Rückstand in den Kommunen belaufe sich auf rund 100 Milliarden Euro Schulen. Sporthallen und Spielplätze seien in marodem Zustand. Schwimmbäder, Büchereien und Theater würden geschlossen. Die Schuldenbremse verschärfe die Situation noch dramatisch. (1)

In Krisenzeiten scheint alles, was sonst zu Reichtum geführt hat, sich in einen Trieb zur Armut verwandelt zu haben. Die andere Seite der Marktwirtschaft, macht sich dann geltend, die andere Seite des Geldes. Es zeigt sich, was Geld nicht kann, wenn es nur noch Geld ist, wenn es seine Herkunft verloren hat, nicht mehr zurückfindet in die reale Welt der Menschen. Es hatte den Menschen Leben entzogen und in einen Geldwert verwandelt, der für sich plötzlich keinen Sinn mehr hat. Geld ist nur Mittel des Reichtums, wenn es Leben nicht nur entzieht, sondern auch noch auf irgendweine Weise vermittelt. Es muss deshalb immer wieder irgendwann und irgendwie angelegt werden können um in der Lebenswelt der Menschen "aufgefrischt" zu werden.

Dort aber bereichert es nur die Geldbesitzer. Die Reichen suchen deshalb ja geradezu dringend ärmere Menschen und Regionen auf, geben ihnen Kredite und Vorschüsse, um sie an ihr Geldsystem zu binden, bis diese dann irgendwann zu spüren kriegen, dass sie substanziell immer ärmer geworden sind und immer abhängiger von den Krediten der Geldbesitzer. Geld sucht Verwertungsmasse, aber je größer sie wird, desto mehr Armut entsteht daraus. Geld erzeugt vor allem Abhängigkeit von Geld, und ist man davon abhängig, dann kann man gar nichts anderes machen, als Geld zu erwerben. Es wirkt wie ein Suchmittel, indem es die Not totalisiert, die es erzeugt: Das Loch einer Gesellschaft, wo sie ohne gesellschaftliche Beziehungen existiert, vertieft seine gesellschaftliche Unwirklichkeit bis hin zur Zerstörung der Gesellschaft selbst.

Es ist eine einfache Wahrheit, dass Geld den Menschen ihre wirklichen Lebenszusammenhänge entzieht, weil es eine Wirklichkeit entzogenen Lebens ist. Durch die Einfältigkeit der Geldentwicklung hat es nicht nur Menschen aus ihren Lebenszusammenhängen gerissen, sondern diese auch unter sein Diktat gestellt. Es vereinseitigt ihre Arbeit, um ihren Konsum zu vervielfältigen. Geld wächst durch den Konsum, und wenn der Konsum wächst, dann auch die Produktion und Investition. Auch das ist einfach. Aber es vereinseitigt letztlich alles, was gesellschaftlich wirklich war in ein Quantum, das sich selbst nur vereinseitigend verhält. Ganze Kulturen wurden durch Geld in Monokulturen verwandelt, ganze Städte in Bürolandschaften und alles Vermögen der Menschen, ihre Beziehungen und Fähigkeiten in reine Sachwerte, durch die sie selbst zu Sachen wurden. Ist Geld erst mal wirklich verselbständigt, kann es sich nur noch als Geld vermehren, indem es als allgemeines Mittel des Überlebens das Leben diktiert.

In Krisenzeiten wächst das Risiko vor allem im Geldhandel, denn die Insuffizienz des Geldwertes steht dann ganz im Vordergrund: Die Angst vor Inflation und Rezession. Da wächst das Sicherheitsinteresse über jede Rsikobereitschaft und Geld wird teuer. Nur nicht da, wo es ausgegeben wird: Bei der Bundesbank. Das Gefälle zwischen dem Geldeinkauf dort und der Kreditvergabe der Privatbanken an die "Endverbraucher" wächst unerhört - ebenso wie überall Geld immer knapper ausgegeben wird, als eingenommen. Jeder Handel gerät in eine Schieflage zwischen Einkauf und Verkauf. Auch Wucher und Übervorteilung ist an der Tagesordung. Meist kann man es nicht richtig unterscheiden, ob da Preise gemacht werden aus Angst vor dem Wertverlust oder aus Bereicherungsgier. Vokswirtschaftlich ist das im Grunde auch gleichgültig, denn wer zuviel aneignet wird auch bald wertloseres Geld zu Händen haben und billiger verkaufen müssen. Was sich durchsetzt ist das Wertquantum, das noch verwertet werden kann (3). Wo ihm die Substanz ausgeht, die Industrie und Betriebe der sogenannten Realwirtschaft, da kollabiert dann auch die Marktwirtschaft. Dass Sparpläne und Billiglöhne das Ganze nur noch verschlimmern, weiß inzwischen schon jedes Kind (4).

In der Krise hat sich der Widerspruch der schon im Warenhandel angelegt ist, in sein Gegenteil verkehrt: Durch die ungeheuere Wertmasse, die produziert wird und der Minimaliserung der Löhne entsteht zuviel Geld auf der einen Seite, das in die Finanzmärkte abwandert, und zu wenig auf die anderen Seite, wo die Produkte gekauft werden müssten. Das flüchtige Geld, das für den Glauben an eine zukünftige Verwertung auf den Finanzmärkten und Investmentbanken als fiktives Kapital gehorten wird, verliert schon bald seine Kraft, wenn es nicht im Warenhandel oder durch Kredite erneuert werden kann. Der verhänglisvolle Kreislauf zwischen Warenhandel und Warenproduktion schließt sich daher irgendwann kurz. Die Wirtschaft stagniert. Nichts geht mehr. So ist es auch längst von Karl Marx treffgenau beschrieben und abgeleitet:

"Der letzte Grund aller wirklichen Krisen bleibt immer die Armut und Konsumtionsbeschränkung der Massen gegenüber dem Trieb der kapitalistischen Produktion, die Produktivkräfte so zu entwickeln, als ob nur die absolute Konsumtionsfähigkeit der Gesellschaft ihre Grenze bilde." (Karl Marx, MEW, Bd. 25, S. 501)

Die Zauberformel heißt: Demokratie = Markt = Gemeinwohl

Die Verarmung der Menschen sickert inzwischen überall hindurch, auch in die gehobeneren Schichten, auch in die Bildung und Kultur und in die Kommunen und Gemeinden. Immer mehr Menschen verbinden mit Kapitalismus reine Ausbeutung und meinen damit meist Erpressung. Man fordert Gerechtigkeit, mitunter eine gerechtere Marktwirtschaft ohne Kapital und ohne Finanzmärkte, deren Treiben oft als ungerecht und in diesem Sinne als undemokratisch beurteilt wird. Marktwirtschaft, war das nicht einmal mit Wohlfahrt und Demokratie verbunden? Einigkeit und Recht und Freiheit, so hieß es doch. Und was finden wir heute vor? Entzweiung, Unrecht und erzwungene Leistungen. (5). Wieso kann man das Kapital nicht einfach abschaffen und eine gerechtere Geldverteilung einführen? Wie überhaupt entstehen seine Profite? Dadurch, dass es einfach mehr Geld verlangt, als eine Sache Wert ist? Und was ist dann das Geld, über das es so verfügen kann, dass es derart viel für sich vereinnahmt, dass es andere arm macht, ja, dass es dazu überhaupt in der Lage ist? Ist Geld nicht einfach nur eine Zahl, die nichts anderes soll, als ein Tauschverhältnis möglich zu machen?

Um solche Fragen ging es in einer Veranstaltung am 28. Juli 2012 des Vereins "Echte Demokratie jetzt! - München" im EineWeltHaus unter dem Titel „Occupy Money – vom Wachstumswahn zur Gemeinwohlökonomie". Auf dem Podium saßen zwei Autoren und eine Autorin, die sich hierzu in diversen Veröffentlichungen geäußert hatten und sich für diese "Gemeinwohlökonomie" einsetzen, die den Wachstumswahn beenden können soll. Es waren der Doktor der Philosophie Charles Eisenstein aus den USA ("Geld und die Krise der Zivilisation"), die Professorin für Architektur Margrit Kennedy, ("Occupy Money" ), und der Psychologe und Soziologe Christian Felber aus Wien ("Gemeinwohlökonomie - die Wirtschaft der Zukunft"). Charles Eisenstein führte in das Thema ein und machte es den Zuhörern einfach: Geld sei eine Kreation, die durch Schulden "generiert" werde, im Grunde also überhaupt nur ein Zahlungsversprechen, ein Kredit. Die Banken würden das neue Geld ausgeben, leider unter der Bedingung, dass daraus mehr Geld gemacht werden müsse, um es mit Zinsen an die Banken und die Geldbesitzer zurück bezahlen zu können. Den Menschen wird also praktisch die Gemeinheit zugefügt, dass sie Profit machen müssen, um Zins und Zinseszins bezahlen zu können, nur um an das Geld zu kommen, das sie für die Umsetzung für ihre Ideen, ihre Projekte brauchen, mit denen sie dann mehr verdienen, als sie verbrauchen. Aber weil die Märkte begrenzt sind, auf denen die Menschen mehr Geld machen können, werden sie zu Konkurrenten, die immer bestrebt sein müssen, mit neuen Ideen den anderen auszustechen. Und der Gewinner sei dann immer die Bank, weil sie die Zinsen erhöhen kann, je mehr Menschen Geld brauchen um immer mehr Ideen zu verwirklichen. Das geht solange gut, wie die Wirtschaft wachsen kann, wie also die Ideen nicht ausgehen. Sind aber die Märkte erschöpft oder bleiben die Ideen aus, dann schlüge alles um: Schulden können nicht mehr bezahlt werden und weiten sich aus und Geld wird nicht mehr "kreirt". Es gibt dann also "ein Problem": Leute gehen bankrott, Arbeitslosigkeit steigt und das System droht auseinanderzubrechen. Die Krise, die wir haben, käme also daher, dass wir das Wachstum nicht mehr steigern können, weil es nichts mehr gibt, aus dem wir Geld machen können. Hören wir also endlich mit dem verrückten Wachstum auf, das uns durch die Banken aufgezwungen wird, und steigen wir jetzt um auf eine heilsamere Wirtschaft, die das alles nicht mehr nötig hat. Es könnte dann endlich um soziale Gerechtigkeit und um das Wohl des Planeten gehen.

Die ganze Geschichte ist mit dieser Auffassung eigentlich ganz einfach, wenn man den Grundlagen folgt, die sie als selbstverständlich nimmt: Geld sei nicht aus dem Tauschverhältnis der Marktwirtschaft entstanden, die bisher selbst ein gesellschaftliches Lebensverhältnis der Menschen war, sondern eine Zahlungsvereinbarung, ein Kredit, eine Kreation der Banken, die damit ihre Bedingungen setzen und die Menschen sind so blöd, und befolgen die hierbei vom Kreditgeber eingeforderten Zinsen. Sie wollen ja damit auch ihre Gewinne machen. Geld leiht man sich, um Unternehmer zu sein und auf dem Warenmarkt im Kampf um die bessere Idee und ihrem Resuktat, dem Gewinn, wetteifern zu können. Geld nämlich bekommt man eigentlich für seine Ideen, sozusagen für den wirtschaftlichen Erfolg, den man damit erhofft und verspricht. Wer keine Ideen hat, der muss sich halt sein Geld bei denen verdienen, die sie haben. Wer gute Ideen hat, sich dafür Geld geben lässt, und gute Produkte macht, die er auch gut verkaufen kann, der ist fein raus. Nötige Anschaffungen werden durch den Kredit bezahlt und durch den Produktverkauf zurückbezahlt. Der Gewinn ist der Unternehmerlohn und die Schmarotzer, das sind die Leute, die das Geld austeilen weil sie durch ihre Verteilermacht den Zins daraus abpressen.

Die Arbeitsleute die mit ihrem immer zu knappen Arbeitslohn für ihre ebenso knapp berechnete Existenz Anschaffungen sich auch nur kleinteilig leisten können und Kredite aufnehmen müssen, zahlen dann zwar auch Zinsen, aber dafür bekommen sie ja auch ihren Lohn. Der Dreh- und Angelpunkt ist in diesem Verständnis der Unternehmerlohn. Und so ist es auch nicht mehr der aus Arbeit gezogene Mehrwert, sondern nur noch der Zins, der in einer an und für sich gerechten Marktwirtschaft ein Unrecht darstellt, Dieses erst macht aus dem kreativen Unternehmer einen Kapitalisten, indem es ihn zum Profitmachen verpflichtet, ihn zu Profitsucht und Geiz bei den Löhnen antreibt. Die wirkliche Welt der Mehrwert bildenden Arbeit, die Lohnabhängigen, Leiharbeiter oder Arbeitslosen hat für einen solchen Zins keine Relevanz, weil da ja nichts zu holen ist, weil da kein "Gewinn" gemacht werden kann. Die "Arbeitnehmer" zergehen als Attribut der "Arbeitgeber", welche "Ideengeber" sind, die somit zu den eigentichen Leistungsträgern mutieren, weil sie die "Impulse" der Marktwirtschaft setzen. Nach dieser Sichtweise hat Ausbeutung daher auch nichts mehr mit der Verwertung von Arbeit selbst zu tun, nichts mit der Verfügung über Lebensbedingungen, Produktionsmittel und Produkte, sondern lediglich mit einem Deal am Bankschalter, wo der dahinter den davor austrickst.

"Das Übel sind die Zinsen"

Die Vorstellung, dass der Zins als Kreation der Banken die Unternehmer ausbeutet, also Menschen mit produktiven Ideen ausnützen würde und ihre Wirkung belaste, ist eigentlich grotesk. Aber sie vervollständigt das Selbstverständnis der Mittelklasse und wertet ihr Unternehmertum auf. Zins, verstanden als eine bloße Kreation der Banken, beherrscht ja demnach die Kreativen, beschränkt die Selbstverwirklichung produktiver Menschen. Das Unrecht betrifft die Unternehmungen, die als Ideengeber idealisiert sind, eben weil sie mit Geld Arbeit benutzen und es mit Investitionen verbrauchen und ihre Verschuldung an die Konsumenten, an ihre Lohnempfänger weitergeben können. Ausbeutung findet nicht im Arbeitsprozess durch die Bestimmung von Lohn und Zeit statt, sondern ganz einfach im Geldhandel selbst durch Übervorteilung des Kreditnehmers durch den Kreditgeber. Der stellt die Bedingungen und wer seine Ideen verwirklichen und gute Geschäfte machen wolle, der wird von ihm abhängig. Es sei also die reine Raffgier der Finanziers, des Kreditgebers, welche die ganzen Ungerechtigkeiten der Geldverteilung verursacht, nicht der in der Verwertung der menschlichen Arbeitskraft erwirtschaftete Mehrwert, nicht die Ausbeute aus unbezahlter Arbeit. Mehrwert selbst ist bei dieser Sicht der Dinge damit auch nichts anderes als ein Handelsprofit, eine Art Überbezahlung der Banker und Broker und Anleger auf den großen Märkten. So ähnlich sah das ja auch schon Proudhon vor 180 Jahren und die vielen Zinskritiker nach ihm, namentlich Silvio Gesell mit seinen Vorstellungen von Freigeld (siehe hierzu auch "Der Zauber der "freien Marktwirtschaft"").

Es weiß jedes Kind, dass Geld nichts wert ist, wenn man nichts dafür kaufen kann, dass es also schon die Waren voraussetzt, die man dafür bekommt. Geld entsteht nicht in den Banken, um unternehmerische Ideen zu befördern, sondern landet in den Banken, nachdem die sehr praktischen und meist materiellen Notwendigkeiten, wie sie im Verhältnis von Lebenserhalt und Arbeit gegeben sind, mehr Produkte erbracht hatten, als die Menschen für ihren Lebensunterhalt brauchen. Weil menschliche Arbeit immer in größeren Zusammenhängen steht als die Konsumtion ihrer Produkte und von daher in einem größere Umfang auch mehr Produkte erzeugt, als sie konsumiert, ist sie in der Lage, Mehrprodukte als menschlichen Reichtum für die gesellschaftliche Entwicklung des Lebenststandards, also der Bedürfnisse, Werkzeuge und menschlichen Beziehungen zu schaffen. Der Warentausch, aus dem sich Geld entwickelt hat, ist die historisch gewachsene Form dieser Bildung. Die Marktwirtschaft vermittelt keine Ideen. Sie beruht nach wie vor auf einem Gütertausch, dem Austausch von Waren, durch welche handfeste Produkte mit dem Geld ihrer Konsumenten bezahlt werden, einmal für ihren unmittelbaren Lebensbedarf, aber auch zur Verbesserung ihres Lebensstandards oder neuer Werkzeuge und Technologien. Gibt es dort mehr Produkte, die nicht mehr gegen Geld eingetauscht werden, weil sich die Mehrproduktion nicht als Verbesserungen des Lebensstandards in den Löhnen darstellt und auch nicht von den Unternehmern zu Investitionen verwendet wird, so verbleibt diese Mehrprodukt als Mehrwert auf den Waren- und Finanzmärkten. Aber all dies ist menschlich erzeugter Reichtum, der auf den Warenmärkten Geldform annimmt. Doch aus dem Mund des Doktors aus den USA wird dieses Geld zu einer platten Geste der Kreditgeber, die es vielleicht mal kurz in der Hand der Bankkunden als deren Gläubiger hat, wenn sie es als eine leere Summe auffassen, aus der erst durch ihre Einfälle was Tolles werden kann. Geld stellt dann keine Bereicherung durch Aneignung fremder Arbeitskraft dar, sondern wird zu einer bloßen Abmachung über eine Verschuldung, für die allein die Unternehmer haften, die durch ihre Schuld dann plötzlich zu Leistungsträgern werden.

Aber gerade das ist ja auch tröstlich. Zumindest in der Vorstellung, in der das geliehene Geld von seinem Wert als Produkt menschlicher Arbeit enthoben ist. So kann man meinen, dass nichts kaputt geht. Umgekehrt müssten alerdings die Lebens- und Rentenversicherung vertragstreu bleiben. Unmoralisch sind ja nur die Zinsen der Banken. Und gerade jetzt, wo das System zusammenbricht, könnten wir die diesbezüglichen Abmachungen einfach kippen und die Schuldenrückzahlung ignorieren. So könnten wir uns neu darüber einigen, wie wir Geld handhaben wollen, um unsere Wirtschaft wieder mit einem anderen Geld, einem freieren Geld, einem besseren Geld, einem moralisch bestimmten Geld zum Laufen zu bringen, einem Geld das gute Handelsimpulse setzt, statt den Handel nur durch Handelsprofite abzugrapschen. Na ja, es würde dann schon eine Inflation geben, meint der Wissenschafter aus den USA. Aber die sei gewiss nicht so schlimm.

Aber warum dann überhaupt noch Geld? Wenn das Geldverhältnis schon als Schuldverhältnis aufgefasst wird, warum dann nicht als Schuldverhältnis der Marktwirtschaft überhaupt kippen, also auch die Verpflichtung, für Minimallöhne Arbeit zu erbringen? Geld ist doch selbst das Verhältnis der Macht der Märkte, die mit Kraft und Produkten beliefert werden müssen, um sie in Gang zu halten, um etwas davon abzubekommen. Auf den Märkten stellt doch Geld eigentlich gerade selbst die Macht dar, die von den Zinskritikern der Mittelklasse den Banken zugesprochen wird. Die Menschen wurden doch immer schon zu seiner Wertentfaltung verpflichtet, indem sie gezwungen sind, Geld durch Arbeit für andere zu verdienen, um für sich nur Leben zu können. Es ist die Zahlungsverpflichtung für das Leben in einer Gesellschaft, die sich nur über den Markt bewirtschaftet, für den Markt produziert und durch den Markt ihre Lebensmittel erhält. Als dessen einzige Verhältnisform iist Geld ein geschichtliches Relikt, das von den Menschen durch eine andere Produktionsweise überwunden werden müsste, eine Produktionswise, die keinen Mehrwert nötig hat, der über das wirklich verwendete Produkt und Mehrprodukt der Gesellschaft hinauswächst, ein Verhältnis, worin Bedürfnisse und Arbeitsaufwände in eine durchsichtige Vermittlung gestellt werden.

Doch steht man erst mal auf dieser Marktwirtschaft, dann ist Geld eine feine Sache, solange man es hat. Es ist das Maß aller Dinge und der Umfang der persönlichen Freiheit und Selbstverwirklichung. Wer es nicht hat, der muss halt was tun für sein Geld. Ist doch klar. Man selbst ist ja das Opfer der Profiteure. Aber jetzt Schluss damit, schluss mit der Geldmacht. Man muss einfach nur den Kredithandel abschaffen und den Profiteuren den Profit nehmen! Weg mit dem Wucher, der Raffgier und dem Betrug der Geldhaie, der Geier des Geldhandels. Solche Sprüche kommen bei den Kleinbürgern immer gut an, wenn die Krise sie erreicht hat. Denn sie haben einen einfachen und ebenso eindeutigen Adressaten und regenerieren das beschädigte Selbstbewusstsein. Das wurde ja auch öfter schon mal noch einfacher mit den Juden verbunden, die mit Geld gehandelt hatten, nachdem sie von den frommen Christenmenschen aus ihren Zünften und Handwerksgenossenschaften vertrieben worden waren. Es waren immer die Kleinbürger, die in den Progromen auflebten. Weg mit dem Übel, auf dass wir endlich das Gute am Geld auch endlich wieder ausschöpfen können.

Und das ist dann auch das Stichwort für Christian Felber. Seine Botschaft ist genauso einfach: Profite kann man selbst schon machen, nur nicht zu arg. Man könne den Missbrauch der Marktwirtschaft durch Profitgier abschaffen, indem man den Bürgern ein Maximalvermögen von 500.000 Euro und ein Höchsteinkommen von maximal dem 20-fachen des niedrigsten Einkommens verordnet und das Unternehmertum mit einem Gütesiegel maßregelt. Es gibt da eine ganze Reihe von Zahlen über maximal zulässige Gewinne, Erbschaften, Ökoabgaben usw. Es gibt dazu einen ganzen Katalog zur Gemeinwohlerziehung der Unternehmen. Den hat er ausgetüftelt und seine Vorstellungen stehen da wie die Bastelanleitung für eine Gesellschaft der Guten und der Güte schlechthin.

Immerhin: Auch für all das eignet sich Geld vorzüglich, weil man es nicht nur als Wertmaß, sondern auch als Maßstab für ein Bewertungssystem zur Belohnung der guten Moral, der Gemeinwohlmoral, dem Ziel und Zweck einer braven Marktwirschaft, der guten Moral der Geldverwendung einsetzen kann. Durch die Art der Versteuerung und Subventionierung werden die Ziele angesteuert und schon bekommt die Regulation der Märkte auch einen höheren Zweck, als sie es je hatte. Das Ganze funktioniert dann so ähnlich wie es mit erkauften Verschmutzungsrechten ja schon bekannt ist. Wer sie verwertet, bezahlt auf der einen Seite, wer sauber ist, wird subventioniert. Kurz gesagt: Wer Gutes tut, der darf sich dann leichter an Geld bereichern und wer bös ist soll auch dafür bezahlen. Mit Geld geht eben einfach alles und alles einfach. Die Filter für eine erwünschte Verteilungsmoral bestimmt dann ein Wirtschaftskonvent, der sich aus braven Bürgern, Politkern, Unternehmern und Angestellten zusammensetzt, und schon hat das auch einen demokratischen Touch.

Der Gedanke ist einfach praktisch und will für sein Publikum das wahrhaft Gute, die Gerechtigkeit des Abendlandes. Hier hat man ja schon im Mittelalter gewusst, dass der gute Christ mit Geld für seine Sünd und Schuld auch Buße tut und bezahlt. Immerhin war die katholische Kirche damit reich geworden. Die lässt sich heutzutage natürlich auch durch einen Wirtschaftskonvent ersetzen. Die Schäfchen werden schon mitmachen, wenn sie die schwarzen Schafe zählen und abkassieren dürfen. Es verlangt nur einen starken Staat, der die Probleme mit der Moral und ihrer Anerziehung auch richtig behandelt und auflöst. Denn dieses Problem geht tiefer. Das weiß auch der psychologisch versierte Pädagoge Christian Felber. Es verlangt daher ganz neue Erziehungsinhalte.

Eine anständige Marktwirtschaft erfordert die Erziehung zu einem Gemeinwohl der Anständigen

Das Gemeinwohl war schon im 18. Jahrhundert der wichtigste Ehrenpunkt der Volkswirtschaft. Und seitdem weiß man auch schon von den Gefahren der Entwertung und Überbewertung des Geldes, den Schäden, die Wucher anrichtet und den Folgen einer Rezession. Durch Gesetze und Eingriffe der Wirtschaftsausschüsse und Währungsgremien wurde dagegen gearbetet, mal mehr und mal weniger erfolgreich. Kein Staat ist so blöd und lässt die Bedingungen seiner Existenz an die Wand fahren, wenn er weiß, wie er das verhindern kann. Doch was überhaupt kann Politik und Moral bewirken, wenn Geld immer dorthin sich verflüchtigt, wo es sich am besten einsetzen lässt und vermehrt? Was konnte politische Ökonomie überhaupt anderes sein als die Politik der Ökonomie, die immer Politik des Privateigentums zur Nutzung gesellschaftlicher Kräfte und Bedingungen war. Die muss natürlich auch immer auf ihre Sicherheit und Stabilität setzen, weil der Markt, auf dem sie sich bewegt, voler Risiken ist. Wer Marktwirtschaft will, der muss auch das Risiko der Märkte wollen, aus denen natürlich jeder durch die Verbesserung seiner Konkurrenzlage zu entkommen versucht und damit andere um so tiefer in diese hineintreibt.

Doch diese Logik der bürgerlichen Ökonomie, welche auch unwohle Gefühle aufkommen lässt, kann leicht behoben werden, wenn man das Problem als einen Fehler des Fühlens ansieht. Da findet dann auch ein Individalpsychologe ein reichhaltiges Betätigungsfeld, wenn er sich als Theoretiker eines Massenphänomens versteht. Für einen Zinskritiker ist ja immer noch die Frage offen, warum die Menschen sich der Macht der Geldvermehrung einfach beugen, warum sie um die Ausbeute wetteifern und den Druck weitergeben oder sogar selbst Profitgier in sich entwickeln. Für einen Psychologen handelt es sich natürlich um eine persönliche Machtproblematik. Das Problem sei alleine die Motivation der Konkurrenz, die Sucht des Übertrumpfens. So jedenfalls will es Christian Felber wissen, der hiergegen ein Buch mit dem Titel: "Gemeinwohlökonomie - die Wirtschaft der Zukunft" geschrieben hat. Diese Sucht habe sich durchgesetzt, weil es an positiven inneren Anzeizen, an intrinsischer Motivation fehle (Christian Felber: "Gemeinwohlökonomie - die Wirtschaft der Zukunft", Paul Zsolnay Verlag Wien, 2010, S. 82), die schon den Kindern frühzeitig ausgetrieben werden würde. Das liege eben letztlich "an uns selbst". Er schreibt:

"Die Mehrheit von uns sind nicht (oder schwach) intrinsisch motiviert, weil sie sich nicht kennen und in sich nichts Sinnvolles erfahren, das sie zu Höchstleistungen ohne jede Konkurrenz treiben könnte. Sie sind innerlich leer und können Sinn nur von außen beziehen. Und wenn die Außenwelt unentwegt schreit: Geld, Karriere, Erfolg und Macht sind die »Werte«, auf die es ankommt, dann »verinnerlichen« viele von uns diese Werte, auch wenn sie noch keinen Menschen glücklich gemacht haben. Da aber so viele dabei mitmachen und die Medien immer wieder solche Personen porträtieren und auszeichnen, eifert ihnen eine große Zahl von Menschen, die sich selbst nicht spüren, nach. An der Wurzel des Problems stehen somit innerlich leere Menschen, die ihrem Leben keinen eigenständigen Sinn zu verleihen vermögen - es mangelt ihnen an Selbstvertrauen, sich selbst als Letztverantwortliche ihres eigenen Lebens und ihrer eigenen Entscheidungen anzuerkennen.

Die Gretchenfrage lautet: Woher kommt die innerliche Leere? Wieso können so viele Menschen ihrem Leben keinen eigenen Sinn geben und Glück finden? Der Schlüssel liegt meines Erachtens in der Erziehung. Die meisten von uns wurden nicht vorurteilsfrei »erkannt« und bedingungslos geliebt, was uns erlaubt hätte, unser eigenes Ich zu finden, uns liebend anzunehmen und ebenso tiefe Wertschätzung für andere zu entwickeln; sondern wir wurden zu Gehorsam und Leistung erzogen." (Christian Felber: "Gemeinwohlökonomie - die Wirtschaft der Zukunft", Paul Zsolnay Verlag Wien, 2010, S. 84)

Na also. Da haben wir wieder das Problem mit dem unmündigen Menschen, dem unaufgeklärten: "die Mehrheit von uns sind nicht intrinsisch motiviert". Der absurde Satzbau verrät das gedankliche Salto Mortale des sozialpsychologischen Anliegens: Es soll ja allgemein gelten, soll uns alle betreffen und doch eigentlich nur die anderen meinen. Das Gemeine der Vielen ist für den Bürger die Belastung des Eigenen. In seiner Persönlichkeit selbst steckt daher die allgemeine Notwendigkeit der Veränderung, die dann nur eine allgemeine Persönlichkeitsveränderung werden kann, eine Selbstveränderung, beziehungsweise eine Änderung der anderen für sich selbst.

Da bekommen dann Psychologen und Pädagogen einiges zu tun. Der Kapitalismus, der auf der Privatheit des Eigenen beruht, wird damit zu einem gesellschaftlichen Problem von persönlichen Schwächen, zu einem Motivationsproblem, das von ihnen auch gelöst werden kann. Es geht dann immerhin nicht mehr um die brutale Einfältigkeit der Geldverhältnisse und der damit verursachten Konkurrenzen beim Preiskampf um die Produkte und Arbeitskräfte, nicht um die sachliche Macht der Marktwirtschaft, die ihre riskanten Verhältnisse zum Maß der Dinge macht, nicht um die Blendwerke und Täuschungen des Marktes und die Mystifizierung seiner Herrschaft über die Menschen, die ihre Gesellschaft als Sachzwang der Geldformationen erfahren (siehe Warenfetischismus). Es geht hier nur noch um die Unfähigkeit der Menschen, um die Verrohung der einzelnen Persönlichkeiten im Allgemeinen. Sie sind es, die gegenüber der an und für sich guten Sache der "freien Märkte" versagen. Eigentlich sind wir oder sie einfach nur schlecht erzogen. Wir oder sie würden uns oder sich selbstverständlich um das Gemeinwohl kümmern, wenn die Erziehung besser wäre und wenn wir oder sie sich überhaupt "spüren" könnten, also mit passablen Selbstgefühlen zu leben gelernt hätten. Das Unglück der Menschen sei ihre innere Leere und die müsse durch eine ordentliche Erziehung beseitigt, also mit anerzogenen Inhalten gefüllt werden. Und dazu hat Christian Felber dann auch ganz konkrete Vorschläge und Methoden, wie ihre mangelhafte Empathie, die verkümmerte emotionale Intelligenz wieder herzustellen wäre (6): Durch bessere Erziehung. Und dazu hat er dann auch schon Pläne für neue Unterrichtsfächer parat, für neue Schulfächer in Gefühlskunde, Wertekunde, Kommunikationskunde, Demokratiekunde und Naturerfahrenskunde. Dem guten Menschen ist das Schöne allzu nah, und das Übel halte er sich daher fern. Im Garten des Guten stehen nicht nur Gartenzwerge. Dort gedeiht auch soziale und kommunikative Kompetenz, wie er bemerkt:

"Eine der wichtigsten Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für das Gedeihen der Gemeinwohl-Ökonomie ist die Erziehung zu neuen Werten, die Sensibilisierung für das eigene Menschsein, die Einübung von sozialer und kommunikativer Kompetenz und die Vermittlung von Achtung vor der Natur." (7)

Dann ist ja alles endlich beisammen: Wirtschaft und Erziehung, Bildung und Staatskultur. Einfach perfekt! Hatten wir so was ähnliches nicht schon einmal? Es war immer der Mittelstand, das Bildungsbürgertum und die institutionellen Vertreter des Staates und der Wissenschaften, die massenpsychologische Einfälle entwickelt hatten, wenn ihre Existenz gefährdet erschien. Sie erfahren wirklichen Kapitalismus ja auch erst in der kapitalistische Krise. Und die werten sie dann vorzugsweise als Verfall kultureller Werte und schreiten zur Tat. Dann muss der politische und kulturelle Notstand von den geisteswissenschaftlichen Kompetenzen der bürgerlichen Gesellschaft in eine Verpflichtung der Bürger gewendet werden. Das verlangt große Ziele, welche an den guten Willen für eine bessere Welt jenseits der sachlichen Notwendigkeiten appellieren. Die Sachen erledigen dann ja die Wirtschaftkräfte, wenn der Staat durch die Befleißigung seiner Bürger unterstützt wird. Beides zusammen meint Gemeinwohl. Und der Staat sieht das natürlich gerne auch so, wenn ihm die Wähler abgehen, denen er seine Not erklären muss, weil nur sie die wenden können. Sie müssen einen ungeheuerlich wachsenden Schuldendienst begreifen lernen, der ihnen auferlegt wird, und ihrer Willigkeit unter höhere Zwecke des politischen und kulturellen Überlebens gestellt werden, damit sie ihre Einwände verdrücken (8).

Wer den Widerspruch der Marktwirtschaft nicht begreifen kann oder will, der im Gegensatz von Wertentfaltung und Preisentwicklung die Krise des Kapitals mit allen Folgen für die Menschen hervorbringt, kann nur auf Kulturalisierung der Wirtschaft setzen und die Menschen anleiten, damit sie kultiviert im Sinne von anständig werden. Es sind Kleinigkeiten, mit denen dies beginnt, doch sie entwickeln sich in der eingeschlagenen Richtung und werden darin meist totalisiert, weil sie gerne einer populären Selbstwahrnehmung entsprechen, um sich sozial zu veredeln, neben ihrer beruflichen also auch soziale Kompetenz zu erwerben. Man lernt ja nie aus.

Der Gemeinwohlbegriff als Richtschnur führt zwangsläufig nach rechts, weil es ein spekulativer Begriff ist, der künftigen Wohlstand suggeriert und Befolgung verlangt, soll er sich als Ziel überhaupt eignen, gleich, wie weit er realisierbar ist. Damit wird politische Ökonomie zur politischen Psychologie. Einen Wohlstand der Ökonomie hätte man ja reell erfassen und beurteilen können. Man kann ihn nachweisen und sogar bemessen und auch anmahnen. Gemeinwohl dagegen kann es gar nicht wirklich geben. Ein allgemeines Wohlbefinden hebt sich in der Allgemeinheit selbst auf, wird gewöhnlich. Es ist immer eine Vorstellung, der man sich nur nähern will, solange man sich unwohl fühlt, indem man sie in seiner Person immer fester interniert. Wie der zur Unendlichkeit verdonnerte kategorische Imperativ von Immanuel Kant treibt sie dann das Hamsterrad einer unermüdlichen Selbstveredelung an und arbeit an dem, was man ganz allgemein will, damit alle anderen es auch wollen sollen. In Wahrheit ist es nur das Prinzip eines algemein abstrakten Sollens. Und dieses Prinzip können dann auch einige politische Parteien gut gebrauchen, die eine solche Staatsräson dringend nötig haben. Mit nichts anderem kommt man schneller an die Macht, als durh die Macht einer Heilsvorstellung.

Man kann an dieser Stelle sehr gut sehen, wie sich aus einer bürgerlichen Bildungsschicht so sanft und seicht eine rechte Motivation wieder herausbildet, wie sie es mmer schon tat, wenn die Krisenerscheinungen der politischen Ökonomie als Massenphänome von bösem Willen und Persönlichkeitsstörungen behandelt werden. Der Maßstab ihrer Beurteilung sind sie selbst in den Lebensbedingungen ihrer immer noch heilen Welt, ist ihre Möglichkeit und Beliebigkeit. Ihr Objekt ist das Unvermögen der Besitzlosen, die nichts anderes werden können, als sie sind, solange sie nicht wissen, wozu sie gemacht und gebraucht werden. Sie werden ja letzendlich als die bisher noch stimmlose Masse entscheiden, was aus der repräsentativen Demokratie werden wird, wenn sie nicht mehr funktioniert.

Man kann sich nun höchstens noch fragen, was eine als Gemeinwohlökonomie bezeichnete Wirtschaftsweise meinen kann, wenn man sie als eine Wirtschaft nicht für ein Gemeinwohl, sondern innerhalb eines Gemeinwesens auffassen will. Es ist die Frage danach, was das Gemeinwesen in einer Marktwirtschaft überhaupt meinen kann (siehe hierzu auch meinen Text "Zur Logik des Gemeinwohls"), was also dann das allgemeine Wohl einer Marktwirtschaft, ihre wirkliche Güte sein soll.

Das Gemeinwohl einer Marktwirtschaft ist immer das allgemeine Recht des Marktes

Jede moderne Staatsphilosophie seit dem 18. Jahrhundert sieht im Staat die Zusammenfassung des Gemeinwohls der Bevölkerung. Alle liberalen Volkswirtschaftslehren bis hin zu den neoliberalen sehen auch das wirtschaftliche Streben in diesem Zweck. Staat und Wirtschaft treffen sich auf wundersame Weise in diesem Begriff. Nimmt man nun noch die repräsentative Demokratie hinzu, die in der politischen Philosophie als Verhältnisform zur Erzielung des Gemeinwohls eines Volkes verstanden wird, hat man damit einen Universalbegriff für alles, was gut und schön klingt. Nach diesen Auffassungen wurde die bürgerliche Gesellschaft konstituiert und entwickelt. Eine Gemeinwohlökonomie ist demnach so alt wie diese. Sie ist aber nur eine Vorstellung von dem, was in der bürgerlichen Gesellschaft schön und gut sein soll, ihre Ideologie.

Interessanter ist daher, was als gesellschaftliches Unwohlsein oder Unglück verstanden wird. Bezogen auf Europa ist es hauptsächlich der Verlust an Demokratie, also an politischer Selbstbestimmung, und an Geldsicherheit und Gerechtigkeit, also an Wert und Wertschätzung. Die neuerlich bemühte Gemeinwohlökonomie strebt in diesem Sinn eine Restauration an und behauptet, dass sie hierbei eine grundlegende Veränderung des gesellschaftlichen Verhältnisses versucht, weil sie die Geldverteilung und das Bankensystem selbst unmittelbar demokratisch regeln, das Zinssystem auf eine reine Dienstleitungsfunktion reduzieren und den Nutzen des Geldes auf seine reine Tauschwertfunktion herunterbringen will. Das erscheint ziemlich total. Doch es ist ledigkich eine Hervorkehrung bereinigter Formen, die ohne Inhalt gedacht, lediglich abstrakt verstanden werden. Da kommt dann niemandem mehr in den Sinn, dass diese Gesellschaft ein wirkliches Lebensverhältnis von Menschen ist, ein Verhältnis von Arbeit und Bedürfnissen, das nicht nur einen gesellschaftlichen Charakter mat, sondern diesen ausschließlich als private Form verwirklicht, als Privatform der Aneignung ihrer Produkte. Wie kann man sich mit vermeintlichen Erkenntnissen über die Wirtschaftsformen der Zukunft aufführen, ohn diese Gesellschaft in ihrer Widersprüchlichkeit begriffen zu haben und zu kritisieren?

Gerade von dem Widerspruch von Form und Inhalt der Lebensverhältnisse dieser Gesellschaft hängt alles ab, was deren ganze Substanzverschwendung schon immer erzeugt hat und immer wieder und mit wachsender Produktivität verstärkt. Substanziell besteht das Problem, dass im Kapitalismus die menschliche Arbeit, also das was seinen Wert ausmacht, immer weniger wird, seine lebendigen Inhalte also immer mehr schwinden und seine Form immer inhaltsloser wird, während sie immer mehr Geld erzeugt, sich im Raum der Fiktionen aufbläht und immer häufiger in nichts zerplatzt, weil das Geld fehlt, das die Produkte kaufen und ihren Wert realisieren würde. Das meiste Geld verschwindet in Rechtstitel, in Grundstücke, Kredite oder Lizensen. Die sogennte Realwirtschaft kommt stellenweise zum erliegen, wenn sie sich nicht in der Zeit lohnt, in der Geld umgesetzt werden muss, um seinen Wert zu retten.

Da kann der politische Wille glänzen wie die Gala höchster Eitelkeiten, er wird nichts erreichen, wo die ökonomischen Bedingungen ihm nichts lassen. Die Parlamente werden zu einer Farce, der Populismus reiner Protestkulturen ebenso. Nimmt man nun noch hinzu, dass im Selbstgefühl des aufrechten Demokraten auch noch der Kapitalismus wie eine kranke Persönlichkeit wieder aufgerichtet und vermenschlicht werden könne, indem seine Personifikationen als Gewinnsucht in Form von Zinsen und Profiten psychologisch behandelt und in dieselben Schranken verwiesen wird, dann ist die Illusion komplett.

Man muss es dehalb nochmal deutlich sagen: Kapitalismus entsteht nicht durch Profit und Zins. Profit und Zins entstehn durch Kapital. Und Kapital beherrscht nicht die Freiheit der Marktwirtschaft, sondern Kapital ist ihre freigelassen, ihren Zweck vervollstänigende Form, durch die sie von ihren Fesseln, die sie noch in ihrer Frühzeit an die bornierten Bedingungen der Manufaktur, an die Zünfte und den kriegerischen Patriotismus der Marktflecken gekettet hatte. Geld ist nichts anderes, als die Form der Freiheit der Marktwirtschaft, ihre Beliebigkeit und Gleichgültigkeit gegen alle Inhalte, die ihre Notwendigkeit tragen.

Die Freiheit selbst ist das Problem, weil sie nur durch Geld für den da ist, der es besitzt, und die Notwendigkeiten des Lebens und Arbeitens auf den zurückfallen, der nichts anderes als arbeiten kann, um sein bescheidenes Leben so fristen zu können, wie es das Leben der Geldbesitzer ihm zukommen lässt. Es ist nicht der Handel, der die Menschen übervorteilt und ihre Armut erzeugt; es ist die Position, in welche sie durch ihre Herkunft, Familiengeschichte und Lebensabläufe in der Marktwirtschaft versetzt sind. Nach wie vor besteht der Kapitalismus als Klassengesellschaft, auch wenn die Arbeiterklasse zu einem großen Teil außer Landes weilt, an den Werkbänken steht oder in den Entwicklungsbüros arbetet, welche den deutschen Markt bedienen. Der Mehrwert, der dort entsteht, wird beim Einkauf hierzulande angeeignet, weil wir das Geld haben und ausgeben, das die Profite der Arbeitsstätten dort in hiesiger Währung als Geldwert zu verwerten versteht.

Solange es Marktwirtschaft gibt, kann das keine Politik wesentlich ändern, weil es die existenzielle Bedingung aus unserer bisherigen Geschichte ist, die diese Form hat. Gerechtigkeit kann sich bisher nur auf diese Existenz beziehen, solage es keine anderen gibt.. Das Recht der bürgerlichen Demokratie ist der Wert, auch wenn er oft nur als politischer Wille formuliert wird. Die politische Entscheidung wird immer den ökonomischen Verhältnissen nachhängen, solange die Politik nicht selbst ökonomisch ist. Das hatte Karl Marx schon vor 140 Jahren punktgenau formuliert als er schrieb: "Das Recht kann nie höher sein als die ökonomische Gestaltung und dadurch bedingte Kulturentwicklung der Gesellschaft." (Karl Marx in Kritik des Gothaer Programms (1875) Marx-Engels-Werke Bd.19, S. 21)

... doch die Preise werden zur Katastrophe des Werts

Das Kapital ist keine Erfindung. Es ist geschichtlich aus der Warenform und ihrer Verhältnisform, dem Geld, entstanden und dieses vermittelt schon in der einfachsten Geldform zwischen den Preisen, die das Geld ausdrückt und dem Wert, den es hat. Wert hat es durch die Arbeit, die es quantitativ repräsentiert. Einen Preis formuliert es durch sein Verhältnis zwischen Angebot und Nachfrage auf den Warenmärkten, also durch seine relativen Beziehungen zu den Waren, die dort als Tauschwerte gehandelt werden. Jede Ware hat den Wert, der an Arbeit zu ihrer Reproduktion durchschnittlich aufgewendet werden muss, durch den sie also zu ersetzen wäre. Einen Preis hat sie in dem Maße, wie sie auch gekauft wird. So können Waren in ihren Preisen differieren; ihren Wert verwirklichen sie nur soweit, wie ihnen das im Preis auch gelingt. Können die Preise auf Dauer nicht die erzeugten Werte decken, so entsteht eine Wirtschaftskrise des Kapitalismus.

So hat auch auf dem Arbeitsmarkt die Arbeitskraft nur den Preis, also den Lohn, der zu ihrer gesellschaftlichen Wiederherstellung, also zur Regeneration ihres Lebens nötig ist. Ihr Preis mag mal besser oder schlechter für die Arbeitsleute stehen; der Wert ihrer Reproduktion setzt sich spätestens dann durch, wenn die Arbeitsmärkte ausgeschöpft sind, also die Nachfrage nach Arbeitskräften schwindet. Doch der Wert ihrer Reproduktion, der durch den Lohn beglichen werden sollte, und dem Wert, den sie in einer bestimmten Arbeitszeit erzeugt. sind zweierlei. Der Produktionsprozess versammelt zwar gesellschaftliche Arbeit indem er fertig entwickelte Arbeitskräfte aus dem Arbeitsmarkt bezieht. Er aber unter dem privaten Kommande des Kapitals. Die Bestimmung ihrer Arbeitszeit unterliegt dieser Betimmungsmacht und erzeugt daher einen Wert, der als Mehrwert weit über ihren Reproduktionswert hinausgeht. Diesen Mehrwert entwickelt das Kapital zu einer eigenständigen Macht, die als seine private Verfügungsmacht weit in alle gesellschaftlichen Formationen hineingreift, auf allen Märkten zu einer politische Gewalt wird und vor allem auch die Rohstoffquellen und Immobilien und Gebühren bestimmt. Der Mehrwert ensteht also im Produktionsprozess und realisiert sich erst auf den Märkten im Preis der Waren, die als Mehrprodukt existieren, so wie sie abgekauft werden. Für das einzelne Kapital, wenn es selbst seine Produkte auf den Markt bringt, erscheint er als Profit, den es aus dem Arbeitsprozess gezogen hat und auf den Warenmärkten mit den möglichen Warenpreisen realisiert. Auf den Finanzmärkten jenseits der Warenmärkte jedoch erscheint er im Zins, der im Handel mit Geld als Bedingung der Kreditierung den vergangenen Mehrwert anteilmäßig soweit einnimmt, wie das Geld eine zukünftige Verwertung dem Anwender verspricht.

Augenscheinlich wird das Auseinanderfallen von Wert und Preis immer wieder mal in der kapitalistischen Krise. Die Mehrwertrate, die eine immer größere Ausbeutung der Menschen nötig hat, je schlechter sich ihre Produkte vermarkten lassen, je billiger sie also sein müssen, desto schlechter geht es der Profitrate, durch welche sich das Kapital in seinem Verwertungsstatus erhalten, seine Wertmasse in Wert halten müsste. Der Fall der Profitrate ist logische Konsequenz und erzeugt einen Teufelskreis, der sich nicht immer wieder durch Merkterweiterungen oder Produktivitätssteigerungen auflösen lässt. Dann wird die Krise total, die Wirtschaft stagniert, die Schulden können nicht mehr bezahlt werden, die Produktion versackt und die Arbeitslosigkeit steigt. Das ist die momentane Lage auf der ganzen Welt. Die Welt ändert sich derzeit so oder so. Es kommt lediglich drauf an, wie wir sie anders haben wollen.

In Krisenzeiten kann man unter ganz bestimmten Umständen durchaus vorrübergehend auf Ersatzsysteme und Prothesen zurückgreifen, z.B. Parallelwährungen, Tauschringe, Umsonstläden, Essenstafeln, Alternativbanken usw.. Zur bloßen Selbsterhaltung kann dies nötig sein. Man sollte sich aber dabei nicht einbilden, dass damit auch nur ein Deut der gesellschaftlichen Realität geändert ist. Im Gegenteil: Je selbständiger die Armen sich selbst helfen, je billiger die Armutsverwaltung wird, desto weniger wird auch die Sozialkasse beansprucht, und je besser die Selbstverwaltung der Armut funktioniert, desto länger kann auch das Kapital seine Krisen austragen. Aber man sieht schon daran: das Szenario ist total. Nicht nur die Wirtschaft ist mit ihrer bisherigen Form am Ende, sondern auch die politische Ökonomie. Existenzen gehen zugrunde und die Politik greift imer härter durch, um die Menschen zu disziplinieren. Der Staat wird zum mehr oder weniger direkten Systemverwalter des Kapitals, um die Marktwirtschaft über abgründe hinwegzutragen, die sie nicht mehr überbrücken kann. Alles wird riskiert und nur noch verschwendet: Die Arbeitszeit der Menschen, die Lebensstrukturen in Stadt und Land und die Natur. Doch die Menschen können das ändern, indem sie sich dieser Luftnummer widersetzen.

Durch sie kann die politische Ökonomie zu einer ökonomische Politik gewendet werden. Diese kann aber nicht mehr marktwirtschaftlich funktionieren, weil sie nicht zwischen Angebot und Nachfrage bestimmen kann. Es verlangt die politische Form einer Wirtschaft, in der ein durchsichtiges Verhältnis zwischen Arbeit und Bedürfnis als offene Beziehung von Inhalt und Form, von Individuum und Gesellschaft, von Produktion und Konsumtion, insgesamt in der Bildung des gesellschaftlichen Reichtums besteht.

Gerade wenn die Konzerne zu behäbig werden und die großen Kapitalauftürmungen zu krisenhaft geworden sind, entstehen im Kleinen überall neue Ideen, Ansätze und Zusammenschlüsse, die sich teilweise schon den Verwertungsinteressen entgegenstellen, durch Selbstausbeutung und Phantasie neue Lebensverhältnisse schaffen, die nicht oder nicht mehr vollständig verwertbar sind, weil sie kommmunale Verbindungen und Güter erzeugen, die sich der Spekulation widersetzen.

In dieser Situation entstehen durchaus zukunftsweisende neue Inhalte, die eine Umkehrung der politischen Ökonomie erreichen könnten. Gerade wo der Niedergang allgemein wahrnehmbar wird, wo die Kommunen verarmen, die Kultur vereinsamt, die Arbeitsstätten veröden, wird die Möglichkeit einer neuen Arbeitsweise und neuer Arbeits- und Lebenszusammenhänge sinnfällig. Wenn hierfür eine Organisationsform ausgemacht wird und eine der Kommunalwirtschaft adäquaten Politik dies aufgreift, könnte eine zunächst lokale ökonomische Politik entstehen, die in internationale Beziehungen und Netzwerke auswachsen wird. Hier wird es weitergehen, weil hier die Lebensräume der Menschen konkret sind und Wertabstraktionen unnötig werden können, sobald sie sich im nötigen Umfang neue Produktionsformen entwickeln, durch welche die Menschen sich selbst erhalten können. Nichts wird wichtiger sein, als die Errichtung einer Subsistenzindustrie, die zuächst erst mal allein in der Lage sein wird, den Zugriff der Spekulation und Verwertungsmächte zu entgehen. - Darüber ein andermal mehr.


(1) Das Resultat der Entwicklung ist so eindeutig, wie es auch lange schon vorhersehbar war. Und neu ist es auch nicht. Schon bei den Verhandlungen in Bretton-Woods zum Ende des zweiten Weltkriegs (1944) hatte Maynard Keynes davor gewarnt und selbst die CDU wollte in ihrer Ahlener Grundsatzerklärung ein System entwickeln, das einen Kapitalismus dieser Art verhindern sollte. Doch wie kommt er in schlechter Regelmäßigkeit immer wieder zustande? Ist es tatsächlich nur eine Frage der Besteuerung, die das lösen könnte? Reichen da politische Eingriffe aus, wie man sie immer schon hätte machen können und oft auch gemacht hat? Ist es nur eine Frage der demokratischen Überzeugung und ihrer politischen Tatkraft?

Die Marktwirtschaft war nach dem zweiten Weltkrieg mit einem Wohlfahrtsstaat ausgestattet und als Wunderkind einer der freien Entwicklung installiert worden, gerade so, wie es der Neoliberalismus formuliert hatte. Die Freie Entwicklung der Geldwerte ist dabei Grundlegend. Wie kann sie zu dem Ende kommen, dass Geld zu einem gesellschaftlichen Unwert führt, der ganze Landschaften und Städte zerstört? Es war doch eigentlich als ein ganz einfaches Zahlungsmittel gedacht, mit dem alle frei gleich hantieren können sollten. Mit der Währungsreform nach dem Zweiten Weltkrieg hatte jeder bzw. jede Deutsche ganze 40 D-Mark bekommen, um die Marktwirtschaft "auf gleicher Augenhöhe" wieder neu in Gang zu setzen. Doch schon bald wurden die schnell reicher, die noch ein sachliches Vermögen wie z.B. Betriebsanlagen oder sachliche Rechte auf Grund- und Hausbesitz hatten. Und mancher Landwirt, der einen Acker gerade mal dort besaß, wo eine Autobahn darüber geplant wurde, wurde schlagartig zum Millionär. Die bloße Geldmenge war es nicht, welche die Menschen reich machte. Es war die Beziehung der gesellschaftlicher Rechtsform auf die einzelne Existenz, die gesellschafliche Rechtsform des Privateigentums, mit dem die einen den Vorteil über das genießen, was den anderen zum Nachteil gereicht. Die Marktwirtschaft gründet auf solchen Besitz, der die Warenbeziehungen auf den Märkten bestimmt. Und wer daraus Geld ziehen und horten kann, der kann mit seinem Geldbesitz allerhand anrichten - oder auch damit auswandern. Er kann alle erpressen, die ohne Geld sind, denn er besitzt das gesellschaftliche Faustpfand, die Wunderwaffe einer jeden Entwicklung.

Bei dem Streit um die Verteilungsgerechtigkeit des Geldes geht es nicht nur um Geldbeträge, sondern auch und vor allem um die Gründe einer Geschichte, die rund um die ganze Welt den größeren Teil der Menschheit verarmen lässt und Bilder eines Elends erzeugt hat, das immer gräßlicher wurde und wird. Mit der Einfuhr von Geld waren Monokulturen und Abhängigkeiten entstanden und mit der Ausfuhr ihrer Produkte die Ausbeutung, welche ganze Kulturen zerstörte und eine Macht befestigte, die ganze Völker der Geldabhängigkeit unterwarfen und fremdem Kapital dienstbar machten. Ihr Reichtum, wie z.B. die Gold- und Silberminen in Peru, die Ölvorräte im mittleren Osten, der Reichtum an Fischbeständen in den Ozeanen usw. wurden unmittelbar in den Besitzstand der Geldbesitzer, vornehmlich der Kreditgeber auf den Aktienmärkten übereignet, die sich weniger für die Gegenwart der Länder interessierten, als für die Zukunft ihrer Ausbeute, die durch Not erwirkt und durch Privatbesitz sanktioniert war. Allein was in den Goldminen in Peru von ihnen angeeignet wurde ist ein tausendfaches des Geldbetrags wert, der dafür eingesetzt wurde. Es ist ein Beispiel, das für alle Aneignungen von Bodenschätzen, Arbeitskräften und Produkten gelten kann, auch für die Gegensätze von armen und reichen Ländern in Europa.

Die Marshallpläne der EU, die Rettungspakete und Fiskalabkommen überzeugen nicht mehr so recht. Mit Schulden kann man keine Schulden bezahlen, weil man mit Geld wedern Geld machen, noch Geld retten kann. Das zeigt sich nicht nur an der Griechenlandpleite, das kennt jeder, der mal knapp bei Kasse war. Wo immer Geld gegeben wird, da muss damit auch etwas erzeugt werden, das einen Wert auf dem Markt hat, wo es gebraucht wird und einen Preis hat, durch den es bezahlbar ist.

(3) Wesentlich ist überhaupt nur das Verhältnis von Geldbesitzern auf der einen und Geldverdiener auf der anderen Seite. Es ist wie ein ehernes Grundgesetz der Geldverhältnisse, dass die Kluft zwischen den Geldbesitzern und denen, die Geld verdienen müssen, immer größer wird. Das ist zwar in der ganzen Marktwirtschaft alltäglich, weil Geld, dessen Entstehung Arbeit vorraussetzt, als bloße Wertmenge leichter Geld anzieht, als es durch Arbeit zu verdienen ist. Inzwischen ist diese Kluft aber in ungeheuerlichen Dimensionen gewachsen, die auch die härtesten Marktwächter den Zusammenbruch des ganzen Finanzsystems befürchten lassen.

(4) Billiglöhne an der untersten Grenze des Existenzminimums und hohe Mieten und Gebühren zehren an der Lebenssubstanz und dem Ersparten von vielen Menschen, Kommunen und Regionen. Das Unrecht zwischen Kapital und Arbeit, das darin besteht, dass der Preis der Arbeitslkraft, also ihr Lohn, niemals dem Wert entspricht, den sie produziert, erscheint immer mehr als ein allmächtiges Unrecht in der Geldverteilung.

Doch es ist zugleich das zynische Recht im Warenhandel, bei dem auch Arbeitskraft als Ware auftritt. Jede Ware hat den Wert, den der Arbeitsaufwand darstellt, mit dem sie herzustellen und zu reproduzieren ist. Und so wird die Arbeitskraft auch meist so bezahlt, dass sie sich und ihre Klasse gerade mal am Leben halten kann, während das Kapital die von ihr produzierten Waren veräußern kann, die auch den Mehrwert enthalten, den sie erzeugt hat. Ungerechte Geldverteilung ist schon immer nur ein Phänomen von dem Unrecht, den das Geld als Zahlungsmittel, als Wertträger, enthält, und dem Maßstab, den es in der Preisbildung als Kaufmittel abgibt. Das Recht oder Unrecht der Geldverteilung ist also immer das Verhältnis der Preisbildung zwischen dem Käufer und Verkäufer auf den Märkten, das Verhältnis von Angebot und Nachfrage der Produkte, die wesentlich immer den Wert der Arbeit haben, die in ihnen veräußert ist.

(5) Das Resultat der Kapitalwirtschaft ist verheerend. Das Kapital gehört verboten! Oder hoch versteuert. Doch es gibt keinen Richter und kein Recht hiergegen. Und schon gar keine Exekutive. Aber würde es eine einfache Marktwirtschaft wirklich anders machen? Wäre die überhaupt anders? Ein großes Misstrauen in die staatlichen und ständischen Kontrollinstanzen ist durch die Machenschaften in den Kontoren einiger Banken entstanden, die auf die ganze derzeitige Krise gestreut werden. So sind diverse Initiativen hiergegen entstanden, teils unter dem Begriff Solidarische Ökonomie, teils als Gemeinwohlökonomie. Das Abzocken und Betrügen soll durch Einrichtungen abgestellt werden, die von der Bevölkerung selbst kontroliert werden. Das versteht man dann unter "demokratisch". Das Wertwachstum soll abgeschafft werden, das versteht man dann unter "marktwirtschaftlich", und der Profit soll nach moralischen Kriterien besteuert und verteilt werden. Und das nennt man dann "gemeinwohlökonomisch". Summa summarum geht es also um eine marktwirtschaftliche Gerechtigkeit, wie sie bisher vermisst wurde: Basisdemokratie bei allen Entscheidungen und die gleiche Beteiligung an den Erlösen bei gleicher Anteilnahme an den Aufwänden. Das klingt ja immerhin schon mal gut.

(6) Felber ist hier ganz psychologischer Kulturkritiker:

"Um die Liebe der Eltern nicht zu verlieren, »entscheiden« sich die meisten Kinder für Gehorsam, und der erste »Befehl« sehr vieler Eltern ist Leistung (und damit Selbstverleugnung). So lernen Kinder schon früh, ihre eigenen Gefühle, Bedürfnisse und Gedanken zu unterdrücken und stattdessen das zu fühlen, denken und wollen, was sie sollen. Das passiert natürlich nicht in Extremen in dem Sinne, dass Kinder sich entweder spüren, reich an Sinn werden und ihr Leben lang intrinsisch motiviert und unabhängig von Moden und Normen bleiben; oder dass sie ihr Inneres verdrängen, ausschließlich fremde Werte hereinnehmen, danach leben und in der Illusion verhaftet bleiben, dass diese »internalisierten«, aber fremden Werte sie zum Glück führen werden. Aber die gesellschaftliche Tendenz geht in diese Richtung. Und das reicht schon aus, dass eine Kultur »falsche« Werte wie Konkurrenz, Profitstreben oder Karrieredenken von Generation zu Generation tradiert und heute noch die Mehrheit glaubt, dass Menschen von Natur aus so seien, bloß weil sich die Mehrheit der Generationskolleginnen, die dazu erzogen wurde, tatsächlich so verhält.Kinder, die nicht gelernt haben, ihre eigenen Gefühle, Bedürfnisse und Gedanken wahrzunehmen, sondern stattdessen für Gehorsam und Leistung mit »Liebe« belohnt zu werden, werden ihr Leben lang weiterversuchen, durch Leistung die Liebe anderer zu erheischen. Sie werden nicht oder nur halbherzig hinterfragen, was sie da eigentlich leisten, und - anstelle von elterlicher Liebe - bald Geld für ihre Leistung annehmen, bis sie fast alles nur noch für materielle Entlohnung machen. So wird den innerlich ärmsten Menschen Geld zum höchsten Gut - eine wichtige erste Erklärung dafür, dass viele besonders reiche Menschen innerlich besonders arm sind.Eine weitere Konsequenz: Wer sich selbst nicht spürt, spürt auch andere - und die Umwelt - nicht. Empathie für andere setzt feine Selbstwahrnehmung voraus. Das ist ein wichtiger Grund, warum erfolgreiche Männer und Frauen oft weniger Skrupel haben, ökonomischen »Erfolg« auf Kosten sozialer und ökologischer Verletzungen durchzusetzen. Innerliche Leere macht äußerlich hart." (Christian Felber: "Gemeinwohlökonomie - die Wirtschaft der Zukunft", Paul Zsolnay Verlag Wien, 2010, S.. 83 f)

(7) Felbers Vorstellungen zu

"Erziehung und Bildung:

Eine der wichtigsten Voraussetzungen und Rahmenbedingungen für das Gedeihen der Gemeinwohl-Ökonomie ist die Erziehung zu neuen Werten, die Sensibilisierung für das eigene Menschsein, die Einübung von sozialer und kommunikativer Kompetenz und die Vermittlung von Achtung vor der Natur. Deshalb schlage ich fünf Pflichtgegenstände für alle Schulstufen vor, die mir allesamt wichtiger erscheinen als die meisten der gegenwärtigen Unterrichtsfächer (oder der jüngste Vorschlag des ÖVP-Vorsitzenden Josef Pröll nach »Financial Education«): Gefühlskunde, Wertekunde, Kommunikationskunde, Demokratiekunde und Naturerfahrenskunde.

a) Gefühlskunde. Hier erfahren Kinder, Gefühle wahrzunehmen, ernst zu nehmen, sich nicht dafür zu schämen, darüber zu sprechen. Die gewaltfreie Kommunikation hat gezeigt, dass Myriaden von Beziehungskonflikten nicht gelöst werden, weil Menschen es nicht schaffen - zumal sie es nie gelernt haben -, über ihre Gefühle und Bedürfnisse zu sprechen. Stattdessen werfen sie denjenigen, die ihre Bedürfnisse nicht erfüllen und Verletzungen auslösen, alle möglichen Dinge an den Kopf, die von den eigenen Bedürfnissen und Gefühlen, um die es eigentlich geht, ablenken und die andere Person verletzen: Eine endlose Verletzungsspirale nimmt ihren Lauf, während das Problem bestehen bleibt, ohne Chance auf Lösung.

b) Wertekunde. Hier werden nicht nur unterschiedliche Werteinstellungen gelehrt und im Sinne der Bildung einer kritischen Vernunft diskutiert, sondern vor allem auch unbewusste Werteinstellungen bewusst gemacht. Beispielsweise lernen Kinder, dass sie miteinander konkurrenzieren können, und welche Auswirkungen das nach sich zieht; oder dass sie kooperieren können, und was das bewirkt. Sie lernen auch die ethischen Grundprinzipien verschiedener philosophischer Strömungen und Religionen.

c) Kommunikationskunde. Hier lernen Kinder zunächst vor allem eines: zuhören. Achten. Ernst nehmen. Sachlich diskutieren ohne persönliche Beleidigungen oder Wertungen. Das mag banal erscheinen, aber von einer wertschätzenden und gewaltfreien öffentlichen Diskussionskultur sind wir Lichtjahre entfernt. Selbst Meinungsbildner und Prominente vergreifen sich flächendeckend im Ton: So wurden Attac und ich zum Beispiel vom führenden Meinungsforscher Peter A. Ulram als »retrolinks«, vom ehemaligen Chefredakteur der Presse, Andreas Unterberger, als »spätpubertär«, vom Kultur-Ressortchef der Presse, Norbert Mayer, als Reiter »tosender Wahnsinnsattacken«, vom Wirtschaftsressortleiter des Standard, Eric Frey, als »martialisch« und »Kommunist«, vom Kolumnisten von Presse und Wiener Zeitung, Christian Ortner, als »kotzpopulistisch« und vom stellvertretenden Chefredakteur des Volksblattes, Manfred Maurer, als »geistiger Ziehvater des Terrorismus« bezeichnet." Würden wir in einer Kultur der sachlichen Argumentation und wertschätzenden Kommunikation aufwachsen, hätten Personen, die so gezielt mit persönlichen Bewertungen vom Inhalt ablenken, keine Chance auf verantwortungsvolle Positionen. In der Kommunikationskunde lernen Kinder aber auch das unterschiedliche Kommunikationsverhalten von Männern und Frauen, um sich Rollenmustern bewusst zu werden und diese ablegen zu können. Oder dass Missverständnisse die Regel sind und es immer einen gewissen Aufwand braucht, um Verständnis herzustellen .

d) Demokratiekunde. »Je besser der Staat verfasst ist, desto mehr siegen im Denken der Bürger die öffentlichen Anliegen vor den privaten ( ... ) Sobald jemand angesichts der staatlichen Angelegenheiten sagt: »Was geht mich das an?« darf man annehmen, dass der Staat verloren ist ( ... ) jedes vom Volk nicht persönlich ratifizierte Gesetz ist nichtig; es ist kein Gesetz.« Diese Sätze von Jean-Jacques Rousseau durchweht ein demokratischer Geist. Und dieser Geist wird an den Schulen derzeit nicht weitergereicht. Demokratie wird als gesichertes Faktum gelehrt, und nicht als fragile, verwundbare Errungenschaft, die jederzeit wieder verlorengehen kann und de facto verlorengegangen ist, weil sich die Mehrheit der Menschen nicht mehr einmischt und sich von der »polis« und »agora« abwendet, aus Ekel, Frust - aufgrund mangelnder Mitbestimmungsmöglichkeiten - und weil andere Lebensinhalte, vor allem Konsum, Vergnügen und Ablenkung, über der Verhandlung der kollektiven Freiheit stehen. Im Unterrichtsfach Demokratiekunde soll gelehrt werden, wie aus vielen Interessen eines wird, mit den geringstmöglichen Abstrichen aller; dass ein wertschätzender Umgang mit den differenten Bedürfnissen anderer die Grundvoraussetzung für eine zufriedenstellende und von der großen Mehrheit mitgetragene Willensbildung ist; dass das Engagement aller gefragt ist, damit sich Partikularinteressen nicht durchsetzen; dass demokratische Verantwortung nicht delegiert werden kann, sondern nur die Umsetzungsbefugnis. Rousseau spitzt es zu: »In dem Augenblick, in dem ein Volk sich Vertreter gibt, ist es nicht mehr frei; es besteht nicht mehr.«

e) Naturerfahrens - oder Wildniskunde. Eine Wirtschaft, die auf immerwährendes Wachstum des Geldes, der Einkommen, der Vermögen und der materiellen Güter setzt, ist krank in dem Sinne, dass sie aus jedem Beziehungsgleichgewicht gefallen ist; sie ist »ab-solut«, lateinisch »los-gelöst« von allen anderen Werten und von ihrer natürlichen Grundlage: den planetaren Ökosystemen. Die Bindungsschwäche und geringe Beziehungsfähigkeit vieler Menschen zu sich selbst, zu anderen Menschen, zu ihrer natürlichen Umwelt und zum großen Ganzen ist der Kern dieser Krankheit. Heilung kann darin bestehen, diese Beziehungen wiederaufzunehmen, zu pflegen und zum Blühen zu bringen, was der sicherste Weg zum Glück ist. Zahllose Menschen aller Kulturen berichten, dass eine intensive, wertschätzende Beziehung zur Umwelt, den Lebewesen, Flüssen, Felsen und Himmelserscheinungen Menschen zu heilen vermag. Einige Stunden intensiv in der Natur verbracht, und der Tag geht mit hoher Wahrscheinlichkeit glücklich zu Ende. In diesem Unterrichtsfach lernen Kinder nicht nur Pflanzen, Tiere, Gewässer und Steine kennen, sie erfahren die heilende Wirkung der Natur am eigenen Leib und an der eigenen Seele: Wind und Regen, Wolken und Wasser, die Sterne, die Blumen, die Berge, die Stille. Wer eine tiefe Verbindung mit der Natur erfährt, für die/den verlieren das Einkaufszentrum, die Börse und vielleicht auch das Auto an Attraktivität. jedenfalls aber kann ein Jahr des Weniger an materiellem Konsum ein Mehr an Lebensqualität und -intensität bringen, auch wenn das aus Sicht klassischer MarktökonomInnen Wirtschaftsverrat, Standortvernichtung und Rückschritt in die Armut bedeutet." (Christian Felber: "Gemeinwohlökonomie - die Wirtschaft der Zukunft", Paul Zsolnay Verlag Wien, 2010, S. 87 ff).

(8) Jedes Wohl ist die Vorstellung von etwas Gutem und verlangt Güte, um es zu erreichen. Da wird dann erst mal das Übel in der Lebensweise oder Kultur oder der persönlichen Verhaltenweisen in der Bevölkerung "entdeckt", gerne mit der Behauptung, sie hätte über ihre Verhältnisse gelebt und insuffizient geworden. Und so wird mit einer Sozialmoral, die das thematisiert, was jedem als Gutes vor Augen steht, an das staatsbürgerliche Bewusstsein gemahnt und an die Bürgerspflicht, für den Wohlstand der Menschen zu sorgen, welchen die Marktwirtschaft gerade zunichte gemacht hatte. Das verlangt eine Aufmotzung der freien menschlichen Persönlichkeit, wie sie im Grundgesetz verfasst ist, zu einem angepassten Bürger, der alles tut, was zur Erhaltung der Verhältnisse nötig erscheint. Die Verhältnisse der politischen Ökonomie bleiben damit nicht nur, wie sie schon waren, sondern werden durch "Korrekturen" mit Moralismen sich von selbst verstehender Allgemeinheiten und Abstraktionen sogar noch aufgewertet und veredelt. Man braucht dazu einen Katalog von erwünschtem Verhalten und Bewusstsein und entsprechende Mittel, ihn verbindlich zu machen. Und es verlangt, dass die Menschen aufhören, eigenen Gedanken nachzugehen, sie auseinanderzusetzen und hieraus einen neuen Sinn für die Verhältnisse zu bilden, in denen sie leben. Der Spießer soll die Welt regieren, der Anstand an die Macht kommen, der Verstand ihm dienstbar sein.